OGH 9ObA264/98h

OGH9ObA264/98h21.10.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Michael Manhard und Helmut Stöcklmayer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Elke D*****, Grafikerin, *****, vertreten durch Mag. Dorothea Sulzbacher, Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich, 4020 Linz, Volksgartenstraße 40, diese vertreten durch Dr. Gottfried Eypeltauer ua, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Brigitte G*****, Kauffrau, *****, vertreten durch Dr. Anton Moser und Mag. Klaus Zorn, Rechtsanwälte in Traun, wegen S 44.333,34 sA, infolge der Rekurse beider Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. Juni 1998, GZ 12 Ra 124/98m-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 2. Dezember 1997, GZ 6 Cga 110/97t-10, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Den Rekurses wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt von der Beklagten unter Hinweis auf § 2a Abs 1 GleichbG Schadenersatz in Höhe von S 44.333,34 (zwei Monatsgehälter eines männlichen Dienstnehmers der Beklagten zuzüglich aliquoter Sonderzahlungen), weil sie bei der Besetzung des Postens eines Grafikers im Betrieb der Beklagten wegen ihres Geschlechtes diskriminiert worden sei. Schon die Stellenausschreibung sei nicht geschlechtsneutral erfolgt. Der Klägerin sei auf ihre Bewerbung mitgeteilt worden, daß grundsätzlich nur männliche Mitarbeiter eingestellt würden, weil die Tätigkeit Frauen nicht zumutbar sei. Die Behauptung der Beklagten, es handle sich um teilweise schwere Arbeit bzw. teilweise auch um Nachtarbeit, stelle keine sachliche Rechtfertigung für eine geschlechtsspezifische Differenzierung dar.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Auf dem in Rede stehenden Arbeitsplatz seien nicht nur grafische Tätigkeiten, sondern auch Montagetätigkeiten zu verrichten, die "Manneskraft" erforderten und für die eine Frau "nicht so geeignet" seien. Die Klägerin habe dem Anforderungsprofil nicht entsprochen. Außerdem sei teilweise Nachtarbeit zu leisten, weshalb die Klägerin wegen der Verbotsbestimmungen des Frauennachtarbeitsgesetzes (FrNachtAG) nicht für den zu besetzenden Arbeitsplatz in Betracht gekommen sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Die Klägerin hat die HTL für Werbegrafik absolviert und mit Fachmatura abgeschlossen; sie verfügt auch über einschlägige Berufserfahrung. Die Beklagte führt ein Einzelunternehmen für Werbegestaltung, das auf Messen und Veranstaltungen, für Bühnenbilder udgl. das Layout von Kunden (Werbeagenturen) umsetzt, indem es die entsprechenden Werbematerialien anfertigt und montiert. Am 10. 5. 1997 schaltete die Beklagte ein Zeitungsinserat mit folgendem Text:

"Junger Grafiker mit guten Apple-Kenntnissen und Schilderhersteller für Verarbeitung von Digital-Drucken, Kaschierungen und Beschriftungen, Führerschein B, werden aufgenommen." Etwa zur gleichen Zeit erhielt die Klägerin die Aufforderung des AMS Linz, sich bei der Beklagten um folgende Stellung zu bewerben:

"Grafiker/in, Alter ca. 19 bis 30 Jahre (männliche Bewerber nach Präsenzdienst) ..." zu bewerben. Die Klägerin meldete sich darauf telefonisch bei der Beklagten, die ihr erklärte, nur männliche Bewerber zu akzeptieren. Als die Klägerin einwendete, daß sie schon im Bereich Werbeschrift gearbeitet habe, wurde ihr mitgeteilt, daß ihr diese Tätigkeit nicht zumutbar sei, weil Sachen "von zig Kilo" zu tragen seien. Ob der Klägerin auch mitgeteilt wurde, daß die Tätigkeit teilweise in der Nacht zu verrichten sei, ist nicht feststellbar. Auch nach dem Hinweis der Klägerin auf einschlägige Berufserfahrung im Ausland blieb die Beklagte dabei, die Klägerin nicht einzustellen. Die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle umfaßt sowohl die Tätigkeit des Schilderherstellers als auch des Grafikers. Es handelt sich um eine schwere Tätigkeit, zumal bei den Maschinen auch 35 bis 50 kg schwere Laminatrollen zu wechseln sind. Solche Rollen müssen auch durchschnittlich einmal pro Woche vom Bahnhof abgeholt werden. Weiters sind Schilder zu tragen, die bis zu 20 kg wiegen können. Diese Display- und Messesysteme werden auch in Höhen von mehreren Metern montiert. Die Arbeit ist teilweise auch in der Nacht auszuführen, wobei in sieben Monaten im Jahr Nachtarbeit anfällt. Im Durchschnitt wird dabei bis 22.00 Uhr gearbeitet, es kann aber auch Spitzen geben, in denen bis 5.00 Uhr zu arbeiten ist. Im Schnitt fällt acht- bis zehnmal pro Monat eine Tätigkeit nach 20.00 Uhr an. Das Verhältnis der grafischen Tätigkeit zur Tätigkeit als Schilderhersteller beträgt 50 : 50. Mit der Begründung, daß in der Nacht gearbeitet wird und schwere Lasten zu tragen sind, stellt die Beklagte hiefür prinzipiell nur Männer ein. Seit 2. 6. 1997 ist bei der Beklagten Thomas D***** beschäftigt, der sich ungefähr zur gleichen Zeit wie die Klägerin beworben hat und die soeben beschriebene Tätigkeit ausübt. Zuvor war bei der Beklagten Sabine G***** beschäftigt, die in etwa diesen Aufgabenbereich erledigte und dafür S 19.000,- brutto monatlich erhielt. Dieses Dienstverhältnis endete durch Dienstnehmerkündigung, wobei G*****, die zuvor wegen einer Sehnenentzündung im Krankenstand war, erklärte, ihr sei alles zuviel. Damit meinte sie, daß die Arbeit "zu stressig und zu schwer sei". 1996 erzielte die Beklagte einen Gewinn von S 150.158,43.

In seiner rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes verwies das Erstgericht auf § 3 FrNachtAG, nach dem Dienstnehmerinnen während der Nacht nicht beschäftigt werden dürfen. Die in den §§ 4 FrNachtAG angeführten Ausnahmen seien hier nicht anzuwenden. Da die am ausgeschriebenen Arbeitsplatz in einem nicht unerheblichen Teil zu verrichtende Nachtarbeit für Frauen verboten sei, liege keine Diskriminierung iS des § 2 GleichbG vor.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung durch das Erstgericht auf und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Unter Berufung auf die Entscheidungen des EuGH Dekker (Slg 1990, I-3941) und Draehmpaehl (WBl 1997, 247) vertrat es die Rechtsauffassung, daß die RL 76/207/EWG ("Gleichbehandlungsrichtlinie") die Haftung des Urhebers einer Diskriminierung nicht davon abhängig mache, daß ein Verschulden nachgewiesen werde oder ein Rechtfertigungsgrund vorliege. Wenn sich ein Mitgliedstaat bei der Umsetzung dieser Richtlinie für eine Sanktion entscheide, die sich in den Rahmen einer Regelung über die zivilrechtliche Haftung des Arbeitgebers einfüge, müsse jeder Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot für sich genommen ausreichen, um die volle Haftung seines Urhebers auszulösen, ohne daß auf ein Verschulden des Arbeitgebers abzustellen sei und ohne daß die im nationalen Recht vorgesehenen Rechtfertigungsgründe berücksichtigt werden könnten. Die in Umsetzung der Richtlinie geschaffene Bestimmung des § 2a Abs 1 GleichbG sei richtlinienkonform auszulegen. Die Beklagte könne sich ihrer Haftung nach der zitierten Gesetzesstelle durch den Nachweis, daß der Arbeitsplatz das Tragen von schweren Lasten oder Montagearbeiten in größerer Höhe erfordere, nicht entziehen. Daß iS des Art 2 Abs 2 der Gleichbehandlungs-Richtlinie das männliche Geschlecht von vorneherein unabdingbare Voraussetzung für die Ausübung der in Rede stehenden Tätigkeit sei, könne nicht gesagt werden; vielmehr hänge es - unabhängig vom Geschlecht - von den individuellen fachlichen und physischen Voraussetzungen ab, welche(r) Stellenwerber(in) am besten qualifiziert sei. Werde eine weibliche Bewerberin vom weiteren Bewerbungsvorgang wegen ihres Geschlechtes ausgeschlossen, liege darin eine haftungsbegründende Diskriminierung, ohne daß es auf ein Verschulden des Arbeitgebers ankomme. Der vom Gesetzgeber in § 2a Abs 1 GleichbG gewählte Begriff einer vom Arbeitgeber "zu vertretenden" Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes lasse eine derartige - richtlinienkonforme - Auslegung zu.

Dennoch sei die Sache noch nicht spruchreif, weil der Einwand der Beklagten noch nicht beurteilt werden könne, daß Motiv für die Ablehnung der Klägerin auch das gesetzliche Verbot der Frauenarbeit gewesen sei. In diesem Zusammenhang komme der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechtes nicht zum Tragen, weil Art 5 der GleichbehandlungsRL über die Nachtarbeit von Frauen im Hinblick auf Art XV Pkt. V des EU - Beitrittsvertrages (richtig: Anhang XV Pkt. 5 der Beitrittsakte) in Österreich bis 2001 nicht gelte. Dieser Vorbehalt stehe im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH, wonach Art 5 der Richtlinie keine Anwendung finde, soweit das in den staatlichen Bestimmungen verankerte gesetzliche Verbot der Nachtarbeit für Frauen erlassen worden sei, um die Erfüllung von Verpflichtungen des Mitgliedstaats sicherzustellen, die sich aus einem vor Inkrafttreten des EWG-Vertrages mit dritten Staaten geschlossenen Übereinkommen ergeben. (Urteil vom 3. 2. 1994 in der Rechtssache C-13/93 , Minne, und vom 2. 8. 1993 in der Rechtssache C-158/91 , Levy). Auf eine solche völkerrechtliche Verpflichtung (IAO-Übereinkommen Nr. 89) stütze sich die zitierte Ausnahmebestimmung, die sich zwar ausdrücklich nur auf Art 5 der RL im Zusammenhang mit den Arbeitsbedingungen während aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses beziehe, die aber - wolle man sie nicht ihres Sinngehaltes entleeren - im unmittelbaren Konnex mit Art 3 der RL in bezug auf die Begründung von Arbeitsverhältnissen zu sehen sei. Andernfalls müßte der österreichische Arbeitgeber auf einen regelmäßig mit Nachtarbeit verbundenen Arbeitsplatz Frauen bei entsprechender Qualifikation einstellen, dürfte sie aber nicht für die vereinbarte Tätigkeit einsetzen. Die nationale Regelung sei daher so auszulegen, daß eine vom Arbeitgeber zu vertretende Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes nicht vorliege, wenn der Arbeitgeber auf der Grundlage des § 2a Abs 9 GleichbG darzulegen vermöge, daß das gesetzliche Verbot der Frauennachtarbeit mit höherer Wahrscheinlichkeit für die unterschiedliche Behandlung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses spreche als der vom Stellenwerber glaubhaft gemachte Diskriminierungstatbestand.

Für diese Motivabwägung fehle es aber an wesentlichen Entscheidungsgrundlagen. Vor allem komme es nicht auf die im Betrieb insgesamt anfallenden Dienste nach 20.00 Uhr an, sondern darauf, in welchem Ausmaß Nachtarbeit iS des § 3 Abs 2 FrNachtAG (und damit ohne Berücksichtigung der beispielsweise nach § 2 Abs 1 und Abs 2 lit h [Messegestaltung] ohnedies vom Anwendungsbereich dieses Gesetzes ausgenommenen Tätigkeiten) auf dem konkreten, vor der Stellenausschreibung von Sabine G***** eingenommenen Arbeitsplatz angefallen sei. Für die Glaubwürdigkeit des Motivs werde es daher wesentlich darauf ankomme, inwieweit auf dem konkreten Arbeitsplatz in der Praxis tatsächlich ein Spannungsverhältnis mit den Beschränkungen des FrNachtAG gegeben sei und wie die Beklagte damit während des Bestandes des Dienstverhältnisses mit Sabine G***** umgegangen sei. Außerdem werde bei der Erforschung des Motivs zu berücksichtigen sein, daß sich die Beklagte in ihren telefonischen Erklärungen gegenüber der Klägerin auf das Motiv des Lastenhebens beschränkt und im übrigen in ihrer Aussage bekundet habe, auch bei anderer Gesetzeslage nur Männer einzustellen. Sollte das Erstgericht zum Ergebnis gelangen, daß eine höhere Wahrscheinlichkeit für das Motiv "Frauennachtarbeit" nicht glaubhaft sei, bedürfe es Feststellungen darüber, ob die Klägerin die zu besetzende Position auch dann nicht erhalten hätte, wenn keine Diskriminierung stattgefunden habe. Aus dem Urteil Draehmpaehl sei nämlich auch ein - allerdings nicht so hoher - Schadenersatzanspruch jenes Bewerbers abzuleiten, der die Stelle wegen besserer Qualifikation des tatsächlich eingestellten Bewerbers nicht erhalten habe. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zuzulassen, weil zu den aufgeworfenen Rechtsfragen eine Rechtsprechung des Höchstgerichtes fehle.

Gegen diesen Beschluß richten sich die Rekurse beider Seiten. Die Klägerin beantragt, ihn im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; die Beklagte beantragt, das Ersturteil wiederherzustellen.

Beide Seiten beantragen, dem jeweils gegnerischen Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Beide Rekurse sind aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig, aber nicht berechtigt. Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf die §§ 2 und 2a GleichbG. § 2 Abs 1 GleichbG normiert, daß im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand aufgrund des Geschlechtes unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden darf; dies gilt - so Z 1 leg. cit. - insbesondere auch bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses. Diskriminierung ist - so § 2 Abs 1 letzter Satz GleichbG - jede benachteiligende Differenzierung, die ohne sachliche Rechtfertigung vorgenommen wird. Nach § 2a Abs 1 GleichbG ist der Arbeitgeber gegenüber dem Stellenwerber zum Schadenersatz im Ausmaß von bis zu zwei Monatsentgelten verpflichtet, wenn das Arbeitsverhältnis wegen einer vom Arbeitgeber zu vertretenden Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes des § 2 Abs 1 Z 1 nicht begründet wurde. Nach § 2a Abs 9 GleichbG hat der Arbeitnehmer oder Stellenwerber, soweit er sich im Streitfall auf einen Diskriminierungstatbestand iS des § 2 Abs 1 beruft, diesen glaubhaft zu machen; die Klage ist abzuweisen, wenn bei Abwägung aller Umstände eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß ein anderes vom Arbeitgeber glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder das andere Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die auszuübende Tätigkeit ist.

Das Verhältnis dieser nationalen Bestimmungen zur Richtlinie des Rates vom 9. 2. 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsausbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen (76/207/EWG; "Gleichbehandlungsrichtlinie") hat das Berufungsgericht zutreffend dargestellt: Die Richtlinie richtet sich an die Mitgliedstaaten; sie ist grundsätzlich nicht unmittelbar anwendbar, sondern muß von den Mitgliedstaaten in das innerstaatliche Recht umgesetzt werden. Eine Direktwirkung gegenüber den Mitgliedstaaten nimmt der EuGH nur insoweit an, als sich nach Ablauf der Umsetzungsfrist der Einzelne in einem säumigen Mitgliedstaat gegenüber innerstaatlichen Stellen unmittelbar auf Richtlinienbestimmungen berufen kann, die hinsichtlich seiner Rechte als unbedingt und hinreichend genau erscheinen; dabei ist es unerheblich, in welcher Eigenschaft - als Arbeitgeber oder als Hoheitsträger - der Staat handelt. Hingegen kann der Einzelne durch die Richtlinie nicht unmittelbar verpflichtet werden; ebensowenig besteht eine unmittelbare Wirkung von Bestimmungen nicht umgesetzter Richtlinien im Verhältnis zwischen Privatpersonen; es gibt also keine direkte horizontale Wirkung von Richtlinienbestimmungen. Wohl aber haben die innerstaatlichen Behörden die inhaltlich von der Richtlinie berührten Normen soweit wie möglich im Einklang mit der Richtlinie ("richtlinienkonform") auszulegen, und zwar unabhängig davon, ob die Frist für die Umsetzung der Richtlinie schon abgelaufen ist oder nicht (Thun/Hohenstein/Cede, Europarecht 179f mwN; EuGH RS 80/86 ).

Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, daß § 2a Abs 1 GleichbG im Hinblick auf das Gebot, das nationale Recht möglichst richtlinienkonform auszulegen, iS der Anordnung einer verschuldensunabhängigen Haftung des Arbeitgebers zu interpretieren ist, zumal es nach der Rechtsprechung des EuGH (Entscheidungen Dekker, Slg 1990, I-3941, und Draehmpaehl, WBl 1997, 247) die Gleichbehandlungsrichtlinie nicht erlaubt, die Haftung des Urhebers einer Diskriminierung vom Nachweis eines Verschuldens abhängig zu machen (vgl dazu Mosler, Geschlechterdiskriminierung bei der Einstellung von Arbeitnehmern/innen, WBl 1997, 365f). Der dagegen erhobene Einwand der Beklagten, eine derartige Auslegung sei unmöglich, weil § 2a GleichbG ausdrücklich auf ein Verschulden des Arbeitgebers abstelle, trifft nicht zu, zumal in der zitierten Norm nicht von einer verschuldeten, sondern von einer "vom Arbeitgeber zu vertretenden" Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes die Rede ist. Dieser Wortlaut steht somit der vom Berufungsgericht vorgenommenen richtlinienkonformen Auslegung der zitierten Bestimmung iS der Anordnung einer verschuldensunabhängigen Haftung des diskriminierenden Arbeitgebers nicht entgegen.

Hingegen ist dem Berufungsgericht nicht beizupflichten, soweit es unter Hinweis auf das Urteil des EuGH Draehmpaehl (WBl 1997, 247) § 2a GleichbG dahin auslegt, daß auch ein Schadenersatzanspruch jenes Bewerbers normiert werde, der zwar diskriminiert worden sei, die Stelle aber wegen besserer Qualifikation des tatsächlich eingestellten Bewerbers ohnedies nicht erhalten hätte. Es braucht hier nicht näher erörtert werden, ob die Gleichbehandlungsrichtlinie den nationalen Gesetzgeber verpflichtet, auch für solche diskriminierten Stellenwerber einen Ersatzanspruch zu begründen (abwägend Mosler, aaO 369). Da § 2a Abs 1 GleichbG einen Schadenersatz ausdrücklich nur unter der Voraussetzung normiert, daß das Arbeitsverhältnis "wegen einer vom Arbeitgeber zu vertretenden Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes des § 2 Abs 1 Z 1 nicht begründet" wurde, fehlt es für die vom Berufungsgericht unter Berufung auf die Richtlinie vorgenommene Interpretation am erforderlichen Auslegungsspielraum (vgl WBl 1997, 529).

Zum Einwand der Beklagten, daß die Klägerin als Frau für die auf der angestrebten Position zu leistende schwere Arbeit nicht geeignet sei, hat das Berufungsgericht zutreffend darauf verwiesen, daß das männliche Geschlecht für die Ausübung einer im behaupteten und festgestellten Sinn "schweren" Arbeit nicht als unbedingte Voraussetzung angesehen werden kann. Vielmehr hängt die Eignung für diesen Aspekt des zu besetzenden Arbeitsplatzes von entsprechenden physischen Voraussetzungen ab, die durchaus auch bei Frauen vorliegen können und auch bei Männern nicht in jedem Fall gegeben sein müssen. Welche(r) von mehreren Stellenwerber(inne)n für diesen Aspekt der Arbeit (am besten) geeignet ist, hängt daher von deren individuellen Voraussetzungen ab. Damit erweist sich aber die ohne jede Bedachtnahme auf ihre individuellen Voraussetzungen erfolgte Ablehnung einer Bewerberin nur wegen ihres Geschlechtes als unmittelbare Diskriminierung.

Allerdings hat sich die Beklagte auch darauf berufen, sie habe die Klägerin auch deshalb nicht aufgenommen, weil Arbeiten in der Nacht zu verrichten seien, was aber der Klägerin wegen der Verbotsbestimmungen des FrNachtAG nicht erlaubt sei.

Das Berufungsgericht vertrat dazu die Rechtsauffassung, daß zwar Art V der Gleichbehandlungsrichtlinie einem nur für Frauen geltenden Nachtarbeitsverbot des nationalen Gesetzgebers (und damit den Verbotsbestimmungen des FrNachtAG) entgegenstehe, daß aber dieser Teil der Richtlinie im Hinblick auf Anhang XV Pkt. V der EU-Beitrittsakte für Österreich hinsichtlich der Nachtarbeit von Frauen bis zum Jahr 2001 nicht gelte; das GleichbG müsse daher so ausgelegt werden, daß eine vom Arbeitgeber zu vertretende Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes ausnahmsweise dann nicht vorliegt, wenn der Arbeitgeber iS § 2a Abs 9 GleichbG darzulegen vermöge, daß das gesetzliche Verbot der Frauennachtarbeit mit höherer Wahrscheinlichkeit für die unterschiedliche Behandlung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses spricht als der vom Stellenwerber glaubhaft gemachte Diskriminierungstatbestand. Diese Rechtsauffassung ist zutreffend, sodaß es insoweit ausreicht, auf die Richtigkeit der ausführlichen Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Einwand der Klägerin, die Beklagte könne sich auf das Verbot der Nachtarbeit von Frauen nicht berufen, weil sie darauf im anläßlich der Bewerbung geführten Telefongespräch mit der Klägerin nicht hingewiesen habe, ist unzutreffend. Dieser Umstand kann allenfalls - wie schon das Berufungsgericht ausführte - bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit der dazu aufgestellten Prozeßbehauptungen der Beklagten eine Rolle spielen; gelingt es aber der Beklagten, das aufgezeigte Motiv glaubhaft zu machen, ist die Klage iS § 2a Abs 9 GleichbG abzuweisen, ohne daß es darauf ankommt, ob sie die Klägerin im Bewerbungsgespräch darauf hingewiesen hat oder nicht. Gleiches gilt für den von der Klägerin hervorgehobenen Umstand, daß die Beklagte in ihrer Parteiaussage - allerdings unter Hinweis darauf, daß die Arbeit schwer ist - erklärt hat, sie hätte auch bei anderer Gesetzeslage keine Frau eingestellt. Auch dies mag bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit des Motivs "Nachtarbeit" eine Rolle spielen; wird dieses Motiv aber glaubhaft gemacht, besteht der geltend gemachte Anspruch nicht zu Recht.

Damit erweisen sich im aufgezeigten Zusammenhang Verfahren und Feststellungen in der Tat als ergänzungsbedürftig, zumal sich das Erstgericht mit der eben dargestellten Motivabwägung bislang nicht auseinandergesetzt und hiefür keine hinreichenden Feststellungen getroffen hat. Insbesondere fehlen auch Feststellungen, die eine Beurteilung erlauben, ob die hier in Betracht kommenden Arbeiten überhaupt dem Nachtarbeitsverbot unterliegen. Auch dazu kann auf die eingehenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden.

Selbst wenn sich aber im fortgesetzten Verfahren herausstellen sollte, daß eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür, daß das Verbot der Nachtarbeit Motiv für die Nichtberücksichtigung der Bewerbung der Klägerin war, nicht glaubhaft ist, ist das Verfahren noch nicht spruchreif. Wie schon oben ausgeführt, ist nämlich der geltend gemachte Schadenersatzanspruch der Klägerin nach § 2a Abs 1 GleichbG davon abhängig, daß das Arbeitsverhältnis wegen der dann von der Beklagten zu vertretenden Diskriminierung nicht begründet wurde. Im Gegensatz zur von der Klägerin in ihrem Rechtsmittel vertretenen Meinung steht aber nicht fest, ob die Klägerin auch bei diskriminierungsfreier Bedachtnahme auf ihre individuellen Fähigkeiten den angestrebten Posten erhalten hätte. Der EuGH hat in diesem Zusammenhang in der bereits mehrfach zitierten Entscheidung Draehmpaehl klargestellt, daß der Nachweis, der Bewerber hätte die zu besetzende Position auch ohne Diskriminierung nicht erhalten, dem Arbeitgeber obliegt (Entscheidung Draehmpaehl Rz 36). Dieser Grundsatz, der auf der Überlegung beruht, daß nur der Arbeitgeber Überblick über die individuellen Voraussetzungen sämtlicher Bewerber haben kann, ist auf das nationale österreichische Recht übertragbar. Mit gerade noch hinreichender Deutlichkeit hat die Beklagte dazu auch Vorbringen und ein Beweisanbot erstattet (ON 7); Feststellungen dazu wurden aber bislang nicht getroffen.

Soweit sich die Klägerin in ihrem Rechtsmittel erstmals auf das Schikaneverbot des § 1295 Abs 2 ABGB beruft, ist auf ihre Ausführungen im Hinblick auf das Neuerungsverbot nicht Bedacht zu nehmen.

Sollte sich der Anspruch der Klägerin dem Grunde nach als berechtigt erweisen, wird auf folgende Erwägungen Bedacht zu nehmen sein:

§ 2a Abs 1 GleichbG normiert einen Schadenersatzanspruch des diskriminierten Stellenwerbers "im Ausmaß von bis zu zwei Monatsentgelten". Damit soll nach dem Willen des Gesetzgebers - wie den Ausführungen der Regierungsvorlage (735 BlgNR GP XVIII S 33f) zu entnehmen ist - der "durch die Diskriminierung entstandene materielle und durch die Verletzung der Würde der Person entstandene immaterielle Schaden in angemessener Weise finanziell ausgeglichen werden", wobei "bei der Bemessung des Schadenersatzes .... vor allem der durch die Diskriminierung entgangene Verdienst zu berücksichtigen" ist. Wie weit der vom Gesetz eröffnete Bemessungsspielraum ausgeschöpft wird, hängt daher ua vom durch die Diskriminierung entgangenen Verdienst und damit davon ab, wann der/die Stellenwerber/in einen anderen Arbeitsplatz gefunden hat. Dazu fehlt es aber bislang an Behauptungen und Feststellungen. Ob die vom Gesetz normierte Höchstgrenze der Gleichbehandlungsrichtlinie entspricht (vgl dazu die Entscheidung Draehmpaehl) braucht hier nicht erörtert zu werden, weil der klare Wortlaut des nationalen Gesetzes keinen Spielraum für eine von dieser Höchstgrenze abweichende Auslegung des Gesetzes eröffnet. Nach dem aus der Regierungsvorlage ersichtlichen Willen des Gesetzgebers ist Berechnungsgrundlage für die den Anspruch begrenzenden Monatsengelte "das Entgelt, das der/die Stellenwerber/in in den ersten zwei Monaten ab Arbeitsantritt hätten erzielen können". Dazu zählen entgegen dem Einwand der Beklagten auch die aliquoten Sonderzahlungen, welche die Klägerin im Falle ihrer Einstellung hätte erzielen können.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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