OGH 9Ob308/97b

OGH9Ob308/97b1.10.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer, Dr. Ehmayr, Dr. Spenling und Dr. Hradil als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Kinder Nadine (geboren am 23. März 1985) und Pascal (geboren am 9. August 1986) C*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Republik Österreich, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 14. Mai 1997, GZ 45 R 397/97h, 398/97i-24, womit infolge Rekurses der Republik Österreich die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 10. März 1997, 2 P 47/96v-13 und 14, bestätigt wurden, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern ist geschieden; die beiden Minderjährigen befinden sich in der Obsorge der Mutter. Aufgrund eines anläßlich der Scheidung der Eltern geschlossenen Vergleichs vom 15. 12. 1995 ist der Vater verpflichtet, für die beiden Kinder monatliche Unterhaltsbeträge von je S 8.500,- zu zahlen. Nach der Aktenlage ist der Vater "Speditionskaufmann"; ob er selbständig oder unselbständig tätig ist, ist dem Akt nicht zu entnehmen.

Mit Beschluß vom 19. 2. 1997 bewilligte das Exekutionsgericht Wien den beiden Kindern über deren Antrag aufgrund des genannten Vergleichs gegen den Vater zur Hereinbringung von Unterhaltsrückständen von S 31.500,- je Kind und des laufenden Unterhaltes ab 1. 3. 1997 Forderungsexekution nach § 294 a EO und Fahrnisexekution sowie gemäß § 372 EO zur Sicherung der innerhalb eines Jahres ab (1. 3. 1997 bis 28. 2. 1998) fällig werdenden Unterhaltsansprüche von S 102.000,- je Kind die Fahrnisexekution.

Mit ihren Anträgen vom 4. 3. 1997, beim Erstgericht eingelangt am 6. 3. 1997, beantragten die beiden Minderjährigen die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen in Titelhöhe für die Zeit von 1. 3. 1997 bis 28. 2. 2000. Die Exekution auf das Arbeitseinkommen und zur Sicherstellung habe, auch unter Anrechnung hereingebrachter Rückstände auf den laufenden Unterhalt, diesen für die letzten sechs Monate vor Antragstellung nicht gedeckt. Den Anträgen angeschlossen war neben einer Kopie der Exekutionsbewilligung eine Kopie der vom Exekutionsgericht eingeholten Drittschuldnerauskunft des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, der zu entnehmen ist, daß keine möglichen Drittschuldner bekanntgegeben wurden.

Das Erstgericht bewilligte die beantragten Vorschüsse.

Das vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien angerufene Rekursgericht bestätigte die Beschlüsse des Erstgerichtes und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Voraussetzungen für die Vorschußgewährung seien gegeben, weil die Minderjährigen die Erfolglosigkeit ihrer Exekutionsversuche behauptet und gemäß § 11 Abs 2 UVG glaubhaft gemacht hätten; aus dem Pflegschaftsakt ergebe sich nichts Gegenteiliges. Die Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG seien nicht gegeben.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung iS der Abweisung der Vorschußanträge abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Beschlüsse der Vorinstanzen auf einer unvollständigen Entscheidungsgrundlage ergingen. Er ist im Ergebnis auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 3 UVG sind Vorschüsse zu gewähren, wenn für den gesetzlichen Unterhaltsanspruch ein im Inland vollstreckbarer Exekutionstitel besteht (Z 1) und eine wegen der laufenden Unterhaltsbeiträge geführte Exekution nach § 291 c Abs 1 EO oder, sofern der Unterhaltsschuldner offenbar keine Gehaltsforderung oder eine andere in fortlaufenden Bezügen bestehende Forderung hat, eine Exekution nach § 372 EO auch nur einen in den letzten sechs Monaten vor Stellung des Antrages auf Vorschußgewährung fällig gewordenen Unterhaltsbeitrag nicht voll gedeckt hat; dabei sind hereingebrachte Unterhaltsrückstände auf den laufenden Unterhalt anzurechnen.

Vorschüsse nach § 3 UVG werden demnach nur dann gewährt, wenn das Kind vorher versucht hat, den laufenden Unterhalt durch eine Exekution auf die künftig fällig werdenden Bezüge des Unterhaltsschuldners hereinzubringen (Schwimann/Neumayr, ABGB**2 I, § 3 UVG Rz 17). Hat der Unterhaltsschuldner keine laufenden Bezüge iSd §§ 291c EO, muß der Unterhaltsberechtigte versuchen, den Unterhalt im Wege einer Exekution nach § 372 EO sicherzustellen. Allerdings muß das Kind den richtigen Schritt setzen. Es genügt nicht, daß es bei einem selbständigen Unterhaltspflichtigen vergeblich eine Fahrnis- oder Gehaltsexekution versucht, nicht aber eine - üblicherweise langwierigere - Exekution nach § 372 EO (Schwimann/Neumayr aaO Rz 17). Seit der mit BGBl 1980/278 erfolgten Novellierung des § 3 UVG ist klargestellt, daß nur einer der beiden in § 3 Z 2 UVG genannten Wege, den laufenden Unterhalt hereinzubringen oder zu sichern, versucht werden muß, selbst wenn der Unterhaltsschuldner offensichtlich sowohl selbständig als auch unselbständig erwerbstätig ist (Schwimann/Neumayr aaO Rz 18; aM Knoll , UVG in ÖA Rz 7 zu § 3 UVG). Eine Exekution nach § 291c Abs 1 EO ist einzuleiten, wenn der Unterhaltsschuldner den unselbständig Erwerbstätigen oder sonstigen Beziehern fortlaufender Bezüge (§ 290a EO) zuzurechnen ist, auch wenn er gerade keiner Beschäftigung nachgeht, sonst aber im allgemeinen aus einem solchen Einkommen, vor allem einem Arbeits- oder Pensionseinkommen, seinen Lebensunterhalt bestreitet. Hier genügt ein Exekutionsversuch nach § 291c EO; andererseits reicht eine erfolglos versuchte Exekution zur Sicherstellung in diesem Fall nicht aus. Eine - üblicherweise mit einer Befriedigungsexekution verbundene - Exekution zur Sicherstellung nach § 372 EO mit einem der in § 374 EO taxativ aufgezählten Exekutionsmittel ist (nur) dann vorzunehmen, wenn der Unterhaltsschuldner offenbar nicht Bezieher eines Arbeitseinkommens im weiten Sinn des § 290a Abs 1 EO, sondern als selbständig Erwerbstätiger anzusehen ist (Schwimann/Neumayr aaO Rz 18).

Im vorliegenden Fall, in dem aus dem Akt die Art der Erwerbstätigkeit des Unterhaltsschuldners nicht ersichtlich ist, führen die Kinder zur Hereinbringung bzw. Sicherung des laufenden Unterhaltes sowohl Exekution nach § 291 c Abs 1 EO als auch nach § 372 EO. Daß dies verfehlt ist, weil die Exekution zur Sicherstellung zur Voraussetzung hat, daß Befriedigungsexekution nach § 291 c Abs 1 EO nicht geführt werden kann (3 Ob 1010/85 im Hinblick auf den damals geltenden § 6 Abs 3 LPfG), ist hier nicht von Bedeutung. Entscheidungswesentlich ist aber der Umstand, daß diese doppelte Antragstellung die Annahme nahe legt, daß der die Kinder vertretende Jugendwohlfahrtsträger sich selbst im unklaren darüber befand, ob der Vater selbständig oder unselbständig tätig ist bzw. war, oder daß er beides als gegeben erachtete. Vor diesem Hintergrund läßt aber die mit den Vorschußanträgen vorgelegte negative Drittschuldnerauskunft zwei Deutungen zu: Zum einen ist denkbar, daß der Vater zwar grundsätzlich den unselbständig Erwerbstätigen zuzurechnen ist, derzeit aber kein Erwerbseinkommen bezieht. Die - da in diesem Fall zutreffend gewählte - Drittschuldnerexekution wäre dann tatsächlich erfolglos geblieben. Ebenso ist aber denkbar, daß die Drittschuldnerauskunft deshalb negativ ist, weil der Vater selbständig erwerbstätig ist. Unter dieser zuletzt genannten Voraussetzung wäre aber die Vorschußgewährung nur möglich, wenn die (ebenfalls eingeleitete) Exekution nach § 372 EO durch Pfändung und Verwahrung der Fahrnisse des Schuldners erfolglos geblieben wäre. Daß dies bereits 13 Tage nach der Exekutionsbewilligung festgestanden sein soll, ist zwar nicht mit Sicherheit auszuschließen, stößt aber im Hinblick auf die gerichtsbekannte Dauer eines derartigen Exekutionsverfahrens auf erhebliche Bedenken.

Soweit der Antragsteller die Voraussetzungen der Gewährung von Vorschüssen nicht auf Grund der Vormundschafts- oder Pflegschaftsakten, durch Urkunden oder sonst auf einfache Weise nachweisen kann, sind diese Voraussetzungen gemäß § 11 Abs 2 UVG durch eine der Wahrheit entsprechende Erklärung des Vertreters glaubhaft zu machen. Demgemäß wird für negative Anspruchsvoraussetzungen, wie etwa die Erfolglosigkeit der Exekution, im allgemeinen die Glaubhaftmachung durch eine Erklärung des Vertreters des Kindes ausreichen (Schwimann/Neumayr aaO Rz 7 zu § 11 UVG). Soweit daher dem Revisionsrekurs die Meinung zu entnehmen ist, das Gericht müsse in jedem Falle die Angaben des Vertreters über die Erfolglosigkeit der Exekution überprüfen, ist ihm nicht zu folgen. Anders ist dies aber dann, wenn - wie hier - die Erklärung des Vertreters unter den konkret gegebenen Bedingungen nicht ausreicht bzw. auf begründete Bedenken stößt. In diesem Falle darf sich das Gericht mit der (unzureichenden) Erklärung des Vertreters nicht zufrieden geben.

Wenngleich § 11 UVG das Antragsprinzip festlegt, wird der Richter dadurch im Hinblick auf den im Außerstreitverfahren herrschenden Untersuchungsgrundsatz nicht von der Verpflichtung entbunden, auf die Substantiierung des Vorbringens hinsichtlich aller Anspruchsvoraussetzungen hinzuwirken (EvBl 1994/15 = ÖA 1993, 148 = EFSlg 72.588; RIS-Justiz RS0037892). Auch im vorliegenden Fall hätte daher der Jugendwohlfahrtsträger vom Erstgericht angeleitet werden müssen, den für die Beurteilung der Anträge erforderlichen Sachverhalt vollständig zu behaupten. Da eine solche Anleitung unterblieb, ist eine verläßliche Beurteilung derzeit noch nicht möglich, weshalb in Stattgebung des Revisionsrekurses die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben waren. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren den Vertreter der Kinder zur vollständigen Behauptung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes anzuleiten und auf dieser Grundlage neuerlich über die Vorschußanträge zu entscheiden haben.

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