OGH 10ObS127/98v

OGH10ObS127/98v18.8.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Fritz Miklau (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Johann Scharinger (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Kurt B*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Rainer Blasbichler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Jänner 1998, GZ 10 Rs 331/97p-58, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 25. Juni 1997, GZ 19 Cgs 269/93z-50, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Aus Anlaß der Revision werden die Urteile der Vorinstanzen und das diesen zugrundeliegende Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Verfahrenskosten selbst zu tragen.

Text

Begründung

Am 7.9.1992 stellte der am 14.12.1940 geborene, in der Bundesrepublik Deutschland lebende Kläger bei der beklagten Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten den Antrag auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension. Er hat im Zeitraum September 1955 bis Dezember 1970 in Österreich 134 Versicherungsmonate erworben; in der Zeit von Jänner 1971 bis September 1992 liegen keine österreichischen Versicherungszeiten vor. In der Bundesrepublik Deutschland hat der Kläger weitere 165 Versicherungsmonate erworben.

Vom Sozialamt der Landeshauptstadt München hatte der Kläger als Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Bestimmungen des deutschen Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) folgende Sozialleistungen erhalten:

Jeweils monatlich DM 818,- vom 1.10. bis 31.12.1992, DM 824,- vom 1.1. bis 30.6.1993, DM 829,- vom 1. bis 31.7.1993, DM 1.209,- vom 1. bis 31.8.1993 und DM 1.041,- ab 1.9.1993.

Mit Schreiben vom 27.11.1992 teilte die Landesversicherungsanstalt (in Hinkunft kurz LVA) Oberbayern der beklagten Pensionsversicherungsanstalt unter anderem mit, daß Ersatzansprüche nach Art 45 Abs 1 bzw 2 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit vom 22.12.1966 idgF vorlägen; die österreichische Nachzahlung sei daher über die LVA Oberbayern zu leisten.

Mit Bescheid der beklagten Pensionsversicherungsanstalt vom 5.10.1993 wurde der Anspruch des Klägers auf Berufsunfähigkeitspension ab 1.10.1992 anerkannt. Es wurde ausgesprochen, daß die Pension (als österreichische Teilpension) ab 1.10.1992 S 2.019,50 und ab 1.1.1993 S 2.100,30 monatlich brutto beträgt und, dem Antrag des Klägers entsprechend, über die Deutsche Bundespost, Rentenrechnungsstelle Augsburg auf das angegebene Konto angewiesen wird. Schließlich wurde ausgesprochen, daß die Nachzahlung für die Zeit vom 1.10.1992 bis 31.10.1993 an die LVA Oberbayern überwiesen wird. Insgesamt ergab die Pensionsnachzahlung rechnerisch S 33.029,60 netto, umgerechnet DM 4.688,55.

Dieser Bescheid ging der LVA Oberbayern am 7.10.1993 zu und wurde von dieser an das Sozialamt München weitergeleitet, wo er am 15.10.1993 einlangte. Am 21.10.1993 stellte das Sozialamt München unter Aufschlüsselung der dem Kläger geleitsteten Sozialhilfe einen Erstattungsantrag an die LVA Oberbayern, der dort am 27.10.1993 einlagte. Die beklagte Partei benachrichtigte den Kläger am 15.10.1993 von der erfolgten Überweisung der Nachzahlung an die LVA Oberbayern; diese bestätigte mit Schreiben vom 10.11.1993 den Erhalt der Leistung und kündigte dem Kläger die Weiterleitung von DM 3.841,41 an das Sozialamt München wegen vorliegender Ersatzansprüche an; der Restbetrag von DM 874,14 werde in Kürze an ihn ausbezahlt.

Die Berufsunfähigkeitspension für die Zeit ab 1.11.1993 wurde dem Kläger von der beklagten Partei in ungekürzter Höhe laufend überwiesen.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihm die Pensionsnachzahlung in voller, ungekürzter Höhe von S 33.029,60 auszuzahlen. Dazu führte er im wesentlichen aus, die ihm vom Sozialamt München geleistete Sozialhilfe sei nach dem deutschen BSHG als nicht rückzahlbare Leistung gewährt worden und könne nicht nachträglich als rückzahlbar deklariert werden. Auch sei die LVA Oberbayern nicht Träger der Sozialhilfe und nicht legitimiert gewesen, den Antrag auf Überweisung der Nachzahlung zu stellen und diese entgegenzunehmen. Das zuständige Sozialamt München habe aber keinen Antrag an die beklagte Partei auf Erstattung der Sozialhilfe gestellt. Die beklagte Partei habe auch dadurch gegen Art 45 Abs 2 des Abkommens verstoßen, daß sie die nachzuzahlenden Beträge nicht einbehalten, sondern an einen Dritten weitergeleitet habe. Schließlich dehnte der Kläger sein Begehren um 14 % Verzugszinsen aus.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Nach Art 45 Abs 2 des Abkommens habe der österreichische Vesicherungsträger den im anderen Vertragsstaat bestehenden Ersatzanspruch in gleicher Weise zu befriedigen, als ob es sich um einen Ersatzanspruch eines inländischen Sozialhilfeträgers handeln würde. Der Ersatzanspruch des deutschen Sozialhilfeträgers sei nach § 324 ASVG zu beurteilen: Soweit er Unterstützungsleistungen für einen Zeitraum ausbezahlt habe, für den die Pensionsnachzahlung gebühre, sei ein Ersatzanspruch von der LVA Oberbayern als deutsche Kontaktstelle der beklagten Partei geltend gemacht worden. Die Pensionsnachzahlung mit Ausnahme der Sonderzahlungen sei daher an den deutschen Versicherungsträger zu überweisen und von diesem gegen den Ersatzanspruch des Sozialhilfeträgers aufzurechnen. Das deutsche BSHG sei nicht anwendbar.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es schloß sich in seiner rechtlichen Beurteilung dem Standpunkt der beklagten Partei voll an.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und führte in rechtlicher Hinsicht aus: Art 45 Abs 2 erster Satz des Abkommens stelle die Fürsorge (Sozialhilfeträger) der beiden Vertragsstaaten einander gleich, soweit sie Leistungen an Personen erbracht haben, denen für den Zeitraum der Fürsorgeunterstützung oder des Sozialhilfebezuges ein Anspruch auf eine Leistung aus der Sozialversicherung zustehe. Ob und in welchem Ausmaß Ersatzanspruche der Fürsorge- oder Sozialhilfeträger zu befriedigen seien, regle sich nach den Vorschriften des Staates, in dem der die Leistung gewährende Versicherungsträger seinen Sitz habe. Gegen die Zuständigkeit der LVA Oberbayern als Verbindungsstelle für die Verrechnung und Überweisung bestünden keine Bedenken. Die im § 329 ASVG vorgesehene Einschränkung hinsichtlich der Abzüge bei wiederkehrenden Geldleistungen auf den jeweils halben Betrag der einzelnen fälligen Leistung bezwecke die Sicherung des Lebensunterhaltes und sei bei Nachzahlungen zu vernachlässigen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Zur Begründung führt der Kläger aus, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes wären die für ihn günstigeren Bestimmungen des deutschen BSHG heranzuziehen, welche die Sozialhilfe als nicht rückzahlbare Leistung definierten. Überdies fehle es an einer formalrechtlichen Legitimation der LVA Oberbayern zur Entgegennahme des Erstattungsantrages; dieser Antrag hätte direkt an die beklagte Partei gerichtet werden müssen. Selbst wenn aber österreichisches Recht anwendbar sein sollte, hätte gemäß § 329 ASVG nur die Hälfte der Geldleistungen einbehalten werden dürfen.

Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlaß der zulässigen Revision war von Amts wegen die Nichtigkeit der Entscheidungen der Vorinstanzen wahrzunehmen, weil mit ihnen über eine nicht auf den Rechtsweg gehörige Sache erkannt wurde (§ 477 Abs 1 Z 6 ZPO).

Der vorliegende Bescheid des beklagten Pensionsversicherungsträgers wird vom Kläger nur insoweit angefochten, als die dem Grund und der Höhe nach unstrittige Nachzahlung der Berufsunfähigkeitspension für den Zeitraum 1.10.1992 bis 31.10.1993 nicht an ihn selbst, sondern an einen Dritten, nämlich die LVA Oberbayern überwiesen wurde. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist die Überprüfung der Auszahlung einer zuerkannten, dem Grund und der Höhe nach unbestrittenen Leistung weder eine Sozialrechtssache iSd § 65 ASVG noch eine bürgerliche Rechtssache iSd § 1 JN und daher den ordentlichen Gerichten entzogen (SSV-NF 1/42; 1/55; 4/89; 5/4; 5/36 ua; ebenso die E des 9. Senates SZ 62/108 = JBl 1990, 196 = Arb 10.804, und RZ 1990, 176/77, und des 3. Senates SZ 66/55; weitere Nachweise RIS-Justiz RS0085474; vgl auch Kuderna, ASGG2 428). Angesichts der inzwischen eingeführten Vollstreckbarkeit der in § 1 Z 11 EO erfaßten leistungszuerkennenden Bescheide besteht keine Veranlassung, von dieser Judikatur abzugehen. In den Gesetzesmaterialien zur ASGG-Nov 1994, BGBl 624 (RV 1654 BlgNr 18.GP, 28) wurde diesbezüglich ausgeführt, "derzeit" könne der Versicherte die ihm durch Bescheid des Versicherungsträgers zuerkannte Leistung nicht zwangsweise durchsetzen; die Überprüfung der Auszahlung einer zuerkannten Leistung sei weder als Leistungssache noch als bürgerliche Rechtssache im Sinn des § 1 JN anzusehen und daher der Überprüfung der Gerichte entzogen (SSV-NF 1/55). Andererseits fehle auch den Versicherungsträgern die Möglichkeit, ihre Bescheide, mit denen zu Unrecht gewährte Leistungen zurückgefordert werden, gerichtlich vollstrecken zu lassen. Es werde deshalb vorgeschlagen, alle diese Bescheide der Versicherungsträger in die Aufzählung der Exekutionstitel des § 1 EO aufzunehmen. Die geänderte Rechtslage bietet noch weniger Anlaß, Auszahlungsstreitigkeiten zuzulassen, zumal nunmehr der Rechtsschutz des Auszahlungsgläubigers hinreichend gewährleistet ist (Fink, Die sukzessive Zuständigkeit im Verfahren in Sozialrechtssachen, 654 ff mwN; Kuderna aaO 430). Dabei wird nicht übersehen, daß in der älteren Rechtsprechung des Oberlandesgerichtes Wien (SSV-NF 8/105; vgl auch Teschner/Widlar, MGA ASVG 64. ErgLfg 1552/2 Anm 11 zu § 324) eine andere Auffassung vertreten wurde. Der Senat hat daher auch zuletzt (27.1.1998, 10 ObS 182/97f) daran festgehalten, daß insbesondere für eine Klage gegen den Übergang eines Leistungsanspruches nach § 324 Abs 3 ASVG der Rechtsweg nicht offensteht. Bereits die oben zitierte Entscheidung SSV-NF 4/89 betraf die Erfüllung eines Ersatzanspruches nach § 324 ASVG. Diese Grundsätze haben auch im vorliegenden Fall zu gelten, in dem es nicht um die Frage des Bestandes, des Umfangs oder des Ruhens eines Anspruchs auf Versicherungsleistungen nach § 65 Abs 1 Z 1 ASGG und auch nicht um Ersatzansprüche der Träger der Sozialhilfe nach § 65 Abs 1 Z 3 ASGG (SSV-NF 4/89) geht, sondern nur um die Frage, an wen eine konkrete Versicherungsleistung auszuzahlen ist, also um die Frage des Zahlungsempfängers (§ 106 ASVG). Anders als im Fall der Entscheidung 10 Ob 304/97x hat die beklagte Partei auch keine Aufrechnung vorgenommen, sondern lediglich die Nachzahlungssumme statt an den Kläger an einen deutschen Versicherungsträger auf dessen Ersuchen überwiesen. Die Rechtslage ist insoweit nicht anders, als würde ein Versicherungsträger eine bestimmte Leistung mit Bescheid zuerkennen, jedoch in der Folge an den Versicherten nicht auszahlen:

Auch hier stünde keine "Liquidierungsklage" zur Verfügung.

Mangels Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs war die vorliegende Klage nach § 42 Abs 1 JN in jeder Lage des Verfahrens zurückzuweisen. Die Urteile der Vorinstanzen, in denen diese Prozeßvoraussetzung nicht erörtert wurde, waren samt dem ihnen zugrundeliegenden Verfahren als nichtig aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch an den Kläger aus Billigkeit sind nicht ersichtlich.

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