OGH 8Ob229/70

OGH8Ob229/7017.11.1970

SZ 43/210

Normen

ABGB §1168a
ABGB §1299
ABGB §1168a
ABGB §1299

 

Spruch:

Eine Warnpflicht im Sinne des § 1168a ABGB tritt auch ein, wenn nur die dem Unternehmer allein zur Verfügung stehenden, veralteten technischen Einrichtungen den Verlust des Stoffes als möglich erscheinen lassen

OGH 17. November 1970, 8 Ob 229/70 (OLG Wien 3 R 122/70; HG Wien 16 Cg 72/69)

Text

Auf Grund einer Vereinbarung mit dem Erstkläger stellte der Zweitkläger zwei Radierungen her, deren Verkauf der Erstkläger gegen eine Beteiligung am Erlös zu einem Drittel übernehmen sollte. Der Zweitkläger übergab die beiden die Radierungen enthaltenden Kupferplatten dem Kunstdrucker Robert F mit dem Auftrag, die Platten in seinem Namen bei der Beklagten vernickeln zu lassen und dann eine Auflage von 90 Stück pro Platte zu drucken. Die Vernickelung wurde von dem bei der Beklagten beschäftigten Meister Karl R besorgt, der seit 43 Jahren in dieser Branche tätig ist. R hielt den üblichen und sachlich richtigen Vorgang ein, wie er dies bei gleichartigen Arbeiten schon immer tat, ohne daß jemals Schäden aufgetreten wären. Nach dem Abholen der vernickelten Platten stelle F in seiner Werkstätte fest, daß die Platten verdorben wären. Als Schadensursache kommt nur eine Umpolung, d h eine Änderung der Richtung des Stromflusses während des elektrogalvanischen Vorganges im Zusammenhang mit einer Verunreinigung oder einer mangelnden Durchmischung des Säurebades in Betracht. Entscheidend war dabei die Umpolung; Verunreinigung und mangelnde Durchmischung des Säurebades hätten für sich allein den Schaden nicht verursachen können. Die falsche Polstellung muß am Anfang des galvanischen Prozesses bestanden haben, sodaß zunächst Kupfer abgebaut und dann erst Nickel aufgetragen wurde. Eine solche Umpolung kann, wie in der Praxis allgemein bekannt ist, bei einem veralteten, nicht mit einem Gleichrichter ausgestatteten Elektrogerät, wie es bei der Beklagten in Verwendung stand, zustandekommen. Als Ursache der Umpolung kommt neben einem Stromausfall auch eine kurze Stromstörung in Betracht, wie sie etwa durch einen mangelhaften Kontakt (Wackelkontakt) in der Anlage hervorgerufen werden kann. Betriebe dieser Art sind selten. So war den zugezogenen Sachverständigen nicht bekannt, ob derzeit in Wien andere Betriebe derartige Arbeiten übernehmen. Zur Zeit der Ausführung der gegenständlichen Arbeit befaßte sich damit auch die Staatsdruckerei, die eine ähnliche Anlage wie die Beklagte hatte. Auch bei der Staatsdruckerei kamen Beschädigungen der gegenständlichen Art vor. Wenn der im vorliegenden Verfahren vernommene Sachverständige, der bei der Staatsdruckerei beschäftigt war, selber mit dem Auftraggeber verhandelte, machte er diesen aufmerksam, daß dieser das Risiko eines Mißerfolges selber tragen müsse. Von der Branchenüblichkeit einer solchen Warnung kann aber im Hinblick darauf, daß in Wien andere vergleichbare Betriebe nicht bekannt wurden, nicht gesprochen werden.

Das Erstgericht wies das Begehren auf Schadenersatz ab. Es war der Ansicht, dem Erstkläger stehe ein Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte schon deshalb nicht zu, weil er in keiner Rechtsbeziehung zur Beklagten gestanden, daher nur als mittelbar Geschädigter anzusehen sei. Aber auch der Zweitkläger könne mit seinem Schadenersatzanspruch nicht durchdringen, weil weder ein rechtswidriges noch ein schuldhaftes Verhalten der Beklagten und ihrer Leute vorliege. Die für den Mißerfolg der Arbeit allein ursächliche Umpolung des Stromflusses habe trotz sachgemäßer Arbeit nicht ausgeschlossen werden können. Daß der Betrieb der Beklagten veraltet gewesen sei und weder über eine Gleichrichteranlage noch über eine Umlaufpumpe mit Filter verfügt habe, durch welche Vorrichtungen Schäden der gegenständlichen Art vermieden worden wären, könne der Beklagten nicht als Verschulden angelastet werden. Man könne von einem Betrieb nicht verlangen, daß er seine Einrichtungen stets auf dem neuesten Stand der Technik halte, insbesondere wenn es sich um Einrichtungen für selten vorkommende Arbeiten handle. Rechtlich sei daher die Schadensursache als Zufall im Sinne des § 1311 ABGB zu werten. Von der Verletzung einer Warnpflicht könne mangels einer diesbezüglichen Branchenüblichkeit nicht gesprochen werden. Ob, wie die Kläger vorgebracht hätten, in anderen Betrieben auf die Möglichkeit derartiger Schäden hingewiesen werde, sei nicht entscheidend. Was die Höhe des Schadens anlange, so sei diese mit mindestens dem geltend gemachten Betrag von 15.200 S anzunehmen, von welchem Betrag auf Grund der zwischen den beiden Klägern bestehenden Vereinbarung ein Drittel auf den Erstkläger und zwei Drittel auf den Zweitkläger entfielen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

Der Oberste Gerichtshof hat der Revision der klagenden Parteien Folge gegeben und das angefochtene Urteil und das Urteil der ersten Instanz dahin abgeändert, daß das Urteil zu lauten hat:

"Die Beklagte ist schuldig, dem Erstkläger den Betrag von 5066.66 S und dem Zweitkläger den Betrag von 10.133.33 S je samt 4% Zinsen seit 26. April 1967 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen."

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Was zunächst die Zulässigkeit der Revision anlangt, so steht dieser die Bestimmung des § 502 Abs 3 ZPO nicht entgegen. Es macht wohl keiner der beiden Kläger einen 15.000 S übersteigenden Betrag geltend. Allein die beiden Kläger, die ihre Ansprüche aus demselben tatsächlichen und rechtlichen Gründe herleiten, sind Streitgenossen im Sinn des § 11 Z 1 ZPO. Die Ansprüche solcher Streitgenossen sind nach den im JB 56 neu = SZ 24/335 entwickelten Grundsätzen i S des § 55 JN zusammenzurechnen. Zusammen übersteigen aber die beiden Klagebegehren den Betrag von 15.000 S.

Die Revision ist gerechtfertigt.

Zutreffend haben die Vorinstanzen bei der Beurteilung des gegenständlichen Ersatzanspruches auf die Bestimmung des § 1168a ABGB Bedacht genommen. Diese Bestimmung kommt auf das vorliegende, als Werkvertragsverhältnis zu beurteilende Rechtsverhältnis zwischen dem Zweitkläger als Besteller und der Beklagten als Unternehmer zur Anwendung. Eine schuldhafte Nachlässigkeit bei Ausführung der Vernickelungsarbeit wurde der Beklagten mit Recht nicht angelastet. Denn nach den Feststellungen der Vorinstanzen konnte die schadenskausale Umpolung des Stromflusses beim Galvanisierungsprozeß, die zur Folge hatte, daß zunächst statt der Auftragung von Nickel eine Abtragung von Kupfer von den die Radierungen enthaltenden Kupferplatten erfolgte, bei den im Betrieb der Beklagten vorhandenen technischen Einrichtungen trotz sachgemäßen Vorgehens nicht verhindert werden. Den Vorinstanzen kann auch darin gefolgt werden, daß die Tatsache allein, daß die Beklagte ihre Einrichtungen nicht auf den neuesten Stand der Technik gebracht und die Anschaffung von Einrichtungen unterlassen hatte, die die Umpolung des Stromflusses zu verhindern geeignet gewesen wären, der Beklagten nicht als Verschulden angerechnet werden kann.

Allein den Vorinstanzen kann nicht darin gefolgt werden, daß der Beklagten auch nicht die Verletzung der Warnpflicht in sinngemäßer Anwendung des § 1168a ABGB angelastet werden könne. Darauf, ob solche Warnungen branchenüblich sind, kommt es entgegen der Ansicht der Vorinstanzen nach dieser Gesetzesstelle nicht an. Maßgebend ist nach der Bestimmung des § 1168a ABGB, ob der Beklagten, die hiebei die im § 1299 ABGB geforderten, das gewöhnliche Maß übersteigenden Kenntnisse zu vertreten hat (vgl Klang[2] V 408 bei Anm 12), zugemutet werden konnte, den Besteller davor zu warnen, daß Kupferplatten nach ihrer chemischen Beschaffenheit bei dem in Auftrag gegebenen Galvanisierungsprozeß, wenn dieser mit veralteten Einrichtungen ausgeführt wird, wie sie allein der Beklagten zur Verfügung standen, der Gefahr eines teilweisen Abbaues von Kupfer ausgesetzt sind, womit die Gefahr einer Zerstörung der auf den Platten eingeritzten Radierungen verbunden ist. Dies muß angenommen werden. Die Beklagte mußte wissen, daß es im Hinblick auf die ihr zur Verfügung stehenden veralteten Einrichtungen zu einer Umpolung des Stromflusses und damit zu einer Zerstörung der Radierungen kommen konnte, auch wenn bis dahin in ihrem Betrieb solche Schäden noch nicht aufgetreten waren. Wurde doch festgestellt, daß die Möglichkeit einer solchen Umpolung in derartigen Betrieben allgemein bekannt ist. Für die Beklagte war daher die Möglichkeit eines Mißlingens unter den gegebenen Verhältnissen offenbar i S des § 1168a ABGB. Sie hätte demnach den Besteller vor dieser Gefahr warnen und diesen darauf aufmerksam machen müssen, daß ihr Betrieb noch nicht die neuesten technischen Errungenschaften aufweise, durch die eine Umpolung des Stromflusses und die damit verbundene Gefahr einer Zerstörung der Radierungen hätte ausgeschlossen werden können. Hätte der Besteller den Auftrag trotzdem aufrechterhalten, so wäre die Beklagte von einer Haftung für den auf die Umpolung des Stromflusses zurückzuführenden Schaden frei. Da sie eine solche Warnung unterlassen hat, trifft sie gemäß der angeführten Gesetzesstelle die Verantwortung für den eingetretenen Schaden.

Die Höhe des Schadens ist durch die Vorinstanzen mit dem geltend gemachten Betrag festgestellt worden. Sie wird auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen.

Was die Frage der Aktivlegitimation des Erstklägers anlangt, so erstreckt sich wohl im Sinn der herrschenden Rechtsprechung (vgl SZ 34/186 u a) die allgemeine Bestreitung des Klagsanspruches auch auf die Klagslegitimation. Den Vorinstanzen kann aber nicht darin gefolgt werden, daß der Erstkläger schon deshalb allein einen Anspruch gegen die Beklagte nicht erheben könne, weil Auftraggeber nur der Zweitkläger gewesen sei. Zwischen den beiden Klägern bestand, wie festgestellt wurde, die Vereinbarung, daß von dem zu erwartenden Verkaufserlös, der sich der Höhe nach mit dem festgestellten Schaden deckt, der Erstkläger ein Drittel und der Zweitkläger zwei Drittel erhalten sollte. Entsprechend dieser Vereinbarung haben die Kläger ihr ursprüngliches Klagebegehren in der mündlichen Streitverhandlung vom 10. Oktober 1969 dahin präzisiert, daß jeder der beiden Kläger den ihm nach der getroffenen Vereinbarung anteilsmäßig zukommenden Betrag für sich begehrte. Dieser Vorgang kann als Abtretung der Schadenersatzforderung gegen die Beklagte durch den Zweitkläger an den Erstkläger, soweit es sich um den diesem zustehenden Anteil an dem Schaden handelt, gewertet werden. Ein Anlaß, das Klagebegehren, soweit es sich um den Erstkläger handelt, wegen mangelnder Aktivlegitimation abzuweisen, liegt bei dieser Sachlage nicht vor.

Der Revision war daher Folge zu geben und die Urteile der Vorinstanzen waren, wie erfolgt, abzuändern.

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