OGH 14Os7/99

OGH14Os7/9916.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. März 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Aichinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Andreas L***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Jugendgerichtshofs Wien als Schöffengericht vom 15. Oktober 1998, GZ 3 Vr 240/96-167, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, des Angeklagten, seiner gesetzlichen Vertreterin Monika L***** und des Verteidigers Dr. Rast zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch über den Angeklagten Andreas L***** aufgehoben und im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Andreas L***** wird für die im Ersturteil näher bezeichneten strafbaren Handlungen nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB unter Anwendung der §§ 5 Z 4 JGG; 28 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 (drei) Monaten verurteilt.

Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren bedingt nachgesehen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 18. März 1997, GZ 3 Vr 240/96-116, wurde Andreas L***** der Verbrechen des teils versuchten, teils vollendeten (ergänze: schweren) Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall und 15 StGB (A I 2 und A II 1) und des teils versuchten, teils vollendeten (minderschweren) Raubes nach §§ 142 (ergänze: Abs 1 und) Abs 2, 15 StGB (A I 1 und A II 2) sowie des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (B) schuldig erkannt und zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Die ursprünglich im Strafausspruch vom verkündeten Urteil abweichende Urteilsurschrift wurde mittlerweile diesem angeglichen (S 495 ff/II).

Der Oberste Gerichtshof hob mit dem Urteil vom 10. März 1998, GZ 14 Os 26/98-6, das oben bezeichnete Urteil ua hinsichtlich des Angeklagten Andreas L***** gemäß § 290 Abs 1 StPO im Schuldspruch A I 1, A II 2 und B sowie im Strafausspruch auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurück.

Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil wurde ua der Angeklagte L***** im zweiten Rechtsgang der von der Urteilsaufhebung umfaßten Raubfakten (A I 1 und A II 2 des Ersturteils) neuerlich schuldig gesprochen, während er vom Anklagevorwurf der versuchten Nötigung (B des Ersturteils) gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen wurde. Anstatt den in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch zu A und A 1 des Ersturteils dem Erkenntnis des zweiten Rechtsgangs unverändert zugrunde zu legen, fällte der Jugendgerichtshof Wien einen deckungsgleichen Schuldspruch auch hinsichtlich dieser Taten, doch gereicht dieser Umstand dem Angeklagten nicht zum Nachteil (RZ 1980/14).

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der Vorschrift des § 260 Abs 1 Z 2 StPO unterließ der Jugendgerichtshof Wien den Ausspruch, welche strafbare Handlung der Angeklagte durch die - jeweils selbständigen und unterschiedlich zu qualifizierenden - vom Schuldspruch umfaßten Taten (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) begangen habe, sondern faßte - ersichtlich aus einem Mißverständnis der nur für wertqualifizierte Delikte geltenden Bestimmung des § 29 StGB - die rechtliche Qualifikation aller Raubtaten mit den Worten "das Verbrechen des teils versuchten, teils vollendeten schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 142 Abs 2 und 143 (2. Fall) und 15 StGB, teilweise in der Begehungsform nach § 12 (3. Fall) StGB" zusammen. Auch dieser - den Angeklagten im übrigen nicht belastende - Formfehler bot keinen Anlaß für ein Vorgehen nach § 290 Abs 1 StPO.

Gleiches gilt für die der Vorschrift des § 260 Abs 1 Z 1 StPO widerstreitende Unterlassung des Ausspruchs, daß die Angeklagten die Raubtaten zu A I 1 und A II 2 des Ersturteils ohne Anwendung erheblicher Gewalt an Sachen geringen Wertes begangen haben, wobei die Taten nur unbedeutende Folgen nach sich zogen, weil die Privilegierung nach § 142 Abs 2 StGB hinsichtlich dieser Fakten in der rechtlichen Beurteilung klargestellt wurde.

Obwohl der Angeklagte im ersten Rechtsgang mit einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von bloß drei Monaten belegt worden war, verhängte der Jugendgerichtshof Wien im zweiten Rechtsgang eine Freiheitsstrafe von vier Monaten, welche er gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah.

Diesen Strafausspruch bekämpfen sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft zu dessen Gunsten mit einer auf den Nichtigkeitsgrund der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt:

Wurde in Stattgebung einer Nichtigkeitsbeschwerde das Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an ein Gericht erster Instanz verwiesen, so ist nach der Anordnung des § 293 Abs 3 StPO die Bestimmung des § 290 Abs 2 StPO auch für das auf Grund der neuen Hauptverhandlung ergehende Urteil maßgebend. Demnach darf das Gericht im zweiten Rechtsgang keine strengere Strafe verhängen, als das aufgehobene Urteil ausgesprochen hatte, sofern die Nichtigkeitsbeschwerde lediglich zugunsten des Angeklagten ergriffen und auch keine Berufung zum Nachteil des Angeklagten erhoben worden war (Verbot der reformatio in peius). Eine Verletzung des Verschlimmerungsverbotes begründet Nichtigkeit des Urteils nach § 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO (11 Os 73/90).

In Stattgebung der Strafbemessungsrügen war daher das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt zu bleiben hatte, im angeführten Umfang aufzuheben und mit Strafneubemessung hinsichtlich des Angeklagten vorzugehen.

Auf der Basis der - schon vom Schöffengericht weitgehend (eine mehrfache Raubqualifikation liegt nicht vor) zutreffend - festgestellten Strafzumessungsgründe (mildernd: Teilgeständnis, bisher ordentlicher Lebenswandel, langes Zurückliegen der Tat und seitheriges Wohlverhalten, teilweise bloß Versuch sowie in einem Faktum bloß untergeordnete Beteiligung; erschwerend: Wiederholung der Raubangriffe) erachtete der Oberste Gerichtshof eine dreimonatige Freiheitsstrafe - also eine solche, wie sie das Erstgericht im ersten Rechtsgang verhängt hatte - schuldangemessen (§ 32 StGB).

Die - schon wegen des Verschlimmerungsverbotes notwendige - bedingte Strafnachsicht war spezial- und generalpräventiv gerechtfertigt. Dabei konnte angesichts des beim Angeklagten ohne sein Verschulden bewirkten späteren Beginnes der Probezeit diese auf zwei Jahre verkürzt werden.

Seine Berufung war damit gegenstandslos.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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