OGH 10ObS297/98v

OGH10ObS297/98v15.9.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Hon. Prof. Dr. Danzl sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gleitsmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Anton Degen (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Reinhold B*****, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert-Stifter-Straße 65, 1200 Wien, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner, Dr. Josef Milchram und Dr. Anton Ehm, Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. Juni 1998, GZ 12 Rs 130/98v-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 27. Februar 1998, GZ 17 Cgs 117/97b-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat zutreffend das Vorliegen eines Arbeitsunfalles bejaht. Es reicht daher insoweit aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO).

Den Revisionsausführungen ist folgendes entgegenzuhalten:

Es steht fest, daß die Körperschädigung des Klägers eine typische Folge eines Verkehrsunfalles war, der deshalb in örtlichem, zeitlichem und ursächlichem Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung stand, weil er sich auf dem Heimweg von der Arbeitsstätte zum ständigen Wohnsitz des Klägers ereignete. Es lag zwar ein alltägliches Ereignis vor, das aber dennoch als Arbeitsunfall geschützt war, weil der Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit hergestellt war und die Heimfahrt die wesentliche betriebsbedingte Sache des Unfalles war (SSV-NF 10/18; 10 ObS 325/97k, 10 ObS 241/98h).

Voraussetzung für den Anspruch auf eine Leistung aus einem Arbeitsunfall ist, daß die Körperschädigung hiedurch wesentlich verursacht wurde. Kommen noch andere Ursachen in Betracht, so ist dies dann der Fall, wenn die betrieblichen Umstände gegenüber den anderen Ursachen nicht erheblich in den Hintergrund treten. Es besteht also dann kein Anspruch auf eine Leistung, wenn einer krankhaften Veranlagung gegenüber dem Unfall die überragende Bedeutung zukommt, wenn also wegen der Veranlagung jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis etwa zur gleichen Zeit die Schädigung ausgelöst hätte (SSV-NF 5/140 mwH). In diesem Sinne wurden von der Rechtsprechung Ansprüche aus der Unfallversicherung nicht für zu Recht bestehend erkannt, wenn die - wenn auch im Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit - eingetretene Körperschädigung die unmittelbare Folge eines anlagebedingten Leidens war und der betrieblichen Ursache nicht die Bedeutung einer wesentlichen Ursache für diese Schädigung zukam. So stand in dem der Entscheidung SSV-NF 5/140 zugrundeliegenden Fall ein Leistenbruch bei einer Hebebelastung bei vorhandener körperlicher Prädisposition in Frage; der Entscheidung SSV-NF 8/26 lag ein Fall zugrunde, bei der bei einer bestandenen Vorschädigung an der Hand bei einer beruflichen Belastung eine Verletzung dieser Hand eintrat, der Entscheidung SSV-NF 11/41 der Tod durch Herzinfarkt bei bereits vorhandem Herzleiden. In allen Fällen wurde der Anspruch aus gesundheitlichen Folgen abgeleitet, für deren Eintritt primär ein bereits vorhandener Vorschaden in Frage kam, der nur während einer dem betrieblichen Bereich zugehörigen Tätigkeit ein akutes Geschehens auslöste, wobei aber immer der bereits bestandene Leidenszustand als unmittelbare Ursache der dabei eingetretenen gesundheitlichen Störung in Frage kam. Im Zusammenhang damit wurde in SSV-NF 5/140 die Grundsätze betreffend den Anscheinsbeweis in Sozialrechtssachen entwickelt. Die Ablehnung des Versicherungsschutzes durch die Rechtsprechung gründet sich in diesen Fällen darauf, daß die Unfallversicherung für Folgen von Ereignissen, die auf inneren Ursachen beruhen, sich nur gelegentlich der versicherten Tätigkeit ereignen, bei denen aber die aus betrieblichen Umständen resultierende Gefahrenlage völlig in den Hintergrund tritt, nicht einzustehen habe.

Hier liegt der Fall jedoch anders. Fest steht, daß beim Kläger bei der Heimfahrt von der versicherten Tätigkeit aus physiologischen Gründen ein extremer Harndrang verbunden mit Schmerzen auftrat, was letztlich dazu führte, daß er die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor, von der Straße abkam und verunfallte. Die bei ihm eingetretenen Verletzungen, aus deren Folgen das erhobene Begehren abgeleitet wird, sind nicht die unmittelbare Folge der inneren Ursache, also des Harndranges, sondern die Folgen des Verkehrsunfalles, den er auf dem Arbeitsweg erlitt. Daß der Unfall durch die innere Ursache ausgelöst wurde, ändert nichts daran, daß die mit der Zurücklegung des Arbeitsweges verbundene Gefahrenlage eine wesentliche Bedingung für die beim Kläger eingetretenen Verletzungen war, so daß die Vorinstanzen die Voraussetzungen für das Bestehen des Versicherungsschutzes zu Recht bejaht haben.

Daß der Kläger nicht rechtzeitig angehalten hat oder auf eine andere Art versuchte, zu einer ärztlichen Hilfe zu gelangen, schließt die Annahme des Arbeitsunfalles nicht aus (SSV-NF 10/18). Die betriebsbedingte Heimfahrt sank nicht zu einem unwesentlichen Begleitumstand des Unfalles herab. Sein Weiterfahren trotz Schmerzen hat nicht zu einer solchen besonderen vernunftwidrigen Gefährdung geführt, daß die versicherte Heimfahrt als unwesentliche Bedingung für den Unfall in den Hintergrund gedrängt wurde (SSV-NF 2/102, 3/65, 81; 4/52; 10/18).

Der Revision kommt daher keine Berechtigung zu.

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