OGH 5Ob15/99p

OGH5Ob15/99p9.2.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann, und Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Annemarie R*****, vertreten durch Dr. Reinhart Kolarz, Rechtsanwalt in Stockerau, wider die beklagte Partei Herbert R*****, vertreten durch Dr. Helmut Buchgraber, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 28. April 1998, GZ 45 R 278/98k-35, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 13. Oktober 1997, GZ 3 C 29/97x-17, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit dem bezeichneten Urteil gab das Erstgericht dem auf § 49 EheG gestützten Scheidungsbegehren der Klägerin statt und stellte fest, daß das Verschulden an der Ehescheidung die beklagte Partei treffe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei. Das Rechtsmittel ist unzulässig.

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Zunächst liegt die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht vor.

Der Revisionswerber übersieht nämlich, daß das Berufungsgericht die Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens schon deshalb verneint hat, weil bei der damaligen Prozeßlage nach dem Vorbringen des Beklagten überhaupt kein Anhaltspunkt für irgendwelche Eheverfehlungen der Klägerin bestand und sich damit eine Aufklärung des Beklagten über einen Mitschuldantrag erübrigte. Daher habe das Erstgericht auch keinen Verstoß gegen seine aus § 182 ZPO resultierende Anleitungspflicht gesetzt. Das Berufungsgericht hat die Mängelrüge daher schon insoweit erledigt, als es die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels verneinte. Dies ist im Revisionsverfahren nicht mehr überprüfbar. Wurde nämlich ein Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens in der Berufung zwar geltend gemacht, vom Berufungsgericht aber verneint, dann kann ein Mangel nach ständiger Rechtsprechung nicht mehr in der Revision gerügt werden (vgl JBl 1972, 569; SZ 62/157 = JBl 1990, 535; EF 64.136 ua; Kodek in Rechberger Rz 3 zu § 503 ZPO).

Es erübrigt sich daher eine Auseinandersetzung mit dem Argument des Revisionswerbers, das Berufungsgericht habe zusätzlich die Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung (dem Beklagten sei, ohne daß dies im Protokoll festgehalten worden wäre, doch Rechtsbelehrung über die Möglichkeit eines Mitverschuldensantrags erteilt worden) verworfen hat.

Im übrigen liegt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO vor. Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit der zu § 49 EheG bestehenden Rechtsprechung den festgestellten Sachverhalt als schwere Eheverfehlung gewertet, die das Scheidungsbegehren der Klägerin rechtfertigt. Die Beeinträchtigung der körperlichen Integrität eines Ehegatten, aber auch schon Drohungen mit gefährlichen Angriffen gegen die körperliche Integrität des anderen, sind schwere Eheverfehlungen und ein Verstoß gegen die Pflicht zur anständigen Begegnung (vgl 7 Ob 686/97; 7 Ob 697/89; RS-Justiz 0056787). Dabei war nach dem vorliegenden Sachverhalt aber nicht nur das unmittelbar vor Einbringung der Scheidungsklage vom Beklagten gesetzte Nötigungsdelikt, dessentwegen er auch rechtskräftig verurteilt wurde, maßgeblich, sondern auch der durch frühere Drohungen geschaffene Zustand, der nahezu 10 Jahre anhielt. Gerade die Tatsache, daß die Beeinträchtigung der körperlichen Integrität eines Ehegatten infolge von Wiederholungen der Eingriffshandlungen zu einem die eheliche Beziehung beherrschenden Zustand geworden ist, stellt eine besonders schwere Eheverfehlung dar (vgl 7 Ob 579/77; 6 Ob 578/80 ua). In Übereinstimmung mit der zu § 49 EheG bestehenden Rechtsprechung haben die Vorinstanzen aber nicht nur die letzte schwere Eheverfehlung des Beklagten, die zu seiner Verurteilung wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung führte, herangezogen, sondern sein Gesamtverhalten, soweit darin von der Klägerin eine Eheverfehlung erblickt wurde, beurteilt. Darin ist weder eine Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen zu erblicken, die der Oberste Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit wahrnehmen müßte, noch liegt überhaupt eine Rechtsfrage von im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblicher Bedeutung vor, die zu lösen gewesen wäre.

Dies hat daher zur Zurückweisung der insoweit unzulässigen Revision zu führen.

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