OGH 7Ob398/97y

OGH7Ob398/97y10.2.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.Huber als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers Walter N*****, vertreten durch Dr.Walter und Dr.Peter Mardetschläger, Rechtsanwälte in Wien, wider die Antragsgegnerin Angelika N*****, vertreten durch Dr.Reinhard Neureiter, Rechtsanwalt in Wien, wegen §§ 81 ff EheG infolge Rekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 8.Oktober 1997, GZ 45 R 831/97g-12, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 13.August 1997, GZ 3 F 82/97y-6, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird keine Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Begründung

Die Ehe der Streitteile wurde mit rechtskräftigem Urteil des Erstgerichtes vom 7.4.1997 zu ***** gemäß § 55 Abs 1 EheG ohne Verschuldensausspruch geschieden. In dem unmittelbar vor Schluß der mündlichen Streitverhandlung von den Streitteilen für den Fall der Ehescheidung geschlossenen Vergleich verzichteten beide wechselseitig auf Unterhalt auch für den Fall geänderter Verhältnisse, geänderter Rechtslage oder unverschuldeter Not. Nach den Feststellungen dieses Urteils sind die Streitteile aus dem Haus, das ihren ehelichen Wohnsitz bildete, bereits 1993 ausgezogen und haben seither getrennte Wohnsitze ohne Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft genommen. Bereits damals waren sich die Streitteile darüber einig, daß der Antragsteller eine BUWOG-Wohnung beziehen werde und die Antragsgegnerin eine Eigentumswohnung bekommen solle. Zu deren Finanzierung hatte der Antragsteller am 11.11.1993 einen Kredit über S 900.000 aufgenommen. Die Antragsgegnerin unterfertigte als Mitkreditnehmerin. Sie einigten sich, daß die Kreditraten vom Antragsteller zurückzubezahlen sind. Die Antragsgegnerin bezog die Eigentumswohnung im Dezember 1993. Erstmals im November 1994 sprachen die Streitteile über eine einvernehmliche Ehescheidung. Dazu holte der Antragsteller die erforderlichen Unterlagen vom Gericht. Sie besprachen das ihnen übergebene Formular "Hinweise und Textbeispiele für einen Scheidungsvergleich" laut Beilage 1 und erzielten eine Einigung über alle Punkte und unterfertigten anschließend dieses Formular. Danach sollte der Antragsteller den erwähnten Kredit weiterhin zur Alleinzahlung übernehmen und die Antragsgegnerin hieraus schad- und klaglos halten. Der Antragsteller reichte sodann am 7.12.1994 den Antrag auf Ehescheidung im Einvernehmen beim Erstgericht ein. Die vom Erstgericht für den 16.1.1995 anberaumte Scheidungsverhandlung blieb unbesucht, weil die Antragsgegnerin dem Antragsteller davor erklärte, sich noch von einem Rechtsanwalt beraten lassen zu wollen, worüber der Antragsteller verärgert war. Der Scheidungsantrag wurde daher vom Erstgericht gemäß § 221 AußStrG als ohne Verzicht auf den Anspruch zurückgenommen erklärt.

Am 14.2.1997 brachte der Antragsteller die bereits eingangs erwähnte Scheidungsklage ein.

Mit seinem am 5.5.1997 beim Erstgericht eingelangten Antrag begehrt der Antragsteller die Aufteilung gemäß §§ 81 ff EheG in der Weise, daß die Antragsgegnerin verpflichtet werde, den noch offenen Kredit mit einem aushaftenden Betrag von ca. S 900.000 ab sofort allein zurückzuzahlen und den Antragsteller diesbezüglich schad- und klaglos zu halten. Weiters möge die Antragsgegnerin verpflichtet werden, dem Antragsteller die seit 1.4.1997 von ihm bezahlten Kreditraten von monatlich S 7.027,-- samt 4 % Zinsen zurückzuzahlen. Schließlich möge gemäß § 98 EheG ausgesprochen werden, daß die Antragsgegnerin bezüglich des Kredites zur Hauptschuldnerin werde und der Antragsteller nur mehr aus Ausfallsbürge zu haften habe. Der Antragsteller habe sich gegenüber der Antragsgegnerin niemals verpflichtet, den Kredit zurückzuzahlen, sondern seien diesbezüglich lediglich im Hinblick auf eine einvernehmliche Scheidung, zu der es jedoch mangels einer finanziellen Einigung nicht gekommen sei, Gespräche geführt worden.

Die Antragsgegnerin wendete ein, daß der Aufteilungsantrag nicht gerechtfertigt sei. Nach der Trennung im Jahr 1992 habe der Antragsteller ihr als vermögensrechtliche Regelung vorgeschlagen, daß die nunmehr von ihr bewohnte Eigentumswohnung gekauft werde, weil er das Haus in S***** (das als Ehewohnung gedient hatte) verkauft habe. Er habe sich verpflichtet, den Kredit für die Eigentumswohnung zurückzubezahlen. Die Antragsgegnerin habe dem Antragsteller grundsätzlich zugesagt, außer der Unterhaltsverpflichtung für das gemeinsam adoptierte Kind keine weiteren Ansprüche im Fall einer Ehescheidung gegen ihn zu stellen. Die nunmehr vom Antragsteller in die Aufteilung einbezogene Wohnung falle nicht in das eheliche Gebrauchsvermögen. Andernfalls müßte auch die vom Antragsteller bezogene Wohnung in das eheliche Gebrauchsvermögen fallen. Darüber hinaus hätten sich allfällige Ansprüche des Antragstellers mit der Tätigkeit der Antragsgegnerin in seinem Betrieb längst kompensiert, ebenso mit den Unterhaltsansprüchen, die die Antragsgegerin gegen den Antragsteller (gehabt) hätte. Der Antragsteller übersehe überdies, daß die Antragsgegnerin im Zuge der Ehe Aufwendungen für die eheliche Wohnung getätigt habe.

Das Erstgericht wies den Aufteilungsantrag des Antragstellers zur Gänze ab. Im vorliegenden Fall sei eine schriftliche Vereinbarung zwischen den Parteien aufgrund der Anleitung Beilage 1 im November 1994, somit nach dem Willen beider Parteien ausdrücklich eine Gesamtregelung der gegenseitigen ehelichen Ansprüche getroffen worden, die als verbindliche Vereinbarung im Sinne des § 97 Abs 2 EheG zu betrachten sei.

Das Rekursgericht hob diese Entscheidung mit dem angefochtenen Beschluß zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung durch das Erstgericht auf. Es erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Für die bindende Wirkung eines Scheidungsvergleiches sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der getroffenen Einigung und der dann erfolgten Scheidung erforderlich. Dies sei im vorliegenden Fall zweifelhaft, weil es nach einer Einigung der Streitteile im November 1994 dann nicht zur beabsichtigten einvernehmlichen Scheidung gekommen und sohin die Geschäftsgrundlage für den Vergleich nicht zustandegekommen sei. Nur wenn festgestellt werden könne, daß beide Parteien damals die Absicht gehabt hätten, die Vereinbarung laut Beilage 1 auch für den Fall zu schließen, daß keine einvernehmliche, sondern irgendwann später eine Scheidung auch aus anderen Gründen erfolgen sollte, wäre der im § 97 Abs 2 EheG geforderte Zusammenhang gegeben und die Vereinbarung laut Beilage 1 beachtlich. Die zu diesem Punkt von den Streitteilen divergierend erhobenen und noch nicht einer Überprüfung im Beweisverfahren unterzogenen Behauptungen - der Antragsteller werfe der Antragsgegnerin vor, sie habe noch mehr Geld haben wollen, die Antragsgegnerin hingegen behauptete, sie habe sich vor einer Scheidungszusage noch anwaltlich beraten lassen wollen, dies aber unterlassen - sprächen gegen eine derartige Absicht, vor allem spräche der in Vergleichsform vereinbarte Unterhaltsverzicht im Rahmen des zur Scheidung führenden Verfahrens gegen eine derartige Absicht der Parteien.

Der gegen diese Entscheidung von der Antragsgegnerin erhobene Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Neben unbeachtlichen Neuerungen wird im vorliegenden Rechtsmittel mit dem Vorwurf, das Rekursgericht sei von den in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 10 Ob 507/93 ausgesprochenen Grundsätzen abgewichen, eine noch erkennbare Rechtsrüge erhoben. Obwohl das Rekursgericht die Zulassung des Rekurses an den Obersten Gerichtshof selbst mit dieser Auffassung begründet hat, liegt die behauptete Diskrepanz zwischen der rekursgerichtlichen Entscheidung und der oberstgerichtlichen Judikatur nicht vor. Der Oberste Gerichtshof hat sich mit der Frage der Rechtsverbindlichkeit von Vereinbarungen im Sinne des § 97 Abs 2 EheG auch noch in den Entscheidungen 4 Ob 546/90 und 1 Ob 511/95 auseinandergesetzt und dabei ausgesprochen, daß es bei Beurteilung des Zusammenhanges nach § 97 Abs 2 EheG nicht auf die zeitliche Nähe zur dann letztlich erfolgten Scheidung, sei es in der Form einer einvernehmlichen Scheidung oder einer nach § 55 Abs 1 EheG, sondern nur auf den ursächlichen Zusammenhang zwischen Einigung und Scheidung ankomme, nämlich auf die beim Abschluß der Vereinbarung vorhandene - wenn auch einseitige - Absicht auf Scheidung zu klagen oder auf die beiderseitige Absicht, sich einvernehmlich scheiden zu lassen. Ab dem Entstehen dieser Absicht ist daher eine außergerichtliche und formlose Vereinbarung - durch die künftige richterliche Ehescheidung bedingt - wirksam, sofern nur zwischen dem Abschluß einer solchen Vereinbarung und dem später geltend gemachten Scheidungsgrund ein ursächlicher Zusammenhang besteht (vgl SZ 53/125; EvBl 1990/153; Pichler, Einige Probleme des neuen Eherechts, JBl 1981, 289, 1 Ob 511/95 mwN). Liegt eine wirksam abgeschlossene Vereinbarung dieser Art vor, so kann deren Verwirklichung nur im streitigen Verfahren durchgesetzt werden, die Einleitung eines Aufteilungsverfahrens über die dieser Einigung zugrundeliegenden Punkte ist unzulässig (vgl 4 Ob 546/90 = EvBl 1990/153).

Wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat, setzt eine Einigung schon allein nach dem Wortsinn einen beiderseitigen übereinstimmenden Parteiwillen voraus, der auch die Verwirklichung des mit der Einigung angestrebten Zieles, nämlich die künftige richterliche Eheauflösung miteinschließt, ohne die eine derartige Einigung nie den angestrebten Zweck verwirklichen könnte, nämlich die privatautonome Vorwegnahme der nachehelichen Regelung der Vermögens-, Unterhalts- und Pflegschaftsrechte. Dementsprechend hat die zitierte Rechtsprechung nur auf den ursächlichen und nicht auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen Einigung und Scheidung abgestellt. Wie Pichler in Rummel ABGB2 § 97 EheG Rz 3, auf den sich die Entscheidung 10 Ob 507/93 beruft, ausführt, ist die nur bei einseitiger Scheidungabsicht getroffene Vereinbarung nur dann iS des § 97 Abs 2 EheG beachtlich, wenn diese Absicht vom Scheidungswilligen auch verwirklicht werden kann. Verweigert jedoch ein Teil seine Mitwirkung an der einverständlichen Scheidung und erscheint dem anderen Teil die sonstige Durchsetzung seiner Scheidungsabsicht derzeit nicht möglich oder untunlich, so liegt kein für die Einigung nach § 97 Abs 2 EheG erforderlicher übereinstimmender Parteiwille vor. Vereinbarungen für den abstrakten Fall, "wenn wir uns einmal scheiden lassen sollten", fallen daher nicht unter § 97 Abs 2 EheG (vgl Pichler aaO). Erfolgt dann dennoch die Scheidung später aufgrund anderer Umstände bzw Voraussetzungen - im vorliegenden Fall war zufolge der dreijährigen Trennung der Streitteile kein Einverständnis der Antragsgegnerin zur Scheidung mehr erforderlich - wäre, wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat, von der Antragsgegnerin nachzuweisen, daß die ursprünglich im November 1994 getroffene Einigung auch für den Fall verbindlich sein sollte, daß die damit geplante einverständliche Scheidung nicht zustandekommt und auch bei einer späteren Scheidung nach § 55 Abs 1 EheG Bestand haben sollte.

Dem Rekurs war daher nicht Folge zu geben.

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