OGH 4Ob328/97g

OGH4Ob328/97g12.11.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek und Dr. Niederreiter sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 4.März 1994 verstorbenen Margarethe S***** und dem am 19.März 1994 verstorbenen Erwin S*****, infolge Revisionsrekurses der erbserklärten Erben 1. Irmgard F*****, 2. Herta S*****, 3. Ernst K*****, 4. Sabine K*****,

5. Claudia K*****, 6. Angelika L*****, alle vertreten durch Dr. Michael Schwarz, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 27. Mai 1997, GZ 43 R 205/97h-37, mit dem der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 4.Februar 1997, GZ 8 A 154/94h-33, 8 A 177/94s-54, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß der Antrag, den am 20.8.1996 mit der I***** GmbH geschlossenen Kaufvertrag samt Zusatzerklärung verlassenschaftsbehördlich zu genehmigen, zurückgewiesen wird.

Text

Begründung

Margarethe S***** ist am 4.3.1994 gestorben, ihr Ehegatte Erwin S***** am 19.3.1994. Der Nachlaß von Margarethe S***** wurde mit rechtskräftigem Beschluß vom 21.11.1994 der Verlassenschaft nach Erwin S***** eingeantwortet. Die Verlassenschaft nach Erwin S***** wurde damit Alleineigentümerin von 102/9200stel Anteilen an der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch *****, verbunden mit dem Wohnungseigentum an der Wohnung Stiege *****.

Im Verlassenschaftsverfahren nach Erwin S***** gaben Irmgard F*****, Herta S*****, Ernst K*****, Sabine K*****, Claudia K***** und Angelika L***** unbedingte Erbserklärungen ab; die Erbserklärungen wurden zu Gericht angenommen. Den erbserklärten Erben wurde die Besorgung, Benützung und Verwaltung des Nachlasses überlassen.

Mit Beschluß des Landesgerichtes Sankt Pölten vom 11.3.1996 wurde zu S 80/96t das Konkursverfahren über das Vermögen des Ernst K***** eröffnet. Rechtsanwalt Dr. Michael Schwarz wurde zum Masseverwalter bestellt. In der Folge wurde ein Gutachten über den Wert der Eigentumswohnung eingeholt, das einen Schätzwert von S 1,000.000,-- ergab.

Am 21.11.1996 beantragten die durch Rechtsanwalt Dr. Michael Schwarz vertretenen erbserklärten Erben in beiden Verlassenschaftsverfahren, den am 20.8.1996 mit der I*****GmbH geschlossenen Kaufvertrag über die Eigentumswohnung zu genehmigen. Sie legten den Kaufvertrag vor und erklärten, daß die Käuferin den Kaufpreis von S 700.000,-- bereits erlegt habe. Es sei bereits mehrmals vergeblich versucht worden, die Eigentumswohnung zu verkaufen.

Das Erstgericht wies den Antrag ab.

Im Verlassenschaftsverfahren nach Margarethe S***** sei der Nachlaß bereits rechtskräftig eingeantwortet. Damit sei die Zuständigkeit des Verlassenschaftsgerichtes für Verkaufsermächtigungen weggefallen.

Im Verlassenschaftsverfahren nach Erwin S***** könne der Kaufvertrag nicht genehmigt werden, weil der Kaufpreis zu niedrig sei. Die Eigentumswohnung sei nach dem Sachverständigengutachten S 1,000.000,-- wert; der Kaufpreis betrage aber nur S 700.000,--. Dadurch würden nicht nur die Interessen der Verlassenschaft, sondern auch die der Gläubiger des erbserklärten Miterben Ernst K***** beeinträchtigt.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Nach der Einantwortung könne das Verlassenschaftsgericht die Veräußerung von Nachlaßgegenständen nicht mehr genehmigen. Vor der Einantwortung dürfe eine Veräußerung nur genehmigt werden, wenn die Interessen möglicher Gläubiger gewahrt sind. Der Nachlaß solle bis zur Einantwortung ungeschmälert erhalten bleiben. Der Kaufvertrag sei wegen des weit unter dem Schätzwert liegenden Kaufpreises für die Verlassenschaft nicht günstig.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der erbserklärten Erben ist zulässig, weil eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu einem gleichartigen Sachverhalt fehlt; der Revisionsrekurs ist im Ergebnis auch berechtigt.

Die erbserklärten Erben verweisen darauf, daß ein - vom Verlassenschaftsgericht genehmigter - Kaufvertrag auch noch vom Konkursgericht genehmigt werden muß. Das Konkursgericht nehme die Interessen der Konkursgläubiger wahr. Verlassenschaftsgläubiger seien nicht vorhanden.

Dem Erben, der sein Erbrecht hinreichend ausweist, ist die Besorgung und Benützung der Verlassenschaft zu überlassen (§ 810 ABGB). Mehreren Miterben ist die Verwaltung gemeinsam zu übertragen. Verfügungen über den Nachlaß müssen die Erben einstimmig und mit Genehmigung des Gerichts (§ 145 AußStrG) vornehmen (Schwimann/Eccher, ABGB**2 III § 810 Rz 4f; s auch Welser in Rummel, ABGB**2 § 810 Rz 20; RZ 1934, 75; JBl 1971, 474).

Das Gericht darf die Veräußerung von Nachlaßvermögen gestatten, wenn die Veräußerung weder dem letzten Willen des Erblassers widerspricht noch die Interessen anderer am Nachlaß beteiligter Personen verletzt (NZ 1969, 37 mwN; NZ 1986, 132; s auch SZ 28/31; SZ 65/108; RIS-Justiz RS0008210). Zu den Aufgaben des Verlassenschaftsgerichts gehört (ua) die Wahrung der Interessen der Gläubiger. Der Nachlaß soll bis zur Einantwortung ungeschmälert erhalten bleiben (Immolex 1997/15). Die Veräußerung kann auch im vorhinein genehmigt werden. Eine solche Genehmigung liegt in der Ermächtigung zum Verkauf (RZ 1988/35).

Die sechs Miterben sind übereingekommen, die Eigentumswohnung zu verkaufen und den Erlös aufzuteilen. Andernfalls hätte das Verlassenschaftsgericht den Mindestanteil und das damit verbundene Wohnungseigentum durch Versteigerung öffentlich feilbieten müssen (§ 8 Abs 2 WEG 1975). Mit Beschluß vom 22.3.1995 ON 24 räumte das Verlassenschaftsgericht dem Gerichtskommissär "zur Erzielung einer Erbteilung betreffend die Eigentumswohnung bzw. zur Veräußerung derselben" eine - inzwischen mehrmals verlängerte - Frist von drei Monaten ein.

In der Einräumung einer Frist zur Veräußerung liegt denknotwendigerweise eine Ermächtigung zur Veräußerung. Damit erübrigt sich eine - nachträgliche - Genehmigung, weil die nach § 145 AußStrG notwendige Genehmigung auch durch die Ermächtigung zum Verkauf erteilt werden kann.

Der Annahme einer Ermächtigung durch Fristeinräumung steht nicht entgegen, daß das Verlassenschaftsgericht eine Veräußerung nur gestatten darf, wenn die Veräußerung weder dem Willen des Erblassers widerspricht noch die Interessen anderer am Nachlaß beteiligter Personen verletzt.

Im vorliegenden Verlassenschaftsverfahren gab und gibt es keine Anhaltspunkte dafür, daß die Veräußerung dem Willen des Erblassers widersprechen könnte. Auch die Interessen anderer am Nachlaß beteiligter Personen wurden und werden nicht verletzt.

Die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses wurde sämtlichen Miterben übertragen, die sich unbedingt erbserklärt haben. Der Abhandlung wurde ein Reinnachlaß von S 135.955,22 zugrunde gelegt; an Nachlaßverbindlichkeiten wurden S 55.009,40, S 25.300,--, S 900,-- und S 1.198,87 angegeben. Nach dem Akteninhalt ist jedenfalls die Forderung von S 55.009,40 mittlerweile berichtigt worden. Selbst wenn die anderen Forderungen, entgegen dem Vorbringen im Revisionsrekurs, noch offen sein sollten, ist ihre Einbringlichkeit nicht gefährdet, nachdem sich sämtliche Miterben unbedingt erbserklärt haben. Sämtliche Miterben sind auch eigenberechtigt; für den Miterben Ernst K*****, über dessen Vermögen ein Konkursverfahren anhängig ist, ist der Masseverwalter eingeschritten, der im übrigen auch die anderen Miterben vertritt.

Die Konkursgläubiger sind keine "am Nachlaß beteiligten Personen". Ob ihre Interessen gewahrt sind, wird das nach § 90 KO zuständige Konkursgericht zu prüfen haben, bevor es die Veräußerung genehmigt. Eine allfällige Beeinträchtigung ihrer Interessen kann daher nicht dazu führen, daß die verlaßbehördliche Genehmigung versagt wird. Die Konkursgläubiger sind insofern nicht anders zu behandeln, als Gläubiger der anderen Miterben.

Deren Interessen sind aber ebensowenig zu schützen wie die der eigenberechtigten Miterben. Auch wenn der Nachlaß, wie in der Entscheidung SZ 65/108 ausgesprochen wurde, eine nach § 21 Abs 1 ABGB geschützte Vermögensmasse ist, kann sein Schutz nur soweit reichen, wie es die Interessen der darauf angewiesenen Personen verlangen. Wenn die eigenberechtigten Miterben bereit sind, Verlassenschaftsvermögen unter dem Schätzwert zu verkaufen, kann das Gericht dem nicht entgegentreten, sofern die Veräußerung nicht dem Willen des Erblassers oder den Interessen anderer Personen widerspricht, die auf den Nachlaß angewiesen sind. Liegt keiner dieser Umstände vor, so ist der Vertrag inhaltlich nicht weiter zu prüfen. Der Gesetzgeber überläßt es eigenberechtigten Erben, wie, ob gerichtlich oder außergerichtlich, und wann, ob vor oder nach der Einantwortung, sie die Erbteilung vornehmen (§ 170 AußStrG). Sie können auch nach der Einantwortung jederzeit eine Regelung treffen, die von der abhandlungsbehördlich genehmigten, zunächst erzielten Einigung abweicht (EvBl 1968/81 = NotZ 1968, 58). Für eine Prüfung, ob ein Kaufvertrag über Nachlaßvermögen die Interessen der eigenberechtigten Erben wahrt, fehlt demnach jede Grundlage.

Das Erstgericht konnte die Erben nur im Verlassenschaftsverfahren nach Erwin S***** zur Veräußerung ermächtigen, weil der im Verlassenschaftsverfahren nach Margarethe S***** angefallene Hälfteanteil an der Eigentumswohnung der Verlassenschaft nach Erwin S***** bereits eingeantwortet wurde. Der Antrag auf Genehmigung des Kaufvertrages war daher in beiden Verfahren zurückzuweisen. Im Verlassenschaftsverfahren nach Margarethe S***** ist eine Genehmigung ausgeschlossen, weil der Nachlaß bereits rechtskräftig eingeantwortet ist; im Verlassenschaftsverfahren nach Erwin S***** erübrigt sich eine - nachträgliche - Genehmigung, weil die Veräußerung bereits im vorhinein genehmigt wurde.

Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben. Die Zurückweisung des Genehmigungsantrages entspricht dem Ziel der Rechtsmittelwerber.

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