OGH 5Ob321/98m

OGH5Ob321/98m22.12.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann, Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Ana R*****, vertreten durch Mag. Martina Herz, Mietervereinigung Österreichs, Bernardgasse 10, 1070 Wien, wider den Antragsgegner Robert M*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Zatlasch, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG, infolge Rekurses beider Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 9. Juni 1998, GZ 41 R 282/98v-34, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 27. Februar 1998, GZ 17 Msch 8/96b-29, aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Den Rekursen wird Folge gegeben.

Die Rekursentscheidung wird im angefochtenen Umfang (Überprüfungszeitraum Dezember 1995) aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Entscheidung an das Rekursgericht zurückverwiesen.

Die Barauslagen der Antragstellerin im drittinstanzlichen Verfahren sind weitere Verfahrenskosten. Der Antragsgegner hat die Kosten seiner rechtsfreundlichen Vertretung im drittinstanzlichen Verfahren selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das Erstgericht stellte fest, der Antragsgegner habe gegenüber der Antragstellerin durch die Vorschreibung von monatlich S 6.100 zuzüglich 10 % Umsatzsteuer für das Bestandobjekt ***** das gesetzlich zulässige Zinsausmaß zu den Zinsterminen 1. 8. 1994 bis 1. 12. 1995 um monatlich je S 3.991,64 zuzüglich 10 % Umsatzsteuer überschritten. Da kein Ausnahmetatbestand hervorgekommen sei, sei von der Zulässigkeit des Richtwertzinses nach § 16 Abs 2 bis 4 MRG auszugehen. Von der Antragstellerin der Vormieterin abgegoltene Aufwendungen (Bad, Sanitäreinrichtungen und Gasetagenheizung) seien hiebei gemäß § 10 Abs 6 MRG als nicht getätigt zu behandeln. Ein zeitgemäßer Zustand des Bades liege schon wegen des teilweisen Fehlens der Verfliesung nicht vor. Ein Lagezuschlag scheide infolge Fehlens schriftlicher Vereinbarungen im Mietvertrag aus. Auch der Zuschlag für den im Haus vorhandenen Lift sei nicht zu berücksichtigen; die Antragstellerin habe diesen Lift nämlich nicht benützen können, weil ihr der Antragsgegner den dazu passenden Schlüssel nicht ausgehändigt habe. Für den mäßig schlechten Zustand des Bestandobjekts zur Zeit der Amietung sei ein Abschlag von 15 % angemessen. Die wirksam vereinbarte Befristung des Mietverhältnisses führe gemäß § 16 Abs 7 MRG idF des 3. WÄG zu einem 20 %igen Abschlag.

Das Rekursgericht hob den erstinstanzlichen Sachbeschluß, soweit darin eine Mietzinsüberschreitung in der Zeit vom 1. 8. 1994 bis 30. 11. 1995 festgestellt wurde, ersatzlos als nichtig auf, weil dieser Zeitraum vom an die Schlichtungsstelle gerichteten Antrag nicht erfaßt sei. Im übrigen (Überprüfungszeitraum Dezember 1995) verband das Rekursgericht mit der Aufhebung den Auftrag zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Hiezu führte es folgendes aus:

Dem Antragsgegner sei darin beizupflichten, daß ein Unterbleiben der Berücksichtigung der der Vormieterin abgegoltenen Aufwendungen bei Bestimmung der Höhe des zulässigen Hauptmietzinses gemäß § 10 Abs 6 MRG nach dem derzeitigen Verfahrensstand zumindest nicht indiziert sei. Aus der genannten Gesetzesstelle sei nämlich abzuleiten, daß der Gesetzgeber des 2. WÄG bei Einführung des § 10 Abs 6 MRG die Absicht verfolgt habe, anstelle einer stets den neuen Mieter treffenden Doppelbelastung (durch Aufwandersatz und höheren Mietzins) dem Vermieter ein Wahlrecht zwischen Überwälzung des Aufwandersatzes einerseits und höheren Mietzins andererseits einzuräumen. Dieses Wahlrecht sei zwar nicht ausdrücklich festgelegt worden, ergebe sich aber aus dem Ziel des Gesetzes und dem Zweck der Regelung. Der Ersatzanspruch nach § 10 MRG stehe dem weichenden Mieter gegenüber seinem Vermieter zu. Die Durchsetzung des Anspruches erfordere nach § 10 Abs 4 MRG bei sonstiger Präklusion eine schriftliche Anzeige der Anspruchsgrundlagen an den Vermieter, damit dieser dem Grunde und der Höhe nach eine Basis für seine Entscheidung über die Art der Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung des Aufwandersatzes bei Abschluß eines neuen Mietvertrages erhalte. Ebenso wie bei bereits nach § 10 Abs 1 MRG abgeschriebenen Aufwendungen bestehe also, wenn eine Einbindung des Vermieters entgegen der im § 10 Abs 4 MRG enthaltenen Anordnung unterblieben sei, kein nach dieser Gesetzesstelle gegen den Vermieter als alleinigen Schuldner durchsetzbarer Anspruch. Durch die im § 10 Abs 6 MRG eröffnete Möglichkeit einer Erfüllung berechtigter Ersatzansprüche des Vormieters durch den neuen Mieter werde jenem nicht das Recht eingeräumt, Ansprüche von vornherein unter Übergehung des Vermieters nur vom Neumieter zu begehren. Würde dies zugelassen, könnte der neue Mieter nach Abschluß des Mietvertrages nämlich eine Herabsetzung des Mietzinses begehren, weil er einen Ersatzanspruch des weichenden Mieters, der dem Vermieter nicht einmal bekannt gewesen sei, befriedigt habe. Damit wäre der Vermieter aber gehindert, den für die Mietzinsbildung im neuen Mietvertrag maßgebenden Zustand des Bestandobjektes zu bestimmen. Eine derartige Einschränkung der Privatautonomie könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden. Mangels schriftlicher Anzeige von Ersatzansprüchen gegenüber dem Vermieter sei § 10 Abs 6 MRG damit für die Frage des zulässigen Hauptmietzinses des neuen Mieters nicht anzuwenden.

Könne daher eine Einbindung des Vermieters in die zwischen weichender und nachfolgender Mieterin nach § 10 Abs 6 MRG getroffene Vereinbarung - nach entsprechender Erörterung mit den Parteien - nicht erwiesen werden, werde der - exakt festzustellende - Zeitpunkt des Beginns des Mietverhältnisses zwischen den Parteien für den bei der Höhe des zulässigen Hauptmietzinses zu berücksichtigenden Zustand der Wohnung maßgeblich sein. Dies gelte sowohl für die Beurteilung der gemäß § 16 Abs 2 Z 6 MRG auch für die Höhe des Richtwertmietzinses maßgebenden Kategoriemerkmale als auch für alle anderen Umstände, etwa den damaligen Stand in der Wohnung durchgeführter und noch ausstehender Renovierungsarbeiten.

Vom Fehlen zeitgemäßen Zustandes des Bades wäre dabei sowohl bei freier Aufstellung einer zum Einbau bestimmten Wanne als auch bei Fehlen eines feuchtigkeitsisolierenden zeitgemäßen Wandbelages (wofür etwa auch ein Ölanstrich weder 1993 noch 1994 ausgereicht habe) oder eine Feuchtigkeitsisolierung des Bodens auszugehen. Ein Zuschlag für die Unterbringung von Bad und WC in gesonderten Räumen sei in der Beiratsempfehlung für Wien nicht vorgesehen. Ein solcher würde vielmehr ein zum erforderlichen Kategoriemerkmal hinzutretendes zusätzliches WC erfordern, wobei die hier vorhandene Konstellation durch den bereits vom Erstgericht für die günstige Grundrißlösung gewährten Zuschlag ausreichend berücksichtigt worden sei. Beizupflichten sei dem Antragsgegner hingegen darin, daß die Berücksichtigung des Lifts gemäß § 16 Abs 2 Z 2 MRG und § 3 Abs 4 RichtWG geboten sei. Laut Mietvertrag sei die antragstellende Mieterin zur Teilnahme an der Aufzugsanlage berechtigt und verpflichtet. Werde ein Mieter - wenn auch rechtswidrig und schuldhaft - vom Vermieter an der ihm zustehenden Benützung einer vorhandenen Anlage gehindert, stelle dies eine ausschließlich auf dem streitigen Rechtsweg verfolgbare Leistungsstörung nach § 1096 Abs 1 ABGB dar. Hiedurch ändere sich aber nicht die - im Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG ausschließlich festzustellende - Höhe des gesetzlich zulässigen Entgelts. Nicht zu folgen sei dem Rekurswerber hingegen mit seiner vom klaren Wortlaut des § 16 Abs 4 MRG abweichenden Ansicht, ein Lagezuschlag gebühre auch ohne jegliche Vereinbarung im Mietvertrag. Ebenso entspreche der vom Erstgericht vorgenommene Abschlag für die Befristung § 16 Abs 7 MRG idF des 3. WÄG.

Da dem Rekursgericht erforderlich erscheinende Umstände bislang jedoch ungeklärt geblieben seien, sei der angefochtene Sachbeschluß aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen gewesen.

Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Rekurses an den Obersten Gerichtshof seien gegeben, weil Judikatur des Obersten Gerichtshofes zu den Wirkungen einer ohne Einbindung des Vermieters erfolgten Überwälzung von Aufwendungen nach § 10 Abs 6 MRG sowie zur Berechnung der zulässigen Höhe des Richtwertmietzinses nach § 16 Abs 2 bis 4 MRG bislang nicht ergangen sei.

Erkennbar gegen den den Überprüfungszeitraum Dezember 1995 betreffenden Teil der Rekursentscheidung richten sich die Rekurse beider Parteien. Die Antragstellerin strebt die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Sachbeschlusses an. Der Antragsgegner beantragt die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Rückverweisung an das Rekursgericht, hilfsweise die Abänderung dahin, daß eine Überschreitung von lediglich S 871 pro Monat festgestellt werde. Der Antragsgegner hat auch eine Rekursbeantwortung erstattet, in der er die Abweisung des Rekurses der Antragstellerin beantragt.

Die Rekurse sind zulässig, sie sind im Sinne der Aufhebung der Rekursentscheidung auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zum Rekurs des Antragsgegners:

Der Antragsgegner wendet sich gegen die Darlegungen des Rekursgerichts über Zuschläge und Abstriche, soweit sie für ihn nachteilig sind. Teils vermengt er hiemit die Problematik des § 10 Abs 4 und 6 MRG (auf diese Bestimmungen wird bei der Behandlung des Rekurses der Antragstellerin eingegangen), teils widerspricht er der Rechtsansicht des Rekursgerichtes begründungslos. Es ist ihm mit diesen Rechtsmittelausführungen nicht gelungen, Bedenken gegen die diesbezügliche Begründung der Rekursentscheidung zu erwecken. Der erkennende Senat beschränkt sich daher insoweit darauf, gemäß § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm §§ 508a, 510 Abs 3 zweiter SatzZPO idF WGN 1997 auf die Richtigkeit dieser Begründung hinzuweisen.

Zum Rekurs der Antragstellerin:

Soweit die Antragstellerin ein Weitergaberecht der Vormieterin behauptet, geht sie unzulässigerweise nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Zutreffend macht sie aber geltend, der Antragsgegner habe sich im erstinstanzlichen Verfahren auf ein Wahlrecht gemäß § 10 Abs 6 MRG nicht berufen.

Im außerstreitigen Verfahren nach § 37 MRG ist die dem Untersuchungsgrundsatz innewohnende Erhebungspflicht durch die Pflicht der Parteien beschränkt, zur Aufklärung des Sachverhaltes beizutragen. Die Pflicht des Gerichts zur amtswegigen Prüfung des Sachverhalts endet dort, wo ein Vorbringen der Parteien (wegen des Neuerungsverbotes: in erster Instanz) überhaupt nicht vorliegt oder trotz richterlicher Anleitung nicht so konkretisiert wird, daß eine Überprüfung möglich ist. Die Parteien trifft in diesem Sinn zwar keine förmliche Beweislast, aber doch eine qualifizierte Behauptungspflicht (5 Ob 151/95 = WoBl 1996, 202/65 mwN; RIS-Justiz RS0070480, RS0083783; Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 § 37 MRG Rz 29 f mwN).

Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin schon vor der Schlichtungsstelle geltend gemacht, Aufwendungen der Vormieterin abgegolten zu haben (§ 10 Abs 6 erster Satz MRG); daß deren Ersatzanspruch berechtigt war (vgl 5 Ob 311/98 mwN), wurde nicht in Zweifel gezogen. Es wäre dann Sache des Antragsgegners gewesen, schon im erstinstanzlichen Verfahren zu behaupten, der Ersatzanspruch der Vormieterin sei ihm nicht gemäß § 10 Abs 4 MRG angezeigt worden, er sei in die Vereinbarung zwischen weichender und nachfolgender Mieterin nicht eingebunden gewesen. Auch wenn man die Richtigkeit der vom Rekursgericht zu § 10 Abs 4 und 6 MRG vertretenen Rechtsansicht unterstellt, bedarf es also mangels entsprechenden Vorbringens des Antragsgegners in erster Instanz nicht der vom Rekursgericht für nötig gehaltenen Erörterung mit den Parteien. Vielmehr ist es unter diesen Umständen nicht zu beanstanden, daß das Erstgericht die von der Antragstellerin der Vormieterin abgegoltenen Aufwendungen bei der Bestimmung der Höhe des zulässigen Hauptmietzinses als nicht getätigt behandelt hat.

Mit dieser Rechtsmeinung steht es auch nicht in Widerspruch, daß die Präklusion (wie sie hier in § 10 Abs 4 MRG vorgesehen ist) nach herrschender Ansicht von Amts wegen zu beachten ist. Dies bedeutet nämlich nur, daß es der förmlichen Erhebung der Einwendung nicht bedarf, doch müssen die tatsächlichen Voraussetzungen in erster Instanz behauptet und bewiesen werden (SZ 30/34; MietSlg 31.123; RIS-Justiz RS0034551; Mader in Schwimann2 § 1451 ABGB Rz 9; Schubert in Rummel2 § 1451 ABGB Rz 5).

Was sonstige dem Rekursgericht möglicherweise als aufklärungsbedürftig erschienene Umstände anlangt, wurde folgendes erwogen: Zweck des Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluß ist nur die Überprüfung der Rechtsansicht der zweiten Instanz; bei Richtigkeit dieser Rechtsansicht kann der Oberste Gerichtshof aber nicht überprüfen, ob die Verfahrensergänzung tatsächlich notwendig ist (Kodek in Rechberger § 519 ZPO Rz 5 mwN). Die Ausführungen des Rekursgerichts könnten nun so verstanden werden, daß es Feststellungen über den Beginn des Mietverhältnisses zwischen den Parteien und den damaligen Wohnungszustand vermißt. Der erkennende Senat nimmt eine solche Bedeutung nicht an, weil das Erstgericht ohnehin den vereinbarten Beginn des Mietverhältnisses (mit 1. 8. 1994) und Einzelheiten des Wohnungszustandes festgestellt hat. So gesehen steht der Berechnung des Richtwertmietzinses gemäß § 16 Abs 2 bis 4 MRG nichts im Wege; diese Berechnung wird gemäß § 510 Abs 1 letzter Satz ZPO dem Rekursgericht überlassen. Sollte das Rekursgericht doch auch auf der Grundlage der obigen Rechtsausführungen eine Verfahrensergänzung für notwendig halten, wird es im Falle eines neuerlichen Aufhebungsbeschlusses seine Aufträge an das Erstgericht zu verdeutlichen haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 19 MRG, § 52 ZPO.

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