Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen (auch einen unbekämpft gebliebenen Teilfreispruch enthaltenden) Urteil wurde Franz S***** des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Deliktsfall StGB schuldig erkannt, weil er sich in der Zeit von Jänner bis Dezember 1993 in Bad Aussee bzw Öblarn als Geschäftsführer der Firma "F***** Abwassertechnik GesmbH" ihm anvertraute Geldbeträge in der Höhe von 725.150,57 S mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz zugeeignet hat, indem er sie für private Zwecke verwendete.
Nach den anfechtungsrelevanten Feststellungen des Schöffengerichtes erwarb der - damals zahlungsunfähige - Angeklagte im Jahr 1992 gemeinsam mit Luben N***** die F***** Abwassertechnik GesmbH (in der Folge F***** genannt), deren alleiniger Geschäftsführer er vom 1. Dezember 1992 bis 11. Februar 1994 war. Gesellschafter waren Natalia S***** mit einer Stammeinlage von 50.000 S, Luben N***** mit 245.000 S und der Angeklagte mit 205.000 S. Seinen Gesellschaftsanteil ließ der Angeklagte auf Grund eines Notariatsaktes vom 16. Oktober 1992 vom Steuerberater Mag. Gerhard P***** treuhändig verwalten, um einen Gläubigerzugriff darauf zu verhindern. Mit Notariatsakt vom 2. Juni 1993 (Nachtrag zum Treuhandvertrag vom 16. Oktober 1992) wurde ein Teil des Geschäftsanteiles des Angeklagten, der einer voll einbezahlten Stammeinlage im Nennbetrag von 50.000 S entspricht, um 50.000 S an Natalia S***** abgetreten.
Spätestens in der zweiten Jahreshälfte 1993 trat die - für den Angeklagten erkennbare - Zahlungsunfähigkeit der F***** ein. Gründe dafür waren unverhältnismäßige Kreditbenützung und übermäßiger Aufwand durch den Angeklagten, der sich einen Geschäftsführerbezug von monatlich 100.000 S genehmigte, im Jahr 1993 ein Flugzeug im Wert von 800.000 S auf Gesellschaftskosten erwarb und eine Villa in Bad Mitterndorf - die in der Folge auch der Wohnversorgung des Angeklagten diente - aus Kreditmitteln ankaufte (US 5 und 6).
Zusätzlich entnahm der Angeklagte "unter unbefugter Ausnützung seiner faktisch bestehenden Verfügungsmöglichkeiten über das Gesellschaftsvermögen im Zeitraum von Jänner 1993 bis Dezember 1993 in Bad Aussee und Öblarn mit zumindest darauf gerichtetem Vorsatz, sich ihm als Geschäftsführer der Firma F***** anvertrautes Geld zuzueignen und sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, Bargeldbeträge in der Höhe von insgesamt 725.150,57 S und verwendete sie für private Zwecke. Dabei ging er so vor, daß er bei der Bank vom Geschäftskonto Geldbehebungen durchführte, wobei er auch die Kontoauszüge erhalten hat; einen Teil der Behebungen wurde in die Firmenkasse gegeben und der Rest auf sein Verrechnungskonto Nr 3591 gebucht. "Wenn der Angeklagte Zahlungen für die Firma getätigt und darüber der Buchhaltung keinen "(gemeint: einen)" Beleg ausgefolgt hat, wurde um diesen Betrag sein Verrechnungskonto entlastet" (US 7).
Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht als Veruntreuung, wobei es die leugnende Verantwortung des Angeklagten, er habe mit den von ihm entnommenen Bargeldbeträgen zahlreiche, die Firma betreffende Zahlungen geleistet und auch Spesenausgaben gehabt, diese Beträge seien nicht auf dem Verrechnungskonto gebucht worden, weil er nicht alle Belege über die von ihm für die Firma getätigten Zahlungen und über Spesen der Buchhaltung zur Buchung auf seinem Verrechnungskonto abgegeben habe, als widerlegt erachtet (US 8).
Dagegen richtet sich die auf die Z 5, 9 lit a und lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der im Ergebnis Berechtigung zukommt:
Rechtliche Beurteilung
Denn zum einen hat sich das Erstgericht - wie die Beschwerde in der Mängelrüge (Z 5) zutreffend aufzeigt - mit den Ergebnissen des Beweisverfahrens, die eine lückenhafte bzw unvollständige Abgabe von Belegen (über die Verwendung der behobenen Gelder für Firmenzwecke) durch den Angeklagten indizieren und somit seine Verantwortung stützen, nicht auseinandergesetzt. Nach den Depositionen der Zeugin Se***** in der Hauptverhandlung vom 21. September 1998 hat der Angeklagte einige Male Einkäufe für die Firma F***** getätigt, für welche allerdings keine Belege von ihm überbracht wurden (S 661/IV). Weiters gab sie an, er habe für die Firma viel eingekauft, sie hätte laufend darauf drängen müssen, daß entsprechende Belege beigebracht würden, er habe diese aber nicht gebracht (S 659/IV). Der Zeuge Wolfgang Scho***** hinwieder sagte in der Hauptverhandlung vom 11. Mai 1998 aus, die Spesenabrechnungen für den Angeklagten hätten immer ein Problem dargestellt, es sei notwendig gewesen, auf ordnungsgemäße Herausgabe der Belege für eine Abrechnung zu drängen (585/IV). Auch nach den ergänzenden Angaben des Buchsachverständigen Dr. Franz K***** ist es vorgekommen, daß Beträge dem Verrechnungskonto des Angeklagten nicht gutgeschrieben wurden (S 683/IV).
Das Schöffengericht erörterte zwar den Umstand, inwieweit das Verrechnungskonto hinsichtlich der übergebenen Belege genau geführt wurde, ausführlich (US 9 und 10), erachtete jedoch die Behauptung des Angeklagten, es seien Zahlungen erfolgt, über welche er keine Belege übergeben habe (demgemäß das Verrechnungskonto des Angeklagten nicht entlastet hatten), deshalb für widerlegt, weil er (wahrheitswidrig) glaubhaft machen wollte, unverbucht einen Betrag von 50.000 DM an Patentanwälte überwiesen zu haben (welcher jedoch tatsächlich ordnungsgemäß über die Buchhaltung abgewickelt wurde) und stützte sich abschließend darauf, "daß die Gutachten des Buchsachverständigen schlüssig und nachvollziehbar sind, nicht der geringste Anhaltspunkt dafür bestanden hat und an der Glaubwürdigkeit der Zeugen Scho***** und Se***** irgendwelche Zweifel zu hegen" (US 11).
Damit unterblieb aber die Erörterung der dargestellten Depositionen der Zeugen und des Sachverständigen, wozu die Erkenntnisrichter - ungeachtet der Vorschrift des § 270 Abs 2 Z 5 StPO, nur die entscheidenden Tatsachen in gedrängter Form anzuführen - verpflichtet gewesen wären, um nachvollziehbare und zureichende Gründe dafür anzugeben, warum sie die - grundsätzlich als glaubwürdig und nachvollziehbar beurteilten - Aussagen der Zeugen und das Sachverständigengutachten in Ansehung der die leugnende Verantwortung des Angeklagten stützenden Teile für nicht stichhältig erachteten.
Zu Recht moniert die Beschwerde auch die Beurteilung des als erwiesen angenommenen Tatverhaltens als Veruntreuung.
Nach den Urteilsfeststellungen war der Beschwerdeführer (als einer von mehreren Gesellschaftern) zwischen 1. Dezember 1992 und 11. Februar 1994 zum alleinigen Geschäftsführer der GesmbH bestellt sowie tätig und damit nach außen befugt, über das Gesellschaftsvermögen zu verfügen. Diese Befugnis zu - begrifflich ein Mindestmaß an (allenfalls beschränktem) Machthaber-Ermessen voraussetzenden - rechtlichen "Verfügungen" erstreckte sich (der Natur der Sache nach) auf eine (in diesem Belang als Einheit zu beurteilende) gesamte Tätigkeit als Machthaber der Gesellschaft und somit nicht nur auf die zu den Dispositionen unerläßlichen eigentlichen Rechtshandlungen. Dabei darf nicht übersehen werden, daß der Angeklagte die hier aktuellen Entnahmen von Bargeld als Minusbeträge auf sein Verrechnungskonto (zu Gunsten der GmbH) buchen ließ, somit der Gesellschaft in der Art eines Darlehens zu seiner privaten Verfügung Geld entnahm. Davon, daß dem Angeklagten durch seine beschriebene Machthabertätigkeit bloß eine rein faktische Zugriffsmöglichkeit auf die tatgegenständlichen Vermögenswerte der Gesellschaft eröffnet worden wäre, wie das das Erstgericht unterschiedslos folgerte (vgl oben zu US 7), kann daher keine Rede sein. Die Geldbeträge wurden nach den bisherigen Feststellungen weder unter Begründung einer Verwahrungspflicht übernommen noch unterstanden sie einer konkret determinierten Verwendungspflicht. Bei den (eo ipso) auch auf alle zu deren Effektuierung dienenden (und damit ihrerseits gleichfalls zur betreffenden "Verfügung über fremdes Vermögen" gehörenden) tatsächlichen Maßnahmen, wie etwa auf die (dazu erforderliche) Entnahme von Bargeld, ist jedoch genau auf die Differenzierung zwischen rechtlichen und faktischen Akten zu achten, um die gebotene Unterscheidung zwischen pflichtwidrigen (treuwidrigen) tatsächlichen Handlungen und pflichtwidrigen Rechtshandlungen im Sinne des streng zu trennenden Mißbrauchs- und Treuebruchstatbestandes herbeiführen zu können. Der Mißbrauch ist ausschließlich an der einzelnen Rechtshandlung zu messen (vgl Leukauf-Steininger Komm3 § 153 RN 21 und die dort referierte Kritik zu SSt 51/46 ua).
Für eine Beurteilung, inwiefern der Angeklagte Firmengelder, in deren Ansehung er rechtlich befugt war, im Außenverhältnis wirksame, den Machtgeber verpflichtende Vermögensverfügungen zu treffen, mißbräuchlich behob, reichen die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen allerdings nicht aus. Einen Befugnismißbrauch begeht nicht nur, wer sich im Rahmen seiner Vollmacht über im Innenverhältnis gezogene Schranken in der Weise hinwegsetzt, daß er ihm erteilten Weisungen oder betriebsinternen Vorschriften zuwiderhandelt; vielmehr ist im Hinblick auf die Verpflichtung des Machthabers, Geschäftsführungsakte jeweils so vorzunehmen, daß für den Machtgeber nicht nur kein Schaden, sondern der größtmögliche Nutzen entsteht, jedes den Interessen des Vertretenen abträgliche Verhalten bei gebrauchter Vollmacht als Befugnismißbrauch zu beurteilen (vgl SSt 47/31, 11 Os 81/84 ua). Verschafft sich der Geschäftsführer einer GesmbH - wie in der vom Angeklagten gehaltenen Position - unter wissentlich mißbräuchlicher Ausnützung der ihm als Geschäftsführer eingeräumten Vertretungsmacht (wirtschaftlich betrachtet) Firmengelder, um sie nicht für Firmenzwecke, sondern für sich persönlich zu verwenden, so verwirklicht ein solcher Zugriff auf Vermögen des Machtgebers zum eigenen Vorteil den Tatbestand der Untreue (Mayerhofer/Rieder StGB4 § 153 E 21a, 31, 37).
Unter Berücksichtigung obiger Ausführungen - insbesondere des Umstandes, daß der Angeklagte die tataktuellen Behebungen vom Konto der Gesellschaft vorerst als Schuld an die Gesellschaft auf seinem Verrechnungskonto 3591 aufscheinen ließ und im Hinblick auf seine persönliche Zahlungsunfähigkeit - mangelt es an Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite, die eine abschließende Beurteilung seines Tatverhaltens allenfalls als Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 StGB ermöglichen würden.
Insgesamt zeigt sich, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung in erster Instanz nicht zu vermeiden ist, weswegen gemäß § 285e StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung spruchgemäß zu erkennen war.
Im neu durchzuführenden Verfahren wird das Erstgericht zu beachten haben, daß - ungeachtet der bereits erfolgten Verurteilung wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida (§ 159 Abs 1 Z 1 StGB) - die Tatbestände der Untreue und der betrügerischen Krida als echt idealkonkurrierend zusammentreffen können. Das Argument der Verdrängung eines allgemeinen strafbaren Deliktes durch ein Sonderdelikt scheitert nämlich an der Verschiedenartigkeit des jeweils geschützten Rechtsgutes und dem daraus folgenden Erfordernis differenzierter strafrechtlicher Beurteilung (10 Os 41/87, 12 Os 62/97).
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