OGH 9ObA180/98f

OGH9ObA180/98f19.8.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Franz Zörner und Norbert Bacher als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing. Hermann D*****, Zivilingenieur, *****, vertreten durch Schuppich, Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Stadt K*****, *****, vertreten durch Dr. Peter Fiegl ua, Rechtsanwälte in Krems, wegen S 44.000,- brutto sA und Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. März 1998, GZ 10 Ra 374/97m-23, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Krems als Arbeits- und Sozialgericht vom 27. Juni 1997, GZ 7 Cga 43/96b-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 25.133,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 4.188,90 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde von der Beklagten zunächst mit Sondervertrag vom 16.4.1995 befristet bis 30.9.1995 als Hochbauamtsleiter angestellt; das Dienstverhältnis wurde zunächst um weitere 3 Monate bis 31.12.1995 und sodann um weitere 6 Monate bis 30.6.1996 verlängert. In einem an mehrere Personen gerichteten Schreiben vom 8.8.1995 beschuldigte der Kläger den Mitarbeiter des Hochbauamtes der Beklagten Ing. A*****, im Zuge der Untersuchung der Ursachen des Einsturzes eines Kirchengewölbes bewußt Beweismaterial verschleiert, unterschlagen und zurückgehalten zu haben. Aufgrund einer deshalb von Ing. A***** erhobenen Privatanklage vom 18.8.1995 wurde der Kläger vom Bezirksgericht K***** wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 StGB verurteilt. Eine von ihm gegen dieses Urteil erhobene Berufung blieb erfolglos. Nach Bekanntwerden der Verurteilung lud der Magistratsdirektor der Beklagten den Kläger und seinen damaligen Rechtsvertreter für den 4.3.1996 zu einer Besprechung, in deren Verlauf er dem Kläger die Absicht der Beklagten mitteilte, den Dienstvertrag des Klägers wegen der Verurteilung vorzeitig aufzuheben. Dem Kläger wurde jedoch zur Vermeidung einer Entlassung die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses per 30.4.1996 angeboten; er wurde aufgefordert, die Sache mit seinem Anwalt und seiner Familie bis zu einem für 6.3.1996 vereinbarten neuerlichen Gespräch zu beraten. Der Rechtsanwalt des Klägers riet diesem zur Annahme des Anbotes der Beklagten. Im Zuge der Besprechung am 6.3.1996, an der der Rechtsvertreter des Klägers wegen einer Terminkollision nicht teilnahm, unterfertigte der Kläger eine schriftliche Vereinbarung über die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses, wobei deren Termin nach Verhandlungen mit 31.5.1996 vereinbart wurde.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Kläger bei Abschluß der Vereinbarung über die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses weder einer ungerechtfertigten Drohung ausgesetzt gewesen sei, noch sich in einem Geschäftsirrtum befunden habe, sodaß die von den Parteien erzielte Übereinkunft wirksam sei. Diese Rechtsauffassung ist zutreffend, sodaß es insofern genügt, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Revisionsausführungen entgegenzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Die in der Revision zitierte Entscheidung ZAS 1977, 144 = DRdA 1976, 334 (Jabornegg) betrifft die Umwandlung einer bereits ausgesprochenen Entlassung in eine einvernehmliche Vertragsauflösung und ist daher mit dem hier zu beurteilenden Fall von vornherein nicht vergleichbar.

Die Meinung des Revisionswerbers, Voraussetzung für die Wirksamkeit der mit der Beklagten geschlossenen Vereinbarung sei die Berechtigung der angestrebten Entlassung, weil andernfalls die von beiden Parteien zugrunde gelegte Geschäftsgrundlage weggefallen sei, ist unzutreffend. Die Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage stellt auf geschäftstypische Voraussetzungen ab, die schlechthin jedermann mit dem zu beurteilenden Geschäft verbindet (Schwimann/Apathy, ABGB V**2, Rz 8 zu § 901; Ris-Justiz RS0017530; RS0044463). Daß Vereinbarungen über die einvernehmliche Auflösung eines Dienstverhältnisses zur Vermeidung einer Entlassung typischerweise die beiderseitige Überzeugung von der Berechtigung der Entlassung zugrunde liegt, kann aber nicht gesagt werden. Vielmehr werden solche Vereinbarungen häufig zur Risikovermeidung im Hinblick auf die bei einem oder beiden Teilen gegebene Unsicherheit über die Richtigkeit des eigenen Standpunktes geschlossen. Auf den Wegfall bzw. das Fehlen der Geschäftsgrundlage kann sich der Kläger daher in keinem Fall berufen.

Auch von einem zur Anfechtung des Vertrages berechtigenden Geschäftsirrtum kann von vornherein nicht die Rede sein, weil die Einschätzung der Berechtigung der Entlassung durch den Kläger dessen Motiv für den Vertragsabschluß betrifft. Ein allfälliger Motivirrtum des Klägers ist aber unbeachtlich, weil die Parteien das Motiv nicht iS § 901 ABGB zur Bedingung des Geschäftes gemacht wurde und die Beklagte den (allfälligen) Irrtum des Klägers nicht arglistig herbeigeführt hat.

Daß die Beklagte den Vertrag durch "ungerechte und gegründete Furcht" iS § 870 ABGB veranlaßt hat, kann ebenfalls nicht gesagt werden. Die Drohung mit einem Übel, durch dessen an sich erlaubte Zufügung der Drohende sein Interesse wahrt, ist im allgemeinen nicht widerrechtlich. Rechtswidrig ist eine solche Drohung nur dann, wenn sie als Mittel zur Herbeiführung eines Erfolges dient, auf den der Drohende keinen Anspruch hatte oder wenn Mittel und Zweck für sich betrachtet zwar nicht rechtswidrig sind, aber das Mittel zur Erreichung gerade dieses Zweckes nicht angemessen ist (Arb 9644; Arb 11.342). Hier bestanden für die Beklagte im Hinblick auf die (wenn auch damals noch nicht rechtskräftige) erstinstanzliche Verurteilung wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 StGB plausible Gründe, von ihrem Recht, den Kläger zu entlassen, auszugehen, weil nach § 39 Abs 2 lit b des hier anzuwendenden NÖ GVBG der Dienstgeber zur vorzeitigen Auflösung des Dienstverhältnisses berechtigt ist, wenn sich der Dienstnehmer erhebliche Ehrverletzungen gegen Vorgesetzte oder Mitbedienstete zuschulden kommen läßt, und weil unter den Tatbestand der Ehrverletzung vor allem gegen die Ehre gerichtete Handlungen iS der §§ 111 StGB fallen (vgl. Kuderna, Entlassungsrecht**2 123 zur vergleichbaren Bestimmung des § 27 Z 6 AngG). Berücksichtigt man ferner, daß dem Kläger die Beiziehung seines Rechtsvertreters gestattet und eine Bedenkzeit von zwei Tagen eingeräumt wurde, lag daher in der mit dem Anbot auf einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses verbundenen Ankündigung, den Kläger entlassen zu wollen, keine rechtswidrige Drohung iS § 870 ABGB.

Ebensowenig ist dem Einwand des Revisionswerbers zu folgen, daß die Beklagte zum Zeitpunkt ihrer Ankündigung, ihn entlassen zu wollen, ihr allfälliges Entlassungsrecht jedenfalls bereits verloren gehabt habe, weil sie davon nicht rechtzeitig Gebrauch gemacht habe. Nach einhelliger Rechtsprechung steht es dem Dienstgeber bei zweifelhaften Sachverhalten frei, mit dem Ausspruch der Entlassung bis zur Klärung der maßgebenden Tatumstände in einem gegen den Dienstnehmer geführten Strafverfahren zuzuwarten (Arb 9606; Ris-Justiz RS0029220; RS0031361; Kuderna, aaO 15). Daß der Dienstgeber den von ihm im Verhalten des Klägers erblickten Entlassungsgrund (schon) nach der Erlassung des erstinstanzlichen Strafurteiles (und damit noch vor dessen Rechtskraft) aufgegriffen hat, schadet nichts, da es allein ihm überlassen bleibt, ob und wann er aus dem Verlauf einer Strafuntersuchung gegen seinen Dienstnehmer auch schon vor ihrer rechtskräftigen Beendigung die Überzeugung gewinnt, daß bereits die bisherigen Verfahrensergebnisse eine Entlassung rechtfertigen (Arb 9606).

Das Berufungsgericht hat daher zur Recht die Wirksamkeit der Vereinbarung der Streitteile über die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses bejaht. Ob mit dem Kläger unzulässige Kettenarbeitsverträge abgeschlossen wurden (vgl dazu § 3 Abs 4 NÖ GVBG, nach dem die zweimalige Verlängerung des Dienstverhältnisses um jeweils bis zu sechs Monate zulässig ist und [erst] bei einer darüber hinausgehenden Verlängerung von einem auf unbestimmte Zeit eingegangenen Dienstverhältnisses auszugehen ist), ist daher für die Entscheidung nicht von Bedeutung.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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