Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die am 4.1.1939 geborene Klägerin erlitt am 27.1.1993 einen Arbeitsunfall, bei dem sie sich einen Außenknöchelbruch links zuzog. Mit Bescheid vom 14.4.1994 wurde ihr ab 29.7.1993 eine vorläufige Versehrtenrente von 100 vH und ab 30.8.1993 eine solche von 20 vH zuerkannt. Ihrem dagegen erhobenen, auf eine höhere Rente gerichteten Klagebegehren wurde nicht Folge gegeben: Das Erstgericht sprach ihr mit rechtskräftigem Urteil vom 21.9.1994 (17 Cgs 196/94b) ab 30.8.1993 eine vorläufige Versehrtenrente von 20 vH der Vollrente vor und stellte fest, daß die Minderung der Erwerbsfähigkeit ab dem 30.8.1993 nur 20 vH betrage.
Mit Bescheid vom 6.12.1994 wurde der Klägerin anstelle der vorläufigen Rente ab 1.2.1995 eine Dauerrente von 20 vH der Vollrente zuerkannt. Nach der Begründung dieses Bescheides waren für die Entschädigung nachstehende, ärztlich festgestellte Folgen des Versicherungsfalles maßgebend: "Nach Außenknöchelbruch mit Zerreißung der Syndesmose links bestehen Bewegungseinschränkungen des Sprunggelenkes, Muskelschwäche des Oberschenkels links, herabgesetzte Gangleistung sowie subjektive Beschwerden."
Auch die gegen diesen Bescheid erhobene, auf Zahlung einer höheren Versehrtenrente gerichtete Klage blieb erfolglos. Das Erstgericht stellte in seinem rechtskräftigen Urteil vom 12.5.1995 (17 Cgs 217/94a), daß die Außenknöchelfraktur in normaler Stellung verheilt und das Sprunggelenk - von einer geringfügigen Bewegungseinschränkung der Pro- und Supination abgesehen - sonst frei beweglich sei, daß keine Muskelverschmächtigung im Bereich des linken Beines bestehe und keine Anzeichen von Schwellungen vorlägen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit betrage daher ab dem 1.2.1995 nur mehr 10 vH. Dennoch sprach das Erstgericht der Klägerin mit diesem Urteil ab dem 1.2.1995 eine Versehrtenrente von 20 vH der Vollrente als Dauerrente zu, weil die Leistungsverpflichtung, die dem durch die Klage außer Kraft getretenen Bescheid entspreche, nach § 71 Abs 2 ASVG als vom Versicherungsträger unwiderruflich anerkannt anzusehen sei. Auf Grund dieses Anerkenntnisses bestehe das Klagebegehren insoweit zu Recht.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 11.3.1997 entzog die beklagte Partei diese Dauerrente ab dem 1.5.1997. In den für die Feststellung der bisherigen Rente maßgebend gewesenen Verhältnissen sei eine wesentliche Besserung durch Zunahme der Beweglichkeit des Sprunggelenkes sowie Kräftigung der Oberschenkelmuskulatur links eingetreten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Klage mit dem Begehren auf Weitergewährung der Dauerrente von 20 vH der Vollrente ab dem 1.5.1997.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte den bei der gerichtsärztlichen Untersuchung am 21.8.1994 (im Verfahren 17 Cgs 106/94b - vorläufige Rente) erhobenen Befund fest, wonach eine mäßige Bewegungseinschränkung im linken Sprunggelenk und eine Muskelverschmächtigung im Bereich des linken Oberschenkels vorlagen, und verglich diesen Befund mit dem vom 17.6.1997, wonach die Beweglichkeit des Sprunggelenkes weitgehend wiederhergestellt und die Muskelverschmächtigung nicht mehr vorhanden seien. Damit habe sich die MdE von 20 vH auf 10 vH reduziert.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Sache mangels Spruchreife zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es fehle die Feststellung, wann die wesentliche Besserung der Unfallsfolgen und die Reduzierung der MdE von 20 auf 10 vH eingetreten seien. Maßgeblich sei nicht der einer Entscheidung über die Rente zugrundegelegte, sondern der ihr objektiv zugrundeliegende Tatsachenkomplex. Die Dauerrente sei hier mit Bescheid vom 6.12.1994 ab 1.2.1995 zuerkannt worden: Mit diesem Bescheid habe die beklagte Partei ausgesprochen, daß die dafür nötigen Anspruchsvoraussetzungen - insbesondere eine MdE von 20 vH - zu diesem Zeitpunkt vorlägen. Eine im Sinne des § 183 Abs 1 ASVG wesentliche Änderung der Verhältnisse müßte daher in einer seit diesem Zeitpunkt eingetretenen wesentlichen Besserung der Unfallsfolgen (Herabsinken der MdE unter das rentenbegründende Ausmaß) begründet sein. Jedenfalls unmaßgeblich sei das im Verfahren über die Klage gegen den Dauerrentenbescheid ergangene Urteil vom 12.5.1995 (17 Cgs 217/94a), womit lediglich die durch den Bescheid vom 6.12.1994 als anerkannt anzusehende Leistung wieder zuzusprechen gewesen sei.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der vom Berufungsgericht für zulässig erklärte und nach § 47 Abs 2 ASGG auch ohne Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage zulässige Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteils.
Die Klägerin erstattete keine Rekursbeantwortung.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht ist bei seiner rechtlichen Beurteilung zutreffend davon ausgegangen, daß nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Vergleich dafür, ob eine im Sinne des § 183 Abs 1 ASVG "wesentliche Änderung der Verhältnisse" eingetreten ist, der Tatsachenkomplex heranzuziehen ist, der jener Entscheidung zu Grunde lag, deren Rechtskraftwirkung bei unveränderten Verhältnissen einer Neufeststellung der Rente im Wege stünde (SSV-NF 1/16, 3/86, 6/71; 10 ObS 2060/96f; 10 ObS 53/97k; 10 ObS 333/97m; RIS-Justiz RS0084151). Die letzte rechtskräftige Entscheidung über die der Klägerin gebührende Versehrtenrente erfolgte mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 12.5.1995, 17 Cgs 217/94-9, mit dem der Klägerin zur Abgeltung der Folgen des Arbeitsunfalls vom 27.1.1993 ab dem 1.2.1995 eine Dauerrente von 20 vH der Vollrente zugesprochen wurde.
Dennoch ist dieses Urteil, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, keine taugliche Ausgangsbasis für die Prüfung einer Änderung der Verhältnisse nach § 183 Abs 1 ASVG. Der dieser Entscheidung zugrundeliegende Tatsachenkomplex beruht nämlich nicht auf einer ärztlichen Untersuchung durch einen gerichtlichen Sachverständigen (die hier am 30.3.1995 erfolgte). Grundlage dieser Entscheidung war nicht das in diesem Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten (mit dem Ergebnis einer MdE von nur 10 vH), sondern die gesetzliche Anordnung des § 71 Abs 2 ASGG idF der ASGG-Nov 1994: Nach der Einbringung der Klage in einer Sozialrechtssache wie der vorliegenden ist die Leistungsverpflichtung, die dem außer Kraft getretenen Bescheid entspricht, als vom Versicherungsträger unwiderruflich anerkannt anzusehen. Mit dieser Vorschrift sollte nach dem Willen des Gesetzgebers verhindert werden, daß ein gerichtliches Urteil für den Kläger weniger günstig ausfällt als der durch die Klage außer Kraft getretene Bescheid (sog. "reformatio in peius"). Das Gericht muß also dem Kläger zumindest die im Bescheid zuerkannte Leistung zusprechen (1694 BlgNR 18.GP, 25; Fink, ASGG 178 ff; Feitzinger/Tades, ASGG2 Anm 5a zu § 71; Kuderna, ASGG 461 Erl 6 zu § 71; SSV-NF 9/76; 10/38 ua). In diesem Fall darf aber bei Prüfung einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse (für die Entziehung der Leistung) nicht auf den im gerichtlichen Verfahren (im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung) bestandenen Tatsachenkomplex abgestellt werden, sondern auf die Tatsachenlage zu dem für die Erlassung des Bescheides maßgeblichen Zeitpunkt, dessen Zuerkennungsentscheidung zufolge der oben dargestellten Anerkenntnisfiktion allein die Grundlage des Urteils bildet. Maßgeblich ist daher nur der Zustand im Zeitpunkt der bescheidmäßigen Leistungsgewährung. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, daß auch dann, wenn der Gewährungsbescheid längere Zeit nach der Antragstellung erging und die diesem zugrundeliegenden Gutachten bereits längere Zeit vor der Erlassung des Bescheides erstattet wurden, für die Frage, ob die Besserung des Zustandes die Entziehung der Leistung rechtfertigt, der Zustand im Zeitpunkt der Erlassung des Gewährungsbescheides dem Zustand in dem für die Entziehung maßgeblichen Zeitpunkt gegenüberzustellen sind (10 ObS 330/92 = SSV-NF 7/2 = EvBl 1993/188). Mit dieser Maßgabe ist der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes beizutreten.
Der von der beklagten Partei in ihrem Rekurs erhobene Einwand, der Ergänzungsauftrag des Berufungsgerichtes sei nicht notwendig, weil die Frage, wann die MdE unter 20 vH herabgesunken sei, im Urteil vom 12.5.1995 "offensichtlich bewußt" nicht beantwortet worden sei bzw sich nicht "überzeugend" beantworten habe lassen, geht ins Leere. Hält das Berufungsgericht, von einer richtigen Rechtsansicht ausgehend, den Sachverhalt für weiter aufklärungsbedürftig, kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegentreten (Judikaturnachweise ZPO-MGA14 § 519 E 49; RIS-Justiz RS0042179, RS0070407, RS0099332).
Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
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