OGH 7Ob42/98x

OGH7Ob42/98x13.7.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****-Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Elisabeth Messner, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Christian L*****, vertreten durch Dr.Gustav Teicht und Dr.Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 79.833,-- sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 2.Dezember 1997, GZ 37 R 979/97p-29, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 28.Juli 1997, GZ 5 C 2401/96f-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.086,40 (darin enthalten S 1.014,40 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 11.3.1996 verursachte der Beklagte als Lenker des PKWs Marke Ford Escort einen Unfall, bei dem der PKW beschädigt wurde. Eigentümerin des PKWs und Leasinggeberin war die E*****-GesmbH, Fahrzeughalterin und Leasingnehmerin die R***** -GesmbH, über deren Vermögen nach dem Unfall der Konkurs eröffnet wurde. Der Leasingvertrag wurde im Sommer 1994 abgeschlossen. Der Beklagte war Angestellter der R*****-GesmbH und benützte den PKW als Dienstfahrzeug. Er wußte, daß es sich um ein Leasingfahrzeug handelte. Der PKW war bei der klagenden Partei kaskoversichert. Versicherungsnehmer waren sowohl die R*****-GesmbH als auch die E*****-GesmbH. Der zwischen der klagenden Partei und der E*****-GesmbH abgeschlossene Kaskoversicherungsvertrag hat auszugsweise folgenden Inhalt: "Unter die Versicherung fallen Fahrzeuge, die bei der E***** geleast werden, wenn und solange für diese Fahrzeuge bei der B***** eine aufrechte Kollisionskaskoversicherung (Vollkaskoversicherung) besteht. Die Versicherungsleistung erfolgt auf Basis der AFIB bzw KKB 1986, wobei Art 2., Punkt 1.1.3 und Art 6 der KKB 1986 als gestrichen gelten. Voraussetzung für die Ersatzverbindlichkeit des Versicherers ist, daß im vom Leasingnehmer abgeschlossenen Kaskovertrag das eingetretene Schadenereignis zwar unter den Umfang der Versicherung gefallen wäre, gegenüber dem Leasingnehmer als Versicherungsnehmer aber Leistungsfreiheit des Versicherers besteht." Die E*****-GesmbH zahlte für die Deckung dieses versicherten Risikos eine eigene Prämie. Aufgrund dieses mit der E*****-GesmbH abgeschlossenen Versicherungsvertrages zahlte die klagende Partei der E*****-GesmbH den Betrag von S 79.833 infolge der Beschädigung des vom Beklagten gelenkten PKWs. Aus dem Kaskoversicherungsvertrag mit der R***** -GesmbH bestand keine Deckung, weil die R***** -GesmbH trotz qualifizierter Mahnung mit der Kaskoprämie in Verzug war.

Der Unfall ereignete sich auf der Höhenstraße in Klosterneuburg, die an der Unfallstelle eine scharfe Rechtskurve (Haarnadelkurve) bildet. Aus Fahrtrichtung des Beklagten gesehen ist die Kurve die letzte einer Serpentinenreihe. Der Beklagte fuhr bergab. Die Fahrbahnoberfläche bestand aus Pflastersteinen. Am Unfallstag hatte gegen 4,30 Uhr bei Temperaturen von minus 5 Grad Celsius leichter Schneefall eingesetzt. Von 7 Uhr bis etwa 13 Uhr war der Schneefall von mäßiger Intensität. Bis zum Unfall hatte sich eine neue Schneeschicht von etwa 2 bis 3 cm gebildet. Darunter war die Fahrbahn mit Glatteis bedeckt. Die Fahrbahn war nicht gestreut. In der letzten Kurve vor der Unfallstelle brach der vom Beklagten gelenkte PKW vorne etwas aus. Der Beklagte schaltete auf den ersten Gang zurück und verminderte die Geschwindigkeit auf etwa 20 km/h. Der Abstand zum rechten Fahrbahnrand betrug einen halben Meter bis einen dreiviertel Meter. Bei Annäherung an die Unfallstelle kam ihm ein Streuwagen mit Schneepflug entgegen. Als der Lenker dieses Streuwagens erkannte, daß der Beklagte seine Geschwindigkeit nicht weiter verringern konnte, fuhr er den LKW an den rechten Fahrbahnrand und hielt an. In der Kurve brach der vom Beklagten gelenkte PKW vorne aus und rutschte mit etwa 20 km/h gegen den Streuwagen. Der Beklagte hätte die Kurve nur mit Schrittgeschwindigkeit gefahrlos durchfahren können. Der PKW wäre in der Kurve bei höchstens 10 km/h gerade noch beherrschbar gewesen.

Die klagende Partei begehrte S 79.833 samt 8 % Zinsen seit Klagstag und behauptete, der Beklagte habe den Verkehrsunfall grob fahrlässig, zumindest aber leicht fahrlässig verschuldet. Der Schadenersatzanspruch der E*****-GesmbH sei infolge der Zahlung aus dem Versicherungsvertrag auf die klagende Partei gemäß § 67 VVG übergegangen. Die Anwendbarkeit des Art 6 KKB 1986 sei ausgeschlossen worden. Weiters habe die E*****-GesmbH die Forderung an die klagende Partei zediert.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er bestritt das Vorliegen eines Verschuldens am Unfall und berief sich auf § 2

DHG.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von S 79.833 samt 4 % Zinsen seit 30.6.1986 und wies lediglich das Zinsenmehrbegehren von 4 % ab. Es sei keine wirksame Zession der Ansprüche der E*****-GesmbH gegen den Beklagten an die klagende Partei erfolgt. Der berechtigte Lenker sei aber in der Kaskoversicherung nicht mitversichert, sodaß die Ansprüche des Versicherungsnehmers gegen ihn gemäß § 67 Abs 1 VersVG übergegangen sind. Ein gemäß § 67 VersVG auf den Versicherer übergegangener Schadenersatzanspruch unterliege zwar nach ständiger Rechtsprechung den Beschränkungen des § 2 DHG, wenn der berechtigte Lenker Dienstnehmer des kaskoversicherten Versicherungsnehmers gewesen sei. Im Verhältnis des Beklagten zur E*****-GesmbH als Versicherungsnehmerin, deren Schaden der Beklagte fahrlässig verschuldet habe, sei § 2 DHG aber nicht anzuwenden.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es billigte die Ansicht des Erstgerichtes. Der auf die klagende Partei gemäß § 67 VersVG übergegangene Schadenersatzanspruch der Leasinggeberin als Eigentümerin sei nicht mit einer vom Dienstgeber des Beklagten abgeleiteten Anspruch gleichzustellen. Es handle sich auch nicht um eine unzulässige Überwälzung der Insolvenzgefahr, weil diese im Rahmen des Vertragsverhältnisses zwischen dem Dienstgeber und dem Dienstnehmer grundsätzlich den jeweiligen Vertragspartner treffe. Für den sozialen Ausgleich sorgten insoweit die besonderen gesetzlichen Regelungen des IESG, die auch die Vergütungsansprüche des Dienstnehmers gemäß § 3 DHG umfaßten. Infolge Streichung des Regreßverzichts gemäß Art 6 KKB treffe den Beklagten mangels Mitversicherteneigenschaft die volle Haftung für den geltend gemachten Regreßanspruch. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil das Berufungsgericht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gefolgt sei, daß die Anwendbarkeit des DHG die Geltendmachung eines Dienstnehmeranspruches voraussetze.

Die Revision ist jedoch zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage des Regreßanspruches des Kaskoversicherers des Leasinggebers gegen einen Dienstnehmer des Leasingnehmers vorliegt. Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 67 Abs 1 VersVG geht der Schadenersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen einen Dritten auf den Versicherer über, soweit dieser den Schaden ersetzt hat. In der Kaskoversicherung, die nur der Versicherung des Eigeninteresses an der Erhaltung versicherter Sachen dient, ist der aufgrund einer Vereinbarung mit dem Eigentümer zur Benützung der Sache Berechtigte grundsätzlich nicht mitversichert, sondern "Dritter" im Sinn dieser Gesetzesstelle (VR 1993/308; 7 Ob 128/97t). In RdW 1994, 43 hat der erkennende Senat zwar ausgesprochen, daß § 80 Abs 1 VersVG einen Ausgangspunkt für die Erweiterung des Versicherungsschutzes dahin biete, daß der Einschluß des Sachersatzinteresses bestimmter Dritter in die Kaskoversicherung des Eigentümers angenommen werden könne, wenn schon bei Abschluß des Kaskoversicherungsvertrages vorgesehen sei, daß die versicherte Sache (auch) von Dritten - dort von Mitgliedern eines Vereines - benützt werde, ohne daß damit eine Risikoerhöhung verbunden sei. Durch Auslegung des vorliegenden, zwischen der Leasinggeberin und der klagenden Partei geschlossenen Kaskoversicherungsvertrages kann dieses Ergebnis jedoch nicht gefunden werden, weil die klagende Partei durch den Hinweis, daß Art 6 KKB als gestrichen gelte, ausdrücklich nicht auf ihren Regreß nach § 67 VersVG verzichtet hat. Damit hat sie unmißverständlich deponiert, jeden benützungsberechtigten Lenker als vom Regreß des § 67 VersVG umfaßt - und nicht als Mitversicherten - anzusehen. Abgesehen davon hat der Oberste Gerichtshof bei Kaskoversicherungsverträgen bei Kraftfahrzeugen bereits ausgesprochen, daß in Fällen, in denen aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem Versicherer und dem Leasinggeber - ohne daß es erforderlich wäre, daß der Versicherungsnehmer in diese Vereinbarung einbezogen wird - selbständige, vom Verhalten des Versicherungsnehmers unabhängige Ansprüche des Leasinggebers gegen den Versicherer bestehen, der Versicherungsnehmer ausnahmsweise als Dritter im Sinn des § 67 VersVG zu behandeln ist (ZVR 1994/24). Auch im vorliegenden Fall hat die Leasinggeberin eine derartige Vereinbarung mit der klagenden Partei getroffen: Die klagende Partei hat aufgrund des erklärten Verzichtes auf die Erhebung von Einwendungen aus dem Verhalten des Versicherungsnehmers (hier: Nichtzahlung der Versicherungsprämien seitens der R*****-GesmbH als Versicherungsnehmerin) an die versicherte Leasinggeberin geleistet.

Es kann daher hier kein Zweifel bestehen, daß sowohl die R*****-GesmbH als Leasingnehmerin als auch der Beklagte als deren Dienstnehmer und (berechtigter) Lenker des PKWs "Dritte" im Sinn des § 67 VersVG sind und daß der Schadenersatzanspruch der Leasinggeberin (sowohl in ihrer Eigenschaft als Versicherte als auch in ihrer Eigenschaft als eigene Versicherungsnehmerin) auf die klagende Partei als Versicherer übergegangen ist.

Ist der berechtigte Lenker Arbeitnehmer des kaskoversicherten Versicherungsnehmers, so unterliegt der auf den Versicherer übergegangene Schadenersatzanspruch den Beschränkungen nach § 2 DHG (RdA 1988/18 mwN). Im vorliegenden Fall handelt es sich aber nicht um einen Schadenersatzanspruch des Dienstgebers gegen seinen Dienstnehmer (der im Weg der Legalzession auf die klagende Partei übergegangen ist), sondern um einen Schadenersatzanspruch eines außenstehenden Dritten, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben. Ansprüche dritter Personen, die der Versicherer befriedigen mußte, sind nicht nach den DHG zu beurteilen. Der Kläger ist insoweit auf die Vergütung gegen seinen Dienstgeber im Sinn des § 3 DHG zu verweisen (so bereits SZ 46/89 für den Regreßanspruch des Haftpflichtversicherers nach § 158 f VersVG).

Der Hinweis des Beklagten, daß im Leasingvertrag - wie üblich - die Gefahr des Verlustes des Sachwertes auf die Leasingnehmerin überwälzt worden sei, führt zu keiner anderen rechtlichen Schlußfolgerung. Eine Mitversicherung des berechtigten Lenkers kann daraus - schon wegen der Streichung des Regreßverzichtes, wie bereits ausgeführt wurde - nicht abgeleitet werden. Selbst bei Überwälzung des Beschädigungsrisikos auf den Leasingnehmer kann auch nicht unterstellt werden, daß die beklagte Partei in Wahrheit auf sie übergegangene Ansprüche des Leasingnehmers geltend mache. Es trat ja eben der im eigens mit der Leasinggeberin abgeschlossene Kaskoversicherungsvertrag vorgesehene Fall ein, daß Leistungsfreiheit des Versicherers gegenüber der Leasingnehmerin (und ebenfalls zugleich Kaskoversicherungsnehmerin) bestand. Die klagende Partei erfüllte nicht eine Verbindlichkeit gegenüber der Leasingnehmerin, sondern eine solche gegenüber der Leasinggeberin. Der Annahme, daß in Wahrheit Ansprüche der Leasingnehmerin und Arbeitgeberin und nicht Ansprüche der Leasinggeberin auf die klagende Partei übergegangen seien, steht auch entgegen, daß die Leasinggeberin ihren Vertrag mit der klagenden Partei nicht nur in einer gesonderten Vertragsurkunde, die im übrigen eine Vielzahl verleaster Fahrzeuge betrifft, festhielt, sondern auch eine eigene, von ihr selbst zu entrichtende Prämie vereinbart hatte. Von einer zu einem anderen Ergebnis führenden "wirtschaftlichen Einheit" der beiden Versicherungsverträge kann daher nicht gesprochen werden. Durch die zwischen der E*****-GesmbH als Leasinggeberin und der klagenden Partei vereinbarten Ausfallsversicherung wurde nur das Eigentümerinteresse der Leasinggeberin versichert. Ein Vertrag zu Lasten Dritter liegt nicht vor. Das Unfallrisiko ist nicht das einzige Risiko, das durch die Ausfallversicherung abgedeckt wurde. Auch dieser Umstand zeigt, daß es nicht der primäre Zweck dieses Versicherungsvertrages war, die Position des berechtigten Lenkers zu schwächen. Da durch die Streichung des Verzichtes auf den Regreß nur der gesetzliche Zustand (§ 67 VersVG) hergestellt wurde, kann der Vertrag insgesamt auch nicht als sittenwidrig im Sinn des § 879 ABGB angesehen werden.

Der Hinweis in der Revision auf Billigkeitserwägungen vermag nicht zu überzeugen. Auch in den Fällen des § 1313a ABGB ist der durch einen Dienstnehmer geschädigte Dritte nicht durch die Vorschriften des DHG beschränkt, wenn er Schadenersatzansprüche gegen den schädigenden Dienstnehmer selbst geltend machen will, obgleich dem Dienstnehmer in jenen Fällen, in denen der Dienstgeber vom geschädigten Dritten belangt wird, die Haftungsbeschränkungen des DHG im Regreßprozeß zugutekommen. Im ersteren Fall ist der Dienstnehmer so wie hier auf Ersatzansprüche nach § 3 DHG beschränkt, die im Falle der Insolvenz des Dienstgebers durch die Bestimmungen des IESG (§ 1 Abs 2 Z 3 IESG) abgesichert sind. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist damit für den aufgrund der typischen Einkommens- und Risikolage erforderlichen sozialen Ausgleich für den Fall der Insolvenz des Dienstgebers ohnehin Vorsorge getroffen.

Die Urteile der Vorinstanzen waren daher aus den darin zutreffend dargelegten Erwägungen zu bestätigen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Stichworte