OGH 4Ob293/98m

OGH4Ob293/98m10.11.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*****, vertreten durch Dr. Günter Geusau, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei Ö*****, vertreten durch DDr. Manfred Nordmeyer und Dr. Widukind W. Nordmeyer, Rechtsanwälte in Wels, wegen S 117.625,20 s.A. (Rekursinteresse S 13.111,20), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 23. Juli 1998, GZ 6 R 122/98y-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 16. April 1998, GZ 4 Cg 303/96t-16, teilweise als nichtig aufgehoben und das Klagebegehren insoweit zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird mit der Maßgabe bestätigt, daß auch das der aufgehobenen Entscheidung vorangegangene Verfahren im Umfang des zurückgewiesenen Teiles des Klagebegehrens für nichtig erklärt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.248,64 (darin S 541,44 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin nahm die Beklagte mit Klage vom 10. 12. 1996, 5 C 3047/96y Bezirksgericht W*****, auf Zahlung von S 13.111,20 mit dem Vorbringen in Anspruch, die Beklagte habe in einem an eine Vielzahl ihrer Kunden versendeten Rundschreiben unrichtige rufschädigende Tatsachenbehauptungen über die Klägerin aufgestellt. Nach Aufforderung der Klägerin, diese Behauptungen zu unterlassen und zu widerrufen, habe die Beklagte submittiert, eine Unterlassungserklärung abgegeben, die Behauptungen widerrufen und den Abschluß eines prätorischen Vergleiches angeboten. Begehrt würden nunmehr die der Klägerin dadurch erwachsenen Kosten anwaltlicher Vertretung (für Besprechungen und Verfassen eines Forderungsschreiben) als privatrechtliche Nebengebühren aus dem Titel des Schadenersatzes, nachdem das Unterlassungs- und Widerrufsbegehren außergerichtlich durch Unterwerfung der Beklagten erledigt worden sei.

Die Beklagte wendete ein, die Klägerin habe am 19. 12. 1996 zu 4 Cg 303/96t des Landesgerichtes W***** (dem vorliegenden Rechtsstreit) einen Schadenersatzprozeß gegen sie eingeleitet, nachdem die Beklagte der Aufforderung der Klägerin, den schriftlichen Nachweis über den Widerruf gegenüber sämtlichen Empfängern des beanstandeten Schreibens zu erbringen, nicht nachgekommen sei. Bei der vor dem Bezirksgericht geltend gemachten Klageforderung handle es sich daher in Wahrheit um vorprozessuale Kosten zum Verfahren beim Erstgericht. Von einer außergerichtlichen Erledigung des Widerrufsbegehrens könne keine Rede sein; die Klägerin habe vielmehr von ihrer unbegründeten Forderung Abstand genommen.

Das Bezirksgericht W***** stellte fest, daß die Klägerin die Beklagte aufgefordert habe, die beanstandeten Äußerungen gegenüber den Mitteilungsempfängern zu widerrufen, ihr dies mittels Postempfangscheinen nachzuweisen sowie ihr die Kosten des Einschreitens ihres Rechtsvertreters in Höhe von S 13.111.20 s.A. zu ersetzen, widrigenfalls gerichtliche Schritte unternommen würden. Die Beklagte habe daraufhin nur angeboten, sich in einem prätorischen Vergleich zur Unterlassung zu verpflichten, habe der Klägerin aber keinen Nachweis für den erfolgten Widerruf erbracht. In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bezirksgericht Wels daraus, daß es sich bei der von der Klägerin beim Erstgericht eingebrachten Klage auf Schadenersatz um keinen vom Unterlassungs- und Widerrufsbegehren völlig getrennten Anspruch handle, sei diese Klage doch deshalb eingebracht worden, weil die Beklagte den Widerruf nicht in der von der Klägerin gewünschten Form durchgeführt habe. Damit liege Akzessorietät und ein Hindernis gegen die abgesonderte Geltendmachung des Kostenanspruches vor, weshalb das Klagebegehren wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen sei. Diese (unrichtig in Form eines Urteils gefaßte) Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte die Klägerin von der Beklagten zunächst S 108.504.- s.A. mit der Behauptung, infolge der in den genannten Schreiben von der Beklagten aufgestellten ruf- und kreditschädigenden Äußerungen hätten eine Reihe von Inserenten ihre bereits erteilten Einschaltungsaufträge für eine Broschüre der Klägerin storniert, wodurch der Klägerin ein Schaden in Höhe des Klagebetrages entstanden sei. Am 14. 1. 1998 schränkte die Klägerin ihr Begehren um S 3.990.- (Geschäftsfall Gemeinde L*****) ein und dehnte es um S 13.111,20 s.A. aus. Dazu brachte sie vor, es handle sich beim ausgedehnten Betrag um die von der Klägerin ihrem Rechtsvertreter gezahlten Kosten für dessen Einschreiten im Rahmen der von der Beklagten erklärten Submittierung betreffend den außergerichtlichen Widerruf ihrer Äußerungen. Diese Kosten seien bereits beim Bezirksgericht W***** zu 5 C 3047/96y geltend gemacht, dort aber rechtskräftig mit der Begründung zurückgewiesen worden, sie seien Bestandteil der hier gegenständlichen Schadenersatzklage. Aus diesem Grund werde der Anspruch im vorliegenden Verfahren geltend gemacht.

Die Beklagte wendete dazu ein, daß dieser Anspruch vom Bezirksgericht W***** bereits rechtskräftig "abgewiesen" (richtig: zurückgewiesen) worden und die Kostenersatzforderung darüber hinaus überhöht sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit S 13.111,20 s.A. Folge und wies das Mehrbegehren ab. Die Klägerin habe durch Aufwendung dieser Kosten eine gerichtliche Auseinandersetzung über das Widerrufs- und Unterlassungsbegehren erfolgreich verhindert, ihre Vorgangsweise sei angemessen und notwendig gewesen. Die neuerliche Geltendmachung des Anspruchs sei zulässig, weil das darüber im Vorprozeß ergangene Urteil das Klagebegehren nicht ab-, sondern zurückgewiesen habe.

Das Berufungsgericht hob das Urteil in seinem klagestattgebenden Teil gem. § 477 Abs 1 Z 6 ZPO als nichtig auf und wies das Klagebegehren in diesem Umfang zurück. Die von der Berufungswerberin inhaltlich geltend gemachte Unzulässigkeit des Rechtsweges liege unter Berücksichtigung der rechtskräftigen Entscheidung des Bezirkgerichtes W***** vor, die den Anspruch als vorprozessuale Kostenforderung beurteilt habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Klägerin ist unabhängig vom Wert des Entscheidungsgegenstandes und dem Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iS des § 502 Abs 1 ZPO gem. § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig (Petrasch in ÖJZ 1989, 750; JBl 1992, 331; Stohanzl ZPO MTA8 384 mwN; SZ 62/94); er ist aber nicht berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sind vorprozessuale Kosten - solange die Akzessorietät zu einem Hauptanspruch noch besteht - als Teil der Prozeßkosten zuzusprechen, wenn sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren (JBl 1960, 642; JBl 1978, 317; MietSlg 31.652; RZ 1995/92). Sie können daher als öffentlichrechtliche Ansprüche nicht gesondert mit einer Klage geltend gemacht werden; hiefür ist also der Rechtsweg unzulässig (SZ 6/399; SZ 46/103; SZ 52/146; RZ 1995/92; 4 Ob 2314/96i ua). Auf Grund seiner Rechtsmeinung, die geltend gemachten Kosten von S 13.111,20 seien vorprozessuale Kosten zum im vorliegenden Rechtsstreit erhobenen Anspruch hat das Bezirksgericht W***** daher die Klage zu 5 C 3047/96y (rechtskräftig) zurückgewiesen.

Gerichtliche Entscheidungen über die Zulässigkeit des Rechtsweges als einer Prozeßvoraussetzung sind der materiellen Rechtskraft fähig, wird doch darin über ein Rechtsschutzbegehren entschieden (Fasching LB**2 Rz 1507, 1521 mwN). Folge der aus der materiellen Rechtskraft resultierenden Einmaligkeitswirkung (dazu Fasching aaO Rz 1500) ist es, daß eine rechtskräftige Entscheidung über die Unzulässigkeit des Rechtsweges zwischen denselben Parteien eine neuerliche Verhandlung über das identische Begehren ausschließt, wobei diese Wirkung nach der Rechtsprechung im Gegensatz zur Lehre bereits dann eintritt, wenn sich ein Gericht nur in den Entscheidungsgründen (und nicht auch im Spruch) mit dem Vorliegen der Prozeßvoraussetzung auseinandergesetzt hat (vgl. zum analogen Problem der Bindungswirkung der materiellen Rechtskraft Mayr in Rechberger, ZPO Rz 2 zu § 42 JN mwN). Jeder Verstoß gegen diese Einmaligkeitswirkung ist als Nichtigkeitsgrund außerhalb des § 477 ZPO zu behandeln, der zur Aufhebung der nichtigen Entscheidung und des zugrundeliegenden Verfahrens sowie zur Zurückweisung der Klage führt (Fasching, LB**2 Rz 1539; Kodek in Rechberger, ZPO Rz 1 zu § 477 mwN).

Die Rechtskraft der Entscheidung des Bezirksgericht W***** verwehrte es der Klägerin, ein identisches Rechtsschutzbegehren neuerlich beim Erstgericht anhängig zu machen. Das Berufungsgericht hat deshalb im Ergebnis zu Recht den klagestattgebenden Teil des Urteiles als nichtig aufgehoben und die Klage in diesem Umfang zurückgewiesen. Die von der Klägerin mit ihrem Rechtsmittel angestrebte Prüfung der Frage, ob für den geltend gemachten Anspruch der Rechtsweg nicht doch zulässig war, kommt damit nicht mehr in Betracht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Ein Rechenfehler war zu berichtigen.

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