OGH 9ObA424/97m

OGH9ObA424/97m28.1.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Steinbauer und Dr.Hradil als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Hildegard R*****, vertreten durch Univ.Doz.Dr.Bernd A. Oberhofer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Ruhende Verlassenschaft nach Werner R*****, vertreten durch die erbserklärte Erbin Erika R*****straße 8, ***** diese vertreten durch Dr.Paul Sutterlüty ua, Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen S 3,819.322,-- sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 3.Dezember 1997, GZ 13 Nc 1/97x-11, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs der Klägerin wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt mit ihrer beim Landesgericht Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht eingebrachten Klage den Zuspruch von S 3,819.322 netto sA mit der Behauptung, daß ihr Ansprüche in dieser Höhe aus einem Dienstverhältnis zum verstorbenen Werner R***** zustehen.

In der Tagsatzung vom 28.10.1997 lehnte die Klägerin den Vorsitzenden und sämtliche anderen Richter des Landesgerichtes Feldkirch als befangen ab, weil der im Gerichtssaal anwesende Dr.Christian R*****, Richter des Landesgerichtes Feldkirch, in der gegenständlichen Rechtssache offensichtlich emotional so engagiert sei, daß er an dieser Verhandlung teilnehme. Zudem sei der im Gerichtssaal anwesende Dr.Christian R***** der Bruder des Mag.Andreas R*****, welcher zur Parteieneinvernahme der beklagten Partei namhaft gemacht worden sei. Es entstehe daher objektiv der Anschein, daß dieses Engagement sowohl auf den zuständigen Senat sowie auf allenfalls ersatzweise zuständige Richter des Landesgerichtes Feldkirch Einfluß haben könnte. Dazu komme, daß Dr.Christian R***** bereits im Sommer desselben Jahres persönlich an einer Strafverhandlung des Bezirksgerichtes Dornbirn gegen die Klägerin teilgenommen habe und während der gesamten mehrstündigen Verhandlung im Gerichtssaal anwesend gewesen sei. Das Strafverfahren sei durch eine Strafanzeige des Bruders des genannten Richters veranlaßt worden, wobei der Klägerin strafbare Handlungen zu Lasten der hier beklagten Verlassenschaft vorgeworfen worden seien. Die Intensität des Engagements des genannten Richters sei in der Verhandlung vor dem Arbeitsgericht erstmals zutagegetreten und erzeuge objektiv den Anschein der Befangenheit sowohl des zuständigen Senates als auch der übrigen Richterkollegen des Landesgerichtes Feldkirch.

Das infolge Ablehnung sämtlicher Richter des Landesgerichtes Feldkirch zuständige Oberlandesgericht Innsbruck erklärte mit dem angefochtenen Beschluß 1) den Richter des Landesgerichtes Feldkirch Dr.Christian R***** als in dieser Rechtssache ausgeschlossen und wies

2) im übrigen die Ablehnung aller Richter des Landesgerichtes Feldkirch als nicht gerechtfertigt zurück. Das Wesen der Befangenheit bestehe in der Hemmung einer unparteiischen Entschließung durch unsachliche psychologische Motive. Es genüge, daß eine solche Befangenheit mit Grund befürchtet werden müsse, wenn mit Rücksicht auf die gegebenen Verhältnisse die Besorgnis nicht von der Hand zu weisen sei, daß bei der Entscheidung andere als rein sachliche Erwägungen eine Rolle spielen könnten. In erster Linie kämen als Befangenheitsgründe private persönliche Beziehungen zu einer der Prozeßparteien oder ihren Vertretern in Betracht, die ein Naheverhältnis begründeten, das bei objektiver Betrachtung zumindest geeignet sei, den Anschein einer Voreingenommenheit zu begründen (Fasching LB2 Rz 165; 4 Ob 2373/96f ua). Allein der Umstand, daß ein Richter des Landesgerichtes Feldkirch in der gegenständlichen Rechtssache, in der sein Bruder zur Parteieneinvernahme angeboten worden sei, als Zuhörer im Verhandlungssaal anwesend gewesen sei, vermöge eine Befangenheit der Richter und Richterinnen des Landesgerichtes Feldkirch nicht zu begründen, da Dr.Christian R***** weder Partei noch Zeuge im Verfahren sei. Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß dieser Richter versucht habe, Einfluß auf den Gang des Verfahrens zu nehmen, seien nicht hervorgekommen und auch gar nicht behauptet worden. Die Besorgnis der Klägerin allein, die durch konkrete Umstände nicht untermauert habe werden können, vermöge eine Befangenheit nicht zu begründen.

Lediglich hinsichtlich des Richters Dr.Christian R***** sei dessen Ausgeschlossenheit im Sinne des § 20 Z 2 JN auszusprechen gewesen, da dessen Bruder für die Parteieneinvernahme der beklagten Partei namhaft gemacht worden sei.

Dagegen richtet sich der Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß in seinem Punkt 2) dahin abzuändern, daß sämtliche Richter des Landesgerichtes Feldkirch als in dieser Rechtssache befangen erklärt werden.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung kann von einer Partei zwar nicht ein gesamter Gerichtshof pauschal abgelehnt werden, sondern bedarf es hiezu der grundsätzlichen detaillierten Angabe von Ablehnungsgründen hinsichtlich jeder einzelnen Person (EvBl 1989/18 mwN; Arb 10.760, 9 ObA 25/94; 10 ObS 275/97g mwN ua); enthält jedoch - wie hier - ein Ablehnungsantrag keine indifferente Pauschalablehnung eines Gerichtes als Institution, sondern ist dem Antrag zu entnehmen, daß bei jedem einzelnen Richter im wesentlichen dieselben Ablehnungsgründe vorliegen, ist die namentliche Anführung aller betroffenen Richter entbehrlich (6 Ob 2014/96m; 10 ObS 275/97g). Letzteres behauptet die Ablehnungswerberin jedenfalls insoweit, als sie meint, alle Richter des Landesgerichtes Feldkirch seien in der dort anhängigen Arbeitsrechtssache deswegen befangen, weil ein Kollege, der durch Teilnahme an der Verhandlung besonderes Engagement zeige und dessen Bruder als Partei vernommen werden solle, Einfluß auf die Entscheidung haben könnte und dies auf sämtliche Richter des Gerichtshofes im selben Umfang zutreffe. Diesem Einwand ist ergänzend entgegenzuhalten:

Ein Richter ist dann als befangen anzusehen, wenn Umstände vorliegen, die es nach objektiver Prüfung und Beurteilung rechtfertigen, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen; es ist nicht erforderlich, daß der Befangenheitsgrund geradezu evident ist, doch muß die Partei begründeterweise besorgen, daß sich der Richter auch von unsachlichen Gesichtspunkten leiten lassen könnte (RS0045961; Mayr in Rechberger ZPO Rz 4 zu § 19 JN).

Zutreffend hat bereits das Oberlandesgericht Innbruck in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, daß das Naheverhältnis eines Richters zu einer Prozeßpartei und die Teilnahme an Verhandlungen als Zuhörer keinen Anlaß zu begründeter Besorgnis geben, andere Richter desselben Gerichtshofes könnten sich in ihrer Entscheidung auch von unsachlichen Gesichtspunkten leiten lassen (§ 510 Abs 3 iVm § 526 Abs 3 ZPO).

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