Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Dem Gericht zweiter Instanz wird eine neuerliche Entscheidung über den Rekurs aufgetragen.
Text
Begründung
Das Erstgericht räumte dem Adoptivvater gegenüber seinem in Obsorge der Adoptivmutter befindlichen Kind, das das vierzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ein Besuchsrecht ein.
Das Rekursgericht wies den Rekurs der Adoptivmutter als unzulässig zurück. Der erstgerichtliche Beschluß betreffe einerseits die Rechte des Vaters auf Kontakt mit dem Minderjährigen und andererseits die damit verbundenen Rechte bzw Pflichten des Minderjährigen, nicht jedoch die Rechte bzw Pflichten der obsorgeberechtigten Mutter. Ihr ausdrücklich nur im eigenen Namen erhobener Rekurs sei daher mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig. Ferner sprach das Rekursgericht aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG nicht zulässig sei.
Der gegen diesen Beschluß von der Adoptivmutter erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Rechtsmittelwerberin weist zunächst zutreffend darauf hin, daß die Annahme des Gerichtes zweiter Instanz, sie haben den Rekurs "ausdrücklich nur im eigenen Namen erhoben", aktenwidrig ist: Sie erklärte vielmehr ausdrücklich, den Rekurs "im eigenen Namen und im Namen des Kindes als gesetzliche Vertreterin" zu erheben (Punkt I.1 auf Seite 2 ihres Rekurses ON 179). Schon deshalb liegt der vom Rekursgericht für die Zurückweisung des Rechtsmittels angeführte Grund nicht vor.
Nach ständiger Rechtsprechung kann in Angelegenheiten der Obsorge einschließlich des Rechtes der Eltern auf persönlichen Verkehr mit dem Kind nach § 148 ABGB (sog. Besuchsrecht) nur ein mündiger Minderjähriger, sofern keine Bedenken gegen seine ausreichende geistige Reife bestehen, auch selbst Rechtsmittel einbringen und in diesem Umfang auch einen Rechtsanwalt bevollmächtigen (EFSlg 67.306 mwN ua), nicht aber ein unmündiger Minderjähriger oder ein Kind
(EFSlg 49.733; SZ 38/216 = JBl 1966, 431 = EvBl 1966/224 mwN ua;
zuletzt 1 Ob 2043/96i = EFSlg 82.683; Pichler in Rummel, ABGB2 § 148
Rz 3, § 177 ABGB Rz 1b; Schlemmer/Schwimann in Schwimann, ABGB1 § 148 Rz 3; Schwimann ABGB2 § 148 Rz 8; Feil, Rechtsmittel im Außerstreitverfahren nach der WGN 1989, Rz 18.9; krit. im Sinne einer materiellen Beteiligtenstellung des Kindes:
Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Rechtsstellung des Kindes beim Besuchsrecht, in: Harrer/Zitta, Familie und Recht, 743, 754). Der Oberste Gerichtshof hat etwa in der nicht veröffentlichten Entscheidung 7 Ob 1611/93 gemeint, daß im Verfahren zur Regelung der Obsorge einem unmündigen Minderjährigen keine Beteiligenstellung zukomme. Wenngleich nicht verkannt werden soll, daß das Besuchsrecht primär dem Interesse eines Kindes am elterlichen Kontakt entspringt und nur in zweiter Linie auch ein Elternrecht ist (Schwimann aaO Rz 4 mwN), kommt Unmündigen auch im Verfahren über die Regelung des persönlichen Verkehrs nach § 148 ABGB kein Antrags- und Rekursrecht zu (EFSlg 56.700, 9.291; vgl auch EFSlg 44.447, 5.868), zumal durch ein gerichtlich eingeräumtes Besuchsrecht unmittelbar nur in die Rechte des Obsorgeberechtigten, nicht aber des Kindes eingegriffen wird und kein gesondertes Rechtsschutzbedürfnis des Kindes neben jenem des Obsorgeberechtigten besteht (EFSlg 19.054, 3.744; zuletzt 1 Ob 2043/96i). Durch die Neuschaffung des § 178b ABGB, der im übrigen entgegen seiner Überschrift nichts darüber aussagt, ob die Meinung
des Kindes auch zu berücksichtigen ist (JBl 1994, 608 = EvBl 1995/23;
JBl 1992, 639 = EvBl 1993/13 = ÖA 1993, 26 = EFSlg 68.895), wird
dadurch jedenfalls keineswegs einem Kinder oder Unmündigen (§ 21 Abs 2 ABGB) eine Beteiligtenstellung eingeräumt (vgl SZ 38/216 zur alten Rechtslage; Ferrari-Hofmann-Wellenhof aaO 748). In der zitierten E 1 Ob 2043/96i billigte der Oberste Gerichtshof demzufolge die Zurückweisung des Rekurses einer durch die Mutter - die selbst kein Rechtsmittel erhoben hatte - vertretenen unmündigen Minderjährigen gegen einen das Besuchsrecht des Vaters regelnden erstgerichtlichen Beschluß.
Im Lichte dieser ständigen Rechtsprechung, die vom Gericht zweiter Instanz nicht beachtet wurde, ist die Adoptivmutter zutreffend als Rekurswerberin aufgetreten, wobei der Zusatz, sie erhebe diesen Rekurs "im eigenen Namen und im Namen des Kindes als gesetzliche Vertreterin" ausreichend klarstellte, daß sie nicht (bloß) eigene Rechte verfolgen, sondern (auch) im Interesse und zum Wohl des in ihrer Obsorge befindlichen Kindes tätig werden wolle.
Das Gericht zweiter Instanz wird daher neuerlich über den Rekurs zu entscheiden haben.
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