Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei wird gemäß §§ 402, 78 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
Am 30.11.1996 erließ das Erstgericht mit ON 16 folgende einstweilige
Verfügung:
"Zur Sicherung des Anspruchs der klagenden Partei gegen die beklagte Partei wird der beklagten Partei verboten, die von der "D*****Bank AG" am 8.2.1996 ausgestellte Bankgarantie mit dem Zeichen 614/Ku-sn, welche beim Handelsgericht Wien zu 11 Cg 22/96i-3 erliegt, in Anspruch zu nehmen, oder sonstige Verfügungen über diese Bankgarantie zu treffen.
D*****Bank AG wird als Erfüllungsgaranten das Verbot erteilt, bis auf weitere gerichtliche Anordnung an die Gegnerin der gefährdeten Partei, also an die nunmehrige S***** GmbH, oder an sonstige dritte Personen aus der angeführten Erfüllungsgarantie irgendwelche Zahlungen vorzunehmen.
Der gefährdeten Partei wird aufgetragen, für alle ihrer Gegnerin dadurch verursachten Nachteile durch gerichtlichen Erlag von S 2,5 Mio (allenfalls Bankgarantie) Sicherheit zu leisten.
Dieser Beschluß wird der Gegnerin der gefährdeten Partei und der E*****Bank AG erst nach Erlag der Sicherheit zugestellt werden. Zu diesem Zeitpunkt wird das Verbot wirksam.
Die einstweilige Verfügung wird bis zur rechtskräftigen Beendigung des gegenständlichen Rechtsstreites erlassen.
Die einstweilige Verfügung wird nicht vollzogen und die schon vollzogene Verfügung auf Antrag der Gegnerin der gefährdeten Partei aufgehoben, wenn diese eine Betrag von S 5 Mio bei Gericht erlegt."
Diese einstweilige Verfügung wurde der gefährdeten Partei am 6.12.1996 zugestellt.
Dem Rekurs der gefährdeten Partei gegen die Auferlegung der Sicherheitsleistung wurde mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht am 28.4.1997 (ON 24), nicht Folge gegeben; dieser Beschluß wurde der gefährdeten Partei am 22.5.1997 zugestellt. Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der gefährdeten Partei wurde mit Beschluß vom 10.7.1997 (ON 37), mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Am 25.6.1997 erlegte die gefährdete Partei beim Erstgericht eine Bankgarantie über S 2,5 Mio und beantragte den Vollzug der einstweiligen Verfügung (ON 32). Hierauf verfügte das Erstgericht am 7.7.1997 (ON 34 verso) die Zustellung der einstweiligen Verfügung an den Gegner der gefährdeten Partei und an die Drittschuldnerin; diese Zustellungen erfolgten am 9.7.1997.
Hierauf brachte der Gegner der gefährdeten Partei am 23.7.1997 einen Rekurs (ON 38) gegen die einstweilige Verfügung (ON 16) und gegen die - infolge Zeitablaufs jedenfalls rechtswidrige - Zustellungsverfügung (ON 34 verso) dieser einstweiligen Verfügung an ihn und die Drittschuldnerin ein. Er beantragte darin, den angefochtenen Beschluß (einstweilige Verfügung) dahingehend abzuändern, daß der Antrag der gefährdeten Partei auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abgewiesen werde. Weiters stellte er mehrere Eventualbegehren, ua die "Zustellung" des angefochtenen Beschlusses (einstweilige Verfügung), und zwar sowohl die Zustellung an ihn als auch an die Drittschuldnerin als nichtig aufzuheben und gegebenenfalls auszusprechen, daß die einstweilige Verfügung ON 16 zufolge nicht fristgerechten Erlages der der gefährdeten Partei auferlegten Sicherheit von S 2,5 Mio gemäß § 396 EO außer Kraft getreten sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluß (ON 42) wies das Rekursgericht den Rekurs gegen die einstweilige Verfügung (ON 16) zurück, weil diese bereits ex lege erloschen sei; die infolge Ablaufs der Monatsfrist nicht mehr vollziehbare einstweilige Verfügung sei gegenstandslos und mangels Rechtswirksamkeit so zu behandeln, als wäre sie nie erlassen worden; dem Rechtsmittelwerber fehle daher die Beschwer, sodaß das Rechtsmittel insoweit zurückzuweisen gewesen sei.
Im übrigen gab es dem Rekurs Folge und änderte den Beschluß des Erstgerichtes ON 34 verso dahingehend ab, daß es aussprach, daß der Antrag der gefährdeten Partei auf Zustellung der einstweiligen Verfügung ON 16 an den Gegner der gefährdeten Partei und die Drittschuldnerin abgewiesen werde, sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Da die gefährdete Partei die Sicherheit erst am 25.6.1997 erlegt habe, sei die einstweilige Verfügung infolge Ablaufs der Monatsfrist bereits von selbst erloschen gewesen, ohne daß es eines diesbezüglichen Beschlusses des Erstgerichts bedurft hätte. Das Erstgericht hätte daher richtigerweise den erst nach Erlöschen der einstweiligen Verfügung eingebrachten Zustellantrag der klagenden Partei abweisen müssen, weshalb dem Rekurs des Gegners der gefährdeten Partei insoweit stattzugeben gewesen sei.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Beschluß ON 42 richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der gefährdeten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahingehend abzuändern, daß der Rekurs der beklagten Partei gegen die einstweilige Verfügung (ON 16) und den Beschluß betreffend die Zustellverfügung (ON 34 verso) abgewiesen werde.
Zur Zulässigkeit brachte sie vor, daß der rekursgerichtliche Beschluß von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweiche, da mit der Zustellung der einstweiligen Verfügung an den Gegner der gefährdeten Partei und die Drittschuldnerin die einstweilige Verfügung wirksam geworden sei. Der Oberste Gerichtshof habe in seiner E vom 29.4.1981, 1 Ob 504/81, SZ 54/66, ausgeführt: "Es könne dahingestellt bleiben, ob der Erstrichter berechtigt gewesen wäre, davon auszugehen, daß die geforderte Sicherheit in der einmonatigen Frist des § 396 EO nicht erbracht war. Wenn sich der Erstrichter mit der erbrachten Sicherheitsleistung begnügte und daraufhin die Zustellung der einstweiligen Verfügung an den Gegner der gefährdeten Partei (§ 390 Abs 3 EO) verfügte, ist das in der einstweiligen Verfügung ausgesprochene Verbot mit der Zustellung wirksam geworden. Auch der Vollzug einer infolge Ablaufs der Frist des § 396 EO nicht wirksam gewordenen einstweiligen Verfügung ist nämlich nicht von selbst rechtsunwirksam."
Damit macht die gefährdete Partei keine erhebliche Rechtsfrage geltend.
Da das Rekursgericht den Rekurs des Gegners der gefährdeten Partei gegen die einstweilige Verfügung ON 16 mangels Beschwer zurückgewiesen hat, ist die gefährdete Partei in diesem Punkt nur durch die Begründung beschwert, daß die einstweilige Verfügung ex lege erloschen sei (so SZ 42/73; 51/153; ÖBl 1987, 152; 1993, 265 uva) und zwar auch dann, wenn die einstweilige Verfügung unzulässigerweise in Vollzug gesetzt wurde. Dazu bringt sie lediglich vor, daß der Vollzug einer infolge Ablaufs der Frist des § 396 EO nicht wirksam gewordenen einstweiligen Verfügung nicht von selbst rechtsunwirksam werde. Die Rechtsansicht, daß eine einstweilige Verfügung nach Ablauf der Monatsfrist nicht mehr vollzogen werden darf, bekämpft sie nicht und behauptet auch nicht, daß eine solche unzulässigerweise in Vollzug gesetzte einstweilige Verfügung nicht bekämpft werden könne.
Auch wenn man die Ansicht des Erstgerichtes nicht teilen sollte, daß auch in einem solchen Fall die einstweilige Verfügung ex lege erloschen und nur die Invollzugssetzung zu beseitigen sei - die Zweckmäßigkeit eines zumindest deklaratorischen Beschlusses, daß die einstweilige Verfügung erloschen ist (so Jelinek, Zwangsvollstreckung zur Erwirkung von Unterlassungen 389), zeigt sich gerade im vorliegenden Verfahren evident -, muß gegen den unzulässigerweise angeordneten Vollzug der einstweiligen Verfügung ein Rechtsmittel zulässig sein.
Da es sich hiebei um keine prozeßleitende Verfügung handelt, sondern diese Zustellverfügung weitreichende Rechtswirkungen auslöst - die einstweilige Verfügung wird gegenüber dem Gegner der gefährdeten Partei und dem Drittschuldner wirksam und verbindlich -, ist dagegen nach allgemeinen Grundsätzen ein Rekurs gemäß §§ 402, 78 EO iVm § 514 Abs 1 ZPO zulässig: ein Rekurs ist nämlich nur dann unzulässig oder derzeit unzulässig, wenn er ausdrücklich ausgeschlossen (§ 514 Abs 1 ZPO) oder aufgeschoben (§ 515 ZPO) ist. Beides ist nicht der Fall. Eine unzulässige Invollzugsetzung der einstweiligen Verfügung ist daher mittels Rekurses anfechtbar. Daran ändert auch das obiter dictum in der zitierten E SZ 54/66, deren Gegenstand die Berechtigung von Ersatzansprüchen nach § 394 EO war, nichts; dieses spricht - zu eng - davon, daß der Gegner der gefährdeten Partei nur die Aufhebung der unzulässigerweise vollzogenen Sicherheitsmaßnahmen begehren könne. Auch wenn die Aufhebung der einstweiligen Verfügung begehrt werden kann, schließt das einen Rekurs gegen den Beschluß, mit dem sie unzulässigerweise in Vollzug gesetzt wurde, nicht aus, weil mit der Aufhebung der einstweiligen Verfügung nur ein weit geringeres Rechtsschutzziel erreicht werden kann.
Die infolge Fristablaufs richtigerweise nicht mehr in Vollzug zu setzende einstweilige Verfügung wurde daher infolge Rekurses des Gegners der gefährdeten Partei im Ergebnis zu Recht beseitigt, sodaß es - infolge Nichtanfechtung der Zurückweisung des Rekurses gegen die einstweilige Verfügung durch den Gegner der gefährdeten Partei - dahingestellt zu bleiben hat, ob das Rekursgericht den Spruch zweckdienlicherweise hätte anders fassen sollen. Der angefochtene Beschluß stellt jedenfalls hinreichend deutlich klar, daß der diesbezügliche Vollzugsakt beseitigt wurde. Der Revisionsrekurs der gefährdeten Partei ist daher zurückzuweisen.
Nur vollständigkeitshalber wird noch darauf hingewiesen, daß die Behauptung der Revisionsrekurswerberin im Rahmen ihrer Rechtsrüge, die Sicherheitsleistung sei rechtzeitig erlegt worden, weil die Bankgarantie bereits vor Ablauf der Monatsfrist beim Erstgericht "hätte einlangen müssen", nicht verifizierbar ist; aktenkundig ist nur ihre Vorlage durch die gefährdete Partei mit Schriftsatz vom 25.6.1997, mit der auch der Vollzug der einstweiligen Verfügung beantragt wurde, der zu diesem Zeitpunkt aber jedenfalls gemäß § 396 EO nicht mehr zulässig war.
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