OGH 9ObA244/98t

OGH9ObA244/98t7.10.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter SR Dr. Elisabeth Kahler und Heinrich Dürr als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Gemeinsamer Betriebsrat des C*****Kaufhauses K*****, *****, vertreten durch Dr. Georg Grießer und Dr. Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei C*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Kunz ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unwirksamerklärung einer Kündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. April 1998, GZ 7 Ra 274/97m-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 12. Juni 1997, GZ 22 Cga 173/96t-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 13.725,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 2.287,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Monika W*****war bei der Beklagten als Verkäuferin beschäftigt. Ihre durchschnittliche Arbeitszeit betrug 20 Stunden pro Woche; sie verdiente S 9.099 brutto monatlich. Mit Schreiben vom 13. 8. 1996 bot die Beklagte, über die am 10. 5. 1996 das Ausgleichsverfahren eröffnet worden war, den in der Gehaltsstufe f des Kollektivvertrages für Handelsangestellte eingestuften Arbeitnehmern des Standortes K***** den Abschluß neuer Arbeitsverträge auf der Grundlage einer Einstufung in die Gehaltstafel a des Kollektivvertrages zuzüglich einer Überzahlung an. Für den Fall der Ablehnung dieses Anbotes wurde die Kündigung angedroht. Der von der Kündigungsabsicht verständigte Betriebsrat erhob dagegen Widerspruch. Monika W*****, der ein Arbeitsvertrag mit einem monatlichen Entgelt von S 8.481,61 brutto angeboten wurde, lehnte dieses Anbot ab. Sie wurde daraufhin mit Schreiben vom 28. 8. 1996, ihr zugegangen am 29. 8. 1996, zum 31. 12. 1996 gekündigt. Bereits am 23. 11. 1995 wurde zwischen den Bundesgremien der Warenhäuser und der Gewerkschaft der Privatangestellten eine "Regelung zum Kollektivvertrag" der Handelsangestellten vereinbart, nach der Arbeitnehmer, die in die Gehaltstafel f des Kollektivvertrages eingereiht sind, nicht gekündigt werden dürfen, um sie durch im Geltungsbereich der Gehaltstafel a des Kollektivvertrages neu eingestellte Arbeitnehmer zu ersetzen. Diese Vereinbarung wurde jedoch weder beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales hinterlegt, noch in der Wiener Zeitung kundgemacht.

Der klagende Betriebsrat begehrt, die Kündigung für rechtsunwirksam zu erklären, sodaß das Dienstverhältnis über den 31. 12. 1996 hinaus aufrecht fortbestehe. Soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, stützt er sich zum einen auf die Regelung zum Kollektivvertrag vom 23. 11. 1995 und leitet daraus die Unwirksamkeit der Kündigung ab, die erfolgt sei, weil die Klägerin die in der Einstufung in die Gehaltstafel a liegende kollektivvertragswidrige Kürzung ihrer Bezüge abgelehnt habe. Zum anderen ficht er die Kündigung als sozialwidrig an.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Zusatzvereinbarung zum Kollektivvertrag vom 23. 11. 1995 mangels ordnungsgemäßer Hinterlegung und Kundmachung für die Beklagte, die diese Vereinbarung nicht als Partei unterzeichnet habe, keine Normwirkung entfalte; die Kündigung sei auch nicht sozialwidrig, weil es der Klägerin zumutbar gewesen wäre, das Anbot auf Abschluß eines Arbeitsvertrages mit einem um weniger als 10 % reduzierten Einkommen anzunehmen, weshalb von einer wesentlichen Beeinträchtigung der Interessen der Klägerin nicht ausgegangen werden könne. Diese Rechtsauffassung ist zutreffend, sodaß es insofern ausreicht, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Revisionsausführungen entgegenzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Daß die Kündigung angefochten werde, weil sie wegen eines verpönten Motivs (§ 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG) erfolgt sei, ist dem erstinstanzlichen Vorbringen der klagenden Partei nicht zu entnehmen. Richtig ist allerdings, daß in der Klage ua davon die Rede ist, daß das von der Klägerin abgelehnte Vertragsanbot auf einer kollektivvertragswidrigen Einstufung beruht habe, wobei aber immer nur von der (keine Normwirkung entfaltenden) Zusatzvereinbarung vom 23. 11. 1995 die Rede ist, aber in keiner Weise zum Ausdruck gebracht wird, daß die angebotene Einstufung dem Kollektivvertrag als solchem widersprochen habe. Selbst wenn man aber in diesem Vorbringen eine wirksame Anfechtung der Kündigung wegen eines verpönten Motivs (§ 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG) erblicken wollte, wäre für die klagende Partei nichts gewonnen, weil das Erstgericht diesen Anfechtungsgrund nicht behandelt und die klagende Partei diesen Umstand in ihrer Berufung nicht bekämpft hat. Die in der zweiten Instanz unterlassene Rechtsrüge kann aber in dritter Instanz nicht mehr nachgeholt werden (EFSlg 57.836; SZ 62/215; zuletzt 9 ObA 34/98k). Auch auf einen dem Verfahren anhaftenden Mangel des Verfahrens erster Instanz (Verletzung der Anleitungspflicht) kann sich der Revisionswerber in diesem Zusammenhang schon deshalb nicht berufen, weil Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens, die nicht Gegenstand der Berufung waren, ebenfalls nicht mehr mit Revision geltend gemacht werden können (SZ 66/95).

Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, die Zusatzvereinbarung vom 23. 11. 1995 entfalte für die Beklagte keine Normwirkung, wird vom Revisionswerber nur mehr mit dem Vorbringen bekämpft, daß der Beklagten - was die angebotenen, aber nicht einvernommenen Zeugen hätten bestätigen können - die Zusatzvereinbarung bekannt gewesen sei, und daher zwischen ihr und der Klägerin einzelvertragliche Wirkung entfaltet habe. Abgesehen davon, daß sich die klagende Partei auf eine solche Wirkung der Vereinbarung nie gestützt hat, kann der Umstand, daß die Vereinbarung der Beklagten bekannt war, für sich allein die Annahme einer konkludenten Ergänzung des mit der Klägerin bestehenden Einzelvertrages nicht bewirken. Weitere Behauptungen wurden aber dazu nicht aufgestellt. Auf die hilfsweise vom Berufungsgericht angestellten Überlegungen zur Auslegung der Zusatzvereinbarung kommt es daher nicht an.

Im übrigen ist den Ausführungen des Berufungsgerichtes hinzuzufügen, daß das Wirksamwerden des Kündigungsschutzes des § 105 ArbVG eine rechtswirksame Kündigung voraussetzt. Ist eine Kündigung rechtsunwirksam, bedarf der Arbeitnehmer keines weiteren Schutzes vor der Kündigung; ein zusätzliches Anfechtungsrecht wäre sinnlos. Ist daher die Kündigung nach vertragsrechtlichen Grundsätzen rechtsunwirksam, kommt eine Anfechtung iS § 105 ArbVG durch den Betriebsrat nicht in Betracht; vielmehr ist in diesem Fall eine Feststellungsklage zu erheben (Schwarz in Cerny/Haas-Laßnigg/Schwarz, ArbVG II 192,194; Ris-Justiz RS0039015). Eine solche Klage könnte der Betriebsrat aber nur - wenn überhaupt - im Rahmen seines Klagerechtes nach § 54 Abs 1 ASGG erheben (vgl dazu Eypeltauer, Das besondere Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 1 ASGG, JBl 1987, 490 ff [493]). Bei der vorliegenden Klage, die sich gegen die Kündigung nur einer Arbeitnehmerin wendet, handelt es sich aber um keine iS der zitierten Bestimmung erhobene Feststellungsklage. Damit ist aber der klagende Betriebsrat - soweit er mit der Klage die Unwirksamkeit der Kündigung einer einzigen Arbeitnehmerin wegen Vertragswidrigkeit geltend macht - nicht klagslegitimiert.

Im hier zu beurteilenden Fall ist im Hinblick auf die Unanwendbarkeit der Zusatzvereinbarung vom 23. 11. 1995 entgegen dem Standpunkt des klagenden Betriebsrates von der Rechtswirksamkeit der Kündigung auszugehen, sodaß sie von ihm als sozialwidrig iS § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG angefochten werden kann. Diese Anfechtung wurde von den Vorinstanzen aber zu Recht als unberechtigt erkannt. Sie haben zutreffend darauf verwiesen, daß bei einer Änderungskündigung vorerst zu prüfen ist, ob dem Arbeitnehmer die Annahme des Angebotes des Arbeitgebers zur Änderung der Arbeits- oder Entgeltbedingungen zumutbar ist. Ist dies der Fall, liegt in der Kündigung wegen Nichtannahme dieses Angebotes keine soziale Beeinträchtigung (Schwarz, aaO 227f unter Hinweis auf infas 1991 A 100). Im vorliegenden Fall betrug die der Arbeitnehmerin vom im Ausgleich befindlichen Arbeitgeber vorgeschlagene Bezugskürzung nur S 617,39 brutto monatlich, somit also nur 6,78 % ihres bisherigen Einkommens. Eine derartige Einkommenseinbuße wird aber von der Rechtsprechung nicht als ausreichend erachtet, um eine Anfechtung der Kündigung als sozialwidrig begründen zu können, zumal jeder Arbeitnehmer Einkommensschwankungen in dieser Größenordnung im Lauf seines Arbeitslebens hinnehmen muß (Schwarz, aaO 228; SZ 65/43; Arb 10.347; Arb 9479). Der in der Revision angestellte Vergleich des der Klägerin für eine Halbtagsbeschäftigung angebotenen Entgelts mit dem Existenzminimum (§ 291a EO) ändert daran nichts, weil der der Klägerin angebotene Bezug - abgesehen davon, daß er nur geringfügig niedriger ist, als das bisherige Monatsentgelt - im Hinblick auf die offerierte Überzahlung noch immer über dem kollektivvertraglichen Entgelt nach der Gehaltstafel a liegt. Der Klägerin wäre daher zumutbar gewesen, zur Vermeidung der Kündigung das Änderungsangebot der Beklagten anzunehmen, sodaß iS der dargestellten Rechtslage eine für die erfolgreiche Anfechtung der Kündigung erforderliche wesentliche Beeinträchtigung der Interessen der Klägerin zu verneinen ist.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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