Spruch:
Die Rechtssache wird dem Handelsgericht Wien gemäß § 28 Abs 1 JN zugewiesen.
Text
Begründung
In seiner am 4.9.1996 beim Handelsgericht Wien eingebrachten Klage begehrt der Kläger die Rückzahlung zweier für den Ankauf eines Schiffes geleisteter Teilzahlungen. Er brachte zur Zuständigkeit vor, der österreichische Repräsentant der Beklagten, die ihren Sitz in Italien habe, habe dem Kläger ein näher bezeichnetes Motorboot angeboten. Vor dem Vertragsabschluß in Österreich habe der Kläger einen Vertragsentwurf erhalten. Das Boot sei dazu bestimmt gewesen, vom Kläger und seiner Familie privat genutzt zu werden. Die Zuständigkeit des Handelsgerichtes Wien ergebe sich aus Art 13 Abs 1 Z 1 und 3 iVm Art 14 LGÜV iVm § 51 Abs 1 Z 1 und Abs 2 Z 11 JN.
Das Handelsgericht Wien wies die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück.
Der Kläger begehrte daraufhin, das Handelsgericht Wien gemäß § 28 JN als örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen. Die inländische Gerichtsbarkeit sei nach Art 13 Abs 1 Z 1 und 3 sowie Art 14 LGVÜ gegeben. Unter Zugrundelegung der Ansicht, daß sich aus den genannten Bestimmungen des LGVÜ die örtliche Zuständige nicht ergebe, mangle es an einer örtlichen Zuständigkeit eines österreichischen Gerichtes.
Hilfsweise erhob der Kläger Rekurs gegen den Zurückweisungsbeschluß und beantragte, das Rechtsmittel erst nach Entscheidung über den Ordinationsantrag zu behandeln.
Der Ordinationsantrag ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 28 JN hat der Oberste Gerichtshof ein örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen, wenn für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichtes im Sinne der ZPO oder einer anderen Rechtsvorschrift nicht gegeben oder nicht zu ermitteln sind, vorausgesetzt, daß Österreich aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrages zur Ausübung von Gerichtsbarkeit verpflichtet, oder die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre. Die Bestimmung der Zuständigkeit durch den Obersten Gerichtshof setzt daher unter anderem voraus, daß sowohl die inländische Gerichtsbarkeit (internationale Zuständigkeit) gegeben, ein österreichisches Gericht jedoch nicht örtlich zuständig ist.
Nach dem Klagevorbringen ist die inländische Gerichtsbarkeit für den vorliegenden Rechtsstreit gegeben. Die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner kann nach Art 14 Abs 1 des seit 1.9.1996 (Lechner/Mayr, Das Übereinkommen von Lugano 35) auch in Österreich unmittelbar anzuwendenden, die Zuständigkeitsbestimmungen der Jurisdiktionsnorm hierin ersetzenden Übereinkommens von Lugano (LGVÜ) (auch) vor den Gerichten des Vertragsstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat. Vorausgesetzt wird, daß der Vertrag zu einem Zweck abgeschlossen wurde, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Verbrauchers zugerechnet werden kann, und es sich um den Kauf beweglicher Sachen auf Teilzahlung handelt (Art 13 Z 1 LGVÜ) oder um einen Kauf beweglicher Sachen, sofern dem Vertragsabschluß im Staat des Wohnsitzes des Verbrauchers ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung vorausgegangen ist, und der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluß des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat (Art 13 Z 3 lit a und b LGVÜ). Diese Voraussetzungen sind nach dem Klagevorbringen gegeben.
Art 14 LGVÜ regelt die Zuständigkeit in Verbrauchersachen (mit einer hier nicht zutreffenden Ausnahme) abschließend. Diese Bestimmung beruft nicht örtlich bestimmte, sondern allgemein "die Gerichte" des Vertragsstaates, in denen die Partei ihren Wohnsitz hat, regelt somit nur die internationale und nicht die örtliche Zuständigkeit (vgl Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht4 Anm 1 zu Art 14 EuGVÜ, dessen Wortlaut durch Art 14 LGVÜ vollständig übernommen wurde und der daher auch zur Auslegung des LGVÜ herangezogen werden kann). Ist daher die inländische Gerichtsbarkeit (internationale Zuständigkeit) nach dem Übereinkommen von Lugano zu bejahen, wird darin die örtliche Zuständigkeit jedoch nicht geregelt, findet das innerstaatliche Recht ergänzend Anwendung (Rechberger/Simotta Grundriß des österreichischen Zivilprozeßrechts4 Rz 78). Liegt, wie im gegenständlichen Fall, nach innerstaatlichem Recht kein die örtliche Zuständigkeit begründender Sachverhalt vor, ist auf Antrag eine Ordination nach § 28 Abs 1 Z 1 JN vorzunehmen (vgl Regierungsvorlage 34 BlgNR 20.GP 34 zu Art 14 LGVÜ, abgedruckt auch in Lechner/Mayr aaO 86 zu Art 14 LGVÜ; Mayr in Rechberger ZPO Rz 5 zu § 28 JN und Rz 10 zu § 14 KSchG vor § 83a JN; Rechberger/Simotta aaO FN 41 zu Rz 78; in diesem Sinn auch Pfeiler,
Die Gerichtszuständigkeit nach dem Abkommen von Lugano, ecolex 1996, 659 ff [661 FN 27]; aA Reichelt in Jayme, Ein internationales Zivilverfahrensrecht für Gesamteuropa 279 und Mänhardt in Reichelt, Europäisches Kollisionsrecht 81 [91 f], die jedoch nur allgemein die weitere Erforderlichkeit des § 28 JN anzweifeln, ohne zu einem Art 14 LGVÜ vergleichbaren Fall Stellung zu nehmen).
Die Ansicht des Erstgerichts, wonach es an der örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Handelsgerichtes Wien mangelt, ist daher zutreffend. Dem Ordinationsantrag des Klägers war Folge zu geben; die Bestimmung des Handelsgerichtes Wien als örtlich zuständiges Gericht erscheint mit Rücksicht auf die Kaufmannseigenschaft der Beklagten zweckmäßig.
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