OGH 3Ob52/98p

OGH3Ob52/98p6.5.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma T*****OEG,***** vertreten durch MMag.Dr.Peter E.Pescoller, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Firma P***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Walser, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 93.199,92 samt Anhang, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 10. Dezember 1997, GZ 2 R 571/97b-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 7. August 1997, GZ 14 C 34/97g-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird aufgehoben.

Die Rechtssache wird an das Berufungsgericht zur (allenfalls nach Verhandlung zu fällender) neuerlichen Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind wie weitere Kosten des Berufungsverfahrens zu behandeln.

Text

Begründung

Die Klägerin arbeitete zunächst mit einer Firma H***** zusammen. In der Folge war es aber so, daß die Beklagte, insbesondere Heinrich P***** für die Beklagte, separate Aufträge für Zusatzarbeiten erteilte, und zwar für Elektroarbeiten in top 1, 3 und 4. Diese Arbeiten wurden im Betrag von S 43.832,40 der Beklagten in Rechnung gestellt. Am 11.9.1996 bezahlte sie an die Klägerin den Betrag von S 42.517,43, einen Skontobetrag von S 1.314,97 behielt sie ein.

Unabhängig davon steht die top 3 im Haus K*****straße 12 in I***** im Eigentum der Beklagten. Ing.Heinrich P***** trat, wobei er sich als Gschäftsführer der Beklagten vorstellte, an Peter T*****, einen "Miteigentümer" der Klägerin, mit der Bitte heran, auch für diese "top" spezielle Elektroinstallationen und auch Beleuchtungen durchzuführen und einzubauen. In weiterer Folge führten Arbeiter der Klägerin bei der Baustelle sowohl die Elektroinstallationen als auch die Anbringung der einzelnen Beleuchtungen durch, wobei Ing.P***** immer wieder Änderungswünsche äußerte und diesen auch entsprochen wurde. Nach Fertigstellung der gesamten Arbeiten erklärte er, daß die Arbeiten zu seiner Zufriedenheit durchgeführt wurden und es stellte sodann die Klägerin an die Beklagte die Rechnungen vom 21.9.1996 (Beilagen B und C). Daraufhin kam es auf Wunsch von Ing.P***** zu einem neuerlichen Treffen mit den Gesellschaftern der Klägerin, wobei die einzelnen Positionen durchgegangen wurden und es sagte daraufhin Ing.P***** für die Beklagte die Zahlung des gewünschten Betrages, insgesamt S 93.199,92 innerhalb einer Woche zu. Seit 5.10.1996 sind die Beträge fällig. Nicht festgestellt werden konnte, daß die Klägerin andere als von Ing.P***** gewünschte Lampen installierte.

Nach geringfügiger Klagseinschränkung begehrt die Klägerin den zuletzt genannten Betrag. Sie brachte hiezu im wesentlichen vor, daß sie vom damaligen Geschäftsführer der Beklagten, Heinrich P*****, damit beauftragt worden sei, deren Büro elektrisch auszustatten bzw die Beleuchtung zu montieren und zu liefern. Nach Abschluß der Baustelle seien die Leistungen in Rechnung gestellt worden. Mit Heinrich P***** seien dann die Rechnungen durchgegangen worden. Zum Abschluß habe er erklärt, die Rechnung nochmals prüfen zu wollen. Er werde dann innerhalb einer Woche das Geld auf das Konto der Klägerin überweisen.

Ergänzend brachte die Klägerin noch vor, daß Ing.Heinrich P***** den Auftrag für die Beklagte erteilt hatte. Es seien weder schriftlich Bemängelungen geltend gemacht worden. Das Klagebegehren stütze sich auch auf ein Anerkenntnis.

Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, daß, nachdem der ursprüngliche Generalunternehmer in Zahlungsschwierigkeiten geraten wäre, in der Folge die Beklagte der Klägerin einen separaten Auftrag für Zusatzarbeiten erteilt habe, wofür der Rechnungsbetrag von S 43.832,40 abzüglich eines Skontos auch von der Beklagten bezahlt worden sei. Darüber hinausgehende Aufträge seien nicht erteilt worden. Die Rechnung vom 8.8.1996 habe Elektroarbeiten, unter anderem auch in top 3 beinhaltet. Der Rechnungsbetrag sei nicht in einzelne Leistungen aufgelistet gewesen. Es sei für die Beklagte nicht ersichtlich, welche der Einzelleistungen in den Rechnungen vom 21.9.1996 in der Rechnung vom 8.8.1996 bereits enthalten seien. Weiters seien die Leistungen in den letztgenannten Rechnungen weit überhöht. Sie seien auch nicht nachvollziehbar. Zudem habe die beklagte Partei keinerlei Lieferscheine zugestellt bekommen. Schließlich habe die Klägerin noch andere Lampen installiert, als von der Beklagten in Auftrag gegeben worden seien. Trotz Aufforderung habe die Klägerin keinen Nachweis darüber erbracht, wie sich die Kosten über die nicht gewünschten Lampen zusammensetzten.

Abgesehen von einer unangefochten gebliebenen Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens gab das Erstgericht dem Klagebegehren statt. Es traf im wesentlichen die eingangs wiedergegebenen Feststellungen, die es rechtlich dahin würdigte, daß Ing.Heinrich P***** der Klägerin gegenüber stets als verantwortlicher Bauleiter bzw Geschäftsführer der Beklagten aufgetreten sei. Die Klägerin habe sämtliche gewünschten Leistungen und Materialien erbracht. Zudem habe Ing.Heinrich P***** für die Beklagte den gesamten Rechnungsbetrag anerkannt. Als Unternehmen habe die Beklagte dieses Anerkenntnis gegen sich gelten zu lassen.

Der (erkennbar) gegen den stattgebenden Teil des Urteils gerichteten Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil Folge. Es änderte das Ersturteil dahin ab, daß es die Klage zur Gänze abwies. Das Berufungsgericht holte von Amts wegen einen Firmenbuchauszug betreffend die Beklagte ein und stellte ergänzend fest:

Ing.Heinrich P***** ist weder aktuell Geschäftsführer der Beklagten noch war er bis zur Zeit der Auftragserteilungen betreffend jene klägerischen Werkleistungen, welche mit den dieser Klagsführung zugrundeliegenden Rechnungen Beilagen B und C fakturiert wurden.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, daß sich herausgestellt habe, daß die Behauptung, Ing.Heinrich P***** wäre zur Zeit der Auftragserteilungen Geschäftsführer der Beklagten gewesen, unzutreffend sei. Behauptungen in Richtung einer Anscheinsvollmacht seien nicht aufgestellt worden. Es stehe auch nicht fest, daß Ing.Heinrich P***** zur Abgabe eines Anerkenntnisses zu Lasten der Beklagten bevollmächtigt gewesen sei. Eine überraschende Rechtsansicht liege nicht vor, weil es sich bei der Frage, ob Ing.Heinrich P***** Geschäftsführer der Beklagten gewesen sei, um eine reine Tatfrage handle bzw jedermann klar sein müsse, daß jemand, der nicht Geschäftsführer einer GmbH sei, diese GmbH ohne spezielle (Anscheins-)Vollmacht nicht gültig verpflichten könne. Die Prozeßleitungspflicht nach § 182 f ZPO gehe keinesfalls so weit, eine anwaltlich vertretene klagende Partei für den Fall, daß sich ihr zunächst erhobenes Tatsachenvorbringen als unzutreffend herausstellen sollte, zu einem geänderten anspruchsbegründenden Tatsachenvorbringen anzuleiten. Mit ihren "übrigen" Berufungsausführungen werde die Berufungswerberin auf diese Entscheidung verwiesen.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei und begründete dies damit, daß vornehmlich Tatfragen des konkreten Einzelfalles zu klären gewesen seien.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin mit dem Hauptantrag, es dahin abzuändern, daß "dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben werde". Hilfsweise stellt die Klägerin einen Aufhebungsantrag.

Insbesondere zur Zulässigkeit der Revision macht die Klägerin geltend, daß [in erster Instanz] niemand bestritten habe, daß Ing.Heinrich P***** für die beklagte Partei vertretungsbefugt sei. Die Klägerin sei ihrer Behauptungs- und Beweislast genügend nachgekommen. Jedenfalls hätte aber das Berufungsgericht das Vorliegen einer Anscheinsvollmacht prüfen müssen. Zudem übersehe das Berufungsgericht, daß in ON 9 ergänzend vorgebracht worden sei, daß Ing.Heinrich P***** für die beklagte Partei die klagsgegenständlichen Aufträge erteilt habe, also nicht als Geschäftsführer. Die Beklagte habe auch bisher noch nie eingewendet, Ing.Heinrich P***** sei nicht berechtigt gewesen, die streitgegenständlichen Aufträge namens der Beklagten zu erteilen. Das Berufungsgericht habe Beweise zur Geschäftsführereigenschaft des Ing.Heinrich P***** eingeholt, obwohl dieser Punkt gar nicht angefochten und vom Erstgericht auch nicht festgestellt worden sei. Die Frage der Berechtigung desselben sei daher mangels Anfechtung in Teilrechtskraft erwachsen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und auch im Sinne ihres Aufhebungsantrages berechtigt.

Die Zulässigkeit der Revision scheitert ungeachtet der Tatsache, daß wiederholt im Verfahren auch von "Aufträgen" (im Plural) die Rede ist, nicht an die Revisionsgrenze von S 50.000 nach § 502 Abs 2 ZPO. Die Klägerin hat sich von Anfang an (ausdrücklich in ON 5) darauf berufen, daß sie einen Werkauftrag für die elektrische Ausstattung eines Büros und die Montage und Lieferung der Beleuchtung erhalten habe. Nichts anderes ergibt sich auch aus dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt, der auch in der Berufung insoweit unbekämpft blieb. Die Tatsache, daß zwei getrennte Rechnungen gelegt wurden, vermag daher nicht die Annahme zu begründen, es handle sich um den Werklohn für mehrere Werkverträge, sodaß es gar nicht des Rückgriffs auf § 55 Abs 1 JN bedarf.

Wenn auch nicht gegen das Gebot der Wahrung der Teilrechtskraft verstoßen wurde, hat das Berufungsgericht dennoch in Abweichung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Grenzen der im Rahmen der von der Beklagten in der Berufung erhobenen Rechtsrüge zugewiesenen Überprüfungsmöglichkeit des Ersturteils überschritten.

Der Oberste Gerichtshof hält zwar grundsätzlich daran fest, daß infolge einer gesetzmäßigen Rechtsrüge die rechtliche Beurteilung durch die Unterinstanz allseitig zu überprüfen ist (SZ 52/192; SZ

53/75; SZ 54/133; SZ 56/107 = ÖBl 1983, 162; 4 Ob 2341/96k [insoweit

nicht veröffentlicht in ecolex 1997, 344 = KRES 5/141] uva), ist es

ebenso einhellige Rechtsprechung, daß ein Rechtsmittelgericht an eine Beschränkung der Klagegründe (und Einwendungen) durch den Rechtsmittelwerber gebunden ist (EvBl 1985/154; MR 1987, 221; ÖBl 1992, 21 = SZ 65/23; Kodek in Rechberger, ZPO Rz 9 zu § 471 und Rz 5 zu § 503). Im vorliegenden Fall weist die Klägerin in ihrer Revision zu Recht darauf hin, daß die Beklagte nicht nur eine Auftragserteilung durch sie in erster Instanz nie bestritten, dazu noch selbst vorgebracht hat, daß die Klägerin andere Lampen als von ihr in Auftrag gegeben installiert habe, und überdies in der Berufung das Zustandekommen eines Werkvertrages gar nicht bekämpft hat. Während es in der Mehrzahl der bisherigen Entscheidungen darum ging, daß bestimmte Anspruchsgrundlagen in höherer Instanz vom Rechtsmittelwerber (schlüssig) fallen gelassen wurden, ist gerade in den beiden jüngsten der zitierten Entscheidungen vom Obersten Gerichtshof klargestellt worden, daß es dem Rechtsmittelgericht verwehrt ist, eine Rechtsfrage von Amts wegen aufzugreifen, wenn (wie im Fall SZ 65/23) die in zweiter Instanz unterlegene Beklagte bezüglich eines von mehreren Klagebegehren in der Revision nicht mehr Stellung nimmt bzw wenn (wie im Fall 4 Ob 2341/96k) die Beklagten in ihrer Berufung den in erster Instanz erhobenen Einwand eines Gewährleistungsverzichtes der Klage gegenüber nicht mehr aufrecht erhalten haben.

Dementsprechend hätte das Berufungsgericht die Frage des Zustandekommens des Werkvertrages und die damit zusammenhängende Vorfrage der Geschäftsführereigenschaft des Zeugen Ing.P***** keinesfalls von Amts wegen aufgreifen dürfen.

Aufgrund ihrer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht hat sich die zweite Instanz mit der Berufung der Beklagten nicht weiter befaßt, was nunmehr von ihr nachzuholen sein wird, weil eine Entscheidung in der Sache durch den Obersten Gerichtshof angesichts der in der Berufung erhobenen Tatsachen- und Mängelrüge nicht möglich ist. Auch wenn in erster Instanz von der Beklagten eine konkrete Behauptung, zwischen den Parteien sei vereinbart worden, zur Überprüfung der Rechnungen werde die Klägerin ihre Eingangsrechnungen übergeben, nicht aufgestellt wurde, wird doch zumindest sinngemäß die Fälligkeit mit der Behauptung bestritten, es seien mangels Lieferscheine die Rechnungen nicht nachvollziehbar.

In diesem Zusammenhang ist auch die - bekämpfte - Feststellung von Bedeutung, Ing.Heinrich P***** habe namens der Beklagten, nachdem er mit den Gesellschaftern der Klägerin die einzelnen Positionen der Rechnung durchgegangen sei, die Zahlung des gewünschten Betrages innerhalb einer Woche zugesagt. Dadurch wäre nämlich die schon in erster Instanz behauptete mangelnde Nachvollziehbarkeit der Rechnungen widerlegt. Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt ist aber die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil die Unschlüssigkeit des Klagebegehrens keinesfalls daraus abgeleitet werden kann, daß die Klägerin der Beklagten gegenüber neben den klagsgegenständlichen Rechnungen auch noch eine Pauschalrechnung gestellt hat. Wie die Beklagte selbst einräumt, sind ja die hier geltend gemachten Rechnungen detailliert, während die Rechnung Beilage A bereits bezahlt wurde. Eine konkrete Behauptung, daß Leistungen doppelt verrechnet worden wären, wurde in erster Instanz niemals aufgestellt.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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