Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.871,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 811,84 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Vertrag vom 20. September 1990 und 25. Februar 1991 verkaufte der Alleineigentümer 125/410 Anteile seiner Liegenschaft, die damals mit dem Pfandrecht für eine Forderung einer Bank von 4 Mio S belastet war. Dieser Kaufvertrag wurde antragsgemäß verbüchert. Nach dem Buchstandsbericht vom 31. Jänner 1992 war noch die gesamte Liegenschaft mit diesem Pfandrecht belastet.
Mit Dissolutionsvertrag vom 2. Juni 1992 vereinbarten die Vertragsteile die Rückabwicklung des Kaufvertrags. Nach bücherlicher Durchführung dieses Vertrags schienen die 125/410 Anteile des Käufers, die nunmehr wieder in das Eigentum des ursprünglichen Alleineigentümers zurückgefallen waren, nach dem Grundbuchsstand als unbelastet auf. Es konnte nicht festgestellt werden, weshalb es dazu gekommen war.
Am 24. August 1992 stellte die klagende Partei aufgrund eines von ihr beigeschafften Grundbuchsauszugs fest, dass auf den 125/410 Anteilen der Liegenschaft das Eigentumsrecht zugunsten ihres Schuldners-damit (wieder) Alleineigentümer der Liegenschaft-lastenfrei einverleibt war. Das bis dahin auf allen Anteilen lastende Pfandrecht war auf B-LNr. 1 eingeschränkt. Im Vertrauen auf diesen Buchstand beantragte die klagende Partei am 26. August 1992 die Zwangsversteigerung dieses Anteils, die mit Beschluss vom 8. September 1992 bewilligt wurde. Am 23. November 1992 fand die Schätzung der Liegenschaft statt, bei der die klagende Partei intervenierte. Im Dezember 1992 wurde das Grundbuchs-und Exekutionsgericht davon in Kenntnis gesetzt, dass sich das Pfandrecht für die Forderung von 4 Mio S auf die gesamte Liegenschaft erstreckte. Mit Beschluss vom 10. Dezember 1992 verfügte es die amtswegige Berichtigung des Grundbuchs gemäß §104 GBG dahin, dass dieses Pfandrecht auf der ganzen Liegenschaft hafte, also auch auf den 125/410 Anteilen, die ursprünglich als lastenfrei ausgewiesen waren. Dieser Beschluss wurde dem Alleineigentümer, der Pfandgläubigerin und dem (früheren) Käufer, nicht aber auch der klagenden Partei zugestellt. Am 25. März 1993 legte die klagende Partei die Versteigerungsbedingungen vor. Sie intervenierte auch bei der Tagsatzung zu deren Feststellung am 11. Mai 1993. Die Versteigerungstagsatzung wurde auf den 9. September 1993 anberaumt. Im Zuge der Vorbereitungen für die Versteigerungstagsatzung gewahrte der Vertreter der klagenden Partei am 10. August 1993, dass nunmehr die gesamte Liegenschaft mit dem Pfandrecht für die Forderung von 4 Mio S belastet war. Am 9. September 1993 beantragte die klagende Partei die Zustellung des Berichtigungsbeschlusses vom 10. Dezember 1992. Eine Ausfertigung dieses Beschlusses wurde der klagenden Partei erst am 14. September 1993, also erst nach der Versteigerungstagsatzung, zugestellt. Die klagende Partei ergriff gegen diesen Berichtigungsbeschluss nicht Rekurs.
Am 9. September 1993 war die gesamte Liegenschaft versteigert worden. Die Klägerin kam mit ihrer Forderung auch nicht teilweise zum Zug. Im Zuge des Versteigerungsverfahrens liefen ihr Kosten von S 53.393,60 auf.
Die klagende Partei begehrte die Verurteilung des beklagten Rechtsträgers zur Zahlung dieses Betrags im Amtshaftungsverfahren unter Hinweis auf § 27 Grundbuchsumstellungsgesetz (GUG). Sie brachte dazu vor, sie habe im Vertrauen auf die Lastenfreiheit der erwähnten Liegenschaftsanteile das gerichtliche Versteigerungsverfahren eingeleitet und die Befriedigung ihrer Forderung erwartet. Der Kostenaufwand sei vergeblich gewesen. Die Löschung des Pfandrechts sei rechtswidrig erfolgt, weil sie durch keinen Gerichtsbeschluss gedeckt gewesen sei. Die fehlerhafte Löschung sei Ursache ihres Schadens. Bei Unterbleiben der rechtswidrigen Vorkehrung wäre der klagenden Partei der Kostenaufwand erspart geblieben. Ein Verstoß gegen § 2 Abs 2 AHG könne ihr deshalb nicht angelastet werden, weil die Anfechtung des gemäß § 104 Abs 3 GBG ergangenen Berichtigungsbeschlusses erfolglos hätte bleiben müssen. Sie habe nämlich ihr Befriedigungsrecht auf exekutivem Weg erlangt, sodass sie keinen Vertrauensschutz genieße.
Die beklagte Partei wendete insbesondere ein, die klagende Partei habe gegen § 2 Abs 2 AHG verstoßen, weil sie den ihr am 14. September 1993 zugestellten Berichtigungsbeschluss nicht angefochten habe. Eine Berichtigung gemäß § 104 Abs 3 GBG hätte nämlich nur nach Vernehmung und mit Zustimmung aller Beteiligten angeordnet werden dürfen. Die klagende Partei sei als solche Beteiligte anzusehen. Wäre es bei einer Vernehmung zu keiner Einigung der Beteiligten gekommen, so hätten diese auf den Rechtsweg verwiesen werden müssen. Dann aber hätte die klagende Partei den Vorrang vor dem irrtümlich gelöschten Pfandrecht wahren können. Dieser Weg wäre abstrakt geeignet gewesen, den Schaden von der klagenden Partei abzuwenden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, gemäß § 27 GUG hafte die beklagte Partei für die durch den Einsatz der automationsunterstützten Datenverarbeitung verursachten Schäden aus Fehlern bei der Grundbuchsführung. Die Haftung sei ausgeschlossen, wenn der Schaden durch ein unabwendbares Ereignis verursacht worden sei, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit noch auf einem Versagen der Mittel der automationsunterstützten Datenverarbeitung beruhe. Im übrigen sei das Amtshaftungsgesetz anzuwenden. Aus diesen gesetzlichen Bestimmungen folge, dass bei Fehlern der automationsunterstützten Grundbuchsführung ein verschuldensunabhängiger Gefährdungstatbestand bestehe. Der in dieser Gesetzesstelle enthaltene Verweis auf die Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes bedeute bloß, dass bei schuldhaft rechtswidriger Vorgangsweise im Zuge der Grundbuchsführung das Amtshaftungsgesetz Anwendung finde, nicht jedoch auch, dass die im § 2 Abs 2 AHG verankerte Rettungspflicht auch auf den verschuldensunabhängigen Anspruch nach § 27 GUG analog anzuwenden sei. Im übrigen sei nicht erkennbar, wie die klagende Partei als exekutive Pfandgläubigerin mit einem Rekurs gegen einen amtswegigen Berichtigungsbeschluss gemäß § 104 GBG den ihr bereits entstandenen Kostenschaden hätte verhindern können.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es führte aus, die klagende Partei stütze ihren Anspruch nicht auf die Unrichtigkeit des Berichtigungsbeschlusses vom 10. Dezember 1992, mit dem das Grundbuch der materiellen Rechtslage angepasst worden sei, sondern auf die Unrichtigkeit des Grundbuchsstands gemäß dem Grundbuchsauszug vom 24. August 1992, der ihren Schaden verursacht habe. Da sie ihr Befriedigungsrecht durch Exekution erworben habe, genieße sie keinen Vertrauensschutz, sodass sie durch einen Rekurs die Berichtigung des materiell unrichtigen Grundbuchsstands gemäß § 104 Abs 3 GBG nicht hätte verhindern können. Es könne der klagenden Partei deshalb auch nicht vorgeworfen werden, dass sie den der Rechtslage entsprechenden Beschluss nicht angefochten habe, möge er auch aufgrund eines mangelhaften Verfahrens zustandegekommen sein. Die verschuldete Unterlassung eines Rechtsmittels, durch die der Schaden noch hätte abgewendet werden können, sei der klagenden Partei daher nicht vorwerfbar. § 2 Abs 2 AHG stehe einem Schadenersatzanspruch nach § 27 GUG gemäß §§ 1 ff AHG damit nicht entgegen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der beklagten Partei ist zwar zulässig, weil zur Frage, ob die Rettungspflicht gemäß § 2 Abs 2 AHG auch bei den aus § 27 GUG abgeleiteten Ansprüchen zu beachten sei, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehlt, sie ist aber nicht berechtigt.
Bei Ansprüchen aus der Haftung des Bundes aus Fehlern bei der Grundbuchsführung durch den Einsatz der automationsunterstützten Datenverarbeitung ist gemäß § 27 letzter Satz GUG „im übrigen“ das Amtshaftungsgesetz anzuwenden. Durch § 27 GUG wurde der im Amtshaftungsgesetz festgelegten Verschuldenshaftung lediglich eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung zur Seite gestellt. In den Materialien finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass § 2 Abs 2 AHG in solchen Fällen nicht anzuwenden sei. Vielmehr wird dort ausdrücklich festgehalten, dass kein Anlass bestehe, von den übrigen Regeln des Amtshaftungsgesetzes abzugehen (RV, 334 BlgNR 15.GP, 20). Zweck der durch § 27 GUG eingeführten Gefährdungshaftung ist es wohl, die nach den Gehilfenhaftungsbestimmungen vorgesehene Zurechnung von Schäden nicht dadurch auszuschalten, dass statt menschlicher Gehilfen technische Hilfsmittel eingesetzt werden (Koziol, Die Haftung der Banken bei Versagen technischer Hilfsmittel, in ÖBA 1987, 3, 10f). Am Grundsatz der Subsidiarität des Amtshaftungsanspruchs, demzufolge primär das zur Verfügung stehende Sicherheitsnetz an Rechtsbehelfen zur Schadensabwehr zu nutzen ist, sollte § 27 GUG nichts ändern. § 2 Abs 2 AHG ist daher auch auf darauf gestützte Ansprüche anzuwenden:
Nach dieser Gesetzesstelle muss zwar jeder Rechtsbehelf ergriffen werden, der auch nur abstrakt die Möglichkeit bietet, den Eintritt des Schadens zu verhindern oder den bereits eingetretenen Schaden zu mindern, ohne dass der hypothetische Erfolg eines unterlassenen Rechtsbehelfs nachzuvollziehen wäre, die Unterlassung offenbar aussichtsloser Abhilfemaßnahmen lässt jedoch die Rechtsfolgen des § 2 Abs 2 AHG nicht eintreten (vgl JBl 1993, 788; 1Ob15/95; 1Ob55/95 uva). Es hieße den Wortlaut dieser Bestimmung überdehnen, wollte man den Amtshaftungskläger dazu verhalten, selbst solche Rechtsbehelfe zu ergreifen, von denen ihm von vornherein klar sein muss, dass ihnen nach der insoweit eindeutigen Rechtslage-jedenfalls mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit-im Ergebnis jedweder Erfolg versagt bleiben muss. Der von der beklagten Partei monierte Rekurs der klagenden Partei gegen den Berichtigungsbeschluss gemäß §104 GBG wäre aber eine solche offenbar aussichtslose Abwehrmaßnahme gewesen:
Die durch die vom Grundbuchsgericht angeordnete Berichtigung herbeigeführte materielle Rechtslage entsprach unbestrittenermaßen der gegebenen Sach- und Rechtslage; die klagende Partei wurde dadurch in einem einwandfrei begründeten Recht nicht verkürzt. Wenngleich § 104 Abs 3 GBG die Vernehmung der Beteiligten vorsieht, wenn-wie hier-der wahrgenommene Fehler eine Rechtsfolge nach sich ziehen könnte, und die klagende Partei auch als solche Beteiligte anzusehen ist, deren Zustimmung zur Berichtigung einer solchen Eintragung erforderlich wäre (EvBl 1971/335; SZ 26/224; 5Ob3/92; 5Ob1033/92 ua; Feil Grundbuchsgesetz2, § 104 Rz 2, 4 und5), so ist dennoch eine Berichtigung nach § 104 Abs 3 GBG gegen den Willen der Erwerber im Rang nachfolgender exekutiver Pfandrechte-also auch der klagenden Partei-vorzunehmen, weil diesen Gläubigern kein Vertrauensschutz zukommt (SZ 67/13; vgl JB 188; NZ 1995, 275; SZ 46/72; SZ 8/344; Feil aaO Rz5). Angesichts dieser völlig einhelligen, auch von der Lehre nicht bezweifelten Rechtsprechung - dass die Rechtslage dennoch nicht völlig geklärt sei oder gar ein Judikaturwandel zu erwarten gewesen wäre, vermochte selbst die beklagte Partei nicht aufzuzeigen-war die klagende Partei bei richtigem Verständnis der in § 2 Abs 2 AHG verankerten Rettungspflicht nicht dazu verhalten, gegen den die materielle Rechtslage verwirklichenden Beschluss, der auch gegen ihren Willen zu fassen gewesen wäre, ein im Ergebnis offenkundig aussichtsloses Rechtsmittel zu ergreifen, das ihren Schaden nicht nur nicht hätte abwenden können, sondern ihr nur weitere Kosten verursacht hätte. Im Ergebnis wurde auch jenes Rechtsmittel als offenbar aussichtslos beurteilt, das gegen einen vom Rechtsmittelwerber selbst herbeigeführten Akt des Rechtsträgers gerichtet ist (vgl SZ 68/156; SZ 53/61). Dann aber kann es dem Amtshaftungskläger umso weniger zugemutet werden, einen materiell richtigen Berichtigungsbeschluss, den sie aufgrund einer nach der Rechtsprechung völlig eindeutigen Gesetzeslage nicht mit Erfolg hätte bekämpfen können, anzufechten (vgl SZ 57/172). Die Unzumutbarkeit eines solchen Verfahrensschritts der klagenden Partei wird noch dadurch untermauert, dass der infolge des Berichtigungsbeschlusses zur Entgegennahme des Meistbots berechtigten Pfandgläubigerin gegen die klagende Partei, hätte diese mit einem Rekurs gegen den Berichtigungsbeschluss - zu Unrecht-Erfolg gehabt und eine Zuweisung des Meistbots an sie erreicht, immer noch die Klage aus dem besseren Recht gemäß § 231 Abs 4 EO zugestanden wäre (EvBl 1991/128), sodass die klagende Partei das ihr in einem solchen Fall zugewiesene Meistbot erst recht wieder der letztlich zum Zug gekommenen Pfandgläubigerin hätte herausgeben müssen. Der von ihr erlittene (Kosten-)Schaden war demnach durch die Erhebung eines Rechtsmittels gegen den Berichtigungsbeschluss keinesfalls abzuwenden, sodass die Bestimmung des § 2 Abs 2 AHG einem Erfolg der Amtshaftungsklage nicht entgegensteht.
Da die übrigen Anspruchsvoraussetzungen nicht bezweifelt werden, ist der Revision ein Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§41 und 50 ZPO.
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