OGH 1Ob308/97v

OGH1Ob308/97v28.7.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag.Dr.Gabriel P*****, vertreten durch Dr.Gernot Nachtnebel, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei G*****, vertreten durch Dr.Reinhard Schuster, Rechtsanwalt in Hainburg, wegen S 223.943,-- sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. April 1997, GZ 14 R 209/96z-35, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 3.Juni 1996, GZ 4 Cg 98/93y-31, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Begründung

Der Kläger begehrte von der beklagten Partei für die in deren Auftrag erbrachten Leistungen als Steuerberater in den Jahren 1990 bis 1992 die Zahlung von insgesamt S 223.943.

Die beklagte Partei wendete ein, sie habe erst im Jahre 1992 erfahren, daß der Kläger am 15.7.1990 auf die Berufsausübung (als Steuerberater) verzichtet habe. Bei Kenntnis dieses Umstands hätte sie mit ihm keinen Vertrag geschlossen. Die Vertretung sei mangelhaft gewesen, und der beklagten Partei sei deshalb ein das Klagebegehren übersteigender Schaden entstanden. Die beklagte Partei habe dem Kläger S 73.381,60 für dessen Leistungen bezahlt; dies wäre nicht geschehen, hätte sie von der mangelnden Befugnis zur Berufsausübung gewußt. Diese Beträge würden compensando gegen die Klagsforderung eingewendet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte fest, die beklagte Partei habe den Kläger am 15.9.1989 mit ihrer steuerlichen Vertretung vor dem Finanzamt beauftragt. Damals sei der Kläger Wirtschaftsprüfer gewesen, er habe seine Berufsausübungsbefugnis aber am 15.7.1990 zurückgelegt. Dennoch sei er bis 3.8.1992 als Vertreter der beklagten Partei in deren Steuerangelegenheiten aufgetreten. Insbesondere habe er die Berufung gegen einen Bescheid eines Finanzamts, betreffend die von der beklagten Partei zu leistende Umsatzsteuer, verfaßt. Für seine Tätigkeit habe er die hier streitverfangenen Honorarnoten gelegt. Den Verzicht auf die Berufsausübung habe der Kläger der beklagten Partei nicht mitgeteilt. Wäre eine solche Mitteilung erfolgt, wäre dem Kläger die Vollmacht als Steuerberater "entzogen" worden.

Rechtlich meinte das Erstgericht, auf das zwischen den Streitteilen begründete Rechtsverhältnis seien die Regeln über die Warnpflicht des Werkunternehmers im Sinn des § 1168a ABGB anzuwenden. Verletze der Unternehmer seine Warnpflicht, verliere er das bedungene Entgelt. Der Kläger hätte die beklagte Partei von der Zurücklegung der Berufsausübungsbefugnis unverzüglich und ausdrücklich verständigen müssen. In Verletzung der ihm obliegenden Warnpflicht habe er dies nicht getan, und schon aus diesem Grund bestehe der eingeklagte Honoraranspruch nicht zu Recht. Darüber hinaus habe er bei der beklagten Partei einen Irrtum über eine wesentliche Eigenschaft in seiner Person, nämlich seine Befugnis zur Berufsausübung, herbeigeführt. Daher sei der geltend gemachte Honoraranspruch anfechtbar. Die Zurücklegung der Befugnis zur Berufsausübung sei auch als Wegfall der Geschäftsgrundlage zu qualifizieren. Diese Befugnis sei für beide Vertragsteile geschäftstypische Vertragsvoraussetzung gewesen; der Wegfall der Geschäftsgrundlage führe zur Auflösung des Vertrags.

Das Gericht zweiter Instanz hob das Ersturteil auf und sprach aus, daß der Rekurs gegen diesen Aufhebungsbeschluß zulässig sei. Gegen die Feststellungen des Erstgerichts bestünden keine Bedenken, doch sei die Rechtsrüge des Klägers berechtigt. Die Warnpflicht eines Werkunternehmers betreffe nur Umstände in der Sphäre des Bestellers. Dies treffe auf den Verlust der Berufsausübungsbefugnis des Klägers nicht zu, sofern dieser weiterhin in der Lage gewesen sei, die geforderten Leistungen sachgerecht zu erbringen; diesbezüglich mangle es an Feststellungen. Als ehemaliger Wirtschaftstreuhänder habe der Kläger auch nach Zurücklegung seiner Berufsausübungsbefugnis über ausreichende Kenntnisse verfügt und sei auch befugt gewesen, als Vertreter bei den Finanzbehörden einzuschreiten. Der Umstand, daß der Kläger verpflichtet gewesen wäre, der beklagten Partei mitzuteilen, er habe seine Berufsausübungsbefugnis zurückgelegt, sei nicht entscheidend. Die beklagte Partei habe nicht versucht, nach erlangter Kenntnis vom Verzicht des Klägers den mit diesem geschlossenen Vertrag aufzukündigen, und die von ihm erbrachten Leistungen hätten auch nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Der Honoraranspruch des Klägers sei demnach wegen Verletzung einer Warnpflicht nicht verlorengegangen. Ein Irrtum im Sinne der §§ 871 ff ABGB sei nicht gegeben, weil der Kläger im Zeitpunkt der Auftragserteilung im Jahre 1989 noch zur Berufsausübung befugt gewesen sei. Von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage könne schon deshalb nicht gesprochen werden, weil er durch die Zurücklegung der Berufsausübungsbefugnis seine Kenntnisse nicht verloren habe, ihm das weitere Einschreiten für die beklagte Partei möglich gewesen sei, und er (grundsätzlich) den angestrebten Erfolg im Steuerverfahren habe erreichen können. Es sei daher zu prüfen, welche Entgeltvereinbarungen zwischen den Parteien getroffen worden seien, welche Leistungen der Kläger erbracht habe und ob diese Leistungen ordnungsgemäß verrichtet worden oder wertlos gewesen seien. Es sei auch festzustellen, ob der beklagten Partei durch die vom Kläger entfaltete Tätigkeit ein Nachteil entstanden sei. Für die Zeit nach dem 15.7.1990 (Zurücklegung der Berufsausübungsbefugnis) sei von dem nach den Autonomen Honorarrichtlinien der Kammer der Wirtschaftstreuhänder (in der Folge kurz AHR) angemessenen Honorar ein Abzug von 30 % vorzunehmen, weil ab diesem Zeitpunkt eine Reduktion der Auslagen, insbesondere für den Kanzleiaufwand, anzunehmen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Vorweg ist festzuhalten, daß die vom Gericht zweiter Instanz erörterte Irrtumsproblematik (§§ 871, 873 ABGB) vom Obersten Gerichtshof schon deshalb nicht weiter zu prüfen ist, weil die beklagte Partei im Rekursverfahren auf ihre Irrtumseinrede nicht mehr zurückkommt. Im übrigen hat das Berufungsgericht aber auch zutreffend dargelegt, daß das zwischen den Streitteilen ohne Willensmängel zustandegekommene Auftragsverhältnis als vertragliches Dauerschuldverhältnis aufgrund der Irrtumseinrede nur mit Wirkung ex nunc - also ab der einredeweisen Anfechtung - hätte aufgelöst werden können (JBl 1992, 186 mwN).

Wie das Berufungsgericht gleichfalls zutreffend ausführte, wird zu allererst festzustellen sein, ob eine ausdrückliche Honorarvereinbarung getroffen wurde. Sollte dies nicht der Fall sein, so hat der Kläger Anspruch auf angemessene Entlohnung. Bei Honoraransprüchen, für die ein Tarif besteht, ist in der Regel der entsprechende Tarifansatz als angemessenes Entgelt anzusehen (AnwBl 1995, 520; 1 Ob 608/92; SZ 62/102). Die in Tarifen von Interessenverbänden enthaltenen Bestimmungen stellen nämlich eine Richtschnur für die Beurteilung der Angemessenheit der darin enthaltenen Entgeltregelungen dar, sofern die dort enthaltenen Entgelte den regelmäßigen, unter ähnlichen Umständen tatsächlich geleisteten Entgelten entsprechen (10 Ob 516/87; 1 Ob 704/86; Krejci in Rummel, ABGB2 Rz 24 zu § 1152). Für die Zeit bis zur Zurücklegung der Berufsausübungsbefugnis wären somit jedenfalls - sollte keine Entgeltvereinbarung getroffen worden sein - die AHR Grundlage für die Berechnung des Honoraranspruchs des Klägers (EvBl 1977/204; EvBl 1969/3). Aber auch für die Zeit danach bilden die AHR einen Behelf für die Ermittlung der Angemessenheit des dem Kläger gebührenden Entgelts. Der Kläger verfügte auch nach Zurücklegung der Berufsausübungsbefugnis über jene Kenntnisse, die ihm als Wirtschaftstreuhänder zuvor zueigen waren; für die Annahme eines plötzlichen Verlusts seiner Kenntnisse fehlen alle Anhaltspunkte. War er - wie schon das Gericht zweiter Instanz ausführte - befugt, als Vertreter bei Finanzbehörden einzuschreiten, so kann keine Rede davon sein, daß er eine völlig unqualifizierte Person gewesen sei und daß die von ihm erbrachten Leistungen (grundsätzlich) nicht geeignet gewesen wären, den gewünschten Erfolg herbeizuführen und damit einen Entgeltanspruch auszulösen (vgl 3 Ob 224/74; ArbSlg 8924). In welcher Höhe er sich allenfalls einen Abzug gefallen lassen muß, weil ihm verschiedene Auslagen (Personal- und Sachkosten etc), die einen aktiven Wirtschaftsprüfer bzw Steuerberater treffen, nicht erwachsen sind, wird von den von den Vorinstanzen zu treffenden Feststellungen abhängen. Es kommt darauf an, ob und in welcher Höhe sich der Kläger Lasten ersparte, seit er seine Befugnis als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater zurückgelegt hat (vgl JBl 1968, 366). Daß - wie vom Berufungsgericht angenommen - ein Abzug von 30 %, insbesondere wegen Wegfalls von Kanzleiaufwand, gerechtfertigt erscheine, läßt sich noch nicht verläßlich sagen. Insoweit wird das Erstgericht noch geeignete Erhebungen anstellen müssen, um verläßliche Feststellungen über den allenfalls vorzunehmenden Abzug vom grundsätzlich nach den AHR zu ermittelnden Entgelt bestimmen zu können. Beweispflichtig ist insoweit die beklagte Partei (vgl etwa SZ 64/71). Hilfsweise - wenn dem Grunde nach feststehen sollte, daß ein Abzug vorzunehmen ist - wird auf § 273 ZPO zurückzugreifen sein.

Ergibt sich schon aus diesen Ausführungen, daß das Verfahren entgegen der Ansicht des Klägers noch nicht spruchreif ist, weil die Höhe des diesem gebührenden Entgelts keinesfalls feststeht, so ist die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung darüber hinaus auch deshalb berechtigt, weil auch noch zu klären sein wird, inwieweit der Kläger seine Leistungen ordnungsgemäß erbracht hat. Ein Honorar stünde ihm nämlich dann nicht bzw nur in eingeschränktem Ausmaß zu, wenn das gesamte Werk oder Teile davon für die beklagte Partei wertlos gewesen wären (1 Ob 2029/96f; 1 Ob 2077/96i; vgl JBl 1991, 654). Ausgehend von dieser zutreffenden Rechtsansicht gelangte das Berufungsgericht zur Auffassung, daß der für die rechtliche Beurteilung erforderliche Sachverhalt noch nicht genügend geklärt sei. Der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, kann dieser Ansicht nicht entgegentreten (8 Ob 2/95 mwN; EFSlg 79.681 uva).

Dem Rekurs des Klägers ist daher ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Stichworte