OGH 5Ob2020/96m

OGH5Ob2020/96m16.9.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Floßmann, Dr.Adamovic, Dr.Baumann und Dr.Hradil als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Ö***** Gesellschaft mbH, *****vertreten durch Dr.Peter Rustler, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner 1. Livia Agnes B*****, und 2. Peter S*****, beide vertreten durch Dr.Gabriel Lansky, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8, § 46a Abs 4 MRG, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegner gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. Dezember 1995, GZ 40 R 897/95-20, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 22.September 1995, GZ 48 Msch 12/95p-16, bestätigt wurde, den

Sachbeschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Parteien haben die Kosten des drittinstanzlichen Verfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das gemäß § 40 Abs 2 MRG angerufene Erstgericht wies den "Antrag der Antragstellerin, die Angemessenheit (gemeint offensichtlich: des Hauptmietzinses) des von ihr gemieteten Bestandobjektes in *****, festzustellen" ab. Dabei ging es im wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:

Die Antragsgegner sind Eigentümer des Hauses *****, die Antragstellerin ist Hauptmieterin von Geschäftsräumlichkeiten in diesem Haus. Mit Schreiben vom 10.10.1994 gaben die Antragsgegner der Antragstellerin eine Hauptmietzinserhöhung von bisher monatlich S 2.932,50 auf künftig monatlich S 42.529,20 bekannt. Sie stützten ihr Begehren auf § 46a Abs 4 MRG.

Am 11./18.Mai 1948 schloß die damalige Eigentümerin des Hauses mit der Ö***** GmbH einen Mietvertrag. Darin verzichtete die Vermieterin auf Kündigung vor Ablauf des 10. Vertragsjahres. Der Hauptmietzins sollte nach Räumung bestimmter Gebäudeteile durch einen Vormieter S 113 pro Monat betragen. Im Vorvertrag vom 30.4.1948 wurde festgehalten, daß die Mieterin an die Vermieterin einen Baukostenbeitrag in Höhe von S 70.000 leistet. In der Erklärung über die Beitragspflicht der Eigentümer von Wohnhäusern gemäß Wohnhauswiederaufbaugesetz wurde der Jahresmietzins 1914 für das gegenständliche Bestandobjekt mit 2.930 Kronen angegeben. Mit Schreiben vom 1.7.1959 erstreckte die Vermieterin den Kündigungsschutz auf weitere zehn Jahre. Die Mieterin erklärte sich im Hinblick auf die geschaffene Anschlußmöglichkeit an die Zentralheizungsanlage bereit, rückwirkend ab 1.1. des Jahres gegenüber dem derzeitigen monatlichen Mietzins von S 304,17 einen monatlich um S 1.200 höheren Mietzins, also S 1.504,17 monatlich zu leisten. Mit Schreiben vom 14.3.1975 erstreckte die Vermieterin den Kündigungsschutz auf weitere zehn Jahre. Die Mieterin erklärte sich im Hinblick auf Fassadenputzspesen bereit, ab 1.April 1975 gegenüber dem derzeitigen monatlichen Hauptmietzins von S 732,50 einen monatlich um S 2.200 höheren Mietzins, also S 2.932,50 monatlich zu leisten. Auch diesbezüglich kam eine Vereinbarung zustande. Der Betrag von S 2.932,50 wurde der Antragstellerin bis Jänner 1995 als Hauptmietzins vorgeschrieben. Die Ö***** GmbH hatte bis 1984 24 Gesellschafter. Seit 1984 hat sie eine Alleingesellschafterin, die vor 1984 nicht Gesellschafterin war.

In rechtlicher Hinsicht gelangte das Erstgericht zum Ergebnis, daß die Voraussetzungen einer Erhöhung des Hauptmietzinses gemäß § 46a Abs 4 MRG nicht vorlägen, weil der Mietvertrag aus dem Jahr 1948 1975 insofern geändert worden sei, als die Vermieterin einen Kündigungsverzicht für weitere zehn Jahre erklärt habe und sich die Mieterin im Hinblick auf Fassadenputzarbeiten zur Bezahlung eines erhöhten Hauptmietzinses verpflichtet gehabt habe. Die begehrte Feststellung, daß kein Fall des § 46a MRG vorliege und daß der begehrte Hauptmietzins überhöht sei, hätte jedoch zu entfallen, weil über ein derartiges Feststellungsbegehren im streitigen Rechtsweg zu entscheiden wäre.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin Folge, änderte den erstgerichtlichen Sachbeschluß dahin ab, daß hinsichtlich des von der Antragstellerin gemieteten Geschäftslokals eine Anhebung des Hauptmietzinses gemäß § 46a Abs 4 MRG für nicht zulässig erklärt wurde, und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs - mangels Rechtsprechung des Höchstgerichtes zur neuen Rechtslage - zulässig sei. Es führte folgendes aus:

§ 37 Abs 1 Z 8 MRG verweise alle Angelegenheiten betreffend die Angemessenheit des vereinbarten oder begehrten Hauptmietzinses unter ausdrücklicher Anführung von § 46a MRG in das Außerstreitverfahren. Damit sei nicht nur die Feststellung der zulässigen Höhe des Hauptmietzinses pro futuro oder aber zu bestimmten Zinsterminen in das Außerstreitverfahren verwiesen, sondern auch Anträge, die sich mit der bloßen Feststellung, daß der Hauptmietzins nach § 16 Abs 1 oder nach § 16 Abs 2 oder aber nach aufgehobenen, nur gemäß § 43 MRG fortwirkenden Vorschriften oder nach § 15 WWG in einer bestimmten Fassung oder nach § 32 WFG 1968 oder § 46 WFG 1984 zu bilden sei, begnügten. Auch das Feststellungsbegehren, daß wegen Unternehmensveräußerung der Mieter einen monatlichen Nettohauptmietzins in bestimmter Höhe ab einem bestimmten Zeitpunkt zu zahlen habe, gehöre in das außerstreitige Verfahren. Zulässig erscheine daher auch nunmehr nach dem Inkrafttreten des 3. WÄG ein selbständiges Begehren auf Feststellung, "daß kein Fall des § 46a MRG vorliege" im außerstreitigen Rechtsweg, wie die Antragstellerin begehrt habe. Das Rekursgericht habe sich lediglich veranlaßt gesehen, den Spruch seiner Entscheidung mit einer präziseren Formulierung zu verdeutlichen, weil § 46a MRG neben der Möglichkeit der Erhöhung des Hauptmietzinses bei juristischen Personen oder Personengesellschaften des Handelsrechts (Abs 4) noch andere Übergangsbestimmungen beinhalte.

Danach lägen aber, wie das Erstgericht jedenfalls in der Begründung seiner Entscheidung richtig erkannt habe, die Voraussetzungen für eine Anhebung des Mietzinses nicht vor. § 46a Abs 4 Z 2 und 3 MRG würden nämlich bedingen, daß keine Mietzinsvereinbarung im Sinne des § 16 Abs 1 Z 7 der Stammfassung des MRG oder anderer gleichartiger mietrechtlicher Regelungen erfolgt sei oder keine Vereinbarung im Sinne der Z 2 geschlossen worden sei, obwohl eine solche wegen einer Änderung des Vertrages über den Mietgegenstand möglich gewesen wäre. Den Antragsgegnern sei zwar insoweit beizupflichten, daß die zwischen den Streitteilen im Jahre 1959 getroffene Mietzinsvereinbarung nicht aufgrund einer dem § 16 Abs 1 Z 7 in der Stammfassung des MRG gleichartigen mietrechtlichen Regelung erfolgt sei, weil § 16 Abs 2 und 3 MG idF der Novelle 1955 freie Vereinbarungen zwischen dem Vermieter und Mieter über die Höhe des Mietzinses nur gestattet habe, wenn das Mietverhältnis mindestens ein halbes Jahr bestanden habe und der Jahresmietzins - für Geschäftsräumlichkeiten in Wien - 4.000 Kronen überstiegen habe. Gerade dieses Erfordernis des 4.000 Kronen übersteigenden Jahresmietzinses sei durch die MG-Novelle 1967 beseitigt worden. Einzige Voraussetzung für die Zulässigkeit freier Vereinbarungen zwischen dem Vermieter und dem Mieter über die Höhe des Mietzinses nach dem 31.Dezember 1967 sei gemäß § 16 Abs 1 Z 4 MG, daß das Mietverhältnis bereits mindestens ein halbes Jahr bestanden habe. Dahingestellt bleiben könne die Motivation der Mietzinsvereinbarung aus dem Jahre 1959; sie sei ohnehin nicht im Sinne einer dem § 16 Abs 1 Z 7 in der Stammfassung des MRG gleichartigen mietrechtlichen Regelung erfolgt. Ganz anders sei jedoch die zwischen den Streitteilen im Jahr 1975 getroffene Mietzinserhöhungsvereinbarung. Sie sei auch keineswegs unerheblich gewesen. Darunter verstehe Dirnbacher (WoBl 1995, 80), auf den sich die Antragsgegner beriefen, bloß eine Aufrundung des Mietzinses auf den nächsthöheren Betrag etwa vor zwei Jahrzehnten, was nicht dazu führen könne, daß allein deshalb der Mietzins 20 Jahre danach nicht auf ein angemessenes Niveau herangeführt werden dürfe. Von einer bloßen Aufrundung oder unerheblichen Veränderung könne durchaus nicht gesprochen werden, wenn der damalige monatliche Hauptmietzins von S 732,50 um monatlich S 2.200, also auf S 2.932,50, erhöht worden sei. Es handle sich immerhin um eine mehr als 300 %ige Steigerung; unter Berücksichtigung der 1959 vereinbarten Erhöhung um S 1.200 noch immer um eine rund 30 %ige Erhöhung.

Daß bei einheitlichem Mietverhältnis allein das Entgelt für vor 1959 unentgeltlich überlassenen Räumlichkeiten von 28 m2, nicht aber der Hauptmietzins für die restlichen rund 150 m2 erhöht worden sein solle, welchen Standpunkt die Antragsgegner in ihrer Rekursbeantwortung vertreten, könne daran nichts ändern. Ihre Auffassung vermöge nämlich weder im Schreiben vom 14.3.1975 eine Stütze zu finden, noch hätten die Antragsgegner im erstinstanzlichen Verfahren ihre Interpretation des Zustandekommens der Vereinbarung aus dem Jahr 1975 dargelegt. Eine Aufspaltung des Mietzinses dergestalt, daß der Erhöhungsbetrag ausschließlich auf die erst 1959 offiziell zur in Bestand gegebenen Fläche hinzugekommenen 28 m2 entfalle, sei nunmehr daher eine völlig willkürliche Annahme. Davon ausgehend erübrige sich jede Auseinandersetzung mit der Frage der Sinnhaftigkeit der Bestimmung des § 46a Abs 4 Z 3 MRG, wonach zusätzliche Voraussetzung der Anhebung sei, daß keine Vereinbarung im Sinne der Z 2 geschlossen worden sei, obwohl eine solche wegen einer Änderung des Vertrages über den Mietgegenstand möglich gewesen wäre, weil eben eine Vereinbarung im Sinne der Z 2 aus dem Jahr 1975 tatsächlich vorliegt. Die Voraussetzungen einer Erhöhung des Hauptmietzinses gemäß § 46a Abs 4 MRG seien daher nicht gegeben.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegner wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Sachbeschluß dahin abzuändern, daß eine Anhebung des Hauptmietzinses für das von der Antragstellerin gemietete Geschäftslokal gemäß § 46a Abs 4 MRG für zulässig erklärt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragstellerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsmittelwerber machen im wesentlichen geltend, zur Vereinbarung 1975, die sich nur auf eine Teilfläche bezogen habe, sei kein Parteiengehör gewährt worden; in diesem Zusammenhang sei die Parteienvernehmung unterlassen und der Untersuchungsgrundsatz verletzt worden. Die Mietzinserhöhung 1975 sei unerheblich gewesen. Die Z 2 und 3 des § 46a Abs 4 MRG seien einschränkend auszulegen. Diese Bestimmungen seien verfassungswidrig, weil mangels jeglicher sachlicher Rechtfertigung der Gleichheitssatz und das Grundrecht auf Achtung des Eigentums verletzt werde; die Regelung sei überschießend und ungeeignet, um verständliche gesetzgeberische Ziele zu erfüllen; "bestraft" würden ausschließlich jene Vermieter, welche legale Mietzinsanhebungen, und seien sie auch geringfügig, vereinbart hätten.

Hiezu wurde erwogen:

Mit Schriftsatz vom 1.8.1995 legte die Antragstellerin dem Erstgericht das Schreiben vom 14.3.1975 vor und berief sich hiezu auf eine Vereinbarung gemäß § 16 Abs 1 Z 7 MRG. Die Gleichschrift und das Beilagendoppel wurden den Antragsgegnern am 11.8.1995 zugestellt. Mit Beschluß vom 16.8.1995 forderte das Erstgericht die Parteien auf, binnen zehn Tagen ua sämtliche Urkundenerklärungen abzugeben, weil die Sache spruchreif erscheine. Daraufhin gestanden die Antragsgegner mit anwaltlichem Schriftssatz vom 31.8.1995 die Echtheit des Schreibens vom 14.3.1975 zu und verwiesen zur Richtigkeit - inhaltsleer - auf das eigene Prozeßvorbringen.

Den Antragsgegnern wurde daher sehr wohl Gelegenheit geboten, zum diesbezüglichen Vorbringen der Antragstellerin Stellung zu nehmen, weshalb von einer Nichtigkeit wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs keine Rede sein kann. Da die - anwaltlich vertretenen - Antragsgegner in ihrer Äußerung keinerlei Vorbringen, insbesondere nicht dahin, die Vereinbarung 1975 würde nur eine Teilfläche betreffen, erstattet oder Beweismittel angeboten haben, bestand für das Erstgericht kein Anlaß, hiezu die Parteienvernehmung durchzuführen oder amtswegige Untersuchungen anzustrengen. Auch ein (sich allenfalls im Rekursverfahren fortsetzender) Verfahrensmangel liegt daher nicht vor. Das erst im Rekursverfahren erstattete einschlägige Vorbringen der Antragsgegner war unbeachtlich, weil auch im Verfahren gemäß § 37 MRG das Neuerungsverbot gilt (MietSlg 41.388 ua).

Ob die seinerzeitige Mietzinsvereinbarung im Sinne des § 46a Abs 4 Z 2 MRG schon eine erhebliche Veränderung nach sich gezogen haben müsse, um nunmehr relevant zu sein (so Dirnbacher, Gedanken zu § 46a MRG, WoBl 1995, 78, 80), kann auf sich beruhen, weil die 1975 vorgenommene Mietzinserhöhung keineswegs unerheblich war und über eine bloße Aufrundung weit hinaus ging, wie schon das Rekursgericht richtig erkannt hat. Um eine im Mietvertrag ohnehin vorgesehene Valorisierung handelte es sich hiebei offensichtlich nicht.

Was schließlich die behauptete Verfassungswidrigkeit der im vorliegenden Fall anzuwendenden Bestimmung des § 46a Abs 4 Z 2 MRG anlangt, so hält es der erkennende Senat für unbedenklich, wenn der Gesetzgeber einen - an sich heiklen - Eingriff in bestehende Verträge, der eher eine einschränkende Auslegung des Anhebungsrechtes nahelegt (vgl 5 Ob 11/96), nur unter bestimmten engen Voraussetzungen erlaubt, und Vermieter, denen es ohnehin gelungen ist, eine Mietzinsvereinbarung im Sinne dieser Gesetzesstelle zu erreichen, kein Recht auf weitere Anhebung des Mietzinses nach § 46a Abs 4 MRG gewährt hat. Im übrigen wurden partiell ähnliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Bestimmung bereits in 5 Ob 2329/96b und 5 Ob 2363/96b nicht geteilt. Der erkennende Senat sieht sich daher nicht veranlaßt, beim Verfassungsgerichtshof das von den Antragsgegnern gewünschte Normprüfungsverfahren einzuleiten.

Zusammenfassend ergibt sich, daß die hiefür beweispflichtige Mieterin den Abschluß einer Mietzinsvereinbarung im Sinne des § 46a Abs 4 Z 2 MRG nachweisen konnte (vgl zur Beweislast 5 Ob 88/97w), weshalb die Vorinstanzen zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Anhebung des Hauptmietzinses gemäß § 46a Abs 4 MRG verneint haben.

Dem Revisionsrekurs war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 19 MRG. Nach dieser Bestimmung hat jede Partei die Kosten rechtsfreundlicher Vertretung grundsätzlich selbst zu tragen. Die von den Antragsgegnern verzeichnete Pauschalgebühr für das drittinstanzliche Verfahren war nicht zu entrichten.

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