OGH 9ObA9/98h

OGH9ObA9/98h25.2.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Peter Bukovec und Dr.Bernhard Rupp als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Franz S*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Peter Semlitsch und Dr. Wolfgang Klobassa, Rechtsanwälte in Voitsberg, wider die beklagte Partei C*****OHG, *****, vertreten durch Dr. Karl Friedrich Strobl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 167.790 brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8. Oktober 1997, GZ 8 Ra 107/97k-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 10. Februar 1997, GZ 32 Cga 168/96s-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag des Revisionsgegners auf Zuspruch von Kosten des Revisionsverfahrens wird abgewiesen.

Text

Begründung

Dem Kläger, der sich im November 1970 bei der Beklagten um eine Stellung als Außendienstmitarbeiter beworben hatte, wurde in Beantwortung dieser Bewerbung mitgeteilt, er könne im Jänner 1971 zu arbeiten beginnen. Bei einem in der Folge vom Kläger mit dem Verkaufsleiter der Beklagten geführten Telefongespräch wurde der Dienstantritt am ersten Arbeitstag im Jänner 1971 vereinbart. Da der 1. 1. 1971 - ein Freitag - ein Feiertag war und damals im Betrieb der Beklagten am Samstag nicht gearbeitet wurde, war der erste Arbeitstag im Jänner 1971, an dem der Kläger den Dienst antrat, der 4. 1. 1971. Ein Dienstzettel wurde nicht ausgefüllt. Es gab keine Vereinbarung, daß das Arbeitsverhältnis effektiv am 4. 1. 1971 beginnen oder dieser Tag der Stichtag für allfällige Ansprüche des Klägers sein solle. Ohne daß mit dem Kläger darüber gesprochen wurde, wurde er mit 1. 1. 1971 zur Sozialversicherung angemeldet. Dieser Tag scheint auch bei der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten als Beginn des Arbeitsverhältnisses auf, das schließlich vom Dienstgeber zum 31. 12. 1995 gekündigt wurde.

Der Kläger begehrt von der Beklagten S 167.790,- brutto sA. an restlicher Abfertigung. Anstelle der ihm gezahlten neun Monatsentgelte gebühre im eine Abfertigung in der Höhe von zwölf Monatsentgelten, weil das Arbeitsverhältnis am 1. 1. 1971 begonnen und daher 25 Jahre gedauert habe.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen, weil das Arbeitsverhältnis erst mit 4. 1. 1971 begonnen habe. Auch wenn man vom 1. 1. 1971 ausgehe, sei das Klagebegehren unberechtigt, zumal das begehrte zwölffache Monatsentgelt erst nach 25 Dienstjahren erfolge, die Kündigung aber zum Ende des 25. Dienstjahres erfolgt sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Unter Hinweis auf das Fehlen einer ausdrücklichen Vereinbarung über den Beginn des Arbeitsverhältnisses und auf den Tag der Anmeldung zur Sozialversicherung ging es davon aus, daß das Arbeitsverhältnis am 1. 1. 1971 begonnen habe und die zeitlichen Voraussetzungen für die begehrte Abfertigung erfüllt seien.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Die mangels einer ausdrücklichen Vereinbarung unter Heranziehung der Auslegungsregeln nach § 914 ABGB vorzunehmende "Feststellung der Parteienabsicht", das Arbeitsverhältnis mit 1. 1. 1971 beginnen zu lassen, werde ganz wesentlich durch die Anmeldung des Klägers zur Sozialversicherung per 1. 1. 1971 gestützt. Es wäre unverständlich, daß die Beklagte bei einem von ihr als Dienstvertragsbeginn angesehenen Termin 4. 1. 1971 diese Anmeldung bereits mit 1. 1. 1971 vorgenommen hätte. Sie habe auch nicht behauptet, daß bei der Gehaltszahlung im Jänner 1971 eine Aliquotierung nach einem Dienstvertragsbeginn erst mit 4. 1. 1971 erfolgt sei. Die Revision sei zulässig, weil zur Frage einer schlüssigen Vereinbarung über den Beginn des Arbeitsverhältnisses keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege und - wenngleich jeweils auch eine Einzelfallproblematik gegeben sein werde - Kriterien für die Indizwirkung bestimmter Verhaltensweisen entwickelt werden könnten.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung iS der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Da keine der Ausnahmen des § 46 Abs 3 ASGG vorliegt, ist die Revision gemäß § 46 Abs 1 ASGG nur zulässig, wenn die Entscheidung von einer in der dort bezeichneten Weise qualifizierten Rechtsfrage abhängt.

Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 508a Abs 1 ZPO (iVm § 1 ASGG) an den Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulässigkeit der ordentlichen Revision nach § 45 Abs 1 ASGG nicht gebunden. Es war daher aufzugreifen, daß dieser Ausspruch unzutreffend ist, weil eine erhebliche Rechtsfrage iS § 46 Abs 1 ASGG nicht zu lösen ist.

Als Mangel des Berufungsverfahrens macht die Revisionswerberin geltend, daß das Berufungsgericht nach Schluß der erstinstanzlichen Verhandlung aufgefundene, in der Berufungsverhandlung vorgelegte Urlaubs- und Krankenkarten sowie vom Kläger unterfertigte Urlaubsabstimmungsscheine nicht entgegengenommen habe. Die Meinung der Revisionswerberin, diese Vorlage sei zur Dartuung des geltend gemachten Berufungsgrundes der unrichtigen Beweiswürdigung erfolgt und daher iS § 482 Abs 2 ZPO zulässig, ist schon deshalb unzutreffend, weil - wie die Ausführungen des Revisionswerbers in seiner Berufung zeigen - die Urkunden nicht zur Untermauerung der Bekämpfung von Tatsachenfeststellungen angeboten wurden, sondern in der Absicht, damit bislang nicht vorgebrachte Tatsachen zur Stützung der angestrebten rechtlichen Beurteilung geltend zu machen. Dies stellt aber einen Verstoß gegen das gemäß § 482 ZPO, § 61 Abs 1 ASGG geltende Neuerungsverbot dar. Überdies ließe nach herrschender Rechtsprechung das Neuerungsverbot auch die Vorlage neuer Beweismittel zur Dartuung der Unrichtigkeit einer Tatsachenfeststellung nicht zu (SZ 69/127; Ris-Justiz RS0105484). Insofern wird in der Revision keine iS des § 46 Abs 1 ASGG erhebliche Rechtsfrage dargelegt.

Der Beginn des Arbeitsverhältnisses muß mit dem Tag des Dienstantrittes nicht übereinstimmen. Mit welchem Tag das Arbeitsverhältnis beginnt, richtet sich nach der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung (Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht6, 229). Haben die Parteien - wie hier - keine ausdrückliche Vereinbarung über den Beginn des Arbeitsverhältnisses getroffen, bedarf es daher zu dessen Ermittlung der Auslegung der im konkreten Einzelfall getroffenen Vereinbarung.

Diese Rechtslage haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt. Ob die von ihnen vorgenommene Auslegung der Vereinbarung zutreffend ist, ist nicht revisibel, weil die Frage, ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, nur dann eine erhebliche Rechtsfrage begründet, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (Ris-Justiz RS0042936). Dies ist aber hier nicht der Fall. Zwar ist richtig, daß der Oberste Gerichtshof in 9 ObA 317,318/89 (DRdA 1990,369) und 9 ObA 268/97w die ohne weitere Absprachen erfolgte Vereinbarung des Dienstantrittes "mit Anfang des Jahres" bzw. "im Mai" als Vereinbarung des Beginnes des Dienstverhältnisses mit dem vom Monatsersten abweichenden ersten Arbeitstag des betroffenen Jahres bzw. Monates interpretiert hat. In beiden Entscheidungen wurde aber ausdrücklich darauf hingewiesen, daß auch in der Anmeldung bei der Krankenkasse und in anderen Arbeitspapieren der erste Arbeitstag als Beginn des Arbeitsverhältnisses angegeben wurde. Hier aber hat die Beklagte den Kläger mit 1. 1. 1971 zur Sozialversicherung angemeldet. Der vom Berufungsgericht daraus gezogene Schluß, die Beklagte habe ihre Vertragserklärung iS des Beginnes des Arbeitsverhältnisses mit diesem Tag verstanden, ist keineswegs denkunmöglich bzw. unvertretbar. Ebenso vertretbar ist angesichts des Prozeßstandpunktes des Kläger der Schluß, daß auch er die Erklärungen der Beklagten in diesem Sinne verstanden hat. Daß auch eine andere Auslegung vertretbar wäre, begründet keine erhebliche Rechtsfrage (9 ObA 385/97a; 4 Ob 171/97v).

Die für die Höhe des Abfertigungsanspruches maßgebende Dauer des Arbeitsverhältnisses ist bis zur Auflösung desselben zu berechnen. Als Zeitpunkt der Auflösung ist bei einem Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit der Ablauf der ordnungsgemäßen Kündigungsfrist anzusehen. Kündigt der Arbeitgeber vor Ablauf eines für den Erwerb einer (höheren) Abfertigung maßgebenden Dienstjahres, so gebührt die Abfertigung (im höheren Ausmaß), wenn das entsprechende Dienstjahr wenigstens am letzten Tag der Kündigungsfrist vollendet ist (Martinek/Schwarz/Schwarz, Angestelltengesetz7 447 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall erfolgte die Kündigung "zum 31. 12. 1995". Das Arbeitsverhältnis endete daher an diesem Tag, mit dem das 25. Dienstjahr des Klägers vollendet war. Die Entscheidung der Vorinstanzen entspricht der ständigen Rechtsprechung. Auch insofern zeigt die Revisionswerberin keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Die somit unzulässige Revision war daher zurückzuweisen.

Kosten der Revisionsbeantwortung waren nicht zuzuerkennen, weil die Revisionsgegnerin auf die Unzulässigkeit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision nicht hingewiesen hat (Ris-Justiz RS0035962).

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