Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch des Angeklagten Harald W*** aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:
Der Angeklagte wird für die im Ersturteil näher bezeichneten strafbaren Handlungen gemäß dem § 129 StGB unter Anwendung des § 5 Z 4 JGG und des § 28 StGB sowie unter Bedachtnahme gemäß den §§ 31 und 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 19. Februar 1990, GZ 4 a E Vr 2979/89-31, zu einer Zusatz-Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt. Gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB wird die verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Harald W*** auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Die Angeklagten Gerhard F*** (geboren am 9. März 1970), Harald W*** (geboren am 25. August 1972), Helmut W*** (geboren am 4. August 1971) und Karl U*** (geboren am 28. Jänner 1971) waren mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 12. Juni 1989, GZ 4 a Vr 200/89-37, im ersten Rechtsgang des Verbrechens des versuchten Raubes nach den §§ 15, 142 Abs. 1 StGB (Punkt I./ des Urteilssatzes), Harald W*** überdies des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z 1 und 15 StGB (Punkt II./ des Urteilssatzes) sowie des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach dem § 136 Abs. 1 StGB (Punkt III./ des Urteilssatzes), Karl U*** auch des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach dem § 136 Abs. 1 und 2 StGB (Punkt IV./ des Urteilssatzes) schuldig erkannt worden.
Nach Teilaufhebung dieses Urteils im Schuldspruch zu Punkt I./ des Urteilssatzes (wegen versuchten Raubes) und im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) mit Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 17.Oktober 1989, AZ 11 Os 107,113/89, und Zurückverweisung der Strafsache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht wurden im zweiten Rechtsgang mit dem angefochtenen Urteil die vier angeführten Angeklagten von dem wider sie erhobenen Raubvorwurf gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Für die Delikte, welche dem bereits im ersten Verfahrensgang in Rechtskraft erwachsenen Teil des Schuldspruches vom 12. Juni 1989 zugrundelagen, wurde der Angeklagte Harald W*** nach dem § 129 StGB unter Anwendung der §§ 28 StGB und 5 Z 4 JGG sowie unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 19. Februar 1990, GZ 4 a E Vr 2979/89-31, gemäß den §§ 31 und 40 StGB zu einer (Zusatz-)Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt; dagegen sah das Erstgericht, das insoweit auch auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 29. Jänner 1990, AZ 4 a E Vr 2537/89, Bedacht nahm, von der Verhängung einer Zusatzstrafe über Karl U*** gemäß dem § 40 StGB ab. Daß das Erstgericht dabei den Strafausspruch durch Wiederholung des bezughabenden Schuldspruches einleitete, obwohl es lediglich diesen unangefochten gebliebenen Schuldspruch (unter Bedachtnahme auf die Vorverurteilungen) durch einen Strafausspruch zu ergänzen hatte, gereicht den erwähnten Angeklagten nicht zum Nachteil, weil dieser - wiewohl formal verfehlten - Wiederholung nach Lage des Falles nur illustrativer Charakter und nicht die Bedeutung einer (gegen den Grundsatz der materiellen Rechtskraft verstoßenden) neuerlichen Verurteilung wegen derselben Taten zukommt (vgl dazu insbesondere 14 Os 101/88).
Dieses Urteil wird vom Angeklagten Harald W*** mit einer ausschließlich auf die Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft, die sich zum Teil als begründet erweist.
Rechtliche Beurteilung
Zu Recht releviert der Beschwerdeführer, der im ersten Rechtsgang zu einer - gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB (unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren) bedingt
nachgesehenen - Freiheitsstrafe in der Dauer eines Jahres verurteilt worden war, daß auf Grund des Verschlimmerungsverbotes über ihn auch im nunmehrigen zweiten Rechtsgang keine unbedingte Freiheitsstrafe hätte verhängt werden dürfen. Denn die Bestimmungen der §§ 290 Abs. 2, 293 Abs. 3 StPO, in denen der Grundsatz des Verbotes der reformatio in peius (= Verschlimmerungsverbot) für das Nichtigkeitsverfahren und daraus resultierende weitere Rechtsgänge verankert ist, schließen die Verhängung einer strengeren Strafe als der im früheren Urteil ausgesprochen gewesenen Sanktion für den Fall aus, daß die Nichtigkeitsbeschwerde - wie hier - lediglich zu Gunsten des Angeklagten ergriffen worden war. Dem Erstgericht, das bei seiner Strafbemessung auch den Wegfall des seinerzeitigen Schuldspruches wegen des Verbrechens des Raubes zu berücksichtigen hatte, war es daher verwehrt, über den Beschwerdeführer im nunmehrigen Verfahrensgang eine - wegen der Nichtgewährung der bedingten Strafnachsicht (ungeachtet des geringeren Strafmaßes) - strengere Strafe (zu diesem Begriff siehe insbesondere JBl 1990, 126; ferner Foregger-Serini, StPO4,§ 290 Erl VI, samt der dort zitierten Judikatur) zu verhängen.
Hieran vermag der Umstand nichts zu ändern, daß bei der Strafbemessung auch gemäß den §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 19.Februar 1990, GZ 4 a E Vr 2979/89-31, Bedacht genommen wurde, mit dem der Beschwerdeführer strafbarer Handlungen schuldig erkannt worden war, die er in der Zeit zwischen den beiden Rechtsgängen im vorliegenden Verfahren und vor dem Urteil vom 19. Februar 1990 verübt hat. Denn abgesehen davon, daß entgegen der Auffassung des Erstgerichtes im Fall einer solchen nachträglichen Verurteilung nach dem § 31 StGB keine "Gesamtstrafe", sondern eine - wenn auch auf die Vorverurteilung abstellende - an sich selbständige Strafe auszusprechen ist (siehe insbesondere EvBl 1979/177, ÖJZ-LSK 1980/71 und Pallin im WK, § 31 StGB, Rz 1), wird das Verschlimmerungsverbot auch durch eine derartige Bezugnahme auf weitere ("neue") Straftaten, die der den Gegenstand der Anwendung der §§ 31 und 40 StGB bildenden Vor-Verurteilung zugrundeliegen, nicht aufgehoben. Vielmehr kommt dieses Verbot in einem solchen neuen Rechtsgang nur dann nicht zum Tragen, wenn sich die Strafbemessung (anders als hier) auf einen - durch Einbeziehung zusätzlicher
Fakten - erweiterten Schuldspruch bezieht (insbesondere RZ 1960, S 42). Bei der Berücksichtigung "neuer" Fakten im nunmehrigen Rechtsgang lediglich im Wege der Anwendung der §§ 31 und 40 StGB wäre dagegen die Verhängung einer unbedingten Strafe nur dann möglich gewesen, hätte das Erstgericht von einer solchen - auf Grund dieser Bestimmungen außerhalb des Anwendungsbereiches des Verschlimmerungsverbotes stets zulässigen (vgl Pallin aaO, § 31 StGB, Rz 7; ebenso Foregger-Serini, StGB4, § 31, Erl V) - Sanktion auch schon im ersten Rechtsgang Gebrauch gemacht, was aber nicht der Fall war.
Durch die in der Nichtgewährung der bedingten Strafnachsicht gemäß § 43 Abs. 1 StGB gelegene Verletzung des Verschlimmerungsverbotes (§§ 290 Abs. 2, 293 Abs. 3 StPO) hat das Erstgericht daher in unvertretbarer Weise gegen Bestimmungen über die Strafbemessung (Z 11 dritter Fall) verstoßen.
Keine Berechtigung kommt der Beschwerde hingegen insoweit zu, als der Beschwerdeführer eine Nichtigkeit begründende Fehlerhaftigkeit des Strafausspruches darin erblickt, daß überhaupt eine Zusatzfrage verhängt wurde, weil - wie er vermeint - bei gemeinsamer Aburteilung aller den beiden Schuldsprüchen zugrundeliegenden Fakten keine höhere als die bereits mit dem erwähnten Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 19. Februar 1990, GZ 4 a E Vr 2979/89-31, ausgesprochene Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten zu verhängen gewesen wäre.
Mit dieser sachlich gegen die Angemessenheit der verhängten Strafe gerichteten Argumentation verkennt der Beschwerdeführer grundsätzlich, daß sämtliche Anwendungsfälle des § 281 Abs. 1 Z 11 StPO nicht darauf abstellen, ob eine Unrechtsfolge im konkreten Fall unvertretbar oder unangemessen ist (insoweit kommt nur die Anfechtung im Weg der Berufung in Frage), sondern vielmehr darauf, ob dem Erstgericht bei der Strafbemessung eine fehlerhafte Rechtsanwendung unterlief; eine solche liegt aber nur vor, wenn das Erstgericht der Urteilsbegründung zufolge für den Strafausspruch Kriterien heranzog, die den im Gesetz normierten - und dem Gericht bei seiner Entscheidung keinen Ermessensspielraum
einräumenden - Strafzumessungsvorschriften in unvertretbarer Weise widersprechen (vgl insbesondere 13 Os 115/88 = JBl 1989, 328 samt der dort zitierten Judikatur; ferner EvBl 1988/116; EvBl 1989/147 ua).
Eine derartige rechtsfehlerhafte Strafbemessung wird vom Beschwerdeführer aber nicht behauptet. Da das (Erst)Gericht bei einer nachträglichen Verurteilung auch die bereits dem Vor-Urteil zugrundeliegenden Straftaten in den Kreis der für seine eigene Strafzumessung maßgebenden Gesichtspunkte einzubeziehen und (auch unter dem Aspekt eines Absehens von einer Zusatzstrafe) eine Gesamtbewertung der für beide Urteile relevanten Strafzumessungstatsachen vorzunehmen hat, wobei ihm ein Ermessensspielraum offen bleibt, begründet ein hier allenfalls unterlaufener Beurteilungsfehler einen Berufungs- und nicht einen (materiellen) Nichtigkeitsgrund.
Auch der Anregung der Generalprokuratur, aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde von Amts wegen wahrzunehmen, daß das angefochtene Urteil zum Nachteil des Beschwerdeführers zudem insofern mit einer - von ihm nicht geltend gemachten - Nichtigkeit im Sinn der Z 11, dritter Fall, des § 281 Abs. 1 StPO behaftet sei, als das Erstgericht zu Unrecht nicht auch auf die (rechtskräftige) weitere Verurteilung wegen des im Februar oder März 1987 in Graz begangenen Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z 1 StGB durch das Landesgericht für Strafsachen Graz vom 5. Juni 1989, GZ 4 a E Vr 590/89-8, gemäß den §§ 31, 40 StGB Bedacht genommen habe, konnte nicht nähergetreten werden. Die im vorliegenden Verfahren abgeurteilten Taten wurden zwischen dem Urteil des Bezirksgerichtes Fürstenfeld vom 13. Juli 1988, GZ U 67/88-5, und dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 5. Juni 1989, GZ 4 a E Vr 590/89-8, in der Zeit zwischen November 1988 und 22.Jänner 1989 begangen. Da das Landesgericht für Strafsachen Graz in seinem Erkenntnis vom 5. Juni 1989 auf das Urteil des Bezirksgerichtes Fürstenfeld Bedacht nahm, ist zwecks Vermeidung einer Doppelbegünstigung im nunmehrigen Urteil die Bestimmung des § 31 StGB in bezug auf das Erkenntnis des Landesgerichtes für Strafsachen Graz im Verfahren zum AZ 4 a E Vr 590/89 nicht anwendbar, weil die Bedachtnahme auf das Urteil des Bezirksgerichtes Fürstenfeld unterblieben wäre, wenn das Urteil vom 5. Juni 1989 auch die nach dem 13. Juli 1988 begangenen Taten erfaßt hätte (vgl EvBl 1983/109; Foregger-Serini, StGB4, § 31 Erl III, letzter Satz).
Zusammenfassend ergibt sich sohin, daß das angefochtene Urteil nur insoweit mit einer Nichtigkeit nach der Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO behaftet ist, als dem Angeklagten im Rahmen des angefochtenen Strafausspruches die bedingte Strafnachsicht versagt wurde.
In Stattgebung der Strafzumessungsrüge war daher das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt zu bleiben hatte, im Strafausspruch aufzuheben und mit Strafneubemessung vorzugehen. Auf der Basis der vom Schöffengericht im wesentlichen zutreffend festgestellten Strafzumessungsgründe erachtete der Oberste Gerichtshof eine Freiheitsstrafe in der im Spruch angeführten Dauer - somit in dem Ausmaß, welches das Erstgericht bereits verhängte - als dem Gewicht des Tatunrechts, der Schuld und vor allem der vorbelasteten Täterpersönlichkeit des Harald W*** entsprechend. Hiebei wurde - ebenso wie vom Jugendschöffengericht - auch auf das Gewicht der gemäß dem § 31 StGB zu berücksichtigenden Vorverurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Graz vom 19. Februar 1990, GZ 4 a E Vr 2979/89-31, gebührend Bedacht genommen.
Die bedingte Strafnachsicht war aus den bereits dargelegten Erwägungen zu gewähren.
Mit seiner Berufung war Harald W*** auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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