European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1997:E48561
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird mit der Maßgabe bestätigt, daß die beklagte Partei der Klägerin aus den zugesprochenen Beträgen nicht 12 %, sondern 4 % Zinsen zu zahlen hat.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 9.135,- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.522,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war bei der Beklagten vom 7. 2. 1983 bis zum 19. 4. 1996 als Hilfsarbeiter beschäftigt. In den letzten sechs Jahren des Arbeitsverhältnisses arbeitete er von 6.45 Uhr bis 15.45 Uhr. Früher hatte der Kläger in K* gewohnt. Vor fünf oder sechs Jahren war er nach B* verzogen. Um von dort zu seinem Arbeitsort in K* zu kommen, benutzte er den von der Beklagten eingerichteten Werksverkehr. Am 19. 4. 1996 wurde der Kläger entlassen, nachdem er trotz einer ausdrücklichen Anordnung der Beklagten vom 1. 4. 1996, ab 15. 4. 1996 Schichtdienst mit Arbeitsbeginn um 4.24 Uhr zu leisten, sowohl an diesem Tag als auch am 17., 18. und 19. 4. 1996 (am 16. 4. war der Kläger krank) jeweils erst um 6.45 Uhr zur Arbeit erschienen war. Der Entlassung waren entsprechende Verwarnungen des Klägers vorangegangen.
Mit seinen (verbundenen) Klagen begehrt der Kläger S 147.876,66 brutto sA und S 21.511 brutto sA an Kündigungs- und Urlaubsentschädigung sowie Abfertigung. Er sei unberechtigt entlassen worden. Er habe nämlich der einseitigen Anordnung, Schichtdienst zu leisten, nie zugestimmt. Ebenso fehle die für eine solche Versetzung iS § 101 ArbVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrates. Der Arbeitsbeginn um 4.24 Uhr sei für den Kläger unzumutbar, weil zu diesem Zeitpunkt weder der Werksverkehr der Beklagten noch ein öffentliches Verkehrsmittel zwischen B* und K* verkehre. Da es bei warmer Witterung möglich gewesen wäre, mit einem Fahrrad oder einem - zu erwerbenden - Motorfahrrad zur Arbeit zu fahren, sei vereinbart worden, daß der Kläger frühestens ab 1. 5. 1996 in dem von der Beklagten gewünschten Schichtdienst arbeiten werde. Sein Nichterscheinen zu den genannten Terminen sei auch nicht schuldhaft erfolgt, weil ihm aufgrund der im April zu erwartenden Witterungsbedingungen die Benützung eines Mopeds für den sehr langen Zureiseweg nicht zumutbar gewesen sei, zumal er im Lenken von Motorfahrzeugen nicht erfahren sei.
Die Beklagte beantragte, die Klagebegehren abzuweisen. Der Kläger habe von ihr arbeitsvertragskonform zu verschiedenen Arbeitszeiten eingesetzt werden können. Dementsprechend habe er im Laufe seiner Tätigkeit bei der Beklagten zu verschiedenen Arbeitszeiten, insbesondere auch im Schichtdienst, gearbeitet. Die Integration der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit in den Schichtdienst sei auch betrieblich notwendig gewesen. Im Dezember 1995 sei zwischen den Parteien vorerst die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit 30. 4. 1996 festgelegt, dann jedoch über Wunsch des Klägers wieder rückgängig gemacht worden. Gleichzeitig hätten die Parteien vereinbart, daß der Kläger künftig im Schichtbetrieb mit Arbeitsbeginn 4.24 Uhr arbeite. Der Kläger habe ersucht, den bisherigen Arbeitsbeginn bis Frühjahr 1996 beibehalten zu können, damit er sich bis dahin entweder eine andere Arbeit suchen oder ein Fahrzeug anschaffen könne. Diesem Wunsch habe die Beklagte mit der Maßgabe zugestimmt, daß ab 15. 4. 1996 jedenfalls der vereinbarte Schichtzyklus beginne. Eine Versetzung des Klägers iS des ArbVG liege nicht vor. Überdies stelle die geringfügige Änderung der Arbeitszeit keine Verschlechterung der Situation des Klägers dar, zumal er durch Kilometergeldzulagen finanziell bessergestellt worden wäre. Zudem könne der Wechsel des Wohnortes des Klägers während des Dienstverhältnisses nicht zu Lasten der Beklagten gehen. Die Entlassung sei daher gerechtfertigt gewesen.
Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus traf es folgende wesentliche Feststellungen:
Ob der Kläger im Rahmen der Einstellungsgespräche darauf hingewiesen wurde, daß sich seine Arbeitszeiten nach den Betriebsgegebenheiten richten, ist nicht feststellbar. Jedenfalls wurden ihm keine bestimmten Arbeitszeiten zugesichert. Im Betrieb der Beklagten kommen ständig Änderungen der Arbeitszeiten vor. Die Arbeitszeit des Klägers begann zu Beginn seiner Tätigkeit um 6.45 Uhr, später war er auch im 3‑Schicht‑Dienst mit Arbeitsbeginn um 6.00 Uhr, 14.00 Uhr bzw. 22.00 Uhr tätig. Zuletzt arbeitete er im Bereich der "Fermentation" in einer Gruppe mit fünf Arbeitern und einem Meister. Da der Arbeitsanfall stieg, wollte die Beklagte diesen Bereich in einen Vollschichtbetrieb integrieren. Zuletzt überschnitten sich die Arbeitszeiten des Klägers, der wegen seiner persönlichen Situation unflexibel war, mit jenen der anderen Mitglieder seiner Gruppe, die bereits um 4.24 Uhr die Arbeit aufnahmen. Dadurch gestaltete sich die Arbeitseinteilung schwierig. Im Dezember 1995 ordnete der Abteilungsleiter in der Produktion der Beklagten die Eingliederung des Klägers in den Schichtdienst an, worauf - da der Kläger auf die Unmöglichkeit hinwies, den Dienst um 4.24 Uhr anzutreten - die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses mit Ende April 1996 vereinbart wurde. Über Ersuchen des Klägers wurde diese Vereinbarung in der Folge jedoch wieder rückgängig gemacht, wobei einvernehmlich festgehalten wurde, daß für den Kläger der Schichtdienst jedenfalls "im Frühjahr" beginne. Ob ein fixer Zeitpunkt vereinbart wurde (insbesondere Ende April 1996) ist nicht feststellbar. Die am 1. 4. 1996 erfolgte Anordnung des Schichtdienstes für den Kläger mit 15. 4. 1996 wurde vom Betriebsrat nicht genehmigt. Vom Betriebsratsvorsitzenden auf die Mitte April möglichen witterungsbedingten Widrigkeiten angesprochen, erklärte der Abteilungsleiter, der Kläger solle sich gegebenenfalls an ihn wenden. Ob die Witterungsverhältnisse am 15. 4. 1996 und in den Folgetagen die Benutzung eines Mopeds von B* nach K* erlaubt hätten, ist nicht feststellbar.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß keine Versetzung iS § 101 ArbVG vorliege, weil dies nur bei Änderungen des Arbeitsortes oder des Tätigkeitsbereiches, nicht aber bei bloßen Änderungen in der Arbeitszeit der Fall sei. Im übrigen stehe es dem Dienstgeber im Rahmen seines Direktionsrechtes zu, die Diensteinteilung nach den Erfordernissen des Betriebes vorzunehmen. Die Vereinbarung, der Schichtdienst beginne im Frühjahr, sei unbestimmt. Verstehe man darunter den kalendermäßigen Frühlingsbeginn, sei die Anweisung der Beklagten vereinbarungsgemäß. Der Kläger habe seit längerem gewußt, daß der Schichtdienst für ihn "im Frühjahr" beginnen werde. Dennoch habe er es unterlassen, die hiefür notwendigen Vorbereitungen zu treffen. Er habe daher schuldhaft die vertragsgemäßen Arbeitszeiten nicht eingehalten, sodaß der Entlassungsgrund des § 82 lit. f GewO 1859 verwirklicht sei.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil im Umfang der Abweisung des 4 % übersteigenden Zinsenbegehrens und änderte es im übrigen im Sinne der Stattgebung der Klagebegehren ab, wobei ihm bei der Bezifferung des zuzusprechenden Zinssatzes ein offenkundiger Schreib- oder Diktatfehler ("12 %" statt richtig "4%" unterlief). Es sprach aus, daß die Revision zulässig sei (§ 46 Abs 1 und Abs 3 Z 1 ASGG).
Das Berufungsgericht übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen mit Ausnahme jener, wonach nicht feststellbar sei, ob die Streitteile für die Aufnahme des Schichtdienstes einen fixen Zeitpunkt (Ende April 1996) festgelegt hätten. Diese zuletzt genannte Feststellung erachtete es für die rechtliche Beurteilung bedeutungslos.
Es vertrat die Rechtsauffassung, daß der Arbeitgeber - falls wesentliche Interessen des Betriebes dies erforderlich machten - die Arbeitszeit des Dienstnehmers einseitig ändern könne, dabei aber auf berücksichtigungswürdige Interessen des Arbeitnehmers Bedacht zu nehmen habe. Letzteres habe die Beklagte unterlassen. Angesichts der für den Kläger gegebenen Schwierigkeiten, um 4.24 Uhr seinen Dienst anzutreten, wäre es ihr zumutbar gewesen, mit der Anordnung des Schichtdienstes bis 1. 5. 1996 zuzuwarten, zu welchem Zeitpunkt der Kläger jedenfalls bereit gewesen sei, den Schichtdienst anzutreten. Da die mit dem Kläger geschlossene Vereinbarung relativ unbestimmt gewesen sei, hätte die Beklagte vor ihrer Anordnung das Einvernehmen mit dem Kläger herstellen müssen. Da dies nicht geschehen sei, sei der Kläger nicht verpflichtet gewesen, den einseitig angeordneten Schichtdienst anzutreten. Ob diese Anordnung als Versetzung iS § 101 ArbVG zu werten sei, sei daher nicht mehr zu prüfen. Hinsichtlich des Zuspruches von S 147.876,66 sei die Revision gemäß § 46 Abs 3 ASGG jedenfalls zulässig; hinsichtlich des Zuspruches von S 21.511,- seien die Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG gegeben, weil die Rechtsprechung zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die einseitige Anordnung eines Schichtdienstes zulässig sei, uneinheitlich sei.
Gegen den stattgebenden Teil dieses Urteils richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Klageforderungen zur Gänze abzuweisen, hilfsweise, die Zinsenentscheidung iS der Korrektur des Zinssatzes auf 4 % und - soweit sie den Zuspruch von S 21.511,- betrifft - iS der Änderung des Beginnes des Zinsenlaufes auf 20. 7. 1996 richtigzustellen.
Der Kläger beantragt, die Revision als verspätet zurückzuweisen, hilfsweise, sie abzuweisen.
Die Revision ist rechtzeitig; sie ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 101 ArbVG bedarf jede Versetzung ("Einreihung des Arbeitnehmers auf einen anderen Arbeitsplatz"), mag sie vertragsändernden oder direktorialen Charakter haben, zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des Betriebsrates, wenn sie für "dauernd" (das heißt, für voraussichtlich mindestens 13 Wochen) erfolgt und wenn mit dem Wechsel des Arbeitsplatzes eine Verschlechterung der Entgelt- oder sonstigen Arbeitsbedingungen verbunden ist (Arb 10.472; Arb 11.311; Arb 11.356). Eine "Versetzung" liegt nicht nur dann vor, wenn entweder der Arbeitsort oder der inhaltliche Arbeitsbereich des Arbeitnehmers verändert werden, sondern auch dann, wenn - ohne Änderung des Arbeitsortes oder des Arbeitsbereiches ‑ die Arbeitszeiteinteilung eine wesentliche Änderung erfährt (8 ObA 2057/96z = WBl 1996,456 = RdW 1997,356 = ZAS 1997,114 = ARD 4814/18/97; ebenso Floretta/Strasser, ArbVGý Anm 6 zu § 101; Schwarz in Cerny/Haas‑Laßnigg/Schwarz, Arbeitsverfassungsrecht 3, 157f).
Im hier zu beurteilenden Fall bewirkte die Einführung des Schichtdienstes, die mit der Anordnung des Arbeitsbeginnes zu einer Zeit einhergeht, zu der weder der Werksverkehr noch öffentliche Verkehrsmittel verkehren, eine tiefgreifende Veränderung der Arbeitszeiteinteilung, die iS der dargestellten Rechtslage als Versetzung iS § 101 ArbVG zu qualifizieren ist. Daß diese Versetzung die Arbeitsbedingungen des Klägers verschlechterte, kann angesichts seiner festgestellten Schwierigkeiten, zum nunmehr angeordneten Dienstbeginn seinen Arbeitsplatz zu erreichen, nicht zweifelhaft sein. Die fünf oder sechs Jahre früher erfolgte Übersiedlung des Klägers nach B* ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung, weil nur die Situation des Klägers vor der Versetzung mit jener danach zu vergleichen ist (Arb 11.356 uva). Das Anbot auf Zahlung von Kilometergeld - dem ja auch ein Aufwand des Klägers gegenübergestanden wäre - macht diese Verschlechterung in keiner Weise wett. Damit hätte aber die (unbestritten als "dauernd" iS § 101 ArbVG anzusehende) Versetzung des Klägers der Zustimmung des Betriebsrates bedurft. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß der Beklagte mit dem Abschluß der festgestellten Vereinbarung, im Frühjahr mit dem Schichtdienst zu beginnen, der Versetzung zugestimmt hat, weil die Zustimmung oder Nichtzustimmung des Arbeitnehmers zu einer Versetzung das Mitwirkungsrecht des Betriebsrates iS § 101 ArbVG nicht berührt (SZ 67/84; Arb 10.472; Ris‑Justiz RS0018095). Da der Betriebsrat der verschlechternden Versetzung des Klägers nicht zustimmte, blieb sie unwirksam (Arb 11.356), sodaß die Weigerung des Klägers, die Arbeit um 4.24 Uhr anzutreten, seine Entlassung nicht rechtfertigen kann.
Im Ergebnis erweist sich die angefochtene Entscheidung daher als zutreffend.
Das Begehren des Klägers auf Zuspruch von Zinsen aus S 21.511,- bereits ab 20. 4. 1996 hat die Beklagte, die das Klagebegehren der Höhe nach außer Streit stellte, in erster Instanz nicht bestritten. Ihr nunmehriger Einwand, dieser Anspruch des Klägers sei erst später fällig geworden, verstößt daher gegen das Neuerungsverbot und ist somit unbeachtlich.
Daß dem Berufungsgericht im Zusammenhang mit der Bezifferung des zuzusprechenden Zinssatzes ein offenkundiger Schreib- oder Diktatfehler unterlaufen ist, wurde bereits oben ausgeführt. Angesichts des unmißverständlich zum Ausdruck gebrachten Entscheidungswillens des Berufungsgerichtes, nur 4 % Zinsen zuzusprechen, führt dies aber nicht zu einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung, sondern zu deren ( iS § 419 Abs 3 ZPO auch in höherer Instanz vorzunehmender) Berichtigung in Form einer Maßgabebestätigung.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 40, 50 Abs 1 ZPO. Die Berichtigung des Ausspruches der Entscheidung über das Zinsenbegehren löst keine Kostenfolgen aus.
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