OGH 7Ob68/98w

OGH7Ob68/98w26.3.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** GmbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Peter Waizer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei F***** AG & Co KG, ***** vertreten durch Dr. Bernhard Hämmerle, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 59.308 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 24.Oktober 1997, GZ 2 R 505/97x-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hall i.T. vom 16.Juni 1997, GZ 4 C 1597/96g-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.871,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 811,84 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin führte im Auftrag der Beklagten für das Bauvorhaben in I*****, M*****-Straße *****, Heizungs-, Lüftungs- und Installationsarbeiten durch. Die sich auf das Bauwesen beziehenden ÖNormen wurden - sofern im Schlussbrief nichts anderes bestimmt wurde - als Vertragsgrundlage vereinbart. Die Schlussrechnung vom 1.7.1994 über S 1,790.880 korrigierte die Beklagte nach Rechnungsprüfung auf S 1,707.328. Weiters zog der Rechnungsprüfer für Stromaufwendungen der Beklagten S 1.500 und - von der Klägerin verursachten - Aufwand für Glasbruch von S 27.031 ab, so dass sich einschließlich aller Abzüge eine korrigierte Rechnungssumme von S 1,678,797 ergab. Die mit diesen Korrekturen versehene Schlussrechnung übermittelte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 10.8.1994. In diesem Schreiben ersuchte die Beklagte auch um eine Bankgarantie über S 51.220 für den Haftrücklass. Die Klägerin übermittelte der Beklagten mit Schreiben vom 16.8.1994 die gewünschte Bankgarantie und führte darin weiter aus:

"Wenn wir vorerst von der geprüften Endsumme unserer oben genannten Rechnung in Höhe von S 1,705.828 ausgehen und von dieser Summe den Haftrücklass in Höhe von S 51.220 abziehen, erhalten wird einen bisher sicher fälligen Betrag von S 1,654.608. Bei einer vereinbarten Skontohöhe von 3 % würde sich dieser Betrag auf S 1,604.969,76 als Zahlbetrag ermäßigen. Wir haben von Ihnen aber bisher (einschließlich des Schecks vom 15.6.1994) lediglich S 1,578.749,69 erhalten. Wir bitten um Überprüfung unserer Feststellungen und um Überweisung des Fehlbetrages."

Die Beklagte leistete insgesamt Zahlungen von S 1,578.749,69 bis 16.8.1994 (Buchung des letzten Teilbetrages von S 633.969,69 auf das Konto der Klägerin laut Verrechnungsscheck vom 11.8.1994).

Mit Schreiben vom 27.10.1994 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie die Rechnungskorrektur nicht akzeptiere. Abzüge von netto S 54.222 würden nicht anerkannt. Davon seien 8,85 % laut Schlussbrief abzuziehen, wobei sich zuzüglich 20 % Umsatzsteuer und S 40 Kosten der offene Restbetrag von S 59.308 ergebe.

Zum Zeitpunkt der Abfassung des Schlussbriefes war die ÖNorm A 2060 idF vom 1.1.1983 gültig. Deren maßgeblicher Abschnitt 2.13 (Zahlung) lautete wie folgt:

2.13.1.4

Weicht eine Zahlung vom Rechnungsbetrag ab, so hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer spätestens bei der Zahlung die Gründe hiefür bekanntzugeben. Sind zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Schluss- oder Teilschlussrechnung noch Positionen strittig, so darf aus diesem Grund der unbestrittene Teil der Zahlung vom Auftraggeber nicht zurückgehalten werden.

2.13.2 (Annahme der Zahlung, Vorbehalt)

Die Annahme der Schlusszahlung aufgrund einer Schluss- oder Teilschlussrechnung schließt nachträgliche Forderungen für die vertragsgemäß erbrachten Leistungen aus, wenn nicht ein Vorbehalt in der Rechnung enthalten ist oder binnen sechs Wochen nach Erhalt der Zahlung schriftlich erhoben wird. Der Vorbehalt ist schriftlich zu begründen.

2.13.3 (Geltendmachung von Nachforderungen und Überzahlungen)

Wurde ein Vorbehalt gemäß Abschnitt 2.13.2 erhoben oder sind Überzahlungen erfolgt, können die entsprechenden Forderungen, sofern im Vertrag oder in den vereinbarten ÖNormen nichts anderes festgelegt ist, noch innerhalb der jeweiligen Verjährungsfrist geltend gemacht werden.

Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 10.11.1994 weitere Zahlungen ab und wies darauf hin, dass die sechswöchige Frist bereits am 26.9.1994 abgelaufen sei, das Nachforderungsschreiben aber vom 27.10.1994 datiere.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von S 59.308 sA. Die Beklagte schulde diesen Restbetrag aus der Schlussrechnung vom 1.7.1994. Die Klägerin habe die aufgrund der Schlussrechnung von der Beklagten geleistete Zahlung nicht vorbehaltslos angenommen. Bereits mit Schreiben vom 16.8.1994 sei ein Vorbehalt zu den von der Beklagten vorgenommenen Rechnungskorrekturen ausgesprochen worden. Mit Schreiben vom 27.10.1994 habe die Klägerin zu den unberechtigten Abzügen der Beklagten ausführlich Stellung genommen. Die Beklagte habe den Abzug weder bei der Zahlung noch sonst irgendwann begründet. Die Vorbehaltsfrist habe daher gar nicht zu laufen begonnen. Überdies betrage die Vorbehaltsfrist nach der ÖNorm 2060 idF vom 20.3.1995 drei Monate.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin habe die korrigierte Schlussrechnung mit Schreiben vom 16.8.1994 vorbehaltslos angenommen. Spätere Vorbehalte seien erst außerhalb der dafür in Punkt 2.13.2 der ÖNorm A 2060 idF vom 1.1.1983 vorgesehenen Frist von sechs Wochen erhoben worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Klägerin habe gegen die ihr am 10.8.1994 übermittelte Rechnungskorrektur erst mit Schreiben vom 27.10.1994 Vorbehalte erhoben. Im Schreiben vom 16.8.1994 sei die Klägerin selbst (vorerst) von der korrigierten Rechnungssumme ausgegangen und habe jedenfalls keinen begründeten Vorbehalt gegen die Abzüge gemacht. Die Klägerin habe die (Rest-)Zahlung angenommen, ohne fristgerecht Vorbehalte zu erheben. Nachforderungen seien ausgeschlossen, weil die genannte Bestimmung der ÖNorm A 2060 dahin auszulegen sei, dass auch die Nachforderung von in der Schlussrechnung bereits enthaltener Rechnungsposten ausgeschlossen sei, wenn der Aufttragnehmer gegen einen solchen Abzug des Auftraggebers nicht fristgemäß einen Vorbehalt ausgesprochen habe.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Der Oberste Gerichtshof habe in der Entscheidung 6 Ob 566/95 (ecolex 1995, 891) Punkt 2.13.2 und 3 der ÖNorm 2060 idF vom 1.1.1983 nach ihrem Zweck, die Rechtslage bei Bauprojekten mit zumeist hohen Auftragssummen möglichst innerhalb kurzer Zeit zu klären und die gesetzliche Verjährungsfristen abzukürzen, dahin ausgelegt, dass jede Forderung, die über die vom Auftragnehmer angenommene Schlusszahlung des Auftraggebers hinausgehe, um nachgefordert werden zu können, rechtzeitig vorbehalten werden müsse. Es komme nicht darauf an, ob die entsprechende Forderung bereits verrechnet worden sei oder nicht. Die Bestimmung gelte daher auch für den Fall, dass der Auftraggeber vom Schlussrechnungsbetrag Abzüge vorgenommen und entsprechend weniger gezahlt, der Auftragnehmer aber auch diese Schlusszahlung (vorbehaltlos) angenommen habe. Der dagegen in der Entscheidung 5 Ob 516/95 (ecolex 1995, 890) vertretenen Auffassung, unter den "nachträglichen Forderungen" im Sinne des Punktes 2.13.2 der ÖNorm A 2060 idF vom 1.1.1983 seien nur solche zu verstehen, die noch nicht im Schlussrechnungsbetrag enthalten gewesen seien, sei nicht zu folgen, weil sie dem Zweck der Bestimmung nicht gerecht werde. Auch die Vorgängerbestimmung in § 3 Punkt 10 der ÖNorm B 2110 idF vom 1.5.1947 und in der Nachfolgebestimmung in Punkt 2.17.2 der ÖNorm A 2060 idF vom 1.3.1995 sprächen für diese Auslegung.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der Klägerin erhobene Revision ist zulässig, weil die hier maßgebende ÖNorm A 2060 idF vom 1.1.1983 noch zahlreichen offenen Bauwerkverträgen zugrundeliegt, so dass ihr ungeachtet ihrer Neufassung am 1.3.1995 noch immer erhebliche Bedeutung zukommt; sie ist jedoch nicht berechtigt.

In seiner Entscheidung 6 Ob 566/95 (ecolex 1995, 891) hat der 6.Senat des Obersten Gerichtshofes zu dem hier maßgebenden Abschnitt 2.13 (Zahlung) der ÖNorm A 2060 idF vom 1.1.1983 folgendes ausgeführt:

"ÖNormen sind, soweit sie nicht durch konkrete Rechtsvorschriften für verbindlich erklärt wurden, rechtlich nichts weiter als Vertragsschablonen; es steht den Vertragspartnern frei, sie zu vereinbaren oder nicht, das heißt sie werden - ihrer Rechtsnatur als AGB entsprechend - nur dann zum Vertragsgegenstand, wenn die Vertragsparteien ihre Geltung - zumindest konkludent - vereinbart haben (Krejci in Rummel, ABGB2 Rz 23 zu §§ 1165, 1166; Rummel in Rummel aaO Rz 12 zu § 861; Larcher, Die neuen ÖNormen des Verdingungswesens A 2060 und B 2110, RdW 1984, 166 ff [168]; SZ 46/79; HS 10.553 mwN). Da es sich hiebei weder um die von einer der Vertragsparteien aufgestellten AGB handelt, noch um das Ergebnis von Vertragsverhandlungen der Parteien, sondern um "kollektiv" gestaltete Vertragsbedingungen, die von dritter Seite - dem Österreichischen Normungsinstitut - herausgegeben werden, sind ihre Bestimmungen objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut, das heißt unter Verzicht auf außerhalb des Textes liegende Umstände, gemäß § 914 ABGB auszulegen; sie sind daher so zu verstehen, wie sie sich einem durchschnittlichen Angehörigen des angesprochenen Adressatenkreises erschließen (Larcher aaO; SZ 63/51 mwN). Im Zweifel bildet die Übung des redlichen Verkehrs einen wichtigen Auslegungsbehelf (JB 1972, 200).

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die in Rede stehende Bestimmung nicht im Abschnitt 2.12 "Rechnungslegung", sondern im Abschnitt 2.13 "Zahlung" enthalten ist, wo bereits unter 2.13.1.4 dem Auftraggeber die Verpflichtung auferlegt wird, dass er im Fall des Abweichens seiner Zahlung vom Rechnungsbetrag dem Auftragnehmer spätestens bei der Zahlung die Gründe hiefür bekanntzugeben hat. Überschrift und Wortlaut des Abschnittes 2.13.2 knüpfen sodann die Rechtsfolge des Ausschlusses von Nachforderungen ausschließlich an die Annahme der Schlusszahlung aufgrund einer Schluss- oder Teilschlussrechnung und das Unterbleiben eines entsprechenden Vorbehalts an, wobei ein solcher vom Auftragnehmer bereits in die Rechnung aufgenommen werden kann, sonst aber binnen sechs Wochen nach Erhalt der Zahlung schriftlich erhoben und begründet werden muss. Die in der Bestimmung und in der Überschrift der damit zusammenhängenden Regelung des Abschnittes 2.13.3 synonym gebrauchten Begriffe "nachträgliche Forderungen" und "Nachforderungen" beziehen sich daher unmissverständlich auf die vom Auftragnehmer angenommene Schlusszahlung des Auftraggebers; alles was über diese Summe hinausgeht und noch "nachgefordert" werden soll, muss rechtzeitig "vorbehalten" werden, ohne dass es darauf ankommt, ob die entsprechende Forderung bereits verrechnet wurde oder nicht. Die Bestimmung gilt daher auch für den Fall, dass der Auftraggeber vom Schlussrechnungsbetrag Abstriche vorgenommen und entsprechend weniger bezahlt, der Auftragnehmer aber auch diese geringere Schlusszahlung angenommen hat (Larcher aaO 237). Zweck dieser Bestimmung ist es, wie sich auch aus jener des Abschnittes 2.13.3 ergibt, die Rechtslage bei Bauprojekten mit zumeist hohen Auftragssummen möglichst innerhalb kurzer Frist zu klären und zu diesem Zweck die gesetzlichen Verjährungsfristen abzukürzen (vgl WBl 1988, 402); der Auftraggeber soll zu einem möglichst frühen Zeitpunkt das gesamte Ausmaß seiner Verpflichtungen überschauen und erfahren können (so schon JBl 1972, 200 zur entsprechenden Vorgängerbestimmung des § 3 Punkt 10 der ÖNorm B 2110 idF vom 1.5.1947, welche übrigens sogar ausdrücklich angeordnet hatte, dass früher gestellte, aber unerledigte Forderungen nochmals vorbehalten werden müssen). Die ÖNorm A 2060 idF vom 1.3.1995 regelt die Annahme der Zahlung und den Vorbehalt nunmehr in Abschnitt 2.17.2 und sieht ausdrücklich vor, dass die Bestimmung auch im Falle des Abweichens der Schlusszahlung vom Rechnungsbetrag gilt. Nach dem Wortlaut und Sinn ist aber auch die erwähnte Bestimmung der ÖNorm A 2060 idF 1.1.1983 dahin zu verstehen, dass der Auftragnehmer im Falle der Annahme einer vom Rechnungsbetrag abweichenden Schlusszahlung des Auftraggebers den Fehlbetrag nur dann nachfordern kann, wenn er diesbezüglich binnen sechs Wochen nach Erhalt der Zahlung einen begründeten schriftlichen Vorbehalt erhoben hat."

Eine andere Auslegung fand der 5.Senat in seiner Entscheidung 5 Ob 516/95 (ecolex 1995, 890). Nach Punkt 2.13.2 der ÖNorm A 2060 idF vom 1.1.1983 schließe die vorbehaltslose Annahme der Schlusszahlung "nachträgliche" Forderungen für vertragsgemäß erbrachte Leistungen aus. Die Bestimmung betreffe aber nur den Leistungsumfang, so dass ein allfälliger Irrtum über die Vollständigkeit des in Rechnung gestellten Leistungsumfanges nur innerhalb der Frist von sechs Wochen "rechtzeitig" (im Sinne des § 871 ABGB) aufgeklärt werden könne; hingegen werde die nachträgliche Geltendmachung eines Restbetrages aus dem Grunde der unvollständigen Zahlung einer Schluss- oder Teilschlussrechnung hinsichtlich des Differenzbetrages, nämlich der Minderzahlung, durch diese Bestimmung nicht ausgeschlossen. Es gehe nicht um eine "nachträgliche" Forderung, die noch nicht in dem Rechnungsbetrag enthalten gewesen sei. Die Vermeidung von Beweisschwierigkeiten durch eine rasche Klarstellung des Sachverhaltes sei nur hinsichtlich des Umfanges von vertragsgemäß erbrachten Leistungen sinnvoll; vergleichbare Beweisschwierigkeiten über das Ausmaß einer Minderzahlung, die innerhalb der Frist von sechs Wochen geklärt werden müssten, seien hingegen nicht zu befürchten, weil sich das Ausmaß der Minderzahlung ohne jede Beweisschwierigkeiten durch eine einfache Rechnung (Subtraktion) ermitteln lasse. Punkt 2.13.2 der ÖNorm A 2060 idF vom 1.1.1983 sei somit als eine Einschränkung der Frist zur allfälligen Geltendmachung eines Irrtums hinsichtlich der Vollständigkeit einer Schluss- oder Teilschlussrechnung zu verstehen, wodurch eine nachträgliche Rechnungslegung ausgeschlossen werde, nicht aber als Einschränkung der allgemeinen Verjährung für die Geltendmachung von in der Schluss- oder Teilschlussrechnung enthaltenen, jedoch noch nicht (gänzlich) abgedeckten Rechnungsposten.

Der erkennende Senat hat erwogen:

Punkt 2.13.2 der ÖNorm A 2060 idF vom 1.1.1983 schließt Nachforderungen für die vertragsgemäß erbrachten Leistungen nach der Annahme der Schlusszahlung aufgrund einer Schluss- oder Teilrechnung ohne fristgemäße Erhebung von Vorbehalten durch den Auftragnehmer aus; fristgemäß ist nach dieser Bestimmung ein Vorbehalt, der in der Schlussrechnung oder binnen sechs Wochen nach Erhalt der Zahlung schriftlich erhoben worden ist. Dass in der Schlussrechnung nicht enthaltene Leistungen nachgefordert werden können, kann aber, gesteht man dem Auftraggeber ein ernsthaftes Prüfungsrecht zu, nur in der Schlussrechnung wirksam erklärt werden. Der Vorbehalt bezieht sich dann darauf, dass trotz der Bezeichnung der Rechnung als Schlussrechnung noch mit bestimmten Nachforderungen zu rechnen ist. Soll die Unterlassung eines Vorbehalts nach Annahme einer (unvollständigen) Schlusszahlung Bereinigungswirkung haben, dann muss sich der Vorbehalt auf den nicht geleisteten Differenzbetrag beziehen, den der Auftraggeber gemäß Punkt 2.13.1.4 der ÖNorm A 2060 idF vom 1.1.1983 spätestens bei der Zahlung zu begründen hat. Pkt. 2.13.2 der ÖNorm A 2060 idF vom 1.1.1983 ist daher nach ihrem Wortlaut objektiv dahin aufzufassen, dass sie zwei verschiedene Tatbestände im Auge hat: den Fall, dass der Auftragnehmer - bewusst oder unbewusst - in die Schlussrechnung nicht alle Forderungen aufgenommen hat, wobei der Vorbehalt dann schon in die Schlussrechnung aufgenommen werden muss, und jenen Fall, dass der Auftraggeber vom Schlussrechnungsbetrag Abzüge vornimmt; nur in diesem Falle ergibt die Forderung nach einem fristgerechten Vorbehalt innerhalb einer bestimmten Frist nach der Zahlung einen Sinn (vgl hiezu Larcher, Die neuen ÖNormen des Verdingungswesens A 2060 und B 2110, RdW 1984, 237). Angehörige des durch diese Normen angesprochenen Adressatenkreises werden die Bestimmung nicht dahin verstehen, dass der Auftragnehmer, der in der Schlussrechnung keine Vorbehalt von Nachforderungen gemacht hat, noch sechs Wochen nach Erhalt der Zahlung des Entgelts für in der Schlussrechnung nicht enthaltene Leistungen vorbehalten wird, weil das dem Zweck widersprechen würde, es dem Auftraggeber schon zu einem möglichst früheren Zeitpunkt zu ermöglichen, das gesamte Ausmaß seiner Verpflichtung zu überschauen. Auch aus der Formulierung der Nachfolgebestimmung in Punkt 2.17.2 der ÖNorm A 2060 idF vom 1.3.1995, die sich an den Anschauungen in den davon angesprochenen Bau- und Nebengewerben orientiert, und ausdrücklich vorsieht, dass die Bestimmung auch im Fall des Abweichens der Schlusszahlung vom Rechnungsbetrag gilt, spricht für diese Auslegung der hier anzuwendenden Bestimmung.

Die gewählte Auslegung gibt Punkt 2.13.2 der ÖNorm A 2060 idF vom 1.1.1983 auch nicht einen Inhalt, der gegen § 879 Abs 3 ABGB verstoßen würde. Nach dieser Bestimmung ist eine in allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles einen Teil gröblich benachteiligt. Die wichtigste Anwendungsgruppe dieser Bestimmung sind Verschlechterungen der Rechtsdisposition des Vertragspartners des Verwenders von allgemeinen Geschäftsbedingungen durch Abweichen vom dispositiven Recht. Insbesondere kann eine Abweichung vom dispositiven Recht in Vertragsformblättern dann eine solche gröbliche Benachteiligung sein, wenn sich für die Abweichung keine sachliche Rechtfertigung finden lässt (Krejci in Rummel, ABGB2 Rz 240 zu § 879 mwN). Die Abweichung vom dispositiven Recht, das nur Verjährung und Verwirkung als Einwand gegenüber einer an sich berechtigten Werklohnforderung aus der Schlussrechnung kennt, die darin besteht, dass der Auftragnehmer gegenüber der begründeten verkürzten Schlusszahlung binnen einer bestimmten Frist Vorbehalte anzumelden hat, um den entsprechenden Werklohnanspruch nicht zu verlieren, ist aber sachlich gerechtfertigt, bezweckt doch Punkt 2.13.2 der ÖNorm A 2060 idF vom 1.1.1983 gerade, die Rechtslage bei Bauprojekten mit zumeist hohen Auftragssummen möglichst innerhalb kurzer Frist zu klären. Dem Auftragnehmer, der die Schlussrechnung erstellt, die vom Auftraggeber korrigierte und mit Gründen dafür versehene Schlussrechnung zurückgestellt und auch die verkürzte Schlusszahlung erhalten hat, ist es durchaus zumutbar, innerhalb von sechs Wochen nach Erhalt dieser Zahlung seine Vorbehalte gegen den Abzug schriftlich zu erheben, um seinen Anspruch auf Nachforderung des gekürzten Betrages nicht zu verlieren. Soweit der 3.Senat des Obersten Gerichtshofes in seiner Entscheidung 3 Ob 2327/96v (ecolex 1997, 87) es für möglich gehalten hat, dass der durch die genannten Bestimmungen fingierte Anspruchsverzicht nichtig nach § 879 Abs 3 sein könnte und dabei auf BGHZ 101, 357 und Peters in Staudinger, BGB13 Rz 10 zu § 641 (in der Entscheidung unrichtig § 100 BGB angeführt) verweist, ist dem entgegenzuhalten, dass nach Ansicht des BGH die - vergleichbare - Regelung des § 16 Nr 3 Abs 2 VOB/B über den Ausschluss von Nachforderungen bei vorbehaltsloser Annahme einer Schlussrechnung (nur) insoweit gegen § 9 dAGBG verstößt und unwirksam ist, so weit nicht die VOB/B "als Ganzes" vereinbart worden ist (BGHZ 101, 357), durch die "isolierte" Vereinbarung des § 16 Nr 3 Abs 2 VOB/B die bei gänzlicher Zugrundelegung dieser Bedingungen gegebene Ausgewogenheit des Vertragswerks also nicht gegeben ist und der Auftragnehmer dadurch benachteiligt wird.

Das Schreiben der Klägerin vom 16.8.1994 lässt keinen Vorbehalt gegen die Abzüge vom Entgelt der hier geltend gemachten Leistungen erkennen. Das Schreiben vom 27.10.1994 aber wurde schon außerhalb der 6-Wochen-Frist nach Erhalt der Zahlung verfasst. Mit Recht sind daher die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass die Klägerin keine Nachforderung mehr geltend machen kann.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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