OGH 3Ob534/95

OGH3Ob534/9510.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Rohrer Dr.Pimmer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Marktgemeinde P*****, vertreten durch Dr.Gernot Gruböck und Dr.Stephan Gruböck, Rechtsanwälte in Baden, wider die beklagte Partei Peter T*****, vertreten durch Dr.Manfred C. Müllauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einverleibung des Eigentumsrechts, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 21.Juni 1994, GZ 11 R 83/94-46, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 10.Jänner 1994, GZ 2 Cg 247/93w-37, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällenden Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die klagende Partei, eine Gemeinde, verkaufte dem Beklagten eine Liegenschaft im Ausmaß von 2912 m2 um den Kaufpreis von S 2.912. Der Kaufvertrag vom 5./20.1.1988 enthielt unter anderem folgende Bestimmungen:

"V.

Wiederkaufsrecht

(1) Der Käufer beabsichtigt, auf der vertragsgegenständlichen Liegenschaft alle baulichen und betrieblichen Voraussetzungen zu schaffen, um spätestens zwei Jahre nach der Vertragsunterfertigung mit dem beabsichtigten Betrieb der Bau- und Kunstschlosserei beginnen zu können. Sollte zu diesem Zeitpunkt der Betrieb noch nicht aufgenommen worden sein, wird der Verkäufer, sofern der Käufer immerhin mit dem Bau der Betriebsgebäude begonnen hat, eine Nachfrist von 12 Monaten zur Aufnahme des Betriebes setzen. Hat der Käufer zwei Jahre nach Unterfertigung des Kaufvertrages nicht einmal mit dem Bau begonnen oder wird der Betrieb innerhalb der vom Verkäufer gesetzten Nachfrist nicht aufgenommen, ist der Verkäufer berechtigt, die vertragsgegenständliche Liegenschaft zum Kaufpreis gemäß Punkt II dieses Vertrages (ohne Wertsicherung) zurückzukaufen.

(2) Über Verlangen des Verkäufers hat der Käufer in diesem Fall die Liegenschaft wieder in ihren früheren Zustand auf seine Kosten zurückzuversetzen und insbesondere Gebäude und Anlagen zu entfernen. Ersatz verlorener Aufwendungen findet nicht statt. Die mit dem Wiederkauf verbundenen Kosten und Abgaben sind vom Käufer zu tragen.

(3) Die Ausübung des Wiederkaufsrechtes durch den Verkäufer kann der Käufer dadurch verhindern, daß er innerhalb der unter Abs 1 genannten Fristen zur Aufnahme des Betriebes die vertragsgegenständliche Liegenschaft an einen anderen Interessenten verkauft und dieser alle Bedingungen des vorliegenden Kaufvertrages im Verhältnis zum Käufer, insbesondere aber die Punkte V und VI dieses Vertrages, akzeptiert. Für den Verkauf der Liegenschaft durch den Käufer an diesen Interessenten gilt Punkt VI des Vertrages.

(4) Sofern der Käufer den Betrieb fristgerecht aufgenommen hat, kann er vom Verkäufer die Löschung des Wiederkaufsrechtes im Grundbuch verlangen. Die hiefür anlaufenden Kosten und Abgaben sind vom Käufer zu tragen.

VI.

Weiterverkauf

(1) Sollte der Käufer das Grundstück weiterverkaufen, hat er dem Verkäufer die Differenz zwischen dem Verkehrswert vom Zeitpunkt des Weiterkaufes und dem Kaufpreis gemäß Punkt II dieses Vertrages zu bezahlen. Der Verkehrswert der Liegenschaft wird durch einen von beiden Parteien im Einvernehmen zu stellenden allgemein gerichtlich beeideten Sachverständigen aus dem Immobilienwesen ermittelt. ......

(2) Die Verpflichtung zur Ausbezahlung der Differenz zwischen dem Verkehrswert und Kaufpreis gemäß Punkt VI Abs 1 dieses Vertrages gilt jedoch nicht, wenn der Käufer das Grundstück zusammen mit dem Betrieb an direkte Nachkommen verkauft und sich die Erwerber verpflichten, in sämtliche Rechte und Pflichten aus dem Kaufvertrag, insbesondere aufgrund der Punkte V und VI, einzutreten.

VII.

Rechtsnachfolge

Der Käufer verpflichtet sich, sämtliche Verpflichtungen aus diesem Vertrag einem Erwerber des auf der vertragsgegenständlichen Liegenschaft befindlichen Unternehmens oder einem anderen Rechtsnachfolger aufzuerlegen.

XII.

Schlußbestimmungen

(1) Soweit mündliche Nebenabreden bestehen, werden sie durch den vorliegenden Vertrag aufgehoben. Änderungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform.

................."

Die klagende Partei begehrte, den Beklagten schuldig zu erkennen, darin einzuwilligen, daß auf der ihm verkauften Liegenschaft das Eigentumsrecht für die klagende Partei einverleibt wird. Der Beklagte hätte unter Berücksichtigung der ihm einzuräumenden Nachfrist den Betrieb spätestens am 20.1.1991 aufnehmen müssen; dies sei nicht geschehen. Er habe auf der Kaufliegenschaft bloß einen Hallenrohbau errichtet, jedoch noch nicht um die Benützungsbewilligung angesucht und auch keinen Betrieb aufgenommen, wofür auch die gewerberechtliche Benützungsbewilligung fehle. Er weigere sich, seiner Verpflichtung gemäß Punkt V des Kaufvertrages nachzukommen und dem Wiederkauf der Liegenschaft durch sie zuzustimmen. Er sei an sie mit dem Ansinnen herangetreten, das noch unfertige Objekt an einen Tischler zu vermieten, was aber im Hinblick auf die im Kaufvertrag ausdrücklich angeführte Geschäftsgrundlage, auf der Liegenschaft einen für sie wichtigen und notwendigen Bau- und Kunstschlossereibetrieb zu etablieren, abgelehnt worden sei. Der Beklagte habe die Liegenschaft nunmehr entgegen dieser Geschäftsgrundlage an einen Kraftfahrzeughändler überlassen. Bei einer der Übung des redlichen Verkehrs entsprechenden Vertragsauslegung wäre den Bestimmungen des Punktes V des Kaufvertrages auch nicht dadurch Genüge getan worden, daß ein Betrieb, welcher Art auch immer, ohne die entsprechenden behördlichen Genehmigungen vom Beklagten kurzfristig aufgenommen und dann wieder eingestellt wird. Es sei vielmehr Geschäftsgrundlage für den Kauf des Grundstückes gegen einen symbolischen Kaufpreis von S 1 je Quadratmeter der übereinstimmende Wille der Parteien gewesen, dadurch auf Dauer auf ihrem (der klagenden Patei) Gebiet einen Bau- und Kunstschlossereibetrieb zu etablieren. Gegen die Forderung des Beklagten auf Rückzahlung des Kaufpreises werde mit den Kosten aufgerechnet, die gemäß Punkt V Abs 2 des Kaufvertrages vom Beklagten zu tragen sind.

Der Beklagte wendete ein, daß er mit dem Betrieb begonnen habe, diesen aber aus gesundheitlichen Gründen einstellen habe müssen. Das von ihm errichtete Gebäude habe einen Wert von etwa S 1,5 Mio. Die Bestimmung, wonach er die Liegenschaft auf seine Kosten in den früheren Zustand zurückzuversetzen und insbesondere Gebäude und Anlagen zu entfernen habe, sei sittenwidrig. Es müsse ihm der Aufwand, der zum klaren und überwiegenden Vorteil der klagenden Partei gemacht worden sei, ersetzt und überdies der Kaufpreis rückerstattet werden. Die Ausübung des Wiederkaufsrechts sei schikanös, weil die Liegenschaft mit über S 2,000.000 belastet sei und die klagende Partei daher zur Lastenfreistellung wesentlich mehr aufwenden müsse, als die Liegenschaft wert sei. Neben der Abweisung des Klagebegehrens begehrte der Beklagte hilfsweise, ihn zur Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechts nur Zug um Zug gegen Bezahlung des Verkehrswertes der Liegenschaft von S 1,500.000 und des Kaufpreises von S 2.912 sA schuldig zu erkennen.

Im Verlauf der mündlichen Verhandlung brachte die klagende Partei unter Hinweis auf ihr bisheriges Vorbringen vor, daß sie das Klagebegehren ausdrücklich auch auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage stütze.

Der Beklagte wendete dagegen zunächst ein, daß gerade bei Annahme des Wegfalls der Geschäftsgrundlage eine unentgeltliche Rückübertragung der Liegenschaft im Hinblick auf die hohen von ihm getätigten Aufwendungen nicht gerechtfertigt sei.

Die klagende Partei erklärte hierauf, daß sie, soweit das Klagebegehren auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage gestützt werde, die Einwilligung in die Einverleibung ihres Eigentumsrechtes nur Zug um Zug gegen Ersatz des Wertes der vom Beklagten auf der Liegenschaft errichteten Baulichkeiten in der Höhe von S 585.650 begehre.

Der Beklagte brachte vor, daß eine Klagsänderung vorliege, soweit die klagende Partei ihr Begehren auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage stützt, und sprach sich gegen die Zulassung dieser Klagsänderung im wesentlichen mit der Begründung aus, daß hiedurch eine erhebliche Verfahrensverzögerung bewirkt würde.

Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, in die Einverleibung des Eigentumsrechtes zugunsten der klagenden Partei auf der ihm verkauften Liegenschaften einzuwilligen. Den in eventu gestellten Antrag des Beklagten, dem Klagebegehren nur Zug um Zug gegen die Verpflichtung der klagenden Partei zum Ersatz des Verkehrswertes der Liegenschaft in der Höhe von S 1,500.000 und des Kaufpreises von S

2.912 sA stattzugeben, wies es ab. Es stellte im wesentlichen noch folgendes fest:

Die klagende Partei hatte innerhalb ihres Gemeindegebietes Industriegründe aufgeschlossen und verkaufte diese um einen Kaufpreis von S 1 je Quadratmeter an Unternehmer, an deren dauernder Ansiedlung sie interessiert war. Unter anderem bestand ein Bedarf für einen Schlossereibetrieb. Die klagende Partei war daher daran interessiert, daß ein Schlossereibetrieb in P***** angesiedelt wird, der dann auch tatsächlich dort auf Dauer arbeitet.

Der (am 5.4.1954 geborene) Beklagte hatte die Meisterprüfung für das Schlossergewerbe erfolgreich abgelegt und war seit 5.5.1980 an einem nicht im Gebiet der klagenden Partei gelegenen Ort als selbständiger Schlosser tätig. Er versuchte, an einem anderen Ort ein Grundstück für seine Werkstätte zu bekommen, und kam so mit der klagenden Partei in Kontakt, wobei er insbesondere mit deren Bürgermeister verhandelte. Letztlich wurde zwischen dem Bürgermeister der klagenden Partei und dem Beklagten vereinbart, daß die klagende Partei dem Beklagten ein Grundstück im Ausmaß von 2.912 m2 um S 1 je Quadratmeter verkauft. Der Beklagte sagte dabei zu, daß er auf diesem Grundstück eine Werkstätte bauen und eine Schlosserei einrichten und daß er dann dort arbeiten werde. Von der klagenden Partei war ihm mitgeteilt worden, daß es sich bei diesem Verkauf um eine Art "Gewerbeförderung" handle und daß sie auf ihrem Gebiet eine Schlosserei haben wolle, damit eine Verbesserung der Infrastruktur eintritt. Zwischen den Streitteilen wurde im Zuge der Vertragsverhandlungen und der Vertragsunterfertigung nicht konkret besprochen und vereinbart, ob oder für welchen bestimmten Zeitraum der Beklagte sein Schlossereiunternehmen auf der verkauften Liegenschaft betreiben müsse, damit das Wiederkaufsrecht der klagenden Partei erloschen wäre. Die Vertreter der klagenden Partei nahmen an, diese sei für den Fall, daß der Beklagte vereinbarungswidrig die in Aussicht genommene Betriebsstätte nicht errichten oder den Betrieb des Unternehmens nicht aufnehmen sollte, ohnedies durch das vereinbarte Wiederkaufsrecht gesichert. Ohne daß ausdrücklich zwischen den Streitteilen darüber gesprochen wurde, gingen beide davon aus, daß der Beklagte nach Errichtung der Halle und Aufnahme des Betriebes auf der verkauften Liegenschaft jedenfalls bis zu seiner Pensionierung arbeiten werde. Ferner wurde zwischen ihnen nicht besprochen, ob der Beklagte berechtigt sein sollte, die Liegenschaft hypothekarisch zu belasten. Der Bürgermeister der klagenden Partei ging allerdings davon aus, daß der Beklagte zur Finanzierung des Hallenbaus Kredit in Anspruch nehmen müsse, der auf dem verkauften Grundstück hypothekarisch sichergestellt werden könnte.

Der Beklagte hatte schon am 15.9.1987 bei der klagenden Partei als Baubehörde die Erteilung der Baubewilligung zur Errichtung einer Schlosserwerkstätte auf dem verkauften Grundstück beantragt. Diese Bewilligung wurde ihm mit Bescheid vom 8.10.1987 erteilt. Der Beklagte begann in der Folge auch mit Bauarbeiten zur Errichtung einer Betriebsstätte auf dem gekauften Grundstück, ohne diesen Bau jedoch zunächst fertigzustellen. Am 8.4.1988 suchte er bei der zuständigen Gewerbebehörde um die Erteilung der Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Schlosserei auf dem verkauften Grundstück an. Dies wurde mit Bescheid vom 20.7.1988 genehmigt. Am 19.4.1988 zeigte er der Gewerbebehörde an, daß er seinen Betrieb vom ursprünglichen Standort auf das gekaufte Grundstück verlegen werde. Obwohl weder eine Benützungsbewilligung noch eine Betriebsanlagengenehmigung vorhanden war, übersiedelte er etwa Ende November 1989 mit seinem Unternehmen vom früheren Standort auf das gekaufte Grundstück und betrieb dort das Schlossereigewerbe bis zum Frühjahr 1990.

Der Beklagte leidet seit Ende 1989 an einer rezidivierenden entzündlichen Erkrankung des Dickdarms. Diese hindert ihn - allenfalls abgesehen von einigen kurzfristigen Krankenständen - aber nicht, ein Schlossereiunternehmen zu führen. Am 31.3.1991 gab er der Gewerbebehörde die Zurücklegung seiner Gewerbeberechtigung bekannt.

Nach Beendigung der Tätigkeit der Beklagten nannte seine Ehefrau der klagenden Partei einen Schlossermeister, der daran interessiert gewesen wäre, die Liegenschaft zu mieten, um darauf eine Schlosserei zu betreiben. Dem hat die klagende Partei jedoch nicht zugestimmt. Der Beklagte vermietete die Liegenschaft sodann am 1.5.1991. Aufgrund dieses Mietvertrages befindet sich auf der Liegenschaft nunmehr ein Betrieb für den Kraftfahrzeughandel und das Service von Kraftfahrzeugen. Am 7.8.1991 beantragte der Beklagte bei der klagenden Partei als Baubehörde die Erteilung einer Benützungsbewilligung für die Werkstätte. Der Beklagte wurde daraufhin von der klagenden Partei aufgefordert, den Bau fertigzustellen und neuerlich um die Erteilung einer Benützungsbewilligung anzusuchen. Dies geschah am 30.10.1991. Wegen verschiedener Mängel wurde die Benützungsbewilligung jedoch nicht erteilt. Mit Bescheid der klagenden Partei vom 17.12.1991 wurde dem Beklagten die Fortsetzung der Bauarbeiten untersagt. Es liegt für das auf dem gekauften Grundstück errichtete Gebäude weder eine Benützungsbewilligung der Baubehörde noch eine Genehmigung der Gewerbebehörde vor.

Auf der vom Beklagten gekauften Liegenschaft waren zum 5.10.1993 Höchstbetragspfandrechte für Forderungen von zusammen S 2,670.000 und Zwangspfandrechte für Forderungen von zusammen S 338.884,18 sA. einverleibt, wobei die Schulden des Beklagten in der Höhe der eingetragenen Pfandrechte aushaften. Der Einheitswert der Liegenschaft betrug zum 1.1.1989 S 195.000.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß nach dem Wortlaut der Vertragsurkunde die Streitteile das Wiederkaufsrecht nur für den Fall vereinbart hätten, daß der Beklagte den Betrieb nicht innerhalb der vereinbarten Fristen aufnehmen sollte. Eine solche Auslegung würde aber dazu führen, daß das Recht der klagenden Partei auf Ausübung des Wiederkaufsrechtes schon dann zu verneinen wäre, wenn der Beklagte sein Unternehmen nur einen Tag lang auf der Liegenschaft in einer neu errichteten Werkstätte betrieben hätte. Dies habe aber nicht dem Parteiwillen entsprochen. Erklärtes Ziel der klagenden Partei sei es gewesen, Betriebe bestimmter Branchen auf ihrem Gebiet anzusiedeln und sie dort "ständig" und daher auf Dauer zu haben. Dieses Motiv sei dem Beklagten auch bekannt gewesen. Ferner seien beide Parteien davon ausgegangen, daß der Beklagte den Betrieb bis zu seiner Pensionierung fortführen werde. Es sei daher nach Treu und Glauben und nach Erforschung des tatsächlichen Parteiwillens davon auszugehen, daß der Beklagte durch die zwischen den Streitteilen getroffenen Vereinbarungen verpflichtet sein sollte, auf dem gekauften Grundstück fristgerecht eine Werkstätte zu errichten und in dieser sein Unternehmen auf Dauer zu betreiben. Nach Treu und Glauben bedeute dies aber, daß er nicht berechtigt sein sollte, grundlos den zunächst begonnenen Betrieb des Unternehmens aufzugeben, widrigenfalls die klagende Partei berechtigt sein sollte, ihr Wiederkaufsrecht auszuüben. Dies sei zwar nicht ausdrücklich erörtert worden, wobei der Grund dafür darin gelegen gewesen sei, daß die Streitteile übereinstimmen und selbstverständlich davon ausgingen, daß der Beklagte auf dem gekauften Grundstück zumindest bis zu seiner Pensionierung weiterarbeiten werde und die klagende Partei nicht mit der Möglichkeit rechnete, der Beklagte werde den Betrieb grundlos wieder aufgeben. Der Vertrag sei daher so auszulegen, daß die klagende Partei nicht nur dann zur Ausübung des Wiederkaufsrechts berechtigt sein sollte, wenn der Beklagte eine Werkstätte nicht fristgerecht errichtet oder den Betrieb darin nicht fristgerecht aufnimmt, sondern auch dann, wenn er den Betrieb zunächst zwar aufnimmt, ihn aber nach verhältnismäßig kurzer Zeit wieder aufgibt, ohne daß hiefür zwingende Gründe vorliegen. Davon abgesehen, habe der Beklagte den Betrieb gar nicht fristgerecht aufgenommen, weil weder eine baubehördliche Benützungsbewilligung noch die gewerberechtliche Bewilligung vorlägen. Die klagende Partei müsse dem Beklagten zwar bei Ausübung des Wiederkaufsrechtes den entrichteten Kaufpreis rückerstatten. Die klagende Partei habe aber mit den von ihr zu übernehmenden Lasten aufrechnen können. Da der Beklagte außerdem nach dem Vertrag nicht berechtigt sei, Ansprüche auf Ersatz der von ihm gemachten Aufwendungen zu stellen, sei seinem Eventualantrag nicht Folge zu geben.

Das Berufungsgericht änderte infolge der Berufung des Beklagten dieses Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Beklagten schuldig erkannte, in die Einverleibung des Eigentumsrechtes der klagenden Partei Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises von S

2.912 einzuwilligen. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes (gemeint: Entscheidungsgegenstandes) S 50.000 übersteigt und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Im Punkt V Abs 4 des Kaufvertrages habe die klagende Partei dem Beklagten die Möglichkeit eingeräumt, von der klagenden Partei nach Betriebsaufnahme die bücherliche Löschung des Wiederkaufsrechtes zu verlangen. Daraus könne aber keine Verpflichtung der klagenden Partei zur Löschung des Wiederkaufsrechtes nach der Betriebsaufnahme abgeleitet werden. Der Beklagte könne sich lediglich an die klagende Partei um Löschung des Wiederkaufsrechtes wenden. Dieser stehe dann die Beurteilung zu, ob sie der Löschung des Wiederkaufsrechtes zustimme. Auch dem Beklagten sei nach seiner eigenen Aussage klar gewesen, daß er den Schlossereibetrieb bis zu seiner Pensionierung zu führen gehabt hätte. Das Erstgericht habe daher zutreffend unter Berücksichtigung der mündlichen Absprache die Bestimmung über das Wiederkaufsrecht nicht dahin ausgelegt, daß dieses bereits nach kurzfristiger Ausübung des Schlossereibetriebes erlösche. Es habe jedoch zu Unrecht angenommen, daß die klagende Partei gegen die Forderung des Beklagten auf Rückzahlung des Kaufpreises mit den ihr bei der Ausübung des Wiederkaufsrechts entstehenden Kosten und mit den für sie pfandrechtlich sichergestellten Forderungen aufrechnen könne. Sie müsse daher gemäß § 1068 ABGB dem Beklagten das Kaufgeld zurückgeben.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Beklagten gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobene außerordentliche Revision ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichtes zulässig, weil zu der für die Entscheidung wesentlichen, in ihrer Bedeutung über den Anlaßfall hinausgehenden Frage, welche Rechtsfolgen eine Annahme hat, von der beide Vertragsparteien bei Abschluß eines Vertrages ausgegangen sind, deren Inhalt sie jedoch weder ausdrücklich noch schlüssig erklärt haben, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehlt; die außerordentliche Revision ist auch berechtigt.

Das Erstgericht hat zwar festgestellt, daß sowohl die für die klagende Partei handelnden Personen als auch der Beklagte bei Abschluß des Vertrages davon ausgegangen sind, der Beklagte werde den Schlosserbetrieb bis zur Pensionierung führen, es hat aber außerdem - in diesem Punkt ist die Wiedergabe der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil unrichtig - festgestellt, daß hierüber zwischen den Streitteilen nicht ausdrücklich gesprochen wurde. Aus § 863 Abs 1 ABGB ergibt sich aber, daß der Parteiwille entweder ausdrücklich oder schlüssig erklärt werden muß. Ähnlich geht aus § 901 ABGB hervor, daß der Beweggrund oder Endzweck der Einwilligung nur dann als Bedingung anzusehen ist, wenn er "ausdrücklich" zur Bedingung gemacht wurde, wobei trotz der Verwendung dieses Wortes die schlüssige Vereinbarung nicht angeschlossen ist (EvBl 1970/203; HS 6450/35; SZ 35/47 ua; Gschnitzer in Klang2 IV/1, 328, 335; Pisko in Klang1 II/2, 341 f). Es reicht daher nicht aus, wenn beide Vertragsteile von derselben Vorstellung ausgegangen sind (vgl Rummel in Rummel2 Rz 6 zu § 901), solange diese Vorstellung nicht von wenigstens einem Vertragsteil ausdrücklich oder schlüssig erklärt wurde und der andere ihr ausdrücklich oder schlüssig zustimmte. Lag nur eine bestimmte gemeinsame Vorstellung oder sichere Erwartung beider Vertragsparteien vor, von der sie sich bei Abschluß des Vertrages leiten ließen, wurden aber in diese Richtung nach dem dem Verhalten beizumessenden objektiven Erklärungswert Willenserklärungen - auch nicht schlüssig - abgegeben, enthält vielmehr der schriftliche Vertrag, wie noch aufgezeigt werden wird, diesen gemeinsamen Vorstellungen nicht Rechnung tragende Bestimmungen, kann entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen keine Rede davon sein, daß diese übereinstimmenden, aber nicht erklärten Vorstellungen Vertragsinhalt wurden. Selbst wenn für Betriebsansiedlungen objektive Grundlage Betriebspflicht des Käufers für einen gewissen Zeitraum wäre, läge, wie es auch die klagende Partei in ihrem Eventualantrag sieht, eine gemeinsame Geschäftsgrundlage vor. Die Geschäftsgrundlage gehört nicht zum Vertragsinhalt, was Vertragsinhalt ist, kann nicht gleichzeitig nach den Regeln über die Geschäftsgrundlage behandelt werden (so schon 6 Ob 583/84 mwN; vgl Heinrichs in Palandt54 236; Roth in MünchKomm3 Rz 571 zu § 242 BGB). Die von Tomandl in ZAS 1988, 11 entgegen Pisko in Klang1 II/1 336 ff vertretene Lehrmeinung, sollten beide Parteien beim Vertragsabschluß klar erkennbar von bestimmten Voraussetzungen ausgegangen sein, "gelte" dies als vertraglich vereinbart, auch wenn darüber keine explizite Aussage erfolgte, wurde von Rummel, DRdA 1989, 369 f, worauf derselbe in Rummel2, Rz 6 zu § 901 ABGB Bezug nimmt, überzeugend widerlegt.

Bei der Auslegung eines Vertrages ist zwischen der "einfachen" und der "ergänzenden" Auslegung zu unterscheiden (Koziol/Welser I1092; Rummel aaO Rz 3 zu § 914). Wurde, wie hier, keine abweichende Parteienabsicht festgestellt, so sind für die einfache Auslegung allein die Bedeutung der im Vertrag verwendeten Worte maßgebend. Nach Punkt V Abs 4 des zwischen den Streitteilen geschlossenen Kaufvertrages reicht es aber dann aus, wenn der Beklagte innerhalb der im Abs 1 dieser Bestimmung genannten Fristen den Betrieb der Schlosserei aufgenommen hat, ohne daß es darauf ankommt, wielange er fortgeführt wurde. Der Beklagte kann dann in jedem Fall "vom Verkäufer die Löschung des Wiederkaufsrechtes im Grundbuch verlangen". Dieser Satzteil kann entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Meinung nicht dahin verstanden werden, daß es im Ermessen der klagenden Partei liegt, ob sie in die Löschung des Wiederkaufsrechts einwilligt. Bei dieser Auslegung hätte der Satzteil jeden Sinn verloren, weil der Liegenschaftseigentümer vom Wiederkaufsberechtigten stets - wenn auch möglicherweise zu Unrecht - die Einwilligung in die Einverleibung der Löschung verlangen "kann". Die wiedergegebene Bestimmung kann daher nur den Sinn haben, daß bei fristgerechter Aufnahme des Betriebes das Wiederkaufsrecht erloschen ist und die klagende Partei ihre Einwilligung zur Einverleibung der Löschung des Wiederkaufsrechts im Grundbuch erteilen muß.

Aus den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes ergibt sich aber, daß die Streitteile den Fall nicht bedacht haben, daß der Beklagte die Betriebstätigkeit nach nur etwa fünf Monaten wieder aufgibt.

In diesem Punkt liegt also eine Vertragslücke vor, die durch ergänzende Auslegung zu schließen ist. Es ist also unter Berücksichtigung sämtlicher Vertragsbestimmungen und des Vertragszwecks zu fragen, was redliche und vernünftige Vertragsparteien für den von ihnen nicht bedachten Fall vereinbart hätten (SZ 62/4; SZ 60/42; JBl 1986,721; 3 Ob 513/94; 3 Ob 502/94 ua; Binder in Schwimann Rz 108 zu § 914; Rummel aaO Rz 6 zu § 901; vgl auch Rz 11 ff zu § 914; Koziol/Welser aaO mwN in FN 40). Hier kann aber nicht gesagt werden, daß solche Vertragsparteien für den angeführten Fall die Wirksamkeit des Wiederkaufsrechts vereinbart hätten. Dagegen spricht zum einen, daß das Wiederkaufsrecht dann stets bis zu dem Zeitpunkt aufrecht geblieben wäre, zu dem der Beklagte Anspruch auf Pension gehabt hätte. Da er bei Abschluß des Kaufvertrages erst 33 Jahre alt war, hätte dies bedeutet, daß das Wiederkaufsrecht noch etwa 26 Jahre aufrecht geblieben wäre (vgl § 131 Abs 1 GSVG). Es ist nicht anzunehmen, daß dies dem hypothetischen Willen der Vertragsparteien entsprach und es kann auch nicht gesagt werden, daß die Verkehrssitte oder die Grundsätze von Treu und Glauben, die bei der ergänzenden Vertragsauslegung ebenfalls in Betracht kommen, eine solche Auslegung rechtfertigen. Dagegen sprechen außerdem die Punkte V Abs 3 und VI des Kaufvertrages, aus denen hervorgeht, daß der Käufer nach Ablauf der im Punkt V Abs 1 des Vertrages genannten Fristen berechtigt ist, das Grundstück zu verkaufen, wobei als einzige Vertragspflicht nur die Pflicht zur Zahlung der Differenz zwischen Verkehrswert und Kaufpreis festgelegt und - anders als gemäß Punkt V Abs 3 bei Verkauf vor Ablauf der im Abs 1 dieses Punktes genannten Fristen - nicht die Erklärung des neuen Käufers, sich dem Wiederkaufsrecht zu unterwerfen, verlangt wird. Daraus muß geschlossen werden, daß die Streitteile davon ausgingen, das Wiederkaufsrecht sei schon nach Erfüllung der im Punkt V Abs 1 des Vertrages genannten Voraussetzungen, also schon bei fristgerechter Aufnahme des Betriebes, erloschen. Überdies wäre bei der von der klagenden Partei vertretenen Auslegung in einem solchen Fall völlig unklar, was zu geschehen hat, wenn der neue Käufer den Betrieb aufgibt, weil er schon vor jenem Zeitpunkt Anspruch auf Pension hat, zu welchem dem Beklagten die Pension angefallen wäre.

All diese Überlegungen zeigen, daß auch die ergänzende Vertragsauslegung zu keinem anderen Ergebnis als die einfache Vertragsauslegung führt, daß nämlich das Wiederkaufsrecht unabhängig von der Fortführung mit dem Zeitpunkt erlischt, zu dem der Beklagte den Betrieb der Bau- und Kunstschlosserei aufgenommen hat. Dies ist hier aber nach den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes bereits im November 1989 geschehen und das Wiederkaufsrecht der klagenden Partei ist daher in diesem Monat erloschen. Dabei ist entgegen der vom Erstgericht vertretenen Meinung nicht entscheidend, daß zu dieser Zeit die für den Betrieb erforderlichen verwaltungsbehördlichen Genehmigungen nicht vorlagen. Zum einen ist es im Verhältnis zur klagenden Partei ohne Bedeutung, ob der Beklagte durch die Aufnahme des Betriebes gesetzliche Vorschriften verletzte. Überdies hat die klagende Partei nicht behauptet, daß es dem Beklagten nicht möglich gewesen wäre, die Genehmigungen in absehbarer Zeit zu erhalten.

Ist aber das Wiederkaufsrecht bereits erloschen, so ist das Klagebegehren abzuweisen, soweit es aus dem vereinbarten Wiederkaufsrecht abgeleitet wird. Zu beachten ist allerdings noch, daß die klagende Partei ein weiteres, gegenüber dem ersten Klagebegehren geändertes Klagebegehren gestellt und dieses auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage gestützt hat. Dies bedeutet entgegen ihrer Meinung eine Klagsänderung im Sinn des § 235 ZPO. Es ist zwar richtig, daß eine Änderung des Klagegrundes dann nicht vorliegt, wenn aus denselben Tatsachen bloß andere rechtliche Gesichtspunkte abgeleitet werden (JBl 1973, 87; Fasching, ZPR2 Rz 1226; Rechberger in Rechberger, ZPO Rz 3 zu § 235). Die klagende Partei hat aber auch ihr Tatsachenvorbringen geändert, weil sie zunächst unter Berufung auf Punkt V Abs 2 des Kaufvertrages die Verpflichtung zum Ersatz von Aufwendungen bestritt, während sie nunmehr eine solche Verpflichtung bejaht und ihr auch in dem neuen, nach ihrem Vorbringen (vgl AS 53) "alternativ", inhaltlich aber offensichtlich nur hilfsweise gestellten Klagebegehren auch Rechnung trug. Dies hat zur Folge, daß auch ein neuer gesetzlicher Tatbestand, nämlich jener des § 877 ABGB, angewendet werden muß, und stellt damit eine Änderung des Klagegrundes dar (vgl AnwBl 1984, 223; Fasching aaO). Der Beklagte hat unmittelbar, nachdem die klagende Partei das neue Klagebegehren gestellt hatte, vorgebracht, daß es sich hiebei um eine Klagsänderung handelt, und sich gegen deren Zulassung ausgesprochen. Es ist daher nicht gemäß § 235 Abs 2 ZPO seine Einwilligung zur Klagsänderung anzunehmen, weshalb das Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren gemäß dem nachfolgenden Abs 3 noch über die Zulassung zu entscheiden haben wird.

Im Fall der rechtskräftigen Zulassung der Klagsänderung wird das Erstgericht diejenigen Feststellungen zu treffen haben, die zur Entscheidung über das geänderte Klagebegehren notwendig sind. Sollte die Änderung der Klage hingegen rechtskräftig nicht zugelassen werden, so wäre das Klagebegehren aus den dargelegten Gründen abzuweisen, weil als Klagsgrund dann nur das Wiederkaufsrecht anzusehen wäre.

Der Ausspruch über die Verfahrenskosten beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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