OGH 6Ob24/98t

OGH6Ob24/98t18.12.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kellner, Dr. Schiemer, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Zdenko J*****, geboren am 20. September 1981, vertreten durch seine Mutter Manda J*****, beide ***** infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Marjan M*****, Installateur, ***** vertreten durch Dr. Armin Bonner, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Rekursgerichtes vom 4. November 1997, GZ 6 R 328/97w-12, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Mauerkirchen vom 22. Juli 1997, GZ 2 P 50/97s-8, teilweise bestätigt und abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Soweit sich das Rechtsmittel gegen den aufhebenden Teil der Rekursentscheidung richtet, wird es zurückgewiesen. Im übrigen wird dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit Urteil des Grundgerichtes in Brcko, ehemals Sozialistische Republik Bosnien und Herzegowina, vom 14. 8. 1990, das in Anwesenheit des Beklagten und seines Rechtsvertreters gefällt wurde, wurde festgestellt, daß der Beklagte Markovic M*****, Sohn des Simo aus Kopanica, der leibliche Vater des minderjährigen Klägers J***** Zdenko, geboren am 20. 9. 1981 in Brcko, ist und angeordnet, daß er in das Geburtsmatrikelbuch der Gemeinde Brcko als Vater des minderjährigen Klägers eingetragen wird. Gleichzeitig wurde der festgestellte Vater zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 1.500 Dinar ab 3. 8. 1988 für seinen Sohn Zdenko verpflichtet. Dieses Urteil wurde vom höheren Gericht in Tuzla, Sozialistische Republik Bosnien und Herzegowina, am 25. 12. 1990 bestätigt. Das Ersturteil ist am 25. 12. 1990 rechtskräftig geworden, die Rechtskraft wurde am 22. 3. 1991 bestätigt.

Am 26. 3. 1997 beantragte die Mutter des Minderjährigen für diesen den gerichtlichen Ausspruch, daß ihr die Obsorge für Zdenko J***** allein zukomme und begehrte, den Vater, Marjan M*****, zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 3.600 S rückwirkend ab 1. 4. 1994 zu verpflichten, weil er, der bereits seit mehr als einem Jahrzehnt in der Schweiz lebe, bislang seiner Unterhaltsverpflichtung nicht nachgekommen sei. Als Installateur sei er wirtschaftlich in der Lage, den begehrten Unterhaltsbeitrag zu leisten. Die Mutter, die seit ca sieben Jahren in Österreich aufhältig sei, betreue seit etwa fünf Jahren den Minderjährigen, der die 4. Klasse Hauptschule in Aspach besuche und im gemeinsamen Haushalt in Aspach mit ihr wohne.

Der Vater sprach sich gegen das Unterhaltsfestsetzungsbegehren aus, weil er die Vaterschaft bestreite. Er habe mit der Mutter nie ein intimes Verhältnis gehabt. Ein rechtskräftiges Urteil über die Vaterschaftsfrage gebe es nicht. Er sei selbständiger Installateur mit einem jährlichen durchschnittlichen Ertrag von 50.000 bis 60.000 sfr. Er sei für seine nicht berufstätige Ehegattin und eine im Jahr 1988 geborene Tochter sorgepflichtig. Er habe kein Vermögen, monatlich jedoch Miete, Wohnungskosten, Krankenkassenbeiträge und Steuern, ein geleastes Auto und Miete für eine Garage zu zahlen.

Das Erstgericht sprach aus, daß die Obsorge über den mj. Zdenko J***** der Mutter Manda J***** alleine zukommt und verpflichtete gleichzeitig den Vater zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von 3.600 S ab 1. 4. 1994 bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes. Dabei ging es von einem im Jahr 1996 erwirtschafteten Gewinn des Vaters von 51.776 sfr oder umgerechnet 449.419 S sowie von den vom Vater ins Treffen geführten monatlichen Auslagen aus.

Rechtlich führte es aus, der Vater, der noch für seine 1988 geborene Tochter und seine nicht berufstätige Ehefrau zu sorgen habe, sei bei einem Gewinn von 51.765 sfr im Jahr 1996 durchaus in der Lage, den geforderten Unterhalt zu leisten. Die Kosten für Miete, Autogarage, Autoleasing und Steuern hätten sich bereits gewinnmindernd ausgewirkt. Die Wohnungskosten seien von der Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht abzuziehen. Der zugesprochene Unterhalt entspreche ohnedies nur dem Durchschnittsbedarf.

Das Rekursgericht gab dem nur gegen die Unterhaltsverpflichtung gerichteten Rekurs des Vaters, der eine rechtsverbindliche Feststellung der Vaterschaft verneinte, teilweise Folge, verpflichtete ihn für das Jahr 1995 zu einem Unterhalt von monatlich

1.800 S, ab 1. 1. 1996 bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes zu 3.600 S monatlich und wies das Mehrbegehren von weiteren 1.800 S monatlich für 1995 ab. Für den Zeitraum vom 1. 4. 1994 bis 31. 12. 1994 wurde der Beschluß des Erstgerichtes aufgehoben und diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Für die Anerkennung ausländischer Entscheidungen, die den Personenstand betreffen, seien nach herrschender Auffassung die allgemeinen Grundsätze für die Anerkennung ausländischer Entscheidungen (§§ 80 f EO) maßgebend. Die nach § 79 EO erforderliche Gegenseitigkeit werde in der Praxis für die Anerkennung von Entscheidungen über den Personenstand nicht gefordert. Voraussetzung für die Anerkennung sei die internationale Zuständigkeit des Entscheidungsstaates, die im Hinblick auf § 76c JN für das Grundgericht in Brcko zur Vaterschaftsfeststellung zu bejahen sei. Das Urteil sei von diesem Gericht auch formell für rechtskräftig erklärt worden, so daß auch die Anerkennungsvoraussetzung des § 80 Z 3 EO gegeben sei. Da der dort Beklagte sich am Verfahren vor dem Grundgericht in Brcko beteiligt habe, das Urteil enthalte den ausdrücklichen Hinweis, daß es nach mündlicher und nichtöffentlicher Streitverhandlung in Anwesenheit des Beklagten sowie der bevollmächtigten Anwälte der Streitparteien gefällt worden sei, sei auch die Voraussetzung des § 80 Z 2 EO erfüllt. Es sei auch nicht aktenkundig, daß es dem Vater wegen einer Unregelmäßigkeit des Verfahrens nicht möglich gewesen sei, sich am Vaterschaftsfeststellungsverfahren zu beteiligen, daher sei davon auszugehen, daß sein rechtliches Gehör gewahrt worden sei. Schließlich verstoße die Vaterschaftsfeststellung durch das erwähnte Gericht auch nicht gegen den ordre public (§ 81 Z 3 EO). Eine Überprüfung des ausländischen Titels in tatsächlicher oder rechtlicher Beziehung von Grund auf sei bei der Entscheidung, ob ein ausländischer Titel in Österreich anerkannt (und vollstreckt) werden könne, nicht durchzuführen. Das in seinem Spruch durch beglaubigte Übersetzung vorliegende Urteil des Grundgerichtes in Brcko über die Feststellung der Vaterschaft sei daher in Österreich wirksam. Der Behauptung des Rechtsmittelwerbers, daß das antragstellende Kind nicht von ihm stamme, komme daher solange keine rechtliche Bedeutung zu, als dieses Urteil aufrecht sei. Nach dem Haager Unterhaltsstatutabkommen vom 24. 10. 1956 bestimme das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Kindes, ob und in welchem Ausmaß und von wem das Kind Unterhalt verlangen könne. Der Anspruch des Kindes sei daher im Hinblick auf dessen inländischen Aufenthaltsort nach österreichischem Recht zu beurteilen. Aus dem vom Erstgericht angenommenen Gewinn von (umgerechnet) 449.420 S, den der Vater im Jahr 1996 erwirtschaftet habe, lasse sich ein durchschnittlicher Monatsgewinn von 37.452 S für 1996 errechnen. Auch unter Berücksichtigung seiner Sorgepflichten für die nicht berufstätige Ehefrau und ein weiteres, 1988 geborenes Kind und verhältnismäßig hohe Wohnungskosten in der Schweiz sei der begehrte Unterhalt jedenfalls angemessen. Für 1995 sei in der vom Vater vorgelegten Erfolgsrechnung allerdings von einem wesentlich geringeren Einkommen, nach Abzug der Betriebsausgaben von monatlich netto umgerechnet 13.000 S auszugehen. Für dieses Jahr sei dem Vater keine höhere Unterhaltsleistung als etwa die Hälfte des Regelbedarfes (1.800 S) zuzumuten. Für den Zeitraum 1. 4. 1994 bis 31. 12. 1994 fehle es an jeglichen Feststellungen und Unterlagen, insoweit sei das Verfahren noch ergänzungsbedürftig.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs hinsichtlich der entschiedenen Zeiträume nicht zulässig sei, weil es von den von der Judikatur für die Unterhaltsbemessung aufgestellten Rechtsgrundsätzen im Einzelfall nicht abgewichen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters, der sich auch gegen den aufhebenden Teil der Rekursentscheidung richtet und nur die Anerkennung des ausländischen Vaterschaftsfeststellungsurteiles bekämpft, ist, soweit er die Zeit ab 1. 1. 1995 betrifft, zulässig, weil eine jüngere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Anerkennung ausländischer Personenstandsentscheidungen fehlt. Soweit sich das Rechtsmittel gegen den aufhebenden Teil der rekursgerichtlichen Entscheidung richtet, ist er unzulässig, weil das Rekursgericht nicht ausgesprochen hat, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig ist (§ 14 Abs 4 Satz 1 AußStrG idF vor der WGN 1997).

Zutreffend hat das Rekursgericht ausgeführt, daß das Haager Unterhaltsstatutabkommen immer dann anzuwenden ist, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat, auch wenn weder das Kind noch der Vater österreichische Staatsbürger sind. Das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Kindes ist daher dafür maßgebend, ob und in welchem Ausmaß und von wem das Kind Unterhalt verlangen kann. Dies gilt auch für die als Vorfrage zu lösende Vaterschaft zum Unterhalt begehrenden Kind (SZ 48/5; 6 Ob 348/97p; Schwimann ÖA 1974, 10 uva). Das für die Unterhaltsentscheidung zuständige Gericht hat daher, wenn die außereheliche Vaterschaft strittig ist, nur für das Unterhaltsverfahren ohne familienrechtliche Wirkung im Sinne des § 163b ABGB die Frage der Vaterschaft zu lösen, liegt ein ausländisches Urteil über die Feststellung der Vaterschaft vor, aber als Vorfrage zu prüfen, ob dieses Urteil in Österreich anzuerkennen und damit der Unterhaltsentscheidung zugrundezulegen ist. Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Exekutionstitel ist grundsätzlich in den §§ 79 ff EO geregelt. Ein bilateraler Vertrag über die generelle Anerkennung und Vollstreckung gegenseitiger Entscheidungen zwischen Österreich und der vormaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien, Republik Bosnien-Herzegowina bestand nicht, lediglich das Übereinkommen über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland BGBl 316/1969 wurde auch von Bosnien-Herzegowina (BGBl 164/1994) übernommen. Mit Ausnahme von Schwimann (in Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht Länderteil Österreich), der die Ansicht vertritt, daß für die Anerkennung ausländischer Entscheidungen, die den Personen- oder Familienstand betreffen, nicht nur die Anerkennungsvoraussetzungen der §§ 80 und 81 EO maßgebend seien, sondern auch das in § 79 EO normierte Erfordernis der qualifizierten, das heißt durch Staatsverträge oder kundgemachte Regierungserklärungen verbürgten Gegenseitigkeit, lehnen die Lehre (Fasching, Kommentar III, 700; Heller/Berger/Stix 771; Edlbacher ÖStA 1973, 16; Schütz ÖStA 1986, 1) und das Bundesministerium für Justiz (unter ausführlicher Darlegung der Gesetzesmaterialien und des gesetzgeberischen Zweckes in ÖStA 1991, 50) die Anwendbarkeit des § 79 EO auf die Anerkennung ausländischer personen- und familienrechtlicher Entscheidungen ausdrücklich ab. Waren beide Prozeßparteien im Zeitpunkt der Urteilsfällung ausschließlich Angehörige des Staates, dem die entscheidende Behörde angehört hat, so bedarf es in der Regel keiner weiteren Untersuchung, denn es muß als ein ungeschriebener Grundsatz angesehen werden - und wird von der Praxis auch durchwegs so behandelt - daß Entscheidungen des Heimatstaates ohne weiteres anerkannt werden. Dieser Rechtsauffassung ist zuzustimmen. Die sonst erforderliche Gegenseitigkeit (§ 79 EO, der Akten und Urkunden erfaßt) ist für die Anerkennung von Entscheidungen, die den Personenstand betreffen, nicht notwendig. Waren beide Prozeßparteien ausschließlich Angehörige des Entscheidungsstaates, sind lediglich die positiven Anerkennungsvoraussetzungen des § 80 EO und das Fehlen von Versagungsgründen des § 81 EO zu prüfen: also das Vorliegen der internationalen Zuständigkeit, das heißt die Zuständigkeit des ausländischen Gerichtes aus österreichischer Sicht (§ 80 Z 1 EO), die Zustellung der verfahrenseinleitenden Verfügung an die unterlegene Prozeßpartei (§ 80 Z 2 EO), die Rechtskraft des ausländischen Erkenntnisses (§ 80 Z 3 EO), die Gewährung des rechtlichen Gehörs (§ 81 Z 1 EO) und schließlich das Fehlen eines Verstoßes gegen den ordre public (§ 81 Z 4 EO). Alle positiven Anerkennungsvoraussetzungen und das Fehlen von Versagungsgründen sind, wie das Rekursgericht zutreffend und ausführlich dargelegt hat (§ 510 Abs 3 ZPO) im vorliegenden Fall gegeben. Solange das rechtskräftige Urteil des Grundgerichtes Brcko über die Feststellung der Vaterschaft des Antragsgegners aufrecht ist, ist es daher für die österreichischen Gerichte wirksam.

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