OGH 1Ob592/91

OGH1Ob592/9120.11.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richterin der Rechtssache der klagenden Partei Angela P*****, vertreten durch Dr. Manfred Melzer, Dr. Erich Kafka, Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Heidelinde G*****, vertreten durch Dr. Thaddäus Kleisinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 29.Mai 1991, GZ 41 R 304/91-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes fünfhaus vom 25.Jänner 1991, GZ 8 C 2288/87x-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Das Urteil des Berufungsgerichtes wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Die Stadt Wien vermietete mit Vertrag vom 28.10.1980 Kurt P***** die Wohnung Wien 12., S*****gasse 7-11/5/10. Die Wohnung wurde vereinbarungsgemäß von der Schwiegermutter des Kurt P***** Amalia K***** und dem Kind der Beklagten Petra G***** benützt. Die Klägerin ist eine Pflegetochter der Amalia K*****. Amalia K***** verstarb 1983. Die Beklagte wohnte damals in Hietzing. Kurt P***** trat an die Beklagte heran und schlug ihr vor, in die von ihm gemietete Wohnung einzuziehen, weil die Tochter Petra G***** in der Nähe zur Schule gehen werde und die Ehegatten P***** die Wohnung ohnedies derzeit nicht benützen würden. Bedingung war lediglich, daß die Beklagte den Mietzins auf den Namen der Ehegatten P***** bei der Stadt Wien bezahle. Die Beklagte hat daraufhin ihre Garconniere aufgegeben und ist in die aufgekündigte Wohnung übersiedelt, wo sie bis heute gemeinsam mit ihrer Tochter Petra G***** wohnt. Kurt P***** verstarb am 8.3.1987. Die Stadt Wien anerkannte, daß die Klägerin, die ebenso wie ihr Gatten die aufgekündigte Wohnung nicht benützt hatte, als Witwe kraft Eintrittsrechtes Hauptmieterin der Wohnung geworden sei. Testamentserbe nach Kurt P***** ist sein am 24.6.1969 geborener Enkel Kurt P*****. Der für volljährig erklärte Kurt P***** schloß am 1.9.1987 mit der Klägerin und seinem Vater Kurt P***** ein Erb- und Pflichtteilsübereinkommen ab. Nach diesem steht der Klägerin an Teilen der im Miteigentum der drei genannten Personen stehenden Liegenschaft EZ 3023 KG I***** ein lebenslängliches und unentgeltliches Wohnungsrecht zu.

Die Stadt Wien brachte zu 8 C 1275/87 des Erstgerichtes gegen die Klägerin am 15.6.1987 wegen eines Mietzinsrückstandes eine Klage auf Räumung der hier aufgekündigten Wohnung ein. Dieses Verfahren endete mit stattgebendem rechtskräftig gewordenem Versäumungsurteil vom 9.7.1987. Die Klägerin bezahlte am 17.8.1987 den gesamten Rückstand einschließlich der Kosten. Aus diesem Grund machte die Stadt Wien von dem gegen die Klägerin ergangenen Versäumungsurteil keinen Gebrauch. Die Klägerin wurde weiterhin als alleinige Hauptmieterin dieser Wohnung anerkannt.

Mit der am 15.10.1987 eingebrachten Aufkündigung kündigte die Klägerin der Beklagten die untervermietete Wohnung Wien 12., S*****gasse 7-11/5/10, unter Geltendmachung des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs. 2 Z 12 MRG auf.

Die Beklagte wendete ein, ein Untermietverhältnis sei nie vereinbart oder begründet worden. Die Beklagte habe im eigenen Namen den Hauptmietzins an die Stadt Wien bezahlt, es sei daher zwischen ihr und der Stadt Wien ein Hauptmietverhältnis begründet worden. Nach dem Tod des Kurt P***** sei die Klägerin nicht eintrittsberechtigt gewesen. Eintrittsberechtigt wäre vielmehr die Tochter der Beklagten Petra G***** nach dem Tod der Amalia K*****. Auch nach dem gegen die Klägerin ergangenen rechtskräftigen Räumungsurteil habe die Beklagte im eigenen Namen den Mietzins an die Stadt Wien bezahlt und sei dieser Mietzins auch von der Stadt Wien angenommen worden. Auch dadurch sei es zum Abschluß eines konkludenten Hauptmietvertrages zwischen der Beklagten und der Stadt Wien gekommen. Im übrigen lägen die geltend gemachten Kündigungsgründe nicht vor.

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam und gab dem Räumungsbegehren statt. Zur Legitimation der Streitteile führte es aus, der Beklagten sei vom verstorbenen Gatten der Klägerin als damaligem Hauptmieter der Wohnung diese zur Gänze unter der Bedingung überlassen worden, daß die Beklagte in seinem Namen die für diese Wohnung anfallende Gesamtmiete an die Stadt Wien als Vermieterin bezahlen müsse. Habe jemand für die Benützung der Wohnung die den Hauptmieter treffende Bezahlung des Hauptmietzinses samt Betriebskosten übernommen, so sei eine solche Gegenleistung als Entgelt im Sinne des § 1090 ABGB anzusehen, weil von einem gegenüber dem Wert der Benützung nicht ins Gewicht fallenden geringfügigen Entgelt keine Rede sein könne. Es sei jedenfalls von einem bestehenden Untermietverhältnis zwischen Kurt P***** und der Beklagten auszugehen. Die Eintrittsberechtigung der Klägerin sei von der Stadt Wien anerkannt worden. Insofern die Beklagte im eigenen Namen für diese Wohnung Mietzinszahlungen erbracht habe, sei dies in der erwiesenen Absicht geschehen, für sich selbst Hauptmietrechte an dieser Wohnung zu begründen und dadurch der Klägerin ihre Mietrechte zu entziehen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten ohne Eingehen auf deren Tatsachenrüge schon aus rechtlichen Gründen Folge. Es änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es die Aufkündigung aufhob und das Räumungsbegehren abwies. Die ordentliche Revision erklärte es für zulässig. Die Klägerin sei zur Aufkündigung aktiv nicht legitimiert. Obwohl die Klägerin und ihr Gatte in der Wohnung nie einen gemeinsamen Haushalt gehabt hätten, sei die diese Umstände verschweigende Klägerin als eintrittsberechtigte Hauptmieterin vom Vermieter seit 8.3.1987 anerkannt. Es sei also mangels der gesetzlichen Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 MRG in Wahrheit kein Eintritt der Klägerin von Gesetzes wegen, sondern kraft Anerkenntnisses durch die Vermieterin erfolgt. Die Klägerin sei aber nicht Erbin nach ihrem Gatten. Kurt P***** habe in seinem Testament vom 25.6.1983 seinen Enkel Kurt P***** zu seinem Alleinerben eingesetzt, dem auch der Nachlaß am 9.10.1987 eingeantwortet worden sei. Im Pflichtteilsübereinkommen vom 1.9.1987 zwischen dem Erben und der pflichtteilsberechtigten Klägerin sei keine Verfügung zugunsten der Klägerin über diese Wohnung getroffen worden. Der Mangel der Aktivlegitimation sei von der Beklagten im Verfahren erster Instanz geltend gemacht worden, so daß dieser Einwand im Rahmen der allseitigen Prüfungspflicht des Berufungsgerichtes auf Grund der erhobenen Rechtsrüge zum Tragen komme. Aus den Feststellungen des Erstgerichtes ergebe sich, daß die Klägerin niemals in das zwischen ihrem Ehegatten und der Beklagten bestehende Untermietverhältnis eingetreten sei, weil nach wie vor ein ungekündigtes Hauptmietverhältnis zwischen der Stadt Wien als Hauseigentümerin und Kurt P***** als Erben nach dem Hauptmieter Kurt P***** bestehe. Dadurch, daß auf Grund vertraglicher Einigung diese Wohnung an eine nicht eintrittsberechtigte Person doppelt hauptvermietet worden sei, habe ein Eintritt der Klägerin in die Vermieterstellung des Untermietvertrages mit der Beklagten nicht erfolgen können.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist berechtigt.

Der Mangel der Sachlegitimation ist dann bloße Rechtsfrage, wenn er sich bereits aus dem Vorbringen der klagenden Partei ergibt, ihr Sachantrag demnach unschlüssig ist (JBl. 1978, 429;

MietSlg. 26.044/5); hier liegt in der allgemeinen Bestreitung des Klagsanspruches auch die Bestreitung der Klagslegitimation (NZ 1977, 55; MietSlg. 26.044/5; SZ 43/210; ZVR 1969/213;

SZ 34/186 ua, zuletzt 2 Ob 615/90). Geht aus dem Klagsvorbringen aber schlüssig die Sachlegitimation hervor, ist es Sache des Beklagten, Tatsachen vorzubringen, aus denen sich bei richtiger rechtlicher Beurteilung der Mangel der Sachlegitimation ergibt (JBl. 1978, 429; SZ 34/186; Fasching, Kommentar II 127 f). Ein solches Vorbringen erstattete die Beklagte nur in der Richtung, durch Zahlung und Entgegennahme des Zinses durch die Hauseigentümerin sei sie Hauptmieterin der aufgekündigten Wohnung geworden. Eine Behauptung, der Erbe nach Kurt P*****, dessen Enkelkind gleichen Namens, sei (noch immer) Hauptmieter dieser Wohnung und aus diesem Grund sei die Klägerin nicht zur Kündigung legitimiert, wurde von ihr nicht aufgestellt.

Eine solche Beurteilung läßt sich auch nicht aus dem von den Tatsacheninstanzen über das Tatsachenvorbringen der Beklagten hinaus festgestellten Sachverhalt ableiten. Bei der Bestimmung des § 14 MRG handelt es sich um eine durch Gesetz angeordnete Sonderrechtsnachfolge für Mietverhältnisse an einer Wohnung, die die allgemeine Erbfolge ausschließt (Fenyves in HBzMRG 329; Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19 Rz 9 zu § 14 MRG; Sternberg, Mietengesetz4 437 ff). Nur die Ablehnung des Eintrittes in das bestehende Mietverhältnis binnen 14 Tagen nach dem Tod des Mieters, nicht aber der Rechtsübergang ist von einer Willenserklärung des Eintrittsberechtigten abhängig (SZ 58/126;

MietSlg. 33.365 ua; Würth-Zingher aaO; Sternberg aaO 437;

Swoboda, Kommentar zum Mietengesetz2 236). Sind eintrittsberechtigte Personen nicht vorhanden, dann wird die Verlassenschaft, nach Einantwortung der oder die Erben Hauptmieter der Wohnung (MietSlg. 36.268, 26.138, 21.524 ua). Ist allerdings kein Eintrittsberechtigter vorhanden, so kann das auf die Verlassenschaft oder den Erben übergegangene Mietrecht vom Vermieter selbst bei kündigungsgeschützten Mietverhältnissen leicht aufgelöst werden, da regelmäßig der Kündigungsgrund nach § 30 Abs. 2 Z 5 MRG gegeben sein wird (vgl. Medwed in ÖJZ 1971, 371, der hier geradezu von einem Scheineintrittsrecht des nicht eintrittsberechtigten Erben spricht). Die Vorinstanzen erörterten und prüften auch mangels entsprechenden Vorbringens der Beklagten, die Mietrechte stünden nicht der Klägerin, sondern dem Erben zu, nicht, ob der nicht eintrittsberechtigte Erbe nicht ohnedies damit einverstanden ist, daß die Mietrechte, wie der Hauseigentümer anerkannte, kraft Sonderrechtsnachfolge auf die Klägerin, seine Großmutter, übergegangen sind. Eine solche Zustimmung des Erben ist abgesehen von der aufgezeigten Rechtslage auch deshalb nicht von der Hand zu weisen, weil Kurt P***** Mietrechte im eidesstättigen Vermögensbekenntnis nicht anführte und sich aus dem Akt nicht ergibt, daß er jemals den Eintritt der Klägerin kraft Sonderrechtsnachfolge bestritten und behauptet habe, er selbst wäre Hauptmieter dieser Wohnung. Bei entsprechendem, aber hier fehlendem Sachvorbringen der Beklagten wäre es naheliegend gewesen, daß die Klägerin eine derartige Replik erhoben hätte. Dann war aber eine abschließende rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht, nicht die Klägerin, die vom Hauseigentümer als Hauptmieterin anerkannt wurde, sondern der Erbe selbst sei Hauptmieter der Wohnung, es liege eine Doppelvermietung vor, nicht zulässig. Das Berufungsgericht wäre auch nicht berechtigt gewesen, zwecks der dann notwendigen Ergänzung des Verfahrens über einen Sachverhalt, der im Parteivorbringen keine Deckung findet, das erstgerichtliche Urteil aufzuheben (SZ 63/65 mwN; 6 Ob 551/85 uva). Die Aktivlegitimation der Klägerin kann daher aus dem vom Berufungsgericht herangezogenen Grund nicht bezweifelt werden.

Das Urteil ist aufzuheben, die Rechtssache ist an das Berufungsgericht zur Prüfung der weiters geltend gemachten Berufungsgründe zurückzuverweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 50, 52 ZPO.

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