OGH 9ObA291/98d

OGH9ObA291/98d10.2.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hradil als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Roman H*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr. Andrea Wukovits, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei E***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Ernst Maiditsch, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 325.920,- brutto sA und S 5.627,- netto sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. September 1998, GZ 9 Ra 166/98t-35, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 16. Mai 1997, GZ 7 Cga 168/95s-28, zurückgewiesen wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrte S 325.920 brutto (aus dem Titel der Kündigungsentschädigung, anteiliger Sonderzahlungen zur Kündigungsentschädigung, der Abfertigung in Höhe von drei Monatsentgelten und Urlaubsentschädigung) sowie S 5.627 netto an zu Unrecht einbehaltenem Gehalt, jeweils zuzüglich 12 % Zinsen seit 1. 2. 1995. Unmittelbar vor Schluß der mündlichen Streitverhandlung (AS 115) schränkte der Kläger sein Zinsenbegehren auf 6 % p.a. ein. In dieser Höhe wurde es von der Beklagten außer Streit gestellt.

Das Erstgericht gab dem Hauptklagebegehren zur Gänze, jedoch im Zinsenbegehren lediglich mit 4,5 % statt. Das Urteil enthält weder eine Teilabweisung von Zinsen, noch wird in der Begründung darauf hingewiesen, daß Bedenken gegen einen vollen Zuspruch der Zinsen in der zuletzt begehrten Höhe bestünden. Dieses Urteil wurde der beklagten Partei am 2. 3. 1998 zugestellt. Am 20. 3. 1998 faßte das Erstgericht von Amts wegen einen Beschluß (ON 29), mit welchem es den Spruch des Urteils gemäß § 419 ZPO dahin berichtigte, daß die zugesprochenen Zinsen richtig 6 % und nicht 4,5 % betragen. Lediglich infolge eines Schreibfehlers seien die Zinsen in der schriftlichen Ausfertigung des Urteils versehentlich mit 4,5 % anstelle mit 6 %, wie sie in der Tagsatzung von 16. 5. 1997 außer Streit gestellt worden seien, angeführt worden. Diesen Beschluß erhielten die Parteienvertreter am 25. 3. 1998 mit der Aufforderung zugestellt, die Urteilsausfertigungen zur Berichtigung vorzulegen. Die beklagte Partei legte ihre Urteilsausfertigung am 26. 3. 1998 dem Erstgericht vor, wobei sie in einem gleichzeitig eingebrachten Schriftsatz darauf hinwies, daß sie "der guten Vorsicht wegen festhalte, daß gemäß der Bestimmung des § 419 ZPO die Rechtsmittelfrist nach Zustellung der berichtigten Urteilsausfertigung neu zu laufen beginne".

Die beklagte Partei gab erst am 21. 4. 1998 ihre Berufung zur Post. Auch darin vertritt sie die Auffassung, daß ihr Rechtsmittel rechtzeitig sei, weil ihr der Berichtigungsbeschluß erst am 25. 3. 1998 zugestellt worden und die Berufung daher innerhalb offener Frist erstattet worden sei.

Das Berufungsgericht wies die Berufung als verspätet zurück. Nach ständiger Rechtsprechung beginne der Fristenlauf für die Einbringung eines Rechtsmittels gegen eine berichtigte Entscheidung dann mit der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses nicht neu zu laufen, wenn auch ohne Berichtigung über den neuerlichen Inhalt der Entscheidung für den Rechtsmittelwerber kein Zweifel habe bestehen können (SZ 27/219, JBl 1974, 102; EvBl 1975/224; 8 Ob 597/88; 2 Ob 2260/96h). Das Erstgericht habe über den Klageanspruch vollständig abgesprochen. Der beklagten Parteien mußte schon anläßlich der Entgegennahme des Berichtigungsbeschlusses klar sein, daß durch die Berichtigung des Zinssatzes um 1,5 % die Entscheidung in der Hauptsache keine Änderung erfahren werde. Der Inhalt der Berufung selbst stehe auch in keinem Zusammenhang mit der Berichtigung des Zinssatzes. Daran könne weder die schon in der Übersendungsnote vom 25. 3. 1998 vertretene Rechtsauffassung der beklagten Partei noch eine unzutreffende Mitteilung des Erstgerichtes vom 26. 3. 1998 über den Lauf der Berufungsfrist etwas ändern. Die Berufungsfrist des § 464 Abs 1 ZPO könne nicht verlängert werden.

Dagegen richtet sich der Rekurs der beklagten Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß ersatzlos aufzuheben und dem Berufungsgericht die Einleitung des Berufungsverfahrens aufzutragen.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Im Gesetz fehlt eine Regelung, welche Wirkung die Berichtigung eines Urteils auf den Lauf der Rechtsmittelfrist hat. Seit der Entscheidung vom 1. 6. 1920 (SZ 2/145 = Spruchrepertorium 8 neu) ist es ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß im Fall einer Berichtigung die Rechtsmittelfrist erst mit Zustellung der berichtigten Ausfertigung zu laufen beginnt (RIS-Justiz RS0041797). Dieser Grundsatz erfährt jedoch in ebenfalls ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SZ 27/219; JBl 1974, 102; EvBl 1975/224; 8 Ob 597/88, zuletzt 1 Ob 392/97x) eine wesentliche Einschränkung dahin, daß die Zustellung des Berichtigungsbeschlusses auf den Fristenlauf für die Einbringung eines Rechtsmittels dann keinen Einfluß nimmt, wenn auch ohne Berichtigung für den Rechtsmittelwerber über den neuerlichen Inhalt der Entscheidung kein Zweifel bestehen konnte. Ein solcher Ausnahmetatbestand ist auch im vorliegenden Fall anzunehmen. Das Ersturteil enthält schon in seiner unberichtigten Form einen Zuspruch des gesamten begehrten Punktums, auch der Beginn des Zinseslaufes wird festgelegt. Lediglich bei der Anführung des Zinssatzes (4,5 %) unterlief dem Erstgericht die offenbare Unrichtigkeit. Da aus dem Ersturteil eindeutig hervorgeht, daß das Erstgericht eine auch nur teilweise Abweisung des Zinsenbegehrens nicht vornehmen wollte, bestand somit schon vor der Berichtigung für beide Prozeßparteien Klarheit darüber, daß der Entscheidungswille des Erstgerichtes auf den Zuspruch der zuletzt begehrten und mit 6 % der Höhe nach außer Streit stehenden Zinsen gerichtet war. Auch wurde durch die Abforderung der Ausfertigungen keine für die Parteien unklare Situation geschaffen, weil gleichzeitig der Berichtigungsbeschluß zugestellt wurde. Die Parteien hatten schon vor der formellen Berichtigung der Entscheidung volle Klarheit über deren Inhalt erlangt, sodaß mit der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses auch keine neue Rechtsmittelfrist zu laufen begann (1 Ob 392/97x mwN). Die Rekurswerberin macht in ihrem Rechtsmittel auch gar nicht geltend, über den Inhalt des Ersturteils im unklaren gewesen zu sein, vielmehr stützt sie sich ausschließlich auf die Judikatur, wonach die Frist zur Einbringung eines Rechtsmittels gegen eine berichtigte Entscheidung in der Regel erst mit Zustellung des Berichtigungsbeschlusses anfängt. Sie läßt dabei jedoch die in der Rechtsprechung anerkannte, hier zutreffende Ausnahme von diesem Grundsatz außer Betracht.

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.

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