OGH 3Ob2327/96v

OGH3Ob2327/96v10.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Michael Prager, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Georg-Christian Gass und Dr.Alexander M.Sutter, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 248.264,94 sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 6.Juli 1995, GZ 3 R 110/95-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 15.März 1995, GZ 17 Cg 286/94k-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 12.195 (darin enthalten S 2.032,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei erteilte der klagenden Partei den Auftrag zur Durchführung von Trockenbauarbeiten beim Bauvorhaben Landeskrankenhaus J*****. Das Angebotsschreiben wurde von der beklagten Partei als Auftraggeber unter Verwendung eines Vordrucks vorformuliert und erstellt; die beklagte Partei unterfertigte dieses Angebotsschreiben am 13.11.1990. Laut Punkt 5. sind Bestandteile dieses Angebotes ua "alle in Betracht kommenden, im ÖNORMEN-Verzeichnis enthaltenen Normen technischen Inhalts; alle ÖNORMEN mit vornormierten Vertragsinhalten für einzelne Sachgebiete, soweit die Leistung oder auch nur Teile (einzelne Positionen) derselben diese Sachgebiete betreffen; folgende ÖNORMEN: B 2110, Ausgabe 1.März 1983, B 2111, Ausgabe 1.Oktober 1981, B 2112, Ausgabe 1.Juli 1978, B 2113, Ausgabe 1.Juli 1978".

In der dem Angebotsschreiben als weiterer Bestandteil angeschlossenen Leistungsbeschreibung lautet Pos LG 01.01. der Allgemeinen Vorbemerkungen: "Vertragsnormen. Als Vertragsbestandteile gelten die ÖNORMEN B 2110, B 2111, B 2112 und B 2113 in jener Fassung, die zum Zeitpunkt des Endes der Angebotsfrist Gültigkeit hat". Die Vorbemerkungen zu den Besonderen Bestimmungen (Pos 03) lauten: "Die folgenden Bestimmungen gelten als Vertragsbestandteile. Sie beziehen sich auf die ÖNORM A 2060 (Ausgabe 1.Jänner 1983)".

Punkt 2.1.3 der Ö-Norm B 2110, Ausgabe 1983 (Allgemeine Vertragsbestimmungen für Bauleistungen, Werkvertragsnorm) lautet: "Die Bestimmungen der ÖNORM A 2060, Ausgabe Jänner 1983, Abschnitt 2, sind Vertragsbestandteil".

Punkt 2.13.2 "Annahme der Zahlung, Vorbehalt" der Ö-Norm A 2060, Ausgabe Jänner 1983 lautet: "Die Annahme der Schlusszahlung aufgrund einer Schluss- oder Teilschlussrechnung schließt nachträgliche Forderungen für die vertragsgemäß erbrachten Leistungen aus, wenn nicht ein Vorbehalt in der Rechnung enthalten ist oder binnen sechs Wochen nach Erhalt der Zahlung schriftlich erhoben wird. Der Vorbehalt ist schriftlich zu begründen".

Mit der Überwachung, Herstellung der Arbeiten und örtlichen Bauabwicklung betraute die beklagte Partei das Büro Dipl.Ing.E***** GmbH. Dipl.Ing.Dieter E***** wurde als Organ der beklagten Partei als Auftraggebers mit der örtlichen Bauabwicklung im Leistungsverzeichnis vorgestellt; er hatte die Funktion des Organs des Bauherrn im Rahmen des gesamten Vertragsverhältnisses (Außerstreitstellung AS 37). Der zuständige Sachbearbeiter und Ansprechpartner Ing.Gerhard B***** überprüfte auch die Schlussrechnung der klagenden Partei Nr.168/10/93 vom 19.10.1993, die Ing.Josef F*****, der seitens der klagenden Partei mit der Überwachung der Arbeiten betraut war, erstellt hatte. Ing.B***** korrigierte diese Schlussrechnung von S 3,385.499,09 auf S 2,156.810,72 zuzüglich 20 % Umsatzsteuer, d.s. S 2,588.172,86. Die beklagte Partei leistete aufgrund dieser korrigierten Schlussrechnung Zahlung. Nach Erhalt der korrigierten Schlussrechnung im Dezember 1993 nahm Ing.F***** mit Ing.B***** wegen eines Termins zur gemeinsamen Überprüfung dieser Abstriche Kontakt auf. Bei einer Besprechung am 4.2.1994 stellte Ing.B***** fest, daß Abstriche ungerechtfertigt vorgenommen worden seien; er sicherte der klagenden Partei zu, er werde mit der beklagten Partei wegen der Nachverrechnung Rücksprache halten; auf Punkt 2.13.2 der Ö-Norm A 2060 wurde nicht hingewiesen. Die klagende Partei erhob einen in dieser Bestimmung vorgesehenen Vorbehalt innerhalb offener Frist nicht, obwohl ihr dies damals noch möglich gewesen wäre. Nachdem Ing.F***** die Massenabrechnung überprüft hatte, wurden Ing.B***** die korrigierten Aufmaße übergeben. Die beklagte Partei reagierte darauf trotz mehrmaliger telefonischer Urgenz der klagenden Partei nicht. Darauf stellte die klagende Partei am 1.6.1994 ihre Nachforderung von S 206.887,45 zuzüglich 20 % Umsatzsteuer von S 41.377,49, insgesamt S 248.264,94 der beklagten Partei in Rechnung. Hiebei handelt es sich um Leistungen, die vom ursprünglichen Auftrag umfasst waren. Die klagende Partei hat diese Leistungen ordnungsgemäß erbracht. Die Summe der korrigierten Schlussrechnung vom 19.10.1993 und dieser Nachtragsrechnung liegt innerhalb des ursprünglichen Kostenrahmens. Die beklagte Partei lehnte mit Schreiben vom 13.6.1994 Zahlung mit Hinweis auf Punkt 2.13.2 der Ö-Norm A 2060 ab.

Die klagende Partei begehrt die Zahlung von S 248.264,94 sA laut Nachverrechnung vom 1.6.1994. Die beklagte Partei habe auf der Rechnung der klagenden Partei vom 19.10.1993 unberechtigte Abstriche vorgenommen; dies habe die klagende Partei sofort gerügt. Bei einer neuerlichen Überprüfung der Massen gemeinsam mit dem für die beklagte Partei handelnden Ing.B***** vom Zivilingenieurbüro Dipl.Ing.Dieter E***** GmbH seien die ungerechtfertigten Abstriche festgestellt worden. Ing.B***** habe der klagenden Partei nach einem Treffen am 24.2.1994 zugesichert, er werde mit der beklagten Partei Kontakt aufnehmen, um das Entgelt für die ungerechtfertigten Abstriche nachzuüberweisen. Die Bestimmungen der Ö-NORM A 2060 seien nie Vertragsinhalt geworden, insbesondere nicht deren Punkt 2.13.2, bei dem es sich überdies um eine Bestimmung ungewöhnlichen Inhalts gemäß § 864 a ABGB handle, die eine unübliche und für den Vertragspartner überraschende Nebenleistungspflicht begründen würde. Das von der beklagten Partei vorformulierte Anbotsschreiben enthalte eine Vielzahl von Ö-NORMEN, nicht jedoch die Ö-NORM A 2060 als ganzes; es würden nur einzelne Punkte der Ö-NORM A 2060 im Vertragstext erwähnt, nicht jedoch deren Punkt 2.13.2, auf den sich nun die beklagte Partei berufe. Im Bereich der Trockenausbauer und Innenausbauer sei die Anwendung der Vertrags-Ö-NORMEN die Ausnahme; regelmäßig würden nur die technischen Zertifikationen (Ausführungsnormen) den Vertragsverhältnissen zugrundegelegt.

Die beklagte Partei wendete ein, sie habe den sich aus der korrigierten Schlussrechnung der klagenden Partei vom 19.10.1993 ergebenden Betrag von S 2,588.172,86 bezahlt. Die weitere Forderung der klagenden Partei aufgrund einer Nachverrechnung werde unter Hinweis auf Punkt 2.13.2 der Ö-NORM A 2060 abgelehnt, weil die klagende Partei den darin vorgesehenen schriftlichen Vorbehalt nicht gesetzt habe.

Das Erstgericht gab der Klage - mit Ausnahme der in Rechtskraft erwachsenen Teilabweisung des über die gesetzlichen Zinsen in Höhe von 5 % hinausgehenden Zinsenmehrbegehrens - statt; es stellte den bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und vertrat die Rechtsansicht, es entspreche dem Willen der Vertragspartner, daß nur die unter Punkt 03 (Besondere Bestimmungen) der dem Angebotsschreiben beigeschlossenen Leistungsbeschreibung aufgelisteten Bestimmungen der Ö-NORM A 2060 Bestandteile des Vertrages werden, sohin deren Aufzählung taxativ erfolge. Wäre es von den Vertragspartnern beabsichtigt gewesen, die Ö-NORM A 2060 in ihrer Gesamtheit dem Vertragsverhältnis zugrundezulegen, dann hätte es dieser Aufzählung nicht bedurft, sondern genügt, wenn im Angebotsschreiben die Ö-NORM B 2110 zum Vertragsinhalt erklärt wird, weil diese Norm in Punkt 2.1.3 die Ö-NORM A 2060 als Vertragsbestandteil unternehme. Eine außerordentliche Auflistung einiger Bestimmungen der Ö-NORM A 2060 lasse darauf schließen, daß eben nur diese in den Vertrag aufgenommen würden. Da die Bestimmung Punkt 2.13.2 der Ö-NORM A 2060 im Vertragstext nicht angeführt sei, sei sie auch nicht Vertragsbestandteil geworden und könne sich die beklagte Partei nicht auf sie berufen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge und bestätigte dieses Urteil; es ließ die ordentliche Revision nicht zu, weil Rechtsfragen der im § 502 Abs 1 ZPO umschriebenen Art bei der Entscheidung nicht zu lösen gewesen seien. Das Berufungsgericht billigte die vom Erstgericht vorgenommene Auslegung der Vertragsurkunde nicht. Unstrittig sei nämlich die Geltung der Ö-NORM B 2110 vereinbart. In deren Punkt 2.1.3 werde darauf verwiesen, dass die Bestimmungen der Ö-NORM A 2060, Ausgabe Jänner 1983, Abschnitt 2, darunter also auch jene des Punktes 2.13.2, Vertragsbestandteil seien. Dass wegen der Nennung einzelner bestimmter Punkte der Ö-NORM A 2060 nur diese trotz des genannten Hinweises in der Ö-NORM B 2110, aber nicht die Ö-NORM A 2060 als ganzes gelten sollte, überzeuge nicht, handle es sich doch hiebei um die wesentlichen Ö-NORMEN des Bauvertragsrechts, zumal die Streitteile Kaufleute seien, sodass ihre Kenntnis dieser Bestimmungen vorauszusetzen sei. Nach der vom Berufungsgericht vorgenommenen Auslegung des hier zu beurteilenden Vertragswerks sei die Ö-NORM A 2060 vielmehr zur Gänze Vertragsbestandteil geworden. Hiemit sei aber für die Beklagte nichts gewonnen, weil die im Rahmen der rechtlichen Beurteilung vorzunehmende Auslegung auch des Punktes 2.13.2 der Ö-NORM A 2060 die beklagte Partei ihrer Verpflichtung zur Bezahlung der Klagsforderung nicht enthebe. Nach Punkt 2.13.2 der Ö-NORM A 2060 schließe die Annahme der Schlusszahlung aufgrund einer Schluss- oder Teilschlussrechnung nachträgliche Forderungen für vertragsgemäß erbrachte Leistungen aus, wenn nicht ein schriftlich zu begründender Vorbehalt in der Rechnung enthalten sei oder binnen sechs Wochen nach Erhalt der Zahlung schriftlich erhoben werde. Der Zweck dieser Bestimmung bestehe offensichtlich darin, dass sie Schutz vor überraschenden nachträglichen Forderungen gewähren solle, nämlich solchen, die in der Schlussrechnung (noch) nicht enthalten waren und hinsichtlich derer kein Vorbehalt gemacht worden war. Hier habe aber die von der klagenden Partei gelegte Schlussrechnung bereits den eingeklagten Betrag von S 248.264,94 enthalten; es habe diesbezüglich daher auch keines Vorbehalts bedurft. Es handle sich also nicht um eine nachträglich erhobene Forderung für vertragsgemäß erbrachte Leistungen. Diese Forderung sei der beklagten Partei nämlich aus der Schlussrechnung, weil darin enthalten, bereits bekannt, sodass hierauf die Bestimmungen des Punktes 2.13.2 der Ö-NORM A 2060 nicht anzuwenden seien. Die Beklagte könne sich daher nicht auf Verfristung des geltend gemachten Entgeltanspruchs der klagenden Partei berufen.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

ÖNORMEN sind, soweit sie nicht durch konkrete Rechtsvorschriften für verbindlich erklärt wurden, rechtlich nichts weiter als Vertragsschablonen; es steht den Vertragspartnern frei, sie zu vereinbaren oder nicht, d.h. sie werden - ihrer Rechtsnatur als AGB entsprechend - nur dann zum Vertragsgegenstand, wenn die Vertragsparteien ihre Geltung - zumindest konkludent - vereinbart haben (Krejci in Rummel, ABGB2, Rz 23 zu §§ 1165, 1166; Rummel in Rummel2, Rz 12 zu § 861; Larcher, Die neuen ÖNORMEN des Verdingungswesens A 2060 und B 2110, RdW 1984, 166 [168]; ecolex 1995, 891; SZ 46/79; HS 10.553 mwN).

Vertragsgrundlage ist ein von der beklagten Partei unter Verwendung eines Vordrucks vorformuliertes Angebotsschreiben, mit dessen Unterfertigung die klagende Partei den Auftrag zur Durchführung von Trockenbauarbeiten übernahm. Laut Punkt 5. dieses Angebotsschreibens ist ua die ÖNORM B 2110, Ausgabe 1.März 1983, Bestandteil dieses Angebotes. Diese ÖNORM sieht im Abschnitt 2 "Vertragsbestimmungen" unter Punkt 2.1.3 vor, dass die Bestimmungen der ÖNORM A 2060, Ausgabe Jänner 1983, Abschnitt 2, Vertragsbestandteil sind. Eine Parteienvereinbarung, wonach die Geltung dieser Bestimmungen eingeschränkt worden wäre, ist aus dem weiteren Inhalt des Angebotsschreibens nicht abzuleiten. Auch aus dem angeschlossenen Leistungsverzeichnis, insbesondere dem Abschnitt "0.3 Besondere Bestimmungen" ergibt sich nicht, dass die Geltung des Punktes 2.13.2 der ÖNORM A 2060 idF 1.1.1983 ausgeschlossen wurde. Der Umstand, dass in diesem Teil des Leistungsverzeichnisses einige Bestimmungen der ÖNORM A 2060 angeführt sind, nicht jedoch deren Punkt 2.13.2, lässt nicht den Schluss zu, dass dieser Punkt nicht Vertragsbestandteil wurde. Die bloße Hervorhebung einzelner Bestimmungen einer ÖNORM im Leistungsverzeichnis ist nicht als taxative Aufzählung der anzuwendenden Bestimmungen anzusehen, durch welche die an anderer Stelle vertraglich vereinbarte Geltung weiterer Bestimmungen ausgeschlossen worden wäre. Der eindeutige Hinweis in Punkt 5. des Angebotsschreibens lässt eine derartige Einschränkung nicht zu.

Bei der Auslegung der ÖNORMEN sind nach ständiger Rechtsprechung (zuletzt ecolex 1995, 891 mwN) folgende Grundsätze anzuwenden:

Da es sich bei ÖNORMEN weder um die von einer der Vertragsparteien aufgestellten AGB handelt, noch um das Ergebnis von Vertragsverhandlungen der Parteien, sondern um "kollektiv" gestaltete Vertragsbedingungen, die von dritter Seite - dem Österreichischen Normungsinstitut - herausgegeben werden, sind ihre Bestimmungen objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut, d.h. unter Verzicht auf außerhalb des Textes liegende Umstände, gemäß § 914 ABGB auszulegen; sie sind daher so zu verstehen, wie sie sich einem durchschnittlichen Angehörigen des angesprochenen Adressatenkreises erschließen (Larcher aaO; SZ 63/51 mwN). Im Zweifel bietet die Übung des redlichen Verkehrs einen wichtigen Auslegungsbehelf (JBl 1972, 200).

Mit der Auslegung des Punktes 2.13.2 der ÖNORM A 2060 idF 1.1.1983 haben sich in jüngster Zeit zwei Senate des Obersten Gerichtshofes befasst, die die Frage, ob die vorbehaltlose Annahme der Zahlung auch die Verjährungsfrist für die Geltendmachung von in der Schluss- bzw Teilschlussrechnung enthaltenen, jedoch durch die Zahlung noch nicht gänzlich abgedeckten Rechnungsposten einschränkt, unterschiedlich beantwortet haben.

Der 5.Senat führte in seiner Entscheidung vom 7.6.1995, 5 Ob 516/95 (ecolex 1995, 890) aus, zufolge der Bestimmung des Punktes 2.13.2 der ÖNORM A 2060 schließe die vorbehaltlose Annahme einer Teilzahlung aufgrund einer Schluss- oder Teilschlussrechnung die nachträgliche Geltendmachung eines durch die Teilzahlung (noch) nicht erledigten Teiles der Rechnung nicht aus, sondern nur das Recht zur Geltendmachung von Forderungen aufgrund einer nachträglichen Hinzurechnung von Rechnungsbeträgen zum Schlussrechnungsbetrag. Diese Ansicht begründete der 5.Senat folgendermaßen:

"Nach der genannten Bestimmung schließt die vorbehaltlose Annahme der Schlusszahlung "nachträgliche" Forderungen für vertragsmäßig erbrachte Leistungen aus. Unter Bedachtnahme auf die vom Berufungsgericht ergänzend festgehaltene Bestimmung des Punktes 2.13.3 derselben ÖNORM, die "Nachforderungen" (bzw hier nicht relevante "Überzahlungen") betrifft, muss gesagt werden, dass Punkt 2.13.2 der ÖNorm A 2060 nur den Leistungsumfang betrifft, sodass ein allfälliger Irrtum über die Vollständigkeit des in Rechnung gestellten Leistungsumfanges nur innerhalb der Frist von sechs Wochen "rechtzeitig" (im Sinne des § 871 ABGB) aufgeklärt werden kann; hingegen wird die nachträgliche Geltendmachung eines Restbetrages aus dem Grunde der unvollständigen Zahlung einer Schluss- oder Teilschlussrechnung hinsichtlich des Differenzbetrages, nämlich der Minderzahlung durch diese Bestimmung nicht ausgeschlossen. Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um eine "nachträgliche" Forderung, die noch nicht in dem Rechnungsbetrag enthalten war. Die Vermeidung von Beweisschwierigkeiten durch eine rasche Klarstellung des Sachverhaltes ist nur hinsichtlich des Umfanges von vertragsgemäß erbrachten Leistungen sinnvoll; vergleichbare Beweisschwierigkeiten über das Ausmaß einer Minderzahlung, die innerhalb der Frist von sechs Wochen geklärt werden müsste, sind hingegen nicht zu befürchten, weil das Ausmaß der Minderzahlung sich ohne jede Beweisschwierigkeit durch eine einfache Rechnung (Subtraktion) ermitteln lässt".

Der 6.Senat ging in seiner Entscheidung vom 22.8.1995, 6 Ob 566/95 (ecolex 1995, 891) davon aus, "dass die in Rede stehende Bestimmung nicht im Abschnitt 2.12 "Rechnungslegung", sondern im Abschnitt 2.13. "Zahlung" enthalten ist, wo bereits unter 2.13.1.4 dem Auftraggeber die Verpflichtung auferlegt wird, dass er im Falle des Abweichens seiner Zahlung vom Rechnungsbetrag dem Auftragnehmer spätestens bei der Zahlung die Gründe hiefür bekanntzugeben hat. Überschrift und Wortlaut des Abschnittes 2.13.2 knüpfen sodann die Rechtsfolge des Ausschlusses von Nachforderungen ausschließlich an die Annahme der Schlusszahlung aufgrund einer Schluss- oder Teilschlussrechnung und das Unterbleiben eines entsprechenden Vorbehalts an, wobei ein solcher vom Auftragnehmer bereits in die Rechnung aufgenommen werden kann, sonst aber binnen sechs Wochen nach Erhalt der Zahlung schriftlich erhoben und begründet werden muss. Die in der Bestimmung und in der Überschrift der damit zusammenhängenden Regelung des Abschnittes 2.13.3 synonym gebrauchten Begriffe "nachträgliche Forderungen" und "Nachforderungen" beziehen sich daher unmissverständlich auf die vom Auftragnehmer angenommene Schlusszahlung des Auftraggebers; alles was über diese Summe hinausgeht und noch "nachgefordert" werden soll, muss rechtzeitig "vorbehalten" werden, ohne dass es darauf ankommt, ob die entsprechende Forderung bereits verrechnet wurde oder nicht. Die Bestimmung gilt daher auch für den Fall, dass der Auftraggeber vom Schlussrechnungsbetrag Abstriche vorgenommen und entsprechend weniger bezahlt, der Auftragnehmer aber auch diese geringere Schlusszahlung angenommen hat (Larcher aaO 237). Zweck dieser Bestimmung ist es ja, wie sich auch aus jener des Abschnittes 2.13.3 ergibt, die Rechtslage bei Bauprojekten mit zumeist hohen Auftragssummen möglichst innerhalb kurzer Frist zu klären und zu diesem Zweck die gesetzlichen Verjährungsfristen abzukürzen (vgl WBl 1988, 402); der Auftraggeber soll zu einem möglichst frühen Zeitpunkt das gesamte Ausmaß seiner Verpflichtungen überschauen und erfahren können (so schon JBl 1972, 200 zur entsprechenden Vorgängerbestimmung des § 3 Punkt 10 der ÖNORM B 2110 idF 1.5.1947, welche übrigens sogar ausdrücklich angeordnet hatte, dass früher gestellte, aber unerledigte Forderungen nochmals vorbehalten werden müssen). Die ÖNORM A 2060 idF 1.3.1995 regelt die Annahme der Zahlung und den Vorbehalt nunmehr in Abschnitt 2.17.2 und sieht ausdrücklich vor, dass die Bestimmung auch im Falle des Abweichens der Schlusszahlung vom Rechnungsbetrag gilt. Nach dem Wortlaut und Sinn ist aber auch die erwähnte Bestimmung der ÖNORM A 2060 idF 1.1.1983 dahin zu verstehen, dass der Auftragnehmer im Falle der Annahme einer vom Rechnungsbetrag abweichenden Schlusszahlung des Auftraggebers den Fehlbetrag nur dann nachfordern kann, wenn er diesbezüglich binnen sechs Wochen nach Erhalt der Zahlung einen begründeten schriftlichen Vorbehalt erhoben hat".

Auch Larcher (in RdW 1984, 237) verweist darauf, dass die Regelungen der ÖNORMEN A 2060 2.12., 2.13. und B 2110 2.14. und 2.15. zur Rechnungslegung und Prüfung sowie zur Zahlung weitgehend den Bestimmungen der ÖNORM B 2110 aF entsprechen. Grundsätzlich schließe die Annahme der Zahlung aufgrund einer Schluss- oder Teilschlussrechnung wie bisher nachträgliche Forderungen des Auftragnehmers aus. Gedacht sei offenbar an zwei verschiedene Tatbestände: Einmal an den Fall, dass der Auftraggeber vom Schlussrechnungsbetrag Abstriche vornimmt; daneben an den Fall, dass der Auftragnehmer bewusst oder unbewusst in die Schlussrechnung nicht alle Forderungen aufgenommen hat.

Im vorliegenden Fall kommt jedoch die Bestimmung des Punktes 2.13.2 der ÖNORM A 2060 selbst unter Zugrundelegung der vom 6.Senat in der Entscheidung ecolex 1995, 891 vertretenen Auslegung aus folgenden Gründen nicht zum Tragen:

Selbst wenn dieser fingierte Anspruchsverzicht nicht schon nach § 879 Abs 3 ABGB nichtig wäre (vgl BGHZ 101, 357; Peters in Staudinger, BGB13, Rz 100 zu § 100, die einen Verstoß der vergleichbaren Bestimmung des § 16 Nr.3 Abs 2 VOB/B gegen § 9 dABGB bejahen), so muss sich die beklagte Partei das Verhalten des mit der Bauüberwachung befassten "Organs" nach Bezahlung der reduzierten Schlussrechnung entgegenhalten lassen. Diese "Organe" der beklagten Partei (Außerstreitstellung AS 37) haben nämlich nach Bezahlung der reduzierten Schlussrechnung weiter mit der klagenden Partei ohne Hinweis auf sonstige Präklusion verhandelt. Damit wurde jedoch der Eindruck erweckt, eine weitere Prüfung der Rechnungen und endgültige Beurteilung der Sachlage stehe noch aus; in einem solchen Fall kann sich die Auftraggeberin auf die Vertragsbestimmung des Punktes 2.13.2 der ÖNORM A 2060 nicht berufen. Es entspricht nunmehr herrschender Lehre und Rechtsprechung, dass Vergleichsverhandlungen auch eine Verlängerung von Präklusivfristen bewirken (SZ 58/58; ZVR 1979/44; Schubert in Rummel2 Rz 5 zu § 1451 ABGB; Koziol in ZAS 1976, 56; vgl Nicklisch/Weick, VOB/B2 Rz 46 zu § 16).

Aus diesen Gründen haben die Vorinstanzen im Ergebnis richtig die Einwendungen der beklagten Partei als unberechtigt erkannt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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