OGH 6Ob258/98d

OGH6Ob258/98d29.10.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kellner, Dr. Schiemer, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter W*****, vertreten durch Moringer & Moser Rechtsanwälte OEG in Linz, wider die beklagte Partei B***** OHG, ***** vertreten durch Prof. Dr. Alfred Haslinger ua Rechtsanwälte in Linz, wegen 60.000,-- S, infolge ordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 5. März 1998, GZ 13 R 385/97x-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 6. Juni 1997, GZ 14 C 468/97z-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 4.058,88 S (darin 676,48 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 11.491,04 S (darin 811,84 S Umsatzsteuer und 6.620 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Vater des Klägers war Mieter einer Wohnung in Linz. Die beklagte Vermieterin wollte im Haus Eigentumswohnungen errichten und den Mieter zur Räumung seiner Wohnung veranlassen. Die Parteien des Mietverhältnisses vereinbarten am 4. 4. 1996, daß der Mieter sein Mietrecht aufgibt und die Wohnung Ende April räumt. Die Vermieterin verpflichtete sich zu einer binnen 14 Tagen zu leistenden Pauschalzahlung von 60.000 S. Diese Zahlungsverpflichtung wurde schriftlich als Abfindung für diverse Einrichtungsgegenstände und als Ersatz für die Umzugskosten deklariert. Der Mieter verstarb am 14. 4. 1996. Er hatte die Wohnung erst teilweise geräumt gehabt. Der Kläger ist Alleinerbe nach seinem Vater. Die Wohnung wurde von ihm Ende Mai 1996 der Beklagten übergeben.

Der Kläger begehrt mit der am 5. 3. 1997 beim Erstgericht eingelangten Klage 61.016,40 S (nach Einschränkung nur mehr 60.000 S). Mit der vereinbarten Abfindung hätten die in der Wohnung von seinem Vater getätigten Investitionen sowie alle Aufwendungen infolge der Räumung der Wohnung pauschal abgegolten werden sollen. Grundlage der Vereinbarung sei die Räumung der Wohnung gewesen, unabhängig davon, welche Person diese Räumung durchführe. Die Wohnung sei schon vor dem Ableben seines Vaters geräumt übergeben worden. Der Vater sei vor seinem Tod zu seinem Sohn gezogen.

Die Beklagte bestritt das Klagevorbringen und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Vater des Klägers habe sich bereit erklärt, aus der Wohnung auszuziehen. Der Umzug hätte bis Ende April 1996 stattfinden sollen. Dazu sei es aber nicht gekommen. Die Räumungsverpflichtung sei eine höchstpersönliche. Mit dem vereinbarten Abfindungsbetrag hätten Einrichtungsgegenstände, der Ersatz der Umzugskosten und sonstige Auslagen abgegolten werden sollen. Die Einrichtungsgegenstände mit einem Wert hätte der Kläger aus der Wohnung entfernt, die unbrauchbaren Teile der Wohnungseinrichtung seien von der Beklagten entsorgt worden. Bei der Abfindungsvereinbarung handle es sich um eine verbotene Ablöse gemäß § 27 MRG. Die Klageforderung sei sittenwidrig. Ihr stehe auch die Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes entgegen.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es beurteilte den im wesentlichen schon wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, daß die Zahlungsverpflichtung von 60.000 S die Gegenleistung dafür gewesen sei, daß der Kläger die Räumung der Wohnung versprochen habe. Die in der Vereinbarung vom 4. 4. 1996 angeführten Gegenstände und Umzugskosten seien lediglich Mittel gewesen, um rechnerisch den Betrag zu begründen. Die Formulierung habe lediglich dazu gedient, die Beklagte vor weiteren Forderungen des Mieters zu schützen. Der Einwand der laesio enormis wegen Geringfügigkeit der in der Wohnung zurückgelassenen Werte scheide daher aus. Ein Anwendungsfall des § 27 MRG liege nicht vor. Die Ablöse eines Mietrechtes durch den Vermieter sei nicht sittenwidrig. Eine Zahlungsverpflichtung Zug um Zug gegen Räumung sei nicht vereinbart worden. Die Abfindung sei am 18. 4. 1997 an den Nachlaß zu zahlen gewesen. Die Räumungsverpflichtung sei keine Leistungsverpflichtung höchstpersönlicher Natur.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Es beurteilte den Sachverhalt rechtlich im wesentlichen dahin, daß der vereinbarte Auszug aus der Wohnung eine auf die Person des Mieters beschränkte Leistung gewesen sei. Mit dem Tod würden gemäß § 1448 ABGB die Rechte und Verbindlichkeiten erlöschen, welche auf die Person eingeschränkt seien oder welche bloß persönliche Handlungen des Verstorbenen betreffen. Eine vollständige Räumung der Mietwohnung habe der Verstorbene nicht durchgeführt. Der Kläger habe die auf die Person seines Vaters beschränkte Leistung (Räumung) nicht an dessen Stelle erbringen können. Daran ändere der Umstand nichts, daß der Kläger als Erbe Gesamtrechtsnachfolger sei. Gemäß § 1447 ABGB hebe der zufällige gänzliche Untergang einer Sache alle Verbindlichkeiten auf, selbst die, den Wert derselben zu vergüten. Dieser Grundsatz gelte auch für die Fälle, in welchen die Erfüllung der Verbindlichkeit oder die Zahlung einer Schuld durch einen anderen Zufall unmöglich geworden sei. Der verstorbene Mieter könne seine Verpflichtung nicht mehr erbringen. Die Leistung sei aufgrund des Todes unmöglich geworden. Gemäß § 1447 Satz 2 ABGB sei die Verbindlichkeit, deren Fälligkeit noch gar nicht eingetreten sei, aufgehoben.

Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es änderte diesen Ausspruch auf Antrag des Klägers gemäß § 508 Abs 1 ZPO dahin ab, daß die ordentliche Revision für zulässig erklärt wurde.

Mit seiner ordentlichen Revision beantragt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Die Beklagte beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionswerber wendet sich zu Recht gegen die Rechtsansichten des Berufungsgerichtes über eine höchstpersönliche Räumungsverpflichtung des Mieters, die dessen Erbe nach den Regeln über den Untergang der Sache (§ 1447 ABGB) nicht erfüllen könne. Von einer unmöglich gewordenen Leistungsverpflichtung kann keine Rede sein. Das Bestandrecht ist ein vererbliches Vermögensrecht. Dies geht aus § 14 Abs 1 MRG klar hervor. Danach wird durch den Tod des Vermieters oder des Mieters der Mietvertrag nicht aufgehoben. Dasselbe ordnet § 1116a erster Satz ABGB an. Beim Tod des Mieters bleibt das Mietverhältnis aufrecht, der Vermieter hat lediglich ein erleichtertes Kündigungsrecht (§ 1116a zweiter Satz ABGB; § 30 Abs 2 Z 5 MRG). Ob der Kläger eine eintrittsberechtigte Person nach § 14 Abs 3 MRG ist, braucht nicht weiter erörtert zu werden, weil es hier nur um die Rechte und Verbindlichkeiten aus dem mit der Verlassenschaft als Mieterin fortgesetzten Mietverhältnis geht. Die Vererblichkeit des Bestandrechtes als Vermögensrecht im Sinne des § 531 ABGB wird einhellig in Lehre und Rechtsprechung vertreten (Würth in Rummel, ABGB2 Rz 1 zu § 1116a und Rz 2 zu § 14 MRG; Binder in Schwimann, ABGB2 Rz 4 zu § 1116a; MietSlg 24.162; 1 Ob 667/82; 1 Ob 517/96 uva). Das Mietverhältnis wird zunächst mit der Verlassenschaft, nach der Einantwortung mit dem Erben fortgesetzt (1 Ob 592/91 mwN; 1 Ob 517/96 uva). Auch befristete Bestandverträge werden durch den Tod des Mieters nicht aufgehoben (SZ 28/217). Der Revisionswerber verweist zutreffend auf diese Rechtslage. Der Kläger hat als Erbe die Rechtsposition des Erblassers übernommen, also alle Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis. Danach hatte die Verlassenschaft aber aufgrund der Vereinbarung vom 4. 4. 1996 einerseits noch das Recht auf Benützung der Wohnung bis zum Ende des Monats sowie auf den 14 Tage nach Abschluß der Vereinbarung fällig gewordenen Abfindungsanspruch, der nach den Feststellungen als Vorleistungspflicht der Vermieterin vereinbart wurde. Dieser Anspruch steht nun dem klagenden Alleinerben zu. Entgegen der in der Revisionsbeantwortung der Beklagten vertretenen Auffassung kann von einer höchstpersönlichen und damit unvererblichen Räumungsverpflichtung des Mieters keine Rede sein.

Im Revisionsverfahren ist die Frage der allfälligen Unzulässigkeit der Abfindungsvereinbarung aus dem Grund des § 27 MRG nicht mehr strittig. Leistungen des Vermieters an den Mieter für dessen Aufgabe der Mietrechte sind in dieser Gesetzesstelle nicht angeführt. Im übrigen sind aber auch die dort genannten Vereinbarungen über den Ersatz der Übersiedlungskosten und den Aufwandsersatz nach § 10 MRG nicht a priori unzulässig, sondern grundsätzlich zulässig (§ 27 Abs 1 Z 1 MRG). Ein von Amts wegen aufzugreifender Verstoß gegen zwingendes Recht liegt nicht vor.

Der Revision ist aus den dargelegten Gründen stattzugeben.

Die Entscheidung über die Kosten beider Rechtsmittelverfahren beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Stichworte