OGH 9ObA148/97y

OGH9ObA148/97y5.11.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Herbert Vasely und Gerhard Gotschy als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei I***** AG, *****, vertreten durch Dr. Alfred Strommer ua, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Gerhard S*****, dzt. ohne Beschäftigung, ***** vertreten durch Dr. Georg Freimüller ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 400.552 brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. Jänner 1997, GZ 9 Ra 285/96i-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 26. April 1996, GZ 27 Cga 54/96z-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 18.315,- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 3.052,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der (mit einer Unterbrechung von einem Jahr) seit 1976 bei der Klägerin beschäftigte Beklagte war seit 1988 Vorsitzender des Zentralbetriebsrates. Er war gemäß § 117 ArbVG von der Arbeitsleistung unter Fortzahlung des Entgeltes freigestellt.

Am 14. 9. 1994 wurde der Kläger mit der Begründung, er habe seinen Vorgesetzten und Mitarbeiter beleidigt, entlassen. Zu 22 Cga 187/94 des Erstgerichtes begehrte die Klägerin die (nachträgliche) Zustimmung zu dieser Entlassung. Mit einstweiliger Verfügung des Erstgerichtes vom 5. 10. 1994 (9 Cga 218/94g) wurde der Klägerin verboten, den Beklagten bis zur gerichtlichen Zustimmung zur Entlassung an der Ausübung seines Betriebsratsmandates zu hindern und ihm den dafür erforderlichen Zutritt zu den Betriebsräumlichkeiten zu verweigern. Am 3. 2. 1995 sprach die Klägerin wegen abermals erfolgter ehrverletzender Äußerungen neuerlich die Entlassung des Beklagten aus und erhob in der Folge im Verfahren 22 Cga 187/94 des Erstgerichtes das Eventualbegehren auf Zustimmung zu dieser Entlassung. Mit Urteil vom 4. 12. 1995 stimmte das Erstgericht in Stattgebung dieses Eventualbegehrens der Entlassung vom 3. 2. 1995 zu.

Mit ihrer nunmehrigen Klage begehrt die Klägerin vom Beklagten die Rückzahlung der ihm nach dem 3. 2. 1995 bis einschließlich November 1995 ausbezahlten Gehälter in der Höhe von insgesamt S 400.552 brutto. Bis zur Zustimmung des Erstgerichtes zur Entlassung vom 3. 2. 1995 sei diese Entlassung schwebend unwirksam gewesen, sodaß das Dienstverhältnis des Beklagten als weiterhin aufrecht anzusehen gewesen sei und er sein Betriebsratsmandat habe ausüben können. Folglich habe er sein Gehalt weiter bezogen. Gemäß § 61 ASGG sei das der Entlassung zustimmende Rechtsgestaltungsurteil vom 4. 12. 1995 einstweilen in Wirksamkeit getreten, sodaß der Beklagte nunmehr so zu behandeln sei, als wäre er per 3. 2. 1995 aus dem Betrieb ausgeschieden. Die Klägerin sei daher berechtigt, vom Beklagten die nach dem 3. 2. 1995 geleisteten Gehaltszahlungen zurückzufordern.

Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. § 61 ASGG sei auf in dieser Bestimmung nicht genannte Bereicherungsansprüche des Arbeitgebers nicht anzuwenden. Überdies habe der gemäß § 117 ArbVG von der Arbeitsleistung freigestellte Beklagte in der fraglichen Zeit sein Betriebsratsmandat ausgeübt, weshalb er Anspruch auf Entgelt habe, als hätte er eine Arbeitsleistung erbracht. Das ihm ausgezahlte Entgelt sei daher nicht rückforderbar.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß das der Entlassung zustimmende Urteil vom 4. 12. 1995 zwar iS § 61 ASGG Gestaltungswirkung entfalte, daß aber daraus der behauptete Rückforderungsanspruch nicht ableitbar sei, weil ein solcher Anspruch nicht dem Schutzzweck des § 61 Abs 1 Z 1 und Abs 2 letzter Satz ASGG entspreche. Das Klagebegehren finde in den in § 61 Abs 1 Z 1 bis 5 ASGG taxativ aufgezählten Angelegenheiten keine Deckung. Darüber hinaus sei die Betriebsratstätigkeit des Beklagten, die auszuüben er bis zur gerichtlichen Zustimmung zur Entlassung berechtigt gewesen sei, einer Arbeitsleistung gleichzuhalten. Der Beklagte habe daher eine Tätigkeit erbracht, die mit den nunmehr rückgeforderten Zahlungen abgegolten worden sei, weshalb die bereicherungsrechtliche Rückforderung dieser Zahlungen nicht möglich sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Nach § 61 Abs 1 Z 5 ASGG entfalte das der Entlassung zustimmende Urteil des Erstgerichtes im Verfahren 22 Cga 187/94 bis zur rechtskräftigen Sachentscheidung Gestaltungswirkung, weshalb auch in diesem Verfahren von der Wirksamkeit dieses Urteils auszugehen sei. Eine gegen nachträgliche Zustimmung des Gerichtes gemäß § 122 Abs 3 ArbVG ausgesprochene Entlassung eines Betriebsratsmitgliedes sei bis zur Erteilung der gerichtlichen Zustimmung schwebend rechtsunwirksam, sodaß das Betriebsratsmitglied zur Arbeitsleistung verpflichtet und sein Entgeltanspruch aufrecht bleibe. Daran ändere die nachträglich erteilte Zustimmung zur Entlassung nichts, weshalb eine Rückzahlungsverpflichtung des Betriebsratsmitgliedes zu verneinen sei. Anders sei dies nur, wenn der Arbeitgeber das Betriebsratsmitglied von seiner Arbeitsverpflichtung suspendiert und sich die Rückzahlung des während des Gerichtsverfahrens gezahlten Entgeltes vorbehalten habe. Unter dieser Voraussetzung sei das Betriebsratsmitglied infolge der Rückwirkung der Zustimmungsentscheidung zur Rückzahlung des Entgeltes verpflichtet. Da der Beklagte gemäß § 117 ArbVG freigestellt sei, sei seine Suspendierung nicht in Betracht gekommen, weil er ohnedies von der Arbeitsleistung entbunden gewesen sei. Für einen Rückforderungsanspruch der Klägerin hätte diese daher einen - von ihr nicht einmal behaupteten - Rückforderungsvorbehalt erklären müssen. Die vom Beklagten geleistete Betriebsratstätigkeit sei der Arbeitsleistung gleichzuhalten.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Stattgebung der Klage abzuändern.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Klage des Arbeitgebers auf nachträgliche Zustimmung zur Entlassung eines Betriebsratsmitgliedes (§ 122 Abs 3 ArbVG) ist eine Rechtsgestaltungsklage (Schwarz in Cerny/Haas-Laßnigg/Schwarz § 120 Erl 5). Gemäß § 61 Abs 1 Z 1 (Kuderna, Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz**2 Anm 8 zu § 61) und 5 ASGG entfaltet das einer solchen Klage stattgebende erste Urteil des Gerichtes erster Instanz rechtsgestaltende Wirkung, auch wenn es nicht rechtskräftig ist. Im vorliegenden Verfahren ist daher von der rechtsgestaltenden Wirkung des der Entlassung des Beklagten zustimmenden Urteiles vom 4. 12. 1995 auszugehen.

Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist

eine gegen nachträgliche Zustimmung ausgesprochene Entlassung eines

Betriebsratsmitgliedes schwebend unwirksam und hat noch kein

Erlöschen der Mitgliedschaft zum Betriebsrat zur Folge. Das

Betriebsratsmitglied ist daher weiterhin berechtigt, seinen Aufgaben

nachzukommen, solange der Schwebezustand dauert (9 ObA 14/93 = ARD

4458/14/93 = NRsp 1993/134; 9 ObA 244/93 = Arb 11.127 = DRdA 1994,502

[Eypeltauer] = ecolex 1994,246 = ARD 4531/94; 9 ObA 25/95 = Arb

11.376 = ecolex 1995,362 = WBl 1995,289 = RZ 1995/81 = DRdA 1996,43

[Eypeltauer] = SozArb 1996 H1 S 11; 9 ObA 1005/95 = ARD 4675/20/95;

zust. Kuderna, Die Rechtswirkung einer gegen nachträgliche Zustimmung des Gerichtes ausgesprochenen Entlassung, DRdA 1995,211). Das (nicht freigestellte) Betriebsratsmitglied ist auch weiterhin zur Arbeitsleistung verpflichtet, sodaß auch nach dem Ausspruch der Entlassung bis zur Erteilung der gerichtlichen Zustimmung sein Entgeltanspruch aufrecht bleibt. Daran vermag auch die auf Grund der nachträglichen Zustimmung eingetretene rückwirkende Rechtswirksamkeit und die daher rückwirkend erfolgte Auflösung des Arbeitsverhältnisses nichts zu ändern, weil im Rahmen des vertraglichen Synallagmas Leistung und Gegenleistung erbracht worden sind. Eine Verpflichtung des nunmehr rechtswirksam entlassenen Betriebsratsmitglieds zur Rückzahlung des während des gerichtlichen Verfahrens bezogenen Entgelts besteht daher nicht (Kuderna, a.a.O. 215). Nur wenn der Arbeitgeber das Betriebsratsmitglied von seiner Arbeitsverpflichtung suspendiert und sich die Rückzahlung des von ihm während der Dauer des gerichtlichen Verfahrens gezahlten Arbeitsentgelts für den Fall der Erteilung der nachträglichen Zustimmung vorbehalten hat und diese nachträgliche Zustimmung erteilt wird, ist das Betriebsratsmitglied infolge der Rückwirkung dieser Entscheidung und des dadurch eingetretenen Wegfalles des Rechtsgrundes der Leistung (§ 1435 ABGB) zur Rückzahlung verpflichtet, ohne daß ihm der Einwand des gutgläubigen Verbrauchs offenstünde (Kuderna a.a.O. 215).

Der Kläger war aber gemäß § 117 ArbVG von der Arbeitsleistung freigestellt und demgemäß nach dem Ausfallsprinzip zu entlohnen (ZAS 1993/5; Cerny in Cerny/Haas-Laßnigg/Schwarz, Arbeitsverfassungsrecht 3, 360). Diese Freistellung ist im Gegensatz zur Meinung der Revisionswerberin einer Suspendierung nicht gleichzuhalten. Ob die Suspendierung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds überhaupt möglich ist (zu den nicht beschränkbaren Rechten des Betriebsrates: 9

ObA 244/93 = Arb 11.127 = DRdA 1994,502 [Eypeltauer] = ecolex

1994,246 = ARD 4531/94 mwN) braucht hier nicht geprüft zu werden,

weil eine solche Suspendierung hier - wie die Revisionswerberin selbst einräumt - jedenfalls nicht erfolgt ist. Ebenso ist unstrittig, daß der Beklagte seine Betriebsratstätigkeit auch nach dem Ausspruch der Entlassung weiterhin ausgeübt hat. Damit liegen aber die dargelegten Voraussetzungen für den behaupteten Rückforderungsanspruch der Klägerin nicht vor.

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