OGH 7Ob337/98d

OGH7Ob337/98d1.12.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter, Dr. Schalich, Dr. Tittel und Dr. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Irmgard G*****, vertreten durch Dr. Wolfgang R. Gassner ua Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1. Univ. Prof. Dr. Erich M*****, und 2. Land Salzburg, vertreten durch den Landeshauptmann, Salzburg, Chiemseehof, beide vertreten durch Dr. Friedrich Harrer ua Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 1,200.000,-- und Feststellung (Feststellungsinteresse S 250.000,--), infolge außerordentlicher Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Teilzwischenurteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 23. September 1998, GZ 2 R 90/98p-63, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der zweitbeklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Schließt man aufgrund der unterlassenen Dokumentation über den Operationsverlauf während der letzten dreiviertel Stunden darauf, daß die Blutdruckmessungen an der Klägerin unterlassen worden sind, so begründet dies allein schon eine Sorgfaltspflichtenverletzung. Verletzt der Arzt seine Dokumentationspflicht in bezug auf Umstände, die für den Schadenseintritt erheblich sein können, greift die Beweislastumkehr Platz (vgl SZ 67/9). Die Verletzung der ärztlichen Dokumentationspflicht hat im Prozeß beweisrechtliche Konsequenzen, die dazu führen, daß dem Patienten zum Ausgleich der durch die Verletzung der Dokumentationspflicht eingetretenen größeren Schwierigkeiten, einen ärztlichen Behandlungsfehler nachzuweisen, eine der Schwere der Dokumentationspflichtverletzung entsprechende Beweiserleichterung zugutekommt (vgl SZ 68/207, zuletzt 3 Ob 2121/96). Die Beweiserleichterung bei fehlender Dokumentation hilft dem Patienten lediglich insoweit, als sie die Vermutung begründet, daß eine nicht dokumentierte Maßnahme vom Arzt nicht getroffen wurde, sie begründet aber nicht die Vermutung objektiver Sorgfaltsverstöße (vgl 2 Ob 235/97). Im vorliegenden Fall kommt aber der unterlassenen Überwachung des Blutdruckes der Klägerin durchaus die Wahrscheinlichkeit zu, den letztlich entstandenen Schaden herbeigeführt zu haben. Geht man davon aus, daß die Beobachtung der Blutdruckwerte bei der Klägerin unterblieben sind, liegt ein Behandlungsfehler vor, es ist aber gleichgültig, ob die Schwester oder der Anästhesiearzt diesen Behandlungsfehler begingen. Bei dem der Entscheidung JBl 1987, 670 zugrundeliegenden Sachverhalt war der Anästhesiearzt bei der Operation des dortigen Klägers nicht anwesend, sondern assistierte bei einer anderen Operation, im gegenständlichen Fall hat die Anästhesieschwester die Beobachtung der Blutdruckwerte über 45 Minuten hindurch offensichtlich unterlassen. Richtig ist, daß in der letztzitierten Entscheidung ausgesprochen wurde, daß eine Parallelnarkose unzulässig sei und daß der Anästhesist außer in ausgesprochenen Notfällen verpflichtet ist, bei dem gerade nicht von ihm betreuten Patienten zumindestens eine ausgebildete Schwester zur Beobachtung zurückzulassen. Daß im vorliegenden Fall diese ausgebildete Schwester die ihr übertragenen Pflichtenkreise nicht erfüllt hat, stellt die Vergleichbarkeit zur letztzitierten Entscheidung dar. Darüberhinaus hat das Erstgericht im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung ergänzend festgestellt, daß die Schwester durch ihre Tätigkeit überlastet und daher zur Erfüllung der übernommenen Aufgabe ungeeignet war, weil sie gegen Ende der Operation einen anderen (weiteren) Patienten auf eine Operation vorzubereiten hatte.

Richtig ist, daß erstgerichtliche Feststellungen über den geringeren Wahrscheinlichkeitsgrad der weiteren möglichen Ursachen für das Auftreten eines spinalen Anterior-Syndroms lediglich in der Beweiswürdigung unter Hinweis auf das Sachverständigengutachten Dris. F***** zu finden sind. Dort wird darauf hingewiesen (vgl Ersturteil S 29), daß bisher kein Fall bekannt ist, bei welchem dieses Syndrom schicksalshaft aufgetreten ist. Damit wird aber gerade noch ausreichend zur fehlenden Wahrscheinlichkeit der alternativen von der zweitbeklagten Partei nunmehr in Anspruch genommenen Ursachen Stellung genommen. Geht man aber von der Unwahrscheinlichkeit dieser drei von der zweitbeklagten Partei angeführten Ursachen für das spinale Anterior-Syndrom aus, so hat die zweitbeklagte Partei nicht der sie treffenden Beweispflicht Genüge getan. Aufgrund der größeren Wahrscheinlichkeit kommt daher dem Behandlungsfehler die Qualifikation der Ursache für den eingetretenen Schaden zu.

Stichworte