OGH 8ObA49/99k

OGH8ObA49/99k18.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter OLWR Dr. Hans Lahner und Walter Scheed als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Gerhard B*****, Koch, ***** vertreten durch Dr. Hans Werner Mitterauer, Kammer für Arbeiter und Angestellte für Salzburg, Salzburg, Markus-Sittikus-Straße 10, dieser vertreten durch Dr. Peter Cardona, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Erich D*****, *****, vertreten durch Dr. Wilhelm Traunwieser und andere Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 11.020,84 netto und S 39.180,75 brutto (Revisionsinteresse S 8.636,36 netto sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3. November 1998, GZ 12 Ra 250/98s-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 11. August 1998, GZ 18 Cga 69/98d-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung - einschließlich des in Rechtskraft erwachsenen stattgebenden Teiles - zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger zu Handen des Klagevertreters S 11.020,84 netto und S 39.180,75 brutto jeweils samt 4,5 % Zinsen (aus den Nettobeträgen) ab 21. 11. 1997 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Der Beklagte ist weiters schuldig, der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Salzburg S 5.800,-- und S 3.800,-- an Aufwandersatz sowie Barauslagen von S 2.910,-- binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 2.436,48 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 406,08 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war beim Beklagten als Koch mit einem Monatsnettolohn von S 19.000,--, zahlbar 14 x jährlich (dies entspricht einem Bruttolohn von S 29.105,70) vom 6. 5. 1996 bis 20. 11. 1997 beschäftigt. Vereinbart war eine Arbeitswoche von 5 Tagen. Am 6. 11. 1997 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 20. 11. 1997. Am 6. und 7. 11. 1997 hat der Kläger noch gearbeitet. Sodann hatte er am Samstag, Sonntag und Montag frei. Am Montag wurde er vom Beklagten angerufen, der ihm mitteilte, daß er nicht mehr zur Arbeit erscheinen müsse und zwar aufgrund der zehn offenen Ruhetage. Der Kläger teilte dem Beklagten mit, daß er arbeiten wolle.

Insgesamt wurden dem Kläger zehn Ruhetage bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht gewährt.

Der Kläger begehrte den Zuspruch des aus dem Urteilsspruch ersichtlichen Betrages für restliches Entgelt, Sonderzahlungen, Urlaubsentschädigung und - soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist - einen Teilbetrag von S 8.636,36, netto als finanzielle Abgeltung für zehn nicht gewährte Ruhetage, die am Ende des Arbeitsverhältnisses noch offen gewesen seien.

Das Erstgericht sprach dem Kläger aufgrund der eingangs wiedergegebenen und weiterer - für die Revisionsentscheidung unerheblicher - Feststellungen S 2.384,48 netto und S 39.180,75 brutto sA - dieser Teil ist in Rechtskraft erwachsen - zu und wies das Mehrbegehren von S 8.636,36 netto sA ab.

Rechtlich führte hiezu das Erstgericht aus, die Ruhetage habe der Kläger aufgrund der Anordnung des Beklagten verbraucht. Anders als bei einem offenen Urlaubsanspruch sei davon auszugehen, daß es für die Konsumation noch offener Ruhetage keiner Vereinbarung bedürfe und diese Ruhetage auch aufgrund einer einseitigen Anordnung während der Kündigungsfrist konsumiert werden müßten. Dies unabhängig davon, daß sich der Kläger arbeitsbereit erklärt habe.

Das Berufungsgericht gab der nur aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers gegen die Abweisung des Teilbegehrens von S 8.636,36 netto sA nicht Folge und erklärte die ordentliche Revision für zulässig.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, es sei zwar richtig, daß ein Arbeitnehmer, der während seiner wöchentlichen Ruhezeit beschäftigt werde, in der folgenden Arbeitswoche Anspruch auf Ersatzruhe habe, die auf seine Wochenarbeitszeit anzurechnen sei. Wenn ein Arbeitnehmer während der Ersatzruhe gemäß § 6 Abs 1 ARG beschäftigt werde, so sei diese Ersatzruhe im ensprechenden Ausmaß zu einer anderen, einvernehmlich festgesetzten Zeit nachzuholen (§ 6 Abs 3 ARG). Grundsätzlich habe die Ersatzruhe unmittelbar vor dem Beginn der folgenden wöchentlichen Ruhezeit zu liegen, soweit vor Antritt der Arbeit, für die Ersatzruhe gebühre, nichts anderes vereinbart worden sei (§ 6 Abs 5 ARG). Die Regelung des ARG über den Anspruch auf Ersatzruhe trage dem öffentlichen Interesse an der Regeneration der Arbeitskraft der Arbeitnehmer aus arbeitsmedizinischen und volksgesundheitlichen Überlegungen Rechnung. Werde während der Ersatzruhe zulässigerweise eine Arbeitsleistung erbracht, falle der Anspruch auf Ersatzruhe nicht weg, sondern es werde die Möglichkeit eingeräumt die Ersatzruhe zu verschieben. Der nun anstelle der ursprünglich vorgesehenen Ersatzruhe zu wählende Ersatzruhezeitraum sei einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer festzulegen (§ 6 Abs 3 ARG), wobei aber aus Gründen der Wahrung des Erholungsinteresses des Arbeitnehmers eine Verschiebung nicht allzu weit in die Zukunft erfolgen dürfe. In der Regel sei wohl die nächste Woche nach der ersten, der Störung folgenden Arbeitswoche für die Ersatzruhe zu wählen. Sei der Arbeitgeber zur konkreten Festsetzung eines weiteren Termins der Ersatzruhe nicht bereit, so könne der Arbeitnehmer unter anderem nach vorheriger Anzeige an den Arbeitgeber die Ersatzruhe "einseitig" konsumieren, sofern dadurch dem Betrieb kein Schaden entstehe. Sonst verbleibe dem Arbeitnehmer nur die Möglichkeit, Anzeige an das Arbeitsinspektorrat zu erstatten oder seinen berechtigten Austritt zu erklären.

Im Gegensatz zum Urlaubsrecht sei eine finanzielle Abgeltung nicht gewährter Ruhezeiten im ARG nicht vorgesehen. Dies könne mit den oben angeführten Überlegungen zu den Zwecken der Gewährung von Ersatzruhe erklärt werden. Diese schlössen sowohl eine finanzielle Abgeltung der Wochend-, der Wochen- und der Ersatzruhe, als auch ein Horten von Ersatzruheansprüchen grundsätzlich aus. In der Entscheidung 9 ObA 75/90 habe der Oberste Gerichtshof offengelassen, ob der Arbeitnehmer nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus dem Nichtverbrauch der Ersatzruhezeiten Bereicherungsansprüche gegen den Arbeitgeber geltend machen könne. Ein Bereicherung des Arbeitgebers sei jedoch zu verneinen, wenn er die Arbeitskraft des Arbeitnehmers während eines Zeitraums, der der Ersatzruhezeit entspreche, nicht in Anspruch genommen habe. Folgerichtig gelange man zum Ergebnis, daß der mögliche Bereicherungsanspruch aus der Nichtgewährung von Ersatzruhezeiten auch dann erlösche, wenn der Arbeitgeber verspätet und gegen den Willen des Dienstnehmers Ersatzruhezeiten anordne. Damit werde auch dem Zweck der Ersatzruhe zum Durchbruch verholfen, aus arbeitsmedizinischen und volksgesundheitlichen Überlegungen der Regeneration der Arbeitskraft des Arbeitnehmers den Vorzug gegenüber einem Horten von Ersatzruhezeiten bzw einer finanziellen Abgeltung einzuräumen.

Die ordentliche Revision sei zulässig, da die Entscheidung von einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG abhänge. Die angeführte Entscheidung lasse offen, ob dem Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus den nicht verbrauchten Ersatzruhezeiten Bereicherungsansprüche gegen den Arbeitgeber zustünden. Es sei auch nicht die Frage gelöst worden, unter welchen Voraussetzungen ein Bereicherungsanspruch zustehe bzw wann er erlösche. Im übrigen sei die angeführte Entscheidung in der Lehre kritisiert worden (B. Schwarz ARG3 205).

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Berufungsentscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG zulässig, sie ist auch berechtigt.

Bei der Teleologie des Arbeitsrechtes ist sein besonderes systembildendes Merkmal, nämlich das Anliegen des Gesetzgebers, die in persönlicher Abhängigkeit tätigen Arbeitnehmer gegen mögliche Benachteiligungen zu schützen, zu beachten; es ist ein "Sonderprivatrecht für Ungleichgewichtslagen", um die typische Unterlegenheit des Arbeitnehmers durch die Gewährleistung von rechtlichen Mindeststandards (vgl zB § 40 AngG; § 3 Abs 1 ArbVG uva) auszugleichen. Daher ist die einseitige Rechtsgestaltung durch den Arbeitgeber - abgesehen von der Ausübung einseitiger, zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führender Gestaltungsrechte (Kündigung, Entlassung) - nur in sehr engem Rahmen und unter besonderen Voraussetzungen zur Vermeidung einer Benachteiligung des Arbeitnehmers zulässig.

Dieses Ergebnis, wonach nur ausnahmsweise dem Arbeitgeber ein solches einseitiges Gestaltungsrecht zusteht, wird auch durch § 15c Abs 7 MSchG und § 8 Abs 7 EKUG bestätigt, wonach bei einem Nichtzustandekommen einer Einigung über die Teilzeitbeschäftigung eine richterliche Gestaltung zu erfolgen hat. Diese Überlegungen zeigen, daß ein einseitiges Gestaltungsrecht - Arbeitsfreistellung des Arbeitgebers in der Kündigungsfrist zum Verbrauch angesammelter Ersatzruhezeiten - völlig systemwidrig wäre und den vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Wege des Einvernehmens anzustrebenden Interessenausgleich (auch unter Berücksichtigung der besonderen Zwecke des ARG) verfehlte. Mit diesen gesetzlichen Grundwertungen ist die von den Vorinstanzen angenommene Möglichkeit der einseitigen Festsetzung der Ersatzruhe im Sinne des § 6 ARG durch den Arbeitgeber, unvereinbar. § 6 Abs 3 und 5 ARG verdeutlicht dies durch den Hinweis auf die einvernehmliche Festsetzung bzw die vor Antritt der Arbeit, für die Ersatzruhe gebührt, zu treffende anderweitige Vereinbarung. Insoweit ist die gesetzliche Regelung parallel zu § 4 Abs 1 UrlG und der Rechtsprechung, wonach eine einseitige Dienstfreistellung (insb während der Kündigungsfrist) durch den Arbeitgeber einen Anspruch auf Urlaubsentschädigung (Urlaubsabfindung) nicht mindert; lediglich bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber mit einer Kündigungsfrist von zumindest drei Monaten ist die Zumutbarkeit des Urlaubsverbrauches als negative Bedingung eines Anspruches auf Urlaubsentschädigung zu prüfen (§ 9 Abs 1 Z 4 UrlG; vgl Kuderna, Urlaubsrecht2 89). Die Vereinbarung eines Urlaubsverbrauches während einer im voraus zeitlich nicht eingeordneten Kündigungsfrist - also insbesondere eine im Arbeitsvertrag getroffene Vereinbarung, einen allfälligen Resturlaub während der Kündigungsfrist zu verbrauchen - verstößt gegen § 4 Abs 1 UrlG und ist daher rechtsunwirksam (Arb 10.845 = SZ 63/18 = ecolex 1990, 432; Kuderna aaO). Die zu erwägende Realannahme eines Angebotes des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer solle seinen Resturlaub während der (drei Monate und längeren) Kündigungsfrist und einer Dienstfreistellung verbrauchen (WBl 1998, 454; 8 ObA 282/95; 9 ObA 140/95) scheidet für eine Analogie beim Verbrauch der Ersatzruhe dann aus, wenn der Arbeitnehmer - wie im vorliegenden Fall - sich arbeitsbereit erklärt. Dadurch wird die Deutung des Arbeitnehmerverhaltens als schlüssige Zustimmung zum Verbrauch der Ersatzruhe im Sinne des § 863 Abs 1 ABGB ausgeschlossen.

Wenn der Arbeitgeber in der irrigen Annahme, ihm stehe ein einseitiges Gestaltungsrecht über den Verbrauch der Ersatzruhe durch den Arbeitnehmer in der Kündigungsfrist zu, den leistungsbereiten Arbeitnehmer an der Erbringung der Arbeitsleistung hindert, so steht dem Arbeitnehmer gemäß § 1155 Abs 1 ABGB ein Entgeltanspruch zu; mit anderen Worten kann der Arbeitgeber die auch während der Kündigungsfrist bestehende Arbeitspflicht des Arbeitnehmers und seine Entgeltzahlungspflicht nicht dadurch beseitigen, daß er einseitig den Verbrauch der Ersatzruhe anordnet. Die aus einem anderen Rechtsgrund heraus geleistete Zahlung ist auf diesen fortdauernden Entgeltanspruch bei aufrechtem Arbeitsverhältnis nicht anzurechnen.

Der Kläger hat in seiner Klage zwar eine "finanzielle Abgeltung für zehn nicht gewährte Ruhetage" gefordert, jedoch vorweg vorgebracht, "er sei während der Dauer der Kündigungsfrist arbeitsbereit gewesen, aber vom Beklagten nicht zur Arbeit zugelassen worden" (ON 1 AS 3). Er hat sich damit nicht auf einen bestimmten Rechtsgrund ausschließlich festgelegt (DRdA 1990/37, 349; SZ 47/11; zum abzulehnenden dreigliedrigen Streitgegenstand siehe auch Rechberger in Rechberger ZPO Rz 16 vor § 226), wodurch der Zuspruch von Entgelt aus dem nach dem Grundsatz der allseitigen rechtlichen Prüfung heranzuziehenden Rechtsgrund gemäß § 1155 Abs 1 ABGB keineswegs ausgeschlossen wird.

Der Höhe nach bestimmt sich der Entgeltanspruch des Klägers nach dem festgestellten Monatslohn von S 19.000,-- netto; wegen der Nettolohnvereinbarung ist auf einen allfälligen Unterschied beim Lohnsteuerabzug für laufendes Entgelt und sonstige Bezüge, die bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses anfallen ("Abfindungen" im Sinne § 67 Abs 6 EStG) nicht Bedacht zu nehmen.

Mit einer alternativen rechtlichen Begründung läßt sich der Anspruch des Klägers ebenfalls bejahen. In der Entscheidung 9 Ob 157/98y hat der Oberste Gerichtshof im Falle der unmöglich gewordenen Konsumation von Ersatzruhezeiten im Wege der Vorteilsausgleichung einen Geldanspruch in der Höhe als berechtigt angesehen, wie ihn der Arbeitnehmer bei Konsumation während aufrechten Arbeitsverhältnisses verdient hätte (vergleichbar dem Ausfallprinzip). Der denkbare Einwand des Arbeitgebers, der Kläger habe den Verbrauch der Ersatzruhezeiten innerhalb der Kündigungsfrist "vereitelt", weshalb ihm aus der Rechtsfigur des stellvertretenden commodum (§ 1447 dritter Satz ABGB) kein Anspruch zustehe, wird dadurch widerlegt, daß, wie schon zuvor ausführlich dargelegt worden ist, dem Arbeitgeber ein einseitiges Anordnungsrecht zum Verbrauch der Ersatzruhezeiten nicht zusteht.

Die Kostenentscheidung gründet sich hinsichtlich der Kosten des Revisionsverfahrens auf die §§ 41, 50 ZPO; im übrigen auf § 58a ASGG in Verbindung mit dem Aufwandersatzgesetz und der hiezu ergangenen Verordnung.

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