OGH 2Ob577/95

OGH2Ob577/959.11.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag.Johann Z*****, vertreten durch Dr.Friedrich Doschek, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Erich G*****, vertreten durch Dr.Rainer Cuscoleca, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 10.Mai 1995, GZ 40 R 302/95-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 16.Jänner 1995, GZ 6 C 534/94d-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die vorinstanzlichen Urteile werden dahin abgeändert, daß das erstgerichtliche Urteil wie folgt zu lauten hat:

Die Aufkündigung des Bezirksgerichtes Hernals vom 29.4.1994, GZ 6 C 534/94d-1, wird aufgehoben.

Das Klagebegehren desr Inhalts, der Beklagte sei schuldig, die gemietete Wohnung in ***** Wien, N*****gasse 30, Nr 26, bestehend aus einem Zimmer und einer Küche dem Kläger geräumt zu übergeben, wird abgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit S 8.251,20 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 1.355,20 und Barauslagen von S 120) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz sowie die mit S 9.139,20 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 1.083,20 und Barauslagen von S 2.640) bestimmsten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt die Kündigung der vom Beklagten gemieteten Wohnung in ***** Wien, N*****gasse 30, Nr 26, bestehend aus einem Zimmer und Küche, welche auch zu Bürozwecken verwendet werden darf, mit der Begründung, die aufgekündigte Wohnung werde nicht zur Befriedigung eines regelmäßigen Wohnbedürfnisses des Mieters oder eintrittsberechtigter Personen verwendet. Der Mieter wohne vielmehr mit seiner Gattin in ***** Wien, W*****straße 230. Es mangle daher jegliches schutzwürdige Interesse an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses.

Der Beklagte bestritt den geltend gemachten Kündigungsgrund.

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für wirksam, wobei es von folgenden Feststellungen ausging:

Der Beklagte schloß am 26.5.1982 einen Mietvertrag über die Wohnung top Nr 26 im Haus ***** Wien, N*****gasse 30 zu Wohn- und Bürozwecken ab. Im § 12 des Mietvertrages wurde dem Beklagten das Recht eingeräumt, die Wohnung "an einem der Hausinhabung genehmen Mieter weiterzugeben". Die Hausverwaltung verstand unter dieser Klausel, daß vom Mieter ein Nachmieter angegeben werden dürfe, mit dem sie einen neuen Mietvertrag abschließe. Der Beklagte hingegen wollte ein "Weitergaberecht", um seine Investitionen einmal rückerstattet zu erhalten.

In den letzten beiden Jahren wohnte der Beklagte bei seiner Ehegattin, nach der Scheidung kurze Zeit im aufgekündigten Objekt und seit letzter Zeit wieder bei seiner geschiedenen Frau. Seit ca drei Jahren bewohnt der Sohn des Beklagten zum Teil die Wohnung, er hält sich aber mehr als die Hälfte seiner Zeit bei seiner Mutter auf. Der Beklagte und sein Sohn führten keinen gemeinsamen Haushalt; es wurde weder gemeinsam die Wäsche gewaschen noch gekocht.

Seit Konkurseröffnung über das Vermögen des Beklagten im Juni 1993 werden in der Wohnung Geschäftspapiere gelagert. Die Wohnung verfügt erst seit einigen Wochen über ein Telefon, es fehlt ein typischer Geschäftsbetrieb.

Zwischen dem Beklagten und dessen Sohn fand keine Weitergabe der Wohnung bzw der Mietrechte statt. Nach wie vor bezahlt der Beklagte die Miete. Im Sommer 1993 telefonierte der Beklagte mit der Hausverwaltung wegen einer Weitergabe der Wohnung an seinen Sohn; der Beklagte wurde wegen eines Gespräches auf einen späteren Zeitpunkt verwiesen, weil die Hausverwaltung gerade übernommen worden sei.

In rechtlicher Hinsicht erachtete das Erstgericht die Kündigung für berechtigt, weil der Einwand des Beklagten, er benütze die Wohnung zu den im Vertrag zugestandenen Bürozwecken, ihm bei mangelnder Benützung zu Wohnzwecken nichts nutze. Es handle sich um eine Wohnung und sei der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG verwirklicht.

Das vom Beklagten angerufene Berufungsgericht bestätigte die angefochtene Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig.

Das Berufungsgericht führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß zwar der Beklagte ein Weitergaberecht hatte und es zur Übertragung der Mieterposition keiner weiteren Mitwirkung des Vermieters oder der Hausverwaltung bedurft hätte, doch sei eine solche Weitergabevereinbarung nicht getroffen worden.

Die Lagerung einst angefallener Geschäftspapiere in der Wohnung ohne regelmäßige Benützung zu Wohnzwecken stelle keine dem Vertrag entsprechende Nutzung der Wohnung zu Wohnzwecken oder als Büro dar.

Zu prüfen sei allerdings, ob der Kläger bei vertraglich eingeräumter Nutzung der Wohnung zu Büro- und Wohnzwecken mit seiner auf die Nichtbenutzung zu Wohnzwecken und das Fehlen eines schutzwürdigen Interesses des Beklagten an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses den gemäß § 33 Abs 1 MRG in der Aufkündigung bereits anzuführenden Kündigungsgrund ausreichend aufgezeigt habe. Dies sei zu bejahen. Entsprechend der allgemein gültigen Abgrenzungsregel des § 16 Abs 1 Z 1 MRG handle es sich mietrechtlich um eine Wohnung, wenn der Mietgegenstand teils als Wohnung, teils als Geschäftsräumlichkeit verwendet werden dürfe. An diese Unterscheidung knüpfe das MRG zahlreiche Rechtsfolgen. Mischformen wie geschäftlich genutzte Wohnungen oder Büromiete zu Wohnzwecken werde dadurch bereits vorgebeugt. Die nicht vertragskonforme Nutzung einer Wohnung zum vereinbarten Zweck werde durch den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG abgedeckt. Sei dieser Kündigungsgrund durch Vereinbarung eingeschränkt, so sei es bloß Sache des beklagten Mieters, den allein zutreffenden Kündigungsgrund dieser Gesetzesbestimmung dadurch zu entkräften, daß er auf eine dem Vertrag noch immer entsprechende Nutzung verweise. Die vom LGZ Wien zu MietSlg 42.337 vertretene Ansicht, daß die Aufkündigung auch auf die Nichtbenutzung zu den vereinbarten oder gleichwertigen geschäftlichen Zwecken (§ 30 Abs 2 Z 7 MRG) gestützt werden müsse, werde daher nicht geteilt. Geteilt werde allerdings die dort vertretene Ansicht, daß nur der Mangel jeglicher vertragskonformer regelmäßiger Benützung der Kündigung nach Z 6 zum Erfolg verhelfen könne. Gerade dies treffe auf den vorliegenden Fall zu, so daß die Anführung des Kündigungsgrundes der Z 6 reiche und dem Beklagten der Verweis auf eine den Vertrag noch immer entsprechende Nutzung (als Büro) nicht geglückt sei.

Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur ausreichenden Anführung der Kündigungsgründe im Falle der Vereinbarung, daß das Mietobjekt zu Wohn- und Bürozwecken verwendet werden dürfe, fehle.

Dagegen richtet sich die Revision des Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß die Kündigung aufgehoben und das Räumungsbegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel des Beklagten keine Folge zu geben.

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht aufgezeigten Gründen zulässig, sie ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Beklagte vertritt in seinem Rechtsmittel die Ansicht, im Bestandverfahren gelte gemäß § 33 Abs 1 MRG die Eventualmaxime, es müsse daher der Kündigungsgrund kurz angeführt werden. Wenn sich der Kündigung nicht entnehmen lasse, welcher Kündigungsgrund geltend gemacht werde, gehe dies zu Lasten des Kündigenden und müsse zur Aufhebung der Aufkündigung führen. Eine nachträgliche Erweiterung der in der Aufkündigung angeführten Tatsachen oder Kündigungsgründe sei ausgeschlossen. § 30 Abs 2 Z 6 und 7 MRG umfasse zwei völlig unterschiedliche Kündigungsgründe. Während die Z 6 lediglich Wohnungen betreffe, sei die Umschreibung des Bestandobjektes in der Z 7 weiter gefaßt. Räumlichkeiten, welche zu der im Vertrag bedungenen geschäftlichen Betätigung dienen (Z 7), seien auch zu Geschäftszwecken vermietete Wohnungen. Somit ergebe sich aus dem Bedeutungszusammenhang eindeutig, daß eine Aufkündigung eines Bestandobjektes, welches sowohl zu Wohn- als auch zu Geschäftszwecken benützt werden dürfe, sich auf Z 6 und 7 des § 30 Abs 2 MRG stützen müsse. Die vorliegende Aufkündigung habe sich aber ohne Angabe einer Gesetzesbestimmung darauf gestützt, daß die bezeichnete Wohnung nicht zur Befriedigung eines regelmäßigen Wohnbedürfnisses des Mieters oder eintrittsberechtigter Personen verwendet werde.

Diese Ausführungen sind grundsätzlich zutreffend:

Gemäß § 33 Abs 1 MRG können Mietverträge nur gerichtlich gekündigt werden und hat der Vermieter in der Kündigung die Kündigungsgründe kurz anzuführen. Die geltend gemachten Kündigungsgründe müssen daher bereits in der Kündigung individualisiert werden, wobei eine schlagwortartige Angabe genügt (Würth in Rummel2, Rz 3 zu § 33 MRG mwN). Der Zweck der Bestimmung, daß die Kündigungsgründe schon in der Kündigung kurz anzuführen sind, besteht darin, den Gegenstand des Kündigungsstreites auch bei Einwendungen des Beklagten von vornherein deutlich abzugrenzen (WoBl 1991, 36; MietSlg 32.418/26). Eine mangelhafte oder unklare Bezeichnung der Kündigungsgründe geht zu Lasten des Kündigenden (MietSlg 33.405; Würth, aaO, Rz 3 zu § 33 MRG). Bei der Entscheidung der Frage, welcher Kündigungsgrund geltend gemacht wurde, kommt es in erster Linie auf die Tatsachenbehauptungen an (WoBl 1991, 36). Im vorliegenden Fall hat nun die klagende Partei ihre Kündigung lediglich darauf gestützt, daß die aufgekündigte Wohnung nicht mehr zur Befriedigung eines regelmäßigen Wohnbedürfnisses des Mieters verwendet werde und daher jegliches schutzwürdige Interesse des Mieters an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses fehle. Da aber der Beklagte auch berechtigt ist, das Bestandobjekt zu Geschäftszwecken zu benützen, kann der Vermieter mit seiner lediglich auf die nicht regelmäßige Verwendung des Mietobjektes zu Wohnzwecken gestützten Aufkündigung nicht durchdringen, weil das Verhalten des Mieters trotz Nichtbenützung zu Wohnzwecken noch immer vertragskonform sein kann. Nur der Mangel jeglicher vertragskonformen regelmäßigen Benützung könnte der Kündigung zum Erfolg helfen und müßte sich die Aufkündigung somit auch auf die Nichtbenützung zu den vereinbarten oder gleichwertigen geschäftlichen Zwecken (§ 30 Abs 2 Z 7 MRG) stützen. Wenngleich die Tatsachenbehauptungen des Vermieters nicht kleinlich gesehen werden dürfen (Würth, aaO, Rz 3 zu § 33 MRG), müßte der Vermieter, wenn er dem Mieter die Wohnung zu Geschäfts- und Bürozwecken überläßt, den Mangel jeglicher vertragskonformen regelmäßigen Benützung geltend machen. Der erkennende Senat schließt sich insoweit der vom 41.Senat des LGZ Wien in MietSlg 42.337 vertretenen Rechtsansicht an. Wenngleich das gegenständliche Bestandobjekt - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - im Sinne der Abgrenzungsregel des § 16 Abs 1 Z 1 MRG als Wohnung anzusehen ist und die nicht vertragskonforme Benützung einer Wohnung zum vereinbarten Zweck primär durch den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG abgedeckt wird, bedeutet dies nicht, daß nicht auch jener des § 30 Abs 2 Z 7 MRG unter Umständen herangezogen werden könnte, weil § 30 Abs 2 Z 7 MRG von "Räumlichkeiten" spricht, worunter ohne Zweifel auch Wohnungen zu verstehen sind.

Da die klagende Partei aber nicht geltend gemacht hat, daß der Beklagte das Bestandobjekt auch nicht zu der im Vertrag bedungenen geschäftlichen Betätigung regelmäßig verwende, war in Stattgebung der Revision die Kündigung aufzuheben und das Klagebegehren abzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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