Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das auf dem Wahrspruch der Geschworenen zur Hauptfrage 1 beruhende Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Beurteilung der Tat als Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB sowie im Strafausspruch (mit Ausnahme der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und gemäß § 351 StPO in der Sache selbst zu Recht erkannt:
Josef H***** hat durch die im Wahrspruch zur Hauptfrage 1 bezeichnete Tat Hetty R***** mit schwerer Gewalt zur Duldung des Beischlafes bzw dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen genötigt und hiedurch das Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB begangen.
Er wird hiefür sowie für den unberührt gebliebenen Schuldspruch wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (2) unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 201 Abs 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 (sechs) Jahren verurteilt.
Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem einstimmigen Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Josef H***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 und Abs 3 erster Fall StGB (1) und des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (2) schuldig erkannt.
Danach hat er am 20. Feber 1998 in W*****
(1) Hetty R***** mit Gewalt, indem er sie von hinten umfaßte, in eine Garageneinfahrt zerrte, ihr mehrere Faustschläge gegen das Gesicht und den Oberkörper versetzte, ihr Gesicht mit Wucht gegen eine Gartenmauer stieß, sie mehrmals würgte, zu Boden drückte und sich auf die völlig benommene Frau legte, ihre Hose hinunterzog, zuerst mit seinem Penis in sie einzudringen versuchte und sie dann zu einem Oralverkehr zwang, zur Duldung des Beischlafes bzw dem Beischlaf gleichzusetzender Handlungen genötigt, wobei die Tat eine an sich schwere Körperverletzung (mehrere Hämatome im Gesicht und am Kopf, Bruch des Augenhöhlenbodens mit Läsion eines hier gelegenen Nervs) sowie eine 24 Tage übersteigende Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit zur Folge hatte;
(2) nach dem zu 1 beschriebenen Vorfall Hetty R***** durch die Äußerung, sie müsse nun von ihm weggehen und dürfe sich nicht umdrehen, sonst würde er sie umbringen, sohin durch Drohung mit dem Tode zur Unterlassung einer Handlung genötigt.
Die auf das Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB gerichtete Hauptfrage 1 bejahten die Geschworenen mit der Einschränkung (§ 330 Abs 2 StPO), "ohne schwere Gewalt", wobei sie aber das Vorliegen sämtlicher von der Frage umfaßten Tatumstände bejahten.
Die Staatsanwaltschaft bekämpft dieses Urteil im Umfang des Schuldspruchs 1 mit einer (nominell) auf die Nichtigkeitsgründe der Z 8 und 9 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die sich mit dem Vorbringen, daß die laut dem Wahrspruch der Geschworenen vom Angeklagten angewendete Gewalt hinsichtlich ihrer Intensität an der denkbaren Obergrenze angesiedelt und im Urteil daher zu Unrecht die Qualifikation schwerer Gewaltanwendung nicht angenommen worden sei, der Sache nach gegen die rechtliche Beurteilung als Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2, Abs 3 erster Fall StGB anstatt nach § 201 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB richtet und inhaltlich daher auch den Nichtigkeitsgrund der Z 12 (vgl 15 Os 82/98) geltend macht.
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerde ist berechtigt. Denn unter dem Begriff der schweren Gewalt wird die Anwendung überlegener physischer Kraft verstanden, die auf die Überwindung eines wirklichen oder auch nur erwarteten Widerstandes des Opfers gerichtet ist und - ohne daß dadurch bereits ein qualvoller Zustand des Opfers im Sinne des § 201 Abs 3 zweiter Fall StGB herbeigeführt würde - einen höheren Grad der kriminellen Energie oder Gefährlichkeit erreicht, so etwa, wenn sie - im Rahmen deliktsspezifischer Variationsbreite - in besonders brutalen und/oder rücksichtslosen Aggressionshandlungen besteht, gegen die eine erfolgreiche Abwehr aus physischen oder psychischen Gründen nach allgemeiner Erfahrung unmöglich ist (EvBl 1992/79 mwN).
Die von den Geschworenen in ihrem Wahrspruch festgestellte, auf Duldung des Beischlafes bzw dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen abzielende Vorgangsweise des Angeklagten zur Überwältigung seines Opfers ist Anwendung schwerer Gewalt:
Denn der Angeklagte umfaßte Hetty R***** von hinten, zerrte sie in eine Hauseinfahrt, versetzte ihr mehrere Faustschläge gegen das Gesicht und den Oberkörper, stieß ihr Gesicht mit Wucht gegen eine Gartenmauer, würgte sie mehrmals, drückte sie zu Boden und legte sich auf die völlig benommene Frau. Dieses Vorgehen ist einer Gesamtbeurteilung zu unterziehen, die einzelnen Aggressionshandlungen - deren Summierung die Qualifizierung der Gewalt als schwer unter Umständen erst ergibt - sind nicht gesondert zu werten, sodaß es auf die Intensität des die Bruchverletzung bewirkenden Faustschlages (S 51/II) alleine nicht ankommt. Vorliegend versetzte der Angeklagte dem Opfer gleich mehrere Faustschläge gegen die besonders gefährdete und empfindliche Körperregion des Gesichtes (15 Os 82/98), stieß die Frau überdies mit Wucht gegen eine Gartenmauer und würgte (12 Os 187/93) sie obendrein. Eine andere Beurteilung als die schwerer Gewalt kommt demzufolge nicht in Betracht.
Schon in Stattgebung der Subsumtionsrüge war daher das im Wahrspruch der Geschworenen zur Hauptfrage 1 festgestellte Tatverhalten in rechtlicher Hinsicht als schwere Gewalt im Sinne des § 201 Abs 1 StGB zu beurteilen, was eine Aufhebung des Schuldspruches im angeführten Umfang sowie des Strafausspruches und eine Verurteilung des Angeklagten Josef H***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB zur Folge hatte.
Bei der dadurch erforderlich gewordenen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend das Zusammentreffen zweier Verbrechen, als mildernd den bisher untadeligen Lebenswandel, das Alter unter 21 Jahren, die durch Verstandesschwäche und den abnormen Geisteszustand eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit, die teilweise Schadensgutmachung und das reumütige Geständnis.
Auf der Basis dieser Strafzumessungsgründe, insbesondere angesichts der rücksichtslosen Vorgangsweise des Angeklagten bei dem Angriff auf Hetty R***** und die beträchtlichen gesundheitlichen Folgen des Opfers, entspricht eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat.
Die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft sind damit gegenstandslos.
Nur zur Klarstellung wird bemerkt, daß die Einweisung gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher, die Vorhaftanrechnung und das Adhäsionserkenntnis von der reformatorischen Entscheidung unberührt geblieben sind. Eine Anrechnung der Haft vom 23. September 1998, 14.15 Uhr bis zur Urteilsrechtskraft wurde vom Obersten Gerichtshof nicht vorgenommen, weil es insoweit an einer verläßlichen Aktengrundlage fehlte.
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