OGH 8ObA85/98b

OGH8ObA85/98b24.8.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie durch die fachkundigen Laienrichter MR Mag Norbert Riedl und Walter Darmstädter als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Franz P*****, vertreten durch Dr. Kurt Klein, Dr. Paul Wuntschek, Dr. Berit Mayerbrucker und Mag. Andreas Ulm, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei P***** Gesellschaft ***** mbH, ***** vertreten durch Dr.Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 1,117.928,90 brutto und S 4.266,80 netto sA (Revisionsinteresse S 52.809,65 brutto und S 4.266,80 netto sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. November 1997, GZ 7 Ra 174/97f-20, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 10. April 1997, GZ 37 Cga 95/96t-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, das in Ansehung eines Zuspruches von S 30.156,65 brutto und S 4.266,80 netto samt 4,5 % Zinsen seit 1. 5. 1996 bestätigt wird, wird darüber hinaus dahin abgeändert, daß das (weitere) Mehrbegehren von S 22.653,-- samt 4,5 % Zinsen seit 1. 5. 1996 abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 105.720,03 (darin S 17.123,-- USt und S 2.982,03 Barauslagen) bestimmten Kosten der Verfahren aller drei Instanzen binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der Beklagten vom 1. 10. 1981 bis 30. 4. 1996 beschäftigt und übte zuletzt die Tätigkeit eines Kameramannes aus. Der schriftliche Dienstvertrag des Klägers vom 1. 5. 1983 nimmt in seinen Punkten III. (Gehalt) und XIV. (anwendbare Vorschriften) jeweils auf die Bestimmungen des zwischen dem Fachverband der Filmindustrie Österreichs und der Gewerkschaft Kunst und freie Berufe, Sektion Film und Audio-Vision abgeschlossenen Kollektivvertrages vom 24. 7. 1980 in der Neufassung vom 1. 8. 1982 Bezug. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Dienstvertrages unterlag die Beklagte, die auch Filme produzierte, diesem Kollektivvertrag. Der Fall eines Kollektivvertragswechsels wurde mit dem Kläger nicht erörtert. Die Beklagte legte mit Ende des Jahres 1995 ihre Gewerbeberechtigung für Filmschaffende zurück, weil sie ab diesem Zeitpunkt keine Filme mehr produzierte. Schon davor machten Eigen- und Auftragsproduktionen nur einen geringen Anteil des gesamten Geschäftsvolumens aus. Die Haupttätigkeit der Beklagten lag in der Zurverfügungstellung von Cuttern und kompletten Filmteams an den ORF, wobei die Beklagte das Equipment zur Verfügung stellte. Der Kläger arbeitete im Rahmen dieser Tätigkeit der Beklagten fast ausschließlich für den ORF. Auch für 1996 hat die Beklagte mit dem ORF, Landesstudio Steiermark, einen 200-Tage-Vertrag über die Zurverfügungstellung eines Kamerateams, dem der Kläger angehörte, abgeschlossen.

Die Beklagte hat ab 1. 1. 1996 nur mehr eine Gewerbeberechtigung für Arbeitskräfteüberlassung. Beim Kollektivvertrag für Filmschaffende trat zum 1. 1. 1996 eine Erhöhung der Mindestgagen ein, die beim Kläger S 906 monatlich brutto ausgemacht und somit ein Monatsbruttogehalt von S 44.686 ergeben hätte. Die Klägerin stufte den Beklagten aber ab 1. 1. 1996 in eine vergleichbare Verwendungsgruppe des Kollektivvertrages für Angestellte des Gewerbes ein. Die dort mit 1. 1. 1996 vorgenommene Erhöhung der Mindestlöhne erreichte das bisher dem Kläger ausbezahlte Grundgehalt von S 43.777 nicht, weshalb die Beklagte das Gehalt des Jahres 1995 weiter an den Kläger ohne Erhöhung auszahlte.

Der Kläger akzeptierte die Einstufung nach dem Kollektivvertrag für Gewerbeangestellte nicht und forderte mit Schreiben vom 18. 4. 1996 die Beklagte auf, die sich aufgrund der Kollektivvertragserhöhung zum 1. 1. 1996 ergebenden Differenzbeträge nachzuzahlen und die Ersatztage nach dem Kollektivvertrag für Filmschaffende abzurechnen, widrigenfalls er aus dem Dienstverhältnis austrete. Da die Klägerin sich weigerte, diesen Forderungen des Beklagten nachzukommen, trat der Kläger zum 30. 4. 1996 aus dem Dienstverhältnis aus. Er arbeitet seit 2. 5. 1996 als selbständiger Kameramann für den ORF.

Im Unternehmen der Beklagten fand für den Zeitraum 1. 1. 1989 bis 31. 12. 1994 eine Lohnsteuerprüfung des Finanzamtes statt. Für die Privatnutzung des firmeneigenen PKWs durch den Kläger kam es dabei für den Zeitraum Juli 1989 bis Dezember 1990 und Jänner 1992 bis Dezember 1994 zu einer Nachverrechnung in der Höhe von S 57.653, welcher Betrag von der Beklagten bezahlt wurde. Die Beklagte zog daraufhin dem Kläger ab September 1995 bis einschließlich März 1996 monatlich S 5.000 und sodann den Restbetrag von S 22.653 vom Gehalt ab. Zwischen den Parteien war vereinbart worden, daß der Kläger als Abgeltung für die Privatnutzung des PKWs pro Jahr auf 10 ihm aufgrund des Kollektivvertrags für Filmschaffende zustehende Ersatzruhetage verzichtet. Nach der Lohnsteuerprüfung wurden dem Kläger diese Ersatztage nicht wieder gutgebucht. Auf einen Ersatzruhetag entfiel ein Gehaltsanspruch von S 1.988 brutto.

Der Kläger hatte zum Zeitpunkt seines Austritts am 30. 4. 1996 Anspruch auf insgesamt 15 Ersatzruhetage, wovon 14 auf die Zeit vor dem 30. 9. 1985 entfielen. Er hatte zum Zeitpunkt seines Austrittes insgesamt 48 Urlaubstage nicht konsumiert. Dem Kläger wurde eine Urlaubsentschädigung für das Urlaubsjahr 1994/1995 in der Höhe von S

53.394 brutto ausbezahlt. Urlaubszuschuß und Weihnachtsgeld erhielt der Kläger in der Höhe von S 29.184 brutto.

Der ORF hat keinen Kollektivvertrag abgeschlossen. Die Entgeltansprüche der Mitarbeiter sind in einer freien Betriebsvereinbarung geregelt, deren Ansätze günstiger sind als die Gehälter nach dem Kollektivvertrag für Filmschaffende.

Mit seiner am 17. 6. 1996 beim Erstgericht eingelangten Klage brachte der Kläger vor, der vorzeitige Austritt sei wegen Vorenthalten des Entgelts gerechtfertigt erfolgt. Er begehrte die Differenz zum Entgelt nach dem Kollektivvertrag für Filmschaffende für den Zeitraum 1. 1. 1996 bis 30. 4. 1996 im Betrag von S 4.266,80 netto, Kündigungsentschädigung für fünf Monate, Abfertigung von vier Monatsgehältern, eine Urlaubsentschädigung für 48 Werktage und 15 Ersatzruhetage sowie den Betrag von S 22.653 an ungerechtfertigtem Lohnsteuereinbehalt, insgesamt somit einen Betrag von S 1,117.928,90 brutto und S 4.266,80 netto.

Die Beklagte, welche das Klagebegehren der Höhe nach als richtig berechnet außer Streit stellte, wendete - soweit im Revisionsverfahren noch relevant - ein, daß der vorzeitige Austritt des Klägers unberechtigt erfolgt sei. Aufgrund der Aufgabe der Filmproduktion sei das Entgelt des Klägers ab dem Jahre 1996 richtigerweise nach dem Kollektivvertrag für Gewerbeangestellte berechnet worden. Selbst wenn man auf die Tätigkeit des Klägers das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz anwenden wollte, sei zu beachten, daß im Beschäftigerbetrieb, dem ORF, kein Kollektivvertrag, sondern lediglich eine freie Betriebsvereinbarung bestehe. Auf diese könne aber der Entgeltanspruch des Klägers nicht abgestellt werden. Hinsichtlich der Lohnsteuerrückforderung liege Unzulässigkeit des Rechtsweges vor.

Das Erstgericht wies die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück und erkannte die Beklagte schuldig, dem Kläger einen Betrag von S 52.809,65 brutto und S 4.246,80 (richtig: S 4.266,80) netto samt 4,5 % Zinsen seit 1. 5. 1996 zu bezahlen. Das auf weitere Zahlung von S 1,065.119,30 brutto gerichtete Mehrbegehren wies es ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte zur rechtlichen Beurteilung aus, daß die Beklagte ab 1. 1. 1996 nur mehr über die Gewerbeberechtigung für das allgemeine Gewerbe verfügt habe und nur mit dieser Gewerbeberechtigung Mitglied der Wirtschaftskammer gewesen sei. Für die Kollektivvertragsunterworfenheit des Arbeitgebers sei grundsätzlich die im § 8 Z 1 ArbVG genannte Mitgliedschaft in der Form maßgebend, wie sie infolge der Zuordnung der Kammer zu einem bestimmten Fachverband oder einer Innung faktisch gehandhabt werde. Mit dem Zeitpunkt des Wechsels der Sektionszugehörigkeit des Arbeitgebers unterlägen die Arbeitskräfte ausschließlich dem Kollektivvertrag des neuen Verbandes. Diese Rechtsfolgen träten nur dann nicht ein, wenn ein Kollektivvertrag nicht kraft der Normwirkung seines Geltungsbereiches, sondern als ein für den Arbeitnehmer günstigerer an sich auf ihn gar nicht anwendbarer Kollektivvertrag kraft eines zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages anzuwenden sei, also der Arbeitgeber die Anwendung eines Kollektivvertrags vertraglich zugesichert habe. Davon könne im Fall des Dienstvertrages des Klägers keine Rede sein, weil in der verwendeten Vertragsschablone lediglich auf den damals für die Beklagte zutreffenden Kollektivvertrag verwiesen worden sei. Ein Parteiwille, daß ohne Hinzutreten weiterer Umstände die Weitergeltung des Kollektivvertrages auch nach Änderung der Kollektivvertragszugehörigkeit vereinbart werden sollte, könne nicht unterstellt werden. Die Geschäftsbeziehung der Beklagten mit dem ORF, für welchen der Kläger überwiegend gearbeitet habe, sei als Arbeitskräfteüberlassung zu qualifizieren. Gemäß § 10 Abs 1 3. Satz AÜG sei bei der Beurteilung der Angemessenheit des Entgelts für die Dauer der Überlassung auf das im Beschäftigerbetrieb vergleichbaren Arbeitnehmern für vergleichbare Tätigkeiten zu zahlende kollektivvertragliche Entgelt Bedacht zu nehmen. Der ORF sei zwar nach dem Rundfunkgesetz kollektivvertragsfähig, habe aber bisher keinen Kollektivvertrag abgeschlossen, sondern die Entgeltansprüche seiner Mitarbeiter in einer sogenannten freien Betriebsvereinbarung geregelt, die günstiger ist als die Tarifbestimmungen des Kollektivvertrages für Filmschaffende. Sinn und Zweck des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes sei nicht nur der Schutz der überlassenen Arbeitskraft, sondern auch der Schutz der Arbeitnehmer im Beschäftigerbetrieb, also die Verwirklichung des Grundsatzes, daß für gleiche Arbeit gleicher Lohn zu bezahlen sei. Mangels Geltung eines Kollektivvertrags im Beschäftigerbetrieb sei auf den Kollektivvertrag für vergleichbare Arbeiten abzustellen. Dies sei der Kollektivvertrag für Filmschaffende, weshalb der Kläger Anspruch auf die von ihm begehrte Entgeltdifferenz habe. In der Weigerung der Beklagten, dem Kläger diesen Differenzbetrag auszuzahlen, liege in Anbetracht der rechtlich unklaren Lage lediglich eine objektive Rechtswidrigkeit, die den Kläger nicht zum vorzeitigen Austritt berechtigt habe, zumal in Anbetracht der in Rede stehenden Beträge jedenfalls auch nicht von einer wesentlichen Vertragsverletzung gesprochen werden könne. Der Kläger habe daher keinen Anspruch auf die begehrte Abfertigung und Kündigungsentschädigung.

Für den am 1. 10. 1995 neu entstandenen Urlaubsanspruch stehe daher dem Kläger auch keine Abfindung zu. Lediglich bei den aus dem Urlaubsjahr 1994/1995 noch offenen 18 Urlaubstagen ergebe sich eine Abrechnungsdifferenz im Betrag von S 4.448,60 brutto, welche dem Kläger zuzusprechen sei.

Zum Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses seien außerdem 15 dem Kläger nach dem Kollektivvertrag für Filmschaffende zustehende Ersatzruhetage nicht konsumiert gewesen. Auch stehe dem Kläger eine Entschädigung für insgesamt acht in dem am 30. 9. 1995 endenden Urlaubsjahr nicht konsumierte Ersatzruhetage im Gesamtbetrag von S 25.708,05 zu. Schließlich sei ihm auch der Lohnsteuereinbehalt in der Höhe von S 22.653 zuzusprechen gewesen, weil die Parteien vereinbart haben, die Privatnutzung des PKWs werde durch den Kläger mit dem Verzicht auf je 10 Ersatzruhetage pro Jahr abgegolten. Der Zeitraum der Lohnsteuerprüfung habe 4 1/2 Jahre umfaßt, sodaß der Kläger auf insgesamt 45 Ersatzruhetage verzichtet habe. Überdies seien ihm bereits S 35.000 in Raten vom Gehalt abgezogen worden, sodaß die Privatnutzung des PKWs jedenfalls abgegolten sei.

Das Gericht zweiter Instanz gab den dagegen erhobenen Berufungen beider Parteien nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und folgte dessen rechtlicher Beurteilung, daß die von der Beklagten unterlassene Bezahlung der nach dem Kollektivvertrag für Filmschaffende mit 1. 1. 1996 eingetretenen Gehaltserhöhung keinen Austrittsgrund gemäß § 26 Z 2 AngG bilde. Hinsichtlich des begehrten Rückersatzes von Lohnsteuer führte es aus, daß der Kläger nicht behaupte, die Lohnsteuer sei zu Unrecht vorgeschrieben, sondern die Beklagte hätte sie nicht von seinem Gehalt einbehalten dürfen. Damit mache er in Wahrheit eine offene Gehaltsforderung geltend, für die der Rechtsweg zulässig sei. Weil der Kläger als Gegenleistung für die private PKW-Nutzung auf die Gewährung bzw Auszahlung von ihm zustehenden Ersatzruhetagen verzichtet habe, sei in diesem Ausmaß der wirtschaftliche Wert der privaten PKW-Nutzung dem Arbeitgeber zugekommen, sodaß er die dafür nachträglich vorgeschriebene Lohnsteuer zu tragen habe. Es sei in diesem Zusammenhang zu erwähnen, daß in dem von der Beklagten einbehaltenen Gesamtsteuerbetrag von S

57.653 auch ein auf den Geschäftsführer der Beklagten entfallender Teilbetrag von S 4.710 enthalten sei, von dem es nicht erfindlich sei, warum ihn der Kläger tragen sollte. Im übrigen verwies das Berufungsgericht auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichtes.

Der dagegen erhobenen Revision der Beklagten kommt teilweise Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionswerberin bezweifelt nicht, daß auf die Beschäftigung des Klägers das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz anzuwenden sei (§ 1 Abs 1 AÜG), sodaß diesbezüglich auf die Ausführungen der Vorinstanzen verwiesen werden kann. Es ist im Revisionsverfahren auch nicht mehr strittig, daß auf die Beklagte und ihre Arbeitnehmer ab 1. 1. 1996 der Kollektivvertrag des Gewerbes Anwendung zu finden hat und daß die im Dienstvertrag des Klägers enthaltene Bezugnahme auf den Kollektivvertrag für Filmschaffende lediglich eine Wissens-, nicht jedoch eine Willenserklärung darstellt. Der Wechsel der Sektionszugehörigkeit der Beklagten und die dadurch bedingte Anwendbarkeit des Kollektivvertrages für das Gewerbe hatte gemäß § 11 Abs 1 ArbVG unmittelbare Normwirkung auch für den Dienstvertrag des Klägers, ohne daß es einer besonderen Parteienvereinbarung bedurft hätte (ArbSlg 9914). Für das überlassungsunabhängige Grundentgelt ist daher gemäß § 10 Abs 1 1. Satz AÜG ab 1. 1. 1996 ausschließlich der Kollektivvertrag des Gewerbes maßgeblich (vgl SZ 64/161 und ArbSlg 10.979 = DRdA 1992/45 und 46 [Ritzberger-Moser aaO 330 ff]).

Wie festgestellt, wurde der Kläger von der Beklagten als Kameramann an den ORF zur Arbeitsleistung überlassen. Gemäß § 10 Abs 1 3. Satz AÜG ist für die Dauer der Überlassung bei der Beurteilung der Angemessenheit des Entgelts auf das im Beschäftigerbetrieb vergleichbaren Arbeitnehmern für vergleichbare Tätigkeiten zu zahlende kollektivvertragliche Entgelt Bedacht zu nehmen. Diese Bestimmung ist zwingend (SZ 66/47; 9 ObA 87/93) und umfaßt nur das jeweilige Mindestentgelt, nicht jedoch die - sei es aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarungen oder von Betriebsvereinbarungen - gezahlten überkollektivvertraglichen Istlöhne (SZ 64/161; ArbSlg 10.979; 9 ObA 305/92).

Im hier zu beurteilenden Fall besteht im Beschäftigerbetrieb, dem ORF, kein Kollektivvertrag, sondern lediglich eine freie Betriebsvereinbarung, die in ständiger Rechtsprechung mangels entsprechender Deckung durch einen Kollektivvertrag als nicht zulässig erachtet wird. Ihr Inhalt ist insoweit rechtlich beachtlich, als er als Vertragsschablone die Grundlage für Einzelverträge darstellen kann (ArbSlg 8826; SZ 54/75; 9 ObA 803/94). Allerdings wurde auch ausgesprochen, daß dieser freien Betriebsvereinbarung insofern besondere Qualität zukommt als diese Regelung nicht nur mit Zustimmung des Betriebsrates (bzw Zentralbetriebsrates), sondern auch der für die Gestaltung der materiellen Arbeitsbedingungen zuständigen Fachgewerkschaft zustande gekommen ist. Damit kann nicht eingewendet werden, die Betriebsparteien hätten sich eine ihnen nach dem ArbVG nicht zustehende Regelungsmacht angemaßt (DRdA 1996/13 [Resch]). Darüber hinaus wurde dem ORF mit § 1 Abs 4 BGBl 1974/397 und nunmehr mit § 1 Abs 3 BGBl 1987/606 ausdrücklich die Kollektivvertragsfähigkeit zugebilligt, was jedenfalls die abgeschlossene freie Betriebsvereinbarung in einem anderen Licht erscheinen läßt als sonstige Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

Den gewichtigen Argumenten Schranks in "Grundfragen des Entgeltanspruchs überlassener Arbeitnehmer nach § 10 Abs 1 AÜG", ZAS 1991, 49, daß Maßstab der Angemessenheit des Entgelts gemäß § 10 Abs 1 dritter Satz AÜG nur der im Beschäftigerbetrieb bezahlte kollektivvertragliche Mindestlohn sein könne und in Anbetracht der klaren Gesetzessprache dort geschlossene Betriebsvereinbarungen unberücksichtigt zu bleiben haben, ist zwar weiterhin zu folgen, jedoch mit der Einschränkung, daß diese Überlegungen auf den besonderen Fall, daß Beschäftigerbetrieb der ORF ist, in Anbetracht dessen Sonderstellung nicht uneingeschränkt angewendet werden können. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die freie Betriebsvereinbarung, die nach den Feststellungen günstiger ist als der Kollektivvertrag für Filmschaffende, in den hier relevanten Teilbereichen auf diesem Kollektivvertrag aufbaut. Das für die Dauer der Überlassung geschuldete Entgelt richtet sich daher zumindest nach dem Mindestentgelt des für vergleichbare Tätigkeiten sonst heranzuziehenden Kollektivvertrages für Filmschaffende.

In diesem Zusammenhang ist darauf einzugehen, daß das Erstgericht auf S 9 der Urteilsausfertigung (AS 149) festgestellt hat, daß mit 1. 1. 1996 durch den Kollektivvertrag für Filmschaffende eine - vom Kläger nun begehrte - Erhöhung der Istlöhne eingetreten sei. Diese durch kein Vorbringen gedeckte Feststellung findet im Kollektivvertrag für Filmschaffende keine Deckung. Vielmehr wird im Rahmen der lohnrechtlichen Bestimmungen im § 12 ausdrücklich geregelt, daß sich die Mindesthöhen der Gagen aus den Tabellen des als Zusatzkollektivvertrag (Mindestgagentarif) diesem Kollektivvertrag angeschlossenen Tabellen ergeben. Tatsächlich findet sich das vom Erstgericht ab 1. 1. 1996 nach dem Kollektivvertrag für Filmschaffende als dem Kläger zustehend erachtete Entgelt von S

44.686 im Punkt 2. dieses Mindestgagentarifs als Monatsentgelt für einen Kameramann II ab dem 3. Berufsjahr. Aufgrund dieser im Verfahren nicht bestrittenen Urkunde konnte der Oberste Gerichtshof diesen offenkundigen Irrtum des Erstgerichtes berichtigen.

Der Zuspruch des sich zu den Ansätzen des Kollektivvertrags für Filmschaffende ab 1. 1. 1996 ergebenden Differenzbetrages erfolgte daher zu Recht.

Anders verhält es sich mit dem Lohnsteuereinbehalt. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes verzichtete der Kläger als Gegenleistung für die Privatnutzung eines PKWs der Beklagten auf je 10 ihm zustehende Ersatzruhetage pro Jahr. Das heißt, der Kläger verzichtete als Entgelt für die zugestandene private PKW-Nutzung auf ihm zustehende Freizeit. Diese geldwerte Leistung für den Verzicht auf den Urlaubsanspruch stellt aber einen lohnsteuerpflichtigen sonstigen Bezug dar, da sie als Entlohnung für geleistete Arbeit während des Gebührenurlaubs und als Entschädigung für den Verzicht auf den Urlaub hingegeben werde (Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, Stand 1992, Rz 11 zu § 67 EStG). Die Tatsache, daß der Sachbezug des Klägers für diesen in Anbetracht der Abgeltung durch Arbeit möglicherweise keinen geldwerten Vorteil im Sinne des § 15 Abs 2 EStG mehr darstellte, vermag daher an der Steuerpflicht der Entlohnung für geleistete Arbeit nichts zu ändern. Insoweit das Berufungsgericht auf S 14 der Urteilsausfertigung (AS 277) darauf verweist, daß in der Gesamtsteuernachzahlung von S 57.653 ein auf den Geschäftsführer der Beklagten entfallender Teilbetrag von S 4.710 enthalten gewesen und nicht ersichtlich sei, warum der Kläger auch diese Lohnsteuernachzahlung tragen sollte, ist darauf zu verweisen, daß das Erstgericht auf S 10 seiner Urteilsausfertigung (AS 151) ausdrücklich festgestellt hat, daß auf den Kläger eine Nachverrechnung für Privatnutzung des firmeneigenen PKWs von S 57.653 entfiel. Diese Feststellung wurde im Verfahren nicht bekämpft, sondern nahm der Kläger in seiner Berufungsbeantwortung (AS 201) ausdrücklich auf diese Ziffer Bezug. Der Oberste Gerichtshof ist daher an diese Feststellung gebunden, mag auch der Inhalt von Beilage 1 die Annahme des Berufungsgerichtes rechtfertigen.

Auch zu den Ausführungen der Revisionswerberin zur vom Erstgericht zugesprochenen Entschädigung für Ersatzruhetage ist auf die Feststellungen im Ersturteil zu verweisen (S 11 der Urteilsausfertigung = AS 153). Danach wurden die Ersatzruhetage, auf welche der Kläger Verzicht geleistet hatte, diesem nach der Lohnsteuernachforderung "nicht wieder gutgebucht". Es ist somit klargestellt, daß sich der Zuspruch des Erstgerichtes nicht auf diese, sondern nur solche Ersatzruhetage bezogen hat, die vom Verzicht nicht umfaßt waren.

Der Revision ist daher teilweise insoweit Folge zu geben, als das nach den dargestellten rechtlichen Erwägungen unberechtigte Begehren auf Rückersatz der vorgeschriebenen Lohnsteuernachzahlung abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 43 Abs 1 ZPO. Der Kläger ist bis zur Ausdehnung seines Begehrens in der Verhandlung vom 29. 10. 1996 (ON 8) mit rund 9 % seines Anspruchs durchgedrungen, weshalb er der Beklagten 82 % ihrer Kosten zu ersetzen hat. Der Kläger hat nach der Ausdehnung sein Begehren in der Verhandlung vom 9. 1. 1997 (AS 51) sowie in der Verhandlung vom 10.4.1997 (AS 79) eingeschränkt. In Anbetracht der relativ geringfügigen Beträge sowie der Tatsache, daß die bloßen Berechnungsdifferenzen auf den Prozeßaufwand keinerlei Einfluß hatten, bedarf es nicht der Bildung weiterer Verfahrensabschnitte, sondern ist davon auszugehen, daß der Kläger ab der Ausdehnung insgesamt nur mehr mit rund 3 % seines Anspruches durchgedrungen ist, sodaß er der Beklagten 94 % ihrer Kosten zu ersetzen hat. Im Berufungsverfahren ist der Kläger mit seiner Berufung zur Gänze unterlegen, sodaß er die Berufungsbeantwortung der Beklagten honorieren muß. Im Lichte der Ergebnisse des Revisionsverfahrens war die Berufung der Beklagten mit rund 40 % erfolgreich, sodaß ihr in diesem Umfang die Barauslagen zuzusprechen sind, der Kläger jedoch Anspruch auf Ersatz von 20 % der Kosten seiner Berufungsbeantwortung hat. Im selben Verhältnis sind auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu bestimmen.

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