OGH 6Ob337/97w

OGH6Ob337/97w15.1.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Gerd K*****, 2. Christel K*****, beide vertreten durch Dr.Reinhard Köffler, Rechtsanwalt in Villach, wider die beklagte Partei Mario H*****, vertreten durch Dr.Hans Gradischnig, Rechtsanwalt in Villach, wegen Anfechtung eines Veräußerungs- und Belastungsverbotes (Streitwert 406.000,-- S), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 10. September 1997, GZ 6 R 182/97z-13, womit infolge Rekurses der klagenden Parteien der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 15. Juli 1997, GZ 29 Cg 49/97t-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 20.146,50 S (darin 3.357,75 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Parteien haben ihren Wohnsitz in Deutschland, einem Vertragsstaat des Übereinkommens von Lugano (LGVÜ), dem auch Österreich beigetreten und das hier seit 1.9.1996 anzuwenden ist. Die Kläger sind Gläubiger des Beklagten. Dessen Mutter ist Eigentümerin einer in Österreich gelegenen Liegenschaft, auf welcher zugunsten des Sohnes ein Belastungs- und Veräußerungsverbot einverleibt ist.

Mit ihrer am 31.1.1997 beim Gericht der gelegenen Sache eingebrachten Klage begehren die Kläger, gestützt auf die Bestimmungen der Anfechtungsordnung (§ 2 Z 3 und § 3 Z 1 AnfO) die Einwilligung des Beklagten zur Exekutionsführung auf die Liegenschaft zugunsten der titulierten Forderungen der Kläger aus einem Versäumungsurteil eines deutschen Gerichtes. Eine Exekution in Deutschland sei aussichtslos. Die Einräumung des Belastungs- und Veräußerungsverbotes sei unentgeltlich "zur Sicherung des Familienvermögens" erfolgt. Zur Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes beriefen sich die Kläger auf die §§ 81 und 99 JN.

Der Beklagte erhob die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit und bestritt das Vorliegen eines inländischen Anknüpfungspunktes (für die inländische Gerichtsbarkeit).

Das Erstgericht wies die Klage mangels inländischer Gerichtsbarkeit zurück und erklärte das bis dahin durchgeführte Verfahren für nichtig. Einer Gläubigeranfechtungsklage liege kein dingliches, sondern ein persönliches Recht des Gläubigers gegenüber seinem Schuldner zugrunde. Es werde auf die relative Unwirksamkeit der Verfügung abgestellt. Die Anfechtungsklage begründe keine ausschließliche Zuständigkeit nach Art 16 EUGVÜ. Dies entspreche der Rechtsprechung des EuGH. Die Zuständigkeitsvorschriften des EUGVÜ gingen den Zuständigkeitsregeln des autonomen österreichischen Rechts vor.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Kläger in der Hauptsache nicht Folge. Es teilte die Auffassung des Erstgerichtes, daß das LGVÜ unmittelbar anwendbar sei und das nationale Recht verdränge. Gläubigeranfechtungsklagen fielen nicht unter Art 16 Z 1 lit a LGVÜ.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragen die Kläger die Abänderung dahin, daß der Beschluß der ersten Instanz aufgehoben werde.

Der Beklagte erstattete eine Revisionsrekursbeantwortung. Er beantragt, den außerordentlichen Revisionsrekurs zurückzuweisen oder ihm allenfalls nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist wegen Fehlens einer oberstgerichtlichen Judikatur zur Auslegung des Art 16 LGVÜ iVm der inländischen Zuständigkeitsnorm des § 81 JN zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Da alle Parteien ihren Wohnsitz in einem Vertragsstaat des Übereinkommens von Lugano haben, ist dieses für die Frage der internationalen Zuständigkeit alleine maßgeblich. Nach Art 3 LGVÜ können Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates haben, vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaates nur gemäß den Vorschriften des 2. bis 6.Abschnitts des Übereinkommens verklagt werden. Nur in dem hier nicht vorliegenden Fall, daß der Beklagte keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hätte, bestimmte sich die Zuständigkeit (vorbehaltlich des Art 16) der Gerichte eines jeden Vertragsstaates nach dessen eigenen Gesetzen (Art 4 LGVÜ). Ansonsten ersetzt das Übereinkommen in seinem Anwendungsbereich die Zuständigkeitsbestimmungen der JN (4 Nd 513/96). Auf diese Bestimmungen (hier die §§ 81 und 99 JN) können sich die Kläger daher nicht berufen.

Der von den Klägern angestrebten internationalen Zuständigkeit des österreichischen Gerichtes nach Art 16 Z 1 lit a LGVÜ steht die von den Vorinstanzen richtig zitierte Rechtsprechung des EuGH entgegen. Die zitierte Vertragsbestimmung sieht eine ausschließliche Zuständigkeit des Gerichtes des Vertragsstaates, in dem die unbewegliche Sache belegen ist, für Klagen vor, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben. Der EuGH vertrat in seiner Entscheidung vom 10.1.1990 (GHSlg 1990 I 27; Leitsätze wiedergegeben in Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht5 Rz 18 zu Art 16 sowie in Lechner/Mayr, Das Übereinkommen von Lugano 92) die Auffassung, daß Anfechtungsklagen, mit denen Gläubiger anstreben, daß ihnen gegenüber eine Verfügung über ein dingliches Recht an einer unbeweglichen Sache für unwirksam erklärt werde, von der zitierten Zuständigkeitsbestimmung nicht erfaßt seien. Diese Klagen hätten ihren Grund in einem persönlichen Forderungsrecht des Gläubigers. Nach der autonomen Auslegung des Art 16 Z 1 lit a LGVÜ umfasse der Gerichtsstand nur diejenigen Klagen, die dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand hätten, die in den Anwendungsbereich des Brüsseler Übereinkommens (dieses stimmt mit dem LGVÜ überein) fielen und darauf gerichtet seien, Umfang oder Bestand einer unbeweglichen Sache, das Eigentum, den Besitz oder das Bestehen anderer dinglicher Rechte hieran zu bestimmen und den Inhabern dieser Rechte den Schutz der mit ihrer Rechtsstellung verbundenen Vorrechte zu sichern. Der EuGH vertrat ferner die Auffassung, daß sich bei Gläubigeranfechtungsklagen für das Gericht am Lageort des Grundstücks auch aus den anderen Vorschriften des Übereinkommens keine Zuständigkeit ableiten ließe (Kropholler aaO Anm 31).

Der Oberste Gerichtshof vertrat bisher bei der Auslegung des § 81 Abs 1 JN die Auffassung, daß unter Streitigkeiten um unbewegliche Güter auch Anfechtungsklagen zu verstehen seien, mit denen die Unwirksamkeit von bücherlichen Veräußerungs- und Belastungsverboten geltend gemacht werden. Dabei handle es sich zwar um ein obligatorisches Rechtsverhältnis zwischen dem Liegenschaftseigentümer und dem Verbotsberechtigten, das Verbot werde aber durch die Eintragung im Grundbuch verdinglicht und so zu einem dinglichen Recht im Sinne des § 81 JN (1 Ob 174/97p). Auf dieses nach Auslegungskriterien des nationalen österreichischen Rechts gewonnene Auslegungsergebnis kommt es aber im Anwendungsbereich des LGVÜ nicht an. Der EuGH legt den Begriff "dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen" im Interesse einer einheitlichen europäischen Rechtsprechung autonom aus. Damit soll sichergestellt werden, daß sich aus dem Übereinkommen für die Vertragsstaaten und die betroffenen Personen so weit wie möglich gleiche und einheitliche Rechte und Pflichten ergeben (4 Ob 233/97m). Die vertragsautonome und mit der objektives Recht schaffenden Rechtsprechung des EuGH (SZ 69/56) übereinstimmende Auslegung des Art 16 Z 1 lit a LGVÜ ergibt aber das von den Vorinstanzen gefundene Auslegungsergebnis. Der Revisionsrekurs ist daher nicht berechtigt.

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