Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung
Die Ehe der Eltern ist geschieden; die Minderjährige befindet sich in der Obsorge der Mutter. In einem anläßlich der Scheidung geschlossenen Vergleich vom 19. 4. 1995 verpflichtete sich der Vater, für das Kind ab 1. 6. 1995 monatlich S 6.000,- an Unterhalt zu zahlen. Dem Vergleich ist zu entnehmen, daß dieser Verpflichtung ein monatliches Einkommen des Vaters von S 25.000,- zugrunde gelegt wurde.
Am 20. 11. 1996 beantragte der Vater, die von ihm zu leistenden Unterhaltsbeträge ab 1. 6. 1995 auf S 4.500,- herabzusetzen, weil sein Einkommen, das er als selbständiger Versicherungsmakler erziele, 1995 nur S 228.083,- betragen habe. Der im Vergleich erfolgten Unterhaltsbemessung sei sein 1994 erzieltes Einkommen zugrunde gelegt worden. Gegenüber diesem außerordentlich guten Jahr habe sich sein Einkommen aber wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage stark vermindert. Zum Nachweis dieser Behauptungen berief sich der Vater auf die Einkommensteuerbescheide für 1993, 1994 und 1995.
Die Mutter sprach sich gegen diesen Antrag aus. Seit dem Abschluß des Vergleiches sei keine Änderung der Verhältnisse eingetreten. Die Behauptungen des Vaters über sein Einkommen seien unrichtig. Träfen sie zu, wäre er auf ein für ihn erzielbares Einkommen von S 25.000,-
anzuspannen.
Das Erstgericht gab dem Antrag des Vaters statt. Aus den vorgelegten Einkommensteuerbescheiden sei ersichtlich, daß der Vater 1993 ca S 18.850,-, 1994 S 23.750,- und 1995 S 17.550,- monatlich verdient habe. Der Unterhaltsbemessung sei das außerordentlich gute Jahr 1994 zugrunde gelegt worden. Demgegenüber habe sich das Einkommen des Vaters 1995 um rund S 6.200,- pro Monat verringert, worin eine wesentliche Änderung der Verhältnisse zu erblicken sei, welche die Neubemessung des Unterhaltes rechtfertige.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die einem Unterhaltsvergleich innewohnende Umstandsklausel komme auch zum Tragen, wenn die wahren Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung unbekannt gewesen seien und irrtümlich von falschen Bemessungsvoraussetzungen ausgegangen worden sei. In diesem Fall bedürfe es keiner Anfechtung des Vergleiches im streitigen Verfahren, um eine Neubemessung des Unterhaltes für bereits verstrichene Zeiträume zu ermöglichen.
Einkommensteuerbescheide könnten zwar grundsätzlich nicht als Grundlage für die Unterhaltsbemessungsgrundlage herangezogen werden, weil bei der steuerlichen Veranlagung Beträge absetzbar seien, denen keine Einkommensminderung gegenüberstehe. Hier könnten aber die im Einkommensteuerbescheid 1995 angegebenen Einkünfte der Unterhaltsbemessung zugrunde gelegt werden, weil das Finanzamt Baden aus den darin ausgewiesenen Einkünften von S 246.804,- ohne Berücksichtigung steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten das festgestellte Nettoeinkommen des Vaters errechnet habe. Den Reingewinn übersteigende Privatentnahmen habe die Mutter nicht behauptet. Das Einkommen des Jahres 1995 - dieses Jahr sei als letztes abgeschlossenes Wirtschaftsjahr der Unterhaltsbemessung zugrunde zu legen - sei daher deutlich niedriger, als die der Unterhaltsbemessung zugrunde gelegten Einkünfte des Vaters. Die Rekurswerberin habe nichts vorgebracht, woraus sich Zweifel aus dem zur Steuer angemeldeten Einkommen des Unterhaltspflichtigen ergeben hätten. Für eine Anspannung des Vaters fehle es an rechtfertigenden Grundlagen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil Rechtsfragen iS § 14 Abs 1 AußStrG nicht zu lösen gewesen seien.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Kindes mit dem Antrag, ihn iS der Abweisung des Unterhaltsherabsetzungsantrages abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist. Er ist iS des darin gestellten Aufhebungsantrages auch berechtigt.
Der im Revisionsrekurs geltend gemachte Mangel des Verfahrens erster Instanz wurde in zweiter Instanz nicht geltend gemacht. Diese Rüge kann im Revisionsrekurs nicht mehr nachgetragen werden (Ris-Justiz RS0041486 und RS0001396).
Der von der Revisionsrekurswerberin vorgebrachte Einwand, die rückwirkende Herabsetzung des im Vergleich festgesetzten Unterhaltes sei auch dann nicht möglich, wenn die tatsächlichen Einkünfte im behaupteten Umfang hinter den dem Vergleich zugrunde gelegten Annahmen zurückgeblieben wären, ist - wie das Rekursgericht richtig erkannt hat - unzutreffend:
Unabhängig davon, ob die seinerzeitige Unterhaltsbemessung durch gerichtlichen Vergleich oder gerichtliche Entscheidung erfolgte, kann eine Änderung der Unterhaltsbemessung für die Vergangenheit immer dann erfolgen, wenn wegen Änderung der Verhältnisse die seinerzeitige Unterhaltsbemessung wegen der ihr innewohnenden Umstandsklausel nicht mehr bindend blieb (SZ 63/181 uva; Ris-Justiz RS0053297). Eine Neufestsetzung des Unterhaltes ist auch dann zulässig, wenn neue Umstände hervorgekommen sind, die eine andere Sachlage ergeben, als jene, die der früheren Entscheidung oder dem Vergleich zugrunde lagen (SZ 65/55; ÖA 1990,15 uva; Ris-Justiz RS0007145). Dies gilt auch für einen Unterhaltsherabsetzungsantrag des Unterhaltsverpflichteten, wenn im Unterhaltsvergleich irrtümlich von falschen Bemessungsvoraussetzungen ausgegangen wurde. Eine Anfechtung des Vergleiches wegen Irrtums im streitigen Verfahren ist in einem solchen Fall nicht erforderlich (RZ 1990/117; zuletzt 10 Ob 77/97i).
Eben diesen Fall macht der Vater geltend, indem er behauptet, daß dem Vergleich aufgrund der im Jahre 1994 erzielten Einkünfte ein höheres Einkommen zugrunde gelegt wurde, als er 1995 tatsächlich erzielte. Daß der Vergleich im April 1995 geschlossen wurde, steht entgegen der Meinung der Revisionsrekurswerberin diesem Einwand nicht entgegen, weil es durchaus plausibel erscheint, daß der selbständig tätige Vater zu diesem Zeitpunkt noch keinen Überblick über das von ihm 1995 erzielte Einkommen hatte. Ob sein Einwand allerdings zutrifft, kann derzeit noch nicht beurteilt werden.
Zu Recht macht nämlich die Revisionsrekurswerberin geltend, daß Einkommensteuerbescheide für sich allein keine geeignete Unterhaltsbemessungsgrundlage darstellen, weil sich steuerrechtliche und unterhaltsrechtliche Grundsätze nur zum Teil decken. Bei der steuerlichen Veranlagung sind Beträge absetzbar, denen keine Einkommensminderung gegenübersteht. Unterhaltsrechtlich sind aber nur solche Abzüge zu berücksichtigen, denen eine tatsächliche wirtschaftliche Vermögensminderung entspricht. Die Steuerbemessungsgrundlage ist daher - wenn erforderlich - nach unterhaltsrechtlichen Grundsätzen zu korrigieren (EFSlg 70.875; EFSlg 70.883; JBl 1992,702; zuletzt 1 Ob 2082/96z). Das Rekursgericht hat diese Rechtslage auch erkannt, war aber der Meinung, aus dem vorliegenden Einkommensteuerbescheid entnehmen zu können, daß eine Korrektur der Steuerbemessungsgrundlage nach unterhaltsrechtlichen Grundsätzen hier nicht erforderlich sei, weil aus dem Bescheid keine unterhaltsrechtlich nicht zu berücksichtigende Abzüge ersichtlich seien. Diese Meinung beruht aber auf einer Verkennung des Wesens der im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Der dort ausgewiesene Betrag stellt nämlich - der Vater ist "Betriebseinnahmen - Betriebsausgaben - Rechner" - das Ergebnis einer Überschußrechnung gemäß § 4 Abs 3 EStG 1988 dar, bei der somit die vom Vater steuerlich geltend gemachten Betriebsausgaben bereits berücksichtigt sind. Inwieweit die geltend gemachten Ausgaben auch unterhaltsrechtlich relevant sind, läßt sich aber dem Einkommensteuerbescheid nicht entnehmen. Das darin ausgewiesene Nettoeinkommen des Vaters kann daher nicht ungeprüft der Unterhaltsbemessung zugrunde gelegt werden.
Daran ändert auch der Hinweis des Rekursgerichtes nichts, daß das Kind nichts vorzubringen vermochte, woraus sich Zweifel aus dem zur Steuer angemeldeten Einkommen des Vaters ergeben hätten. Zu solchem Vorbringen - das dem Unterhaltsschuldner in der Regel gar nicht möglich sein wird - war das Kind nicht verpflichtet. Die Beweislast für eine für die Unterhaltsbemessung maßgebliche Einkommensverminderung des Unterhaltsschuldners trifft nämlich ausschließlich diesen (Ris-Justiz RS006348). Nur durch die Vorlage von Einkommensteuerbescheiden kann er diesen Beweis aber nicht erbringen.
Demgemäß erweist sich das Verfahren als ergänzungsbedürftig. Es bedarf konkreter Feststellungen über das dem Vater tatsächlich zugeflossene verfügbare Einkommen, wobei die von ihm steuerlich geltend gemachten Ausgaben zu überprüfen und erforderlichenfalls aus unterhaltsrechtlicher Sicht zu korrigieren sind. Dabei wird zu berücksichtigen sein, daß nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des OGH bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage von selbständig Erwerbstätigen grundsätzlich die Einkünfte der letzten drei Geschäftsjahre heranzuziehen sind, um Einkommensschwankungen, die auf steuerliche Gestaltungsmöglichkeit zurückzuführen sind, auszuschalten (JBl 1992,702, SZ 63/154 für "Betriebseinnahmen - Betriebsausgaben - Rechner" gemäß § 4 Abs 3 EStG 1988; seit EFSlg
70.875 auch für den Fall der Gewinnermittlung durch Bilanzierung; zuletzt 1 Ob 2040/96y). Nur dann, wenn das solcherart ermittelte Durchschnittsnettoeinkommen des Vaters in relevantem Ausmaß unter dem dem Vergleich zugrunde gelegten Einkommen liegt, kommt eine Herabsetzung der vergleichsweise festgesetzten Unterhaltsbeträge in Betracht.
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