OGH 5Ob296/98k

OGH5Ob296/98k24.11.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann, Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Mietrechtssache des Antragstellers (unrichtig bezeichnet als: "Antragsgegner") Arch. DI Ernst S*****, vertreten durch Dr. Erwin Bajc und Dr. Peter Zach, Rechtsanwälte in Bruck a.d. Mur, wider den Antragsgegner (unrichtig bezeichnet als: "Antragsteller"), KR Dietrich L***** A***** , vertreten durch Dr. Ursula Schwarz, Rechtsanwältin in Bruck a.d. Mur, wegen § 37 Abs 1 Z 6 MRG iVm § 10 MRG, infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes Leoben vom 21. August 1998, GZ 3 R 116/98k-44, womit infolge Rekurses des Antragstellers der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur vom 28. November 1997, GZ 7 N 30/95w-27, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aus Anlaß des Revisionsrekurses als nichtig ersatzlos aufgehoben.

Die Parteien haben die Kosten des Revisionsrekursverfahrens selbst zu tragen.

Der am 13. 11. 1998 beim Erstgericht eingelangte Schriftsatz des Antragsgegners KR Dietrich A***** wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Antragsgegner KR A***** ist Eigentümer des gegen Ende des vorigen Jahrhunderts errichteten Hauses *****. Er schloß am 29. 8. 1988 mit DI Ernst S***** einen schriftlichen, ab 1. 9. 1988 in Kraft tretenden Mietvertrag über eine Wohnung im Erdgeschoß dieses Hauses. Der Antragsteller DI S***** räumte die Wohnung Ende Februar 1992. Am 19. 6. 1992 beantragte er bei der Schlichtungsstelle des Stadtamtes Leoben die Feststellung, daß die von ihm am Mietobjekt getätigten Investitionen einen Wert von S 622.701,54 (in der Folge korrigiert auf S 752.770,74) betragen, diese Investitionen werterhöhend und substanzerhaltend gewesen seien sowie, dem Antragsgegner aufzutragen, diesen Betrag abzüglich 15 % Abwohnbeitrag zu refundieren (§ 37 Abs 1 Z 6 iVm § 10 MRG).

Am selben Tag beantragte DI Ernst S*****, gestützt auf § 37 Abs 1 Z 8 iVm § 16 MRG, die Feststellung, daß mit der Vorschreibung eines Hauptmietzinses in der Höhe von S 5.000,-- das zulässige Zinsmaß in unzulässiger Weise überschritten worden sei, das Mietobjekt bei Anmietung der Kategorie D entsprochen habe und daher nur ein Mietzins in der Höhe der Kategorie D zulässig gewesen sei, sowie, dem Antragsgegner die Rückzahlung der ziffernmäßig ergebenden Differenz aufzutragen. Der Antragsgegner beantragte die Abweisung beider Begehren und verwies darauf, daß es sich bei dem gegenständlichen Haus um ein solches handle, welches mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen ausgestattet sei, sodaß die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 4 Z 2 MRG Anwendung zu finden habe, wonach weder die Bestimmungen über den Aufwandersatz nach § 10 MRG noch eine Überprüfung der Mietzinshöhe in Frage komme. In der vor der Schlichtungsstelle abgehaltenen Tagsatzung vom 21. 1. 1994 (AS 71 des Schlichtungsstellenaktes) die nur zu dem nach § 37 Abs 1 Z 6 iVm § 10 MRG gestellten Antrag stattfand, äußerte die Vertreterin der Antragsgegnerin wörtlich: "Hinsichtlich der Zuständigkeit der Schlichtungsstelle beantrage ich Zwischenfeststellung. Als Beweis führe ich den Bauakt beim Stadtamt Leoben an sowie die Durchführung eines Ortsaugenscheines." Eine weitere Spezifizierung dieses Antrages erfolgte weder im Verfahren vor der Schlichtungsstelle noch im anschließenden gerichtlichen Außerstreitverfahren. In zwei Schriftsätzen vom 29. 9. 1994 und 28. 11. 1994 beantragte der Antragsteller (!), über den am 21. 1. 1994 von den Rechtsvertretern des Antragsgegners gestellten "Antrag auf Zwischenfeststellung" zu entscheiden. Mit Bescheid vom 30. 11.1994, GZ 3/I Ka 1/15-1994, welcher ausdrücklich als im "Verfahren gemäß § 37 Abs 1 Z 6 iVm § 10 MRG" gefaßt bezeichnet wird, stellte die Schlichtungsstelle gemäß § 236 ZPO fest, daß das Mietverhältnis des Arch. DI Ernst S*****..., welches aufgrund des Mietvertrages vom 29. 8. 1988 über die im Objekt *****, gelegene Wohnung, bestehend aus Vorraum, 5 Zimmern, Balkon, Küche, Badezimmer und WC im Ausmaß von 172 m2, einschließlich Dachboden und Gartenmitbenützung abgeschlossen wurde, dem Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes unterliegt. Die Schlichtungsstelle begründete ihre Entscheidung damit, daß § 236 ZPO über die Zulässigkeit eines Zwischenantrages auf Feststellung im Schlichtungsverfahren zur Anwendung zu bringen sei. Es sei daher von der Schlichtungsstelle zu klären, ob das zwischen DI Arch. Ernst S***** und KR Dietrich A***** über die Wohnung im Erdgeschoß des Objektes *****, abgeschlossene Mietverhältnis, welches mit Mietvertrag vom 29. 8. 1998 begründet worden sei, den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes zu unterstellen sei. Letzteres bejahte die Schlichtungsstelle mit der wesentlichen Begründung, daß die im Dachgeschoß vorhandene Wohneinheit nicht nachträglich errichtet worden sei, sodaß die Ausnahmebestimmung gemäß § 1 Abs 4 Z 2 MRG nicht Platz greife. Dagegen rief der Antragsgegner (welcher sich in der Folge als "Antragsteller" und den Antragsteller als "Antragsgegner" bezeichnete) gemäß § 40 Abs 1 MRG rechtzeitig das Gericht an.

Der Antragsgegner verwies in seinem Antrag, welcher nur auf § 10 MRG Bezug nimmt, auf sein im Schlichtungsverfahren erstattetes Vorbringen.

Das Erstgericht stellte mit Sachbeschluß (ON 27) fest, daß für das Mietverhältnis des Arch. DI Ernst S*****, welches aufgrund des Mietvertrages vom 29. 8. 1988 über die im Objekt ***** gelegene Wohnung, bestehend aus Vorraum, 5 Zimmern, Balkon, Küche, Badezimmer und WC im Ausmaß von 172 m2 einschließlich Dachboden und Gartenmitbenützung abgeschlossen wurde, der nach § 1 Abs 4 Z 2 MRG eingeschränkte Geltungsbereich des Mietrechtsgesetzes zur Anwendung zu kommen habe. Es stellte fest, daß vom ursprünglichen Bau nur zwei Wohneinheiten im Erdgeschoß sowie im ersten Stock, im Dachgeschoß jedoch nur ein Zimmer vorgesehen und errichtet worden seien, der Dachbodenausbau somit erst später erfolgt sei. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß somit das MRG nur mit den im § 1 Abs 4 Z 2 genannten Beschränkungen anwendbar sei.

Das Rekursgericht änderte diesen Sachbeschluß dahin ab, daß es feststellte, daß das Mietverhältnis des DI Ernst S***** aufgrund des Mietvertrages vom 29. 8. 1988 betreffend die Wohnung im Erdgeschoß des Hauses *****, dem vollen Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes unterliege. Es vertrat die Ansicht, daß der Antragsgegner den ihm obliegenden Beweis für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes, nämlich den nachträglichen Einbau einer Dachbodenwohnung, nicht erbracht habe. Die Ansicht des Erstgerichtes, die zusätzlichen Räume auf dem Dachboden seien erst für die Zukunft geplant gewesen, sei eine durch kein Beweisergebnis gedeckte Annahme und könne daher der Entscheidung nicht zugrundegelegt werden.

Der Sachbeschluß des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 130.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Letzteres wurde damit begründet, daß keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu einem vergleichbaren Sachverhalt existiere.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners mit dem Antrag, den angefochtenen Sachbeschluß dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Antragsteller beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise, diesem nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Wahrnehmung einer Nichtigkeit kommt immer erhebliche Bedeutung zur Wahrung der Rechtssicherheit zu. Nichtigkeitsgründe sind daher von Amts wegen wahrzunehmen (RIS-Justiz RS0007213).

Über einen Zwischenantrag auf Feststellung im Sinn des § 37 Abs 3 Z 13 MRG ist mit abgesondert anfechtbaren Sachbeschluß zu entscheiden, wenn im Prozeß mit Urteil zu erkennen wäre (RIS-Justiz RS0039640). Wenngleich für das Anbringen von Zwischenanträgen auf Feststellung vor dem Gericht die vorherige Anbringung desselben Antrages vor der Schlichtungsstelle nicht erforderlich ist (WoBl 1992/108), ist umgekehrt die Entscheidung über einen Zwischenfeststellungsantrag durch die Schlichtungsstelle eine Entscheidung in der Sache, gegen die gemäß § 39 Abs 4 MRG kein Rechtsmittel zulässig ist. Es bleibt der Partei, die sich mit dieser Entscheidung der Gemeinde nicht zufrieden geben will, daher nur die Möglichkeit, die Sache gemäß § 40 Abs 1 bei Gericht anhängig zu machen. Da aber die Frage, ob ein Mietobjekt dem MRG unterliegt, in einem Verfahren nach § 37 MRG vom Außerstreitrichter als Vorfrage zu klären ist, soweit die Beantwortung dieser Frage für die Entscheidung der ihm unterbreiteten Angelegenheit des § 37 Abs 1 Z 1 bis 13 MRG erforderlich ist, kann sie darüber hinaus nicht selbständig zum Gegenstand eines über das Verfahren hinausreichenden, der Rechtskraft fähigen Feststellungsbegehrens gemacht werden (ImmZ 1989, 203). Folglich kann daher die "Abziehung" nicht nur das Verfahren über diesen Zwischenantrag auf Feststellung umfassen, sondern betrifft das gesamte Verfahren, in dessen Zuge der Zwischenantrag gestellt worden ist. Auf einem Mißverständnis dieser Rechtslage beruht offenbar auch der Umstand, daß die Parteien des Schlichtungsverfahrens vor dem Außerstreitgericht einem "Rollentausch" unterzogen wurden, der jedoch nicht geeignet ist, die Parteistellung wirksam zu verändern. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, daß durch den Antrag auf Entscheidung durch das Gericht nur das Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 6 iVm § 10 MRG - dieses aber zur Gänze - in die gerichtliche Zuständigkeit gekommen ist.

Der vom Kläger (Antragsteller) gestellte Zwischenantrag auf Feststellung entspricht verfahrensrechtlich betrachtet einer Klage bzw Klageerweiterung (einem Antrag bzw einer Antragserweiterung) (RIS-Justiz RS0043894). Unter den Voraussetzungen der Präjudizialität für den konkreten Rechtsstreit und der über das Verfahren hinausgehenden Bedeutung ist auch dem Antragsgegner die Möglichkeit einer solchen Antragstellung eingeräumt (§ 37 Abs 3 Z 13 MRG iVm §§ 236 und 252 Abs 2 ZPO). Beide Vorinstanzen gehen - wie auch die Parteien - vom Vorliegen eines solchen Zwischenfeststellungsantrages aus. Tatsächlich wurde ein solcher aber wirksam nie gestellt. Nach dem klaren Wortlaut des Protokolls der Schlichtungsstelle vom 21. 1. 1994 beantragte der Antragsgegner nämlich "Zwischenfeststellung hinsichtlich der Zuständigkeit der Schlichtungsstelle". Es fehlt diesem Antrag, der auch in der Folge nicht erweitert wurde, somit an den einfachsten Voraussetzungen, die einen Zwischenfeststellungsantrag im Sinne der §§ 236 bzw 259 Abs 2 ZPO kennzeichnen. Ein tauglicher Zwischenantrag auf Feststellung ist somit nicht aktenkundig. Damit ermangelt es jedoch den Entscheidungen der Vorinstanzen an der gesetzlichen Grundlage. Der Grundsatz, wonach die Fällung eines Urteils ohne Urteilsantrag Nichtigkeit nach sich zieht (SZ 21/37; Rechberger/Simotta Grundriß4 Rz 835) muß auch für den einem Zwischenurteil im Sinn des § 393 Abs 2 ZPO entsprechenden Sachbeschluß im Sinne des § 37 Abs 3 Z 13 MRG gelten.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher anläßlich des Revisionsrekurses des Antragsgegners ersatzlos zu beheben. Infolge der auf das Gericht übergegangenen Zuständigkeit wird dieses über den gemäß § 37 Abs 1 Z 6 iVm § 10 MRG gestellten Antrag in der Sache selbst zu entscheiden haben.

Die Parteien haben ihre Kosten selbst zu tragen, weil der in § 37 Abs 3 Z 19 genannte Ausnahmetatbestand mutwilliger Verfahrensführung nicht gegeben ist.

Jeder Partei steht nur eine einzige Rechtsmittelschrift oder -gegenschrift zu. Weitere Rechtsmittelschriften und -gegenschriften, Nachträge oder Ergänzungen sind selbst dann unzulässig, wenn sie innerhalb der gesetzlichen Frist angebracht werden (RIS-Justiz RS0041666). Die zusätzliche "Äußerung und Urkundenvorlage" des Antragsgegners war daher zurückzuweisen.

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