OGH 7Ob264/97t

OGH7Ob264/97t22.10.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Marktgemeinde P*****, vertreten durch Dr.Gernot Gruböck und Dr.Stephan Gruböck, Rechtsanwälte in Baden, wider die beklagte Partei Peter T*****, vertreten durch Dr.Manfred C.Müllauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 11.Juni 1997, GZ 16 R 83/97p-34, womit infolge Rekurses der beklagten Partei der Beschluß des Bezirksgerichtes Ebreichsdorf vom 6.November 1996, GZ 2 C 330/95f-29a, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rekurses gegen den Beschluß des Erstgerichtes selbst zu tragen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.086,40 (darin S 1.014,40 USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die klagende Partei verkaufte dem Beklagten eine Liegenschaft im Ausmaß von 2912 m2 um S 2.912,--. Im Verfahren 2 Cg 247/93w des Landesgerichtes Eisenstadt begehrte die auch hier klagende Partei vom Beklagten die Einwilligung, daß auf dieser Liegenschaft das Eigentumsrecht für die klagende Partei einverleibt werden könne, wobei sie sich zunächst auf ein vereinbartes Wiederkaufsrecht stützte, dessen Voraussetzungen eingetreten seien. Der Beklagte hätte vereinbarungsgemäß bis spätestens 20.1.1991 den Betrieb einer Bau- und Kunstschlosserei auf der Liegenschaft aufnehmen müssen. Dies sei jedoch nicht geschehen. In weiterer Folge machte die klagende Partei auch den Wegfall der Geschäftsgrundlage geltend und begehrte nunmehr die Einwilligung in die Einverleibung ihres Eigentumsrechtes Zug um Zug gegen Ersatz des Wertes der vom Beklagten auf der Liegenschaft errichteten Baulichkeit in Höhe von S 585.650,--.

Das Landesgericht Eisenstadt erkannte den Beklagten im ersten Rechtsgang schuldig, in die Einverleibung des Eigentumsrechtes zugunsten der klagenden Partei auf dieser Liegenschaft einzuwilligen. Das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, daß es den Beklagten schuldig erkannte, in die Einverleibung des Eigentumsrechtes Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises von S 2.912,-- einzuwilligen. Mit Beschluß vom 10.5.1995, 3 Ob 534/95, gab der Oberste Gerichtshof der dagegen vom Beklagten erhobenen Revision Folge, hob die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Der vereinbarte Wiederkaufsfall sei selbst bei ergänzender Vertragsauslegung nicht eingetreten, sodaß das Wiederkaufsrecht bereits erloschen sei. Die klagende Partei habe aber ihr Begehren hilfsweise auch auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage gestützt und damit eine Klagsänderung im Sinn des § 235 ZPO vorgenommen, gegen deren Zulässigkeit sich die beklagte Partei ausgesprochen habe. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren über die Zulässigkeit der Klagsänderung zu entscheiden haben. Im Fall einer Nichtzulassung sei das Klagebegehren abzuweisen, weil als Klagegrund dann nur das Wiederkaufsrecht anzusehen wäre. Das Landesgericht Eisenstadt ließ daraufhin mit Beschluß vom 5.9.1995, der mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 31.1.1996 bestätigt wurde, die Klagsänderung zu.

Mit ihrer am 10.3.1995 eingebrachten Räumungsklage begehrte die klagende Partei vom Beklagten die Räumung der Liegenschaft binnen 14 Tagen. Sie habe im Verfahren 2 Cg 247/93w des Landesgerichtes Eisenstadt ihr Wiederkaufsrecht geltend gemacht. Der Beklagte sei zur Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechtes der klagenden Partei Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises verpflichtet worden. Bezüglich der Rückzahlung des Kaufpreises habe die klagende Partei die Kompensation mit ihrer aushaftenden Prozeßkostenforderung erklärt. Das Berufungsurteil im genannten Verfahren sei zwar aufgrund einer völlig aussichtslosen außerordentlichen Revision des Beklagten noch nicht rechtskräftig, aber bereits gemäß § 505 Abs 3 ZPO vollstreckbar. Der Beklagte habe die Räumung der Liegenschaft zu Unrecht abgelehnt.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er wendete ein, daß im Verfahren 2 Cg 247/93w die Erstattung der Revisionsbeantwortung freigestellt worden sei. Er sei nach wie vor bücherlicher Eigentümer der Liegenschaft. Da die klagende Partei noch keine Vollstreckungsmaßnahmen hinsichtlich des Einverleibungsbegehrens unternommen habe, komme ihr keine aktive Klagslegitimation hinsichtlich des Räumungsbegehrens zu.

Die klagende Partei replizierte, daß der Räumungsanspruch keine Vollstreckungsmaßnahme hinsichtlich des Einverleibungsbegehrens, sondern den Anspruch der klagenden Partei auf Rückgabe der Liegenschaft voraussetze. Dieser Anspruch ergebe sich zwanglos aus den im Verfahren 2 Cg 247/93w getroffenen Feststellungen, weil der Beklagte die zur Ausübung des Wiederkaufsrechtes auflösende Bedingung des Kaufvertrages nicht erfüllt habe.

In der Tagsatzung vom 24.5.1995 stellte die klagende Partei den Antrag, das Verfahren zu unterbrechen, weil die Entscheidung im Verfahren 2 Cg 247/93w präjudiziell sei. Die beklagte Partei sprach sich gegen diesen Antrag aus.

In weiterer Folge brachte die klagende Partei im vorliegenden Verfahren vor, daß sie ihr Räumungsbegehren und den als Vorfrage zu klärenden Anspruch auf Rückübergabe der Liegenschaft auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage stütze, der bereits durch die im Verfahren 2 Cg 247/93w getroffenen Feststellungen erwiesen sei. Weiters wiederholte sie ihren Unterbrechungsantrag.

Der Beklagte sprach sich gegen die Klagsänderung aus. Wie sich aus der aufhebenden Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 3 Ob 534/95 ergebe, sei der geltend gemachte Klagegrund weggefallen. Der Räumungsanspruch sei nicht fällig, sodaß das hier vorliegende Verfahren im Sinn einer Klagsabweisung spruchreif sei.

Den vom Erstgericht gefaßten Unterbrechungsbeschluß hob das Rekursgericht auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf, weil es die Ansicht vertrat, daß das Erstgericht zunächst über die Klagsänderung zu entscheiden haben werde und der klagenden Partei Gelegenheit zu geben sei, ein schlüssiges Klagsvorbringen zu erstatten.

Daraufhin trug die klagende Partei zum Klagegrund des Wegfalles der Geschäftsgrundlage ein umfangreiches Vorbringen vor. Es sei Geschäftsgrundlage für den Verkauf des Grundstückes an den Beklagten um einen symbolischen Kaufpreis von S 1,-- pro Quadratmeter gewesen, daß dort auf Dauer ein Bau- und Kunstschlossereibetrieb etabliert werde.

Mit Beschluß vom 6.11.1996 hat das Erstgericht die Klagsänderung zugelassen.

Das Gericht zweiter Instanz änderte diesen Beschluß dahin ab, daß die Klagsänderung nicht zugelassen werde. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Das - geänderte - Klagsvorbringen sei nicht geeignet, eine Räumungsverpflichtung der beklagten Partei zu begründen, sodaß jedenfalls eine weitere Klagsänderung notwendig sein werde. Es werde vom Ausgang des Verfahrens 2 Cg 247/93w abhängen, ob bezüglich des Räumungsbegehrens ein neuer Rechtsstreit eingeleitet werde. Es wäre eine erhebliche Erschwerung und Verzögerung dieses Verfahrens über das Räumungsbegehren zu erwarten, weil dem Beschluß des Erstgerichtes zu entnehmen sei, daß die Unterbrechung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens 2 Cg 247/93w ins Auge gefaßt sei.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der klagenden Partei ist zulässig und berechtigt.

Der geltend gemachte Anspruch auf Räumung der Liegenschaft läßt sich sowohl auf die Ausübung des Wiederkaufsrechtes als auch auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage des zur Eigentumsübertragung führenden Kaufvertrages stützen. Der Wegfall bzw das Fehlen der Geschäftsgrundlage führt zur (Anpassung oder) Auflösung des Vertrages. Das Räumungsbegehren ist eine der Konsequenzen aus der Rückabwicklung: Der klagenden Partei wäre bei Bejahung dieses Rechtsgrundes einerseits das bücherliche Eigentum wieder zu verschaffen, wie dies zu 2 Cg 247/93w des Landesgerichtes Eisenstadt begehrt wird. Andererseits wäre aber auch die Liegenschaft in der Natur zurückzustellen, worauf das hier vorliegende Begehren gerichtet ist. Bei Geltendmachung des Wegfalles der Geschäftsgrundlage kann das Aufhebungsbegehren mit der Klage auf Rückabwicklung verbunden werden. Es reicht jedoch auch - wie sich unter anderem aus 3 Ob 534/95 ergibt - die Rückstellungsklage unter Behauptung der Unwirksamkeit des Geschäftes (Rummel in Rummel2 I, Rz 7a zu § 901 ABGB und Rz 19 zu § 871 ABGB).

Der Umstand, daß das Räumungsbegehren nicht mit dem Begehren auf bücherliche Rückabwicklung im Verfahren 2 Cg 247/93w verbunden wurde, hat mit der Frage der Schlüssigkeit oder der Erfolgschancen des hier vorliegenden Begehrens nichts zu tun. Daß bislang keine Zug-um-Zug-Verpflichtung (§ 877 ABGB) in das Begehren aufgenommen oder sonst angeboten wurde, eine Gegenleistung zu erbringen, ist ebenfalls nicht geeignet, die Unschlüssigkeit des Begehrens zu begründen (Aicher in Rummel2 I Rz 16 zu § 1052 ABGB mwN).

Aus welchen Gründen nunmehr der Wegfall der Geschäftsgrundlage behauptet wird, geht aus dem ergänzenden Vorbringen des Klägers, insbesondere aber aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 3 Ob 534/95 im Verfahren 2 Cg 247/93w, auf das sich die klagende Partei mehrfach berufen hat, und auf ihren dort eingenommenen Prozeßstandpunkt unzweifelhaft hervor.

Entgegen der Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz ist daher derzeit nicht erkennbar, warum das nunmehr auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage gestützte Räumungsbegehren jedenfalls zum Scheitern verurteilt sein sollte.

Nach ständiger Rechtsprechung zu § 235 Abs 3 ZPO sind Klagsänderungen tunlichst zuzulassen. Aussichtslosigkeit des ersten Begehrens, die Notwendigkeit einer Vertagung oder erhöhte Prozeßkosten sind kein Grund für die Abweisung des Änderungsbegehrens. Die Klagsänderung ist nicht schon deshalb abzulehnen, weil das ursprüngliche Begehren ohne weitere Beweisaufnahme abgewiesen werden hätte können (JBl 1975, 549; SZ 50/29; 7 Ob 537/93 uva). Da im vorliegenden Verfahren noch nicht einmal mit der Beweisaufnahme begonnen wurde, hält sich der frustrierte Prozeßaufwand zur materiellrechtlichen Frage in bescheidenen Grenzen. Die Zulassung der Änderung des Klagegrundes kann vielmehr verhindern, daß der Räumungsanspruch in einem anderen Verfahren erhoben und geprüft werden muß. Es ist daher - ebenso wie im Verfahren 2 Cg 247/93w - auch hier die Klagsänderung zuzulassen, sodaß der Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen war.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekurses gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO, jene über die Kosten des Revisionsrekurses auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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