OGH 7Ob199/97h

OGH7Ob199/97h19.5.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Huber und Dr.Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Beatrix B*****, vertreten durch Dr.Gert Kleinschuster, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Verlassenschaft nach der am 21.April 1996 verstorbenen Frida A*****, vertreten durch den erbserklärten Erben Dr.Hannes M*****, sowie die auf ihrer Seite beigetretene Nebenintervenientin Gertrude L*****, beide vertreten durch Mag.Dr.Otto Ranzenhofer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 13. März 1997, GZ 7 R 13/97-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei und der Nebenintervenientin das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 26.November 1996, GZ 42 C 241/96y-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben, die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 8.940,10 (darin S 1.490,02 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit S 5.751,50 (darin S 595,58 USt und S 2.178,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Alleineigentümerin der Liegenschaft mit dem Haus G*****, H*****straße *****. Die am 21.4.1996 verstorbene Frida A***** war Hauptmieterin des im Erdgeschoß dieses Hauses gelegenen Bestandgegenstandes, der aus einer Küche, zwei Zimmern, einem WC sowie aus einem weiteren, von der Straße her gesondert zugänglichen Raum, der als Friseurgeschäft verwendet wird, besteht. Mit Übergabsvertrag vom 16.8.1976 hat Frida A***** das bis zu diesem Zeitpunkt von ihr im letztgenannten Raum mit einer Nutzfläche von 25 m2 betriebene Unternehmen "Friseurmeister" samt dem rechtlichen und natürlichen Zubehör, mit Einrichtung, dem Kundenstock, den Mietrechten am Geschäftslokal sowie allen Rechten und Pflichten, mit welchen sie es besessen und benützt hat oder doch hiezu berechtigt gewesen wäre, gegen Entrichtung einer monatlichen, wertgesicherten Leibrente an die Nebenintervenientin übergeben; diese hat das Unternehmen in ihr Eigentum übernommen. Die Nebenintervenientin führt dieses Unternehmen auch nach dem Ableben von Frida A***** weiter.

Die klagende Partei kündigte das Bestandverhältnis unter Geltendmachung des Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z 5 MRG mit dem Vorbringen auf, die Hauptmieterin des gesamten Bestandgegenstandes sei ohne Hinterlassung eintrittsberechtigter Angehöriger verstorben und habe allein in der Wohnung gelebt.

Die beklagte Partei wendete ein, Kündigungsgründe lägen nicht vor; es werde weiter unbeanstandet Miete für das Bestandobjekt entgegengenommen.

Die Nebenintervenientin wendete im wesentlichen ein, der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 5 MRG allein könne die Auflösung des Bestandverhältnisses nicht herbeiführen, zumal das Objekt teils als Wohnung, teils als Geschäftsräumlichkeit Verwendung finde.

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam. Beim Bestandobjekt handle es sich um eine Wohnung, die zu Recht gemäß § 30 Abs 2 Z 5 MRG aufgekündigt wurde.

Das Berufungsgericht änderte mit der angefochtenen Entscheidung dieses Urteil in eine Aufhebung der Kündigung ab. Es erklärte die Erhebung der ordentlichen Revision für zulässig. Der angezogene Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 5 MRG beziehe sich lediglich auf Wohnräume, die nach dem Tod des bisherigen Mieters nicht mehr einem dringenden Wohnbedürfnis eintrittsberechtigter Personen dienen. Im vorliegenden Fall bestehe neben diesen Wohnräumen, obwohl der Wohnzweck des Bestandobjektes überwiege, ein Geschäftslokal, für welches dieser Kündigungsgrund nicht Anwendung finden könne. Wenngleich die ältere Rechtsprechung bei sogenannten gemischten Bestandverhältnissen die Zulässigkit einer Kündigung nach § 19 Abs 2 Z 11 MG (= § 30 Abs 2 Z 5 MRG) bejaht habe (vgl MietSlg 16.425 ua), wenn der Wohnzweck überwiege, sei diese Rechtsprechung nach Ansicht des Berufungsgerichtes im Lichte der nunmehr zu § 30 Abs 2 Z 6 und 7 MRG ergangenen Judikatur des Obersten Gerichtshofes nicht aufrecht zu erhalten. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes könne ein gemischt genutztes Bestandobjekt auch bei Überwiegen des Wohnzweckes nicht mit einer lediglich auf § 30 Abs 2 Z 5 MRG gestützten Aufkündigung erfolgreich beendet werden. Es sei nämlich nicht einsichtig, warum der Betreiber eines Unternehmens in einem gemischt genutzten Objekt, bei dem der Wohnzweck überwiege, schlechter gestellt sein solle als der Betreiber eines Unternehmens in einem lediglich zu Geschäftszwecken gemieteten Objekt. Da hinsichtlich der ebenfalls vom Bestandvertrag umfaßten Geschäftsräumlichkeit kein Kündigungsgrund angeführt sei, sei die vorliegende Aufkündigung in Stattgebung der Berufung aufzuheben und das Räumungsbegehren abzuweisen gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision ist zulässig und berechtigt.

Zu Recht macht die Revisionswerberin geltend, daß die Grundsätze der Entscheidung 2 Ob 577/95 (= EvBl 1996/47 = ecolex 1996, 520 = MietSlg 47.416) auf den vorliegenden Fall nicht herangezogen werden können, weil das dort gemischte Bestandobjekt unter Geltendmachung des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG aufgekündigt wurde und dieser Kündigungsgrund als nicht gegeben erachtet wurde. Die weitere Begründung dieser Entscheidung setzt sich nur mit der Frage auseinander, ob nicht durch das unbestimmte Kündigungsbegehren allenfalls auch der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 7 MRG geltend gemacht wurde, was aber verneint wurde. Im vorliegenden Fall liegt aber zufolge des Todes des früheren Mieters und Fehlen von eintrittsberechtigten Personen der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 5 MRG vor.

Im Verhältnis zwischen dem Eigentümer der Bestandsache und dem Hauptmieter kann es bei der Frage, ob eine Geschäftsraummiete oder eine Wohnungsmiete vorliegt, nur darauf ankommen, welcher Verwendungszweck mit dem Hauptmieter der Bestandsache vereinbart wurde. Es ist die vom Parteiwillen getragene Widmung für die Beurteilung maßgebend (5 Ob 100/95). Es kommt auf die Parteienabsicht bei Abschluß des Mietvertrages oder auf den später einvernehmlich festgelegten Vertragszweck an (JBl 1986, 255; RdW 1986, 241; JBl 1986, 315 = MietSlg 38/7; RdW 1993, 275), wobei eine Widmungsänderung auch schlüssig erfolgen kann (6 Ob 633/92; MietSlg 30.404). Nicht entscheidend ist, ob der Mietgegenstand zur Befriedigung des eigenen Wohnbedürfnisses des (Haupt-)Mieters bzw eintrittsberechtigter Personen oder zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses anderer Personen im Bestand genommen wurde (EvBl 1985/28).

Hinsichtlich der Frage, ob ein Mietgegenstand, der nach der Parteienabsicht sowohl für Wohn- als auch für Geschäftszwecke verwendet wird, als Wohnung oder Geschäftslokal zu qualifizieren ist, ist die Rechtsprechung nicht einhellig. Nach einem Teil der Entscheidungen, die die nach ihrem Wortlaut für die Zinsbildung maßgebliche Bestimmung nach § 16 Abs 1 Z 1 MRG analog anwenden, liegt ein Geschäftslokal dann vor, wenn die Verwendung für die Geschäftszwecke bedeutend überwiegt (RdW 1986, 241). Nach anderen Entscheidungen, die eine analoge Anwendung der Zinsbildungsvorschrift als Beurteilungskriterium für andere Fragen als die Zinsbildung ablehnen, hängt die Beurteilung davon ab, ob der Bestandgegenstand nach der vielfach auch in der Verkehrsauffassung zum Ausdruck kommenden Parteienabsicht (bloß) überwiegend (nicht bedeutend überwiegend) zu Wohn- oder Geschäftszwecken verwendet wird, wobei auch zum Ausdruck gebracht wurde, daß der Geschäftszweck maßgebend sei, wenn Wohn- und Geschäftszwecke einander die Waage hielten (MietSlg 46.374 mit jeweiligen Judikaturhinweisen, zuletzt 7 Ob 342/97p).

Im vorliegenden Fall wurde die Wohnung ursprünglich von Frida A***** sowohl zum Betrieb ihres Friseurgeschäftes als auch zu Wohnzwecken angemietet. Ob das abgeschlossene Mietverhältnis damals als Wohnungsmiete oder als Geschäftsraummiete zu qualifizieren war, kann jedoch dahingestellt bleiben. Es ist hier unstrittig, daß sie ab 1976 keine eigene geschäftliche Tätigkeit in den Bestandräumen entfaltete, sondern diese größtenteils persönlich ausschließlich zu Wohnzwecken nutzte und einen Teil der Räume an die Nebenintervenientin zum Betrieb eines Friseurgeschäftes überließ. Wenn die Klägerin auch bestritt, daß ihr Rechtsvorgänger dem zugestimmt habe, ist ihr dieses Vorgehen der Bestandnehmerin jedenfalls zur Kenntnis gelangt und hat sie dem nicht widersprochen. Es ist daher davon auszugehen, daß zwischen ihr und den Hauseigentümern ab 1976 als Zweck der Vermietung einerseits die Verwendung als Wohnung für sie persönlich und andererseits die Überlassung zur Nutzung eines Raumes an die Betriebsnachfolgerin für deren Geschäftszwecke vorgesehen war. Gegenüber dem ursprünglichen Mietverhältnis trat insoweit eine Änderung des Vertragszweckes ein, als nicht die Mieterin persönlich, sondern deren Betriebsnachfolgerin die Friseurtätigkeit in einem Teil der Räumlichkeiten ausübte. Es wurde seit damals der Bestandgegenstand auch - so wie bereits früher - teils als Wohnung, teils zu Geschäftszwecken benützt. Ob der eine oder andere Zweck überwiegt, ist aber allein für den nach der Hauptmieterin im Vordergrund stehenden Zweck und nicht danach zu beurteilen, ob die etwas größere Fläche des Bestandgegenstandes oder die größere Anzahl der Räume als Wohnung genutzt wurde und ob das Interesse der Nebenintervenientin am geschäftlich genutzten Teil gegenüber dem Interesse der Hauptmieterin an der Befriedigung ihres Wohnbedürfnisses überwog. Da Frida A***** in der Wohnung wohnte, wobei diese offenbar ihre alleinige Unterkunft darstellte, ist von einer Widmung des Bestandgegenstandes primär zu Wohnzwecken und nicht zum Zweck der Zurverfügungstellung als Friseurgeschäft auszugehen, sodaß auf die oben aufgezeigte Judikaturdifferenz nicht weiter einzugehen ist. Es liegt auf der Hand, daß die Möglichkeit der Zurverfügungstellung eines Raumes des aufgekündigten Bestandobjektes ein nicht ganz unbedeutender Nebeneffekt für die Hauptmieterin war. Dafür, daß sie die Wohnung hauptsächlich deswegen als Mieterin beibehalten hat, weil sie aus der Zurverfügungstellung für Geschäftszwecke einen entsprechenden Gewinn zu erzielen beabsichtigte, nicht aber hauptsächlich deshalb, um darin ihr Grundbedürfnis nach einer Wohnung zu befriedigen, gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Da von einem überwiegenden Wohnzweck auszugehen ist, sind die für Wohnungen geltenden Kündigungsbestimmungen maßgebend, im vorliegenden Fall also § 30 Abs 2 Z 5 MRG. Ein Eintrittsrecht wurde nicht einmal behauptet, sodaß der genannte Kündigungsgrund verwirklicht ist.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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