OGH 5Ob2363/96b

OGH5Ob2363/96b12.11.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin R***** KG, ***** vertreten durch Dr.Rainer Cuscoleca, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegnerin Fa. Adolf W*****, vertreten durch Dr.Friedrich Fleischmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG iVm § 46a Abs 4 MRG, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 30.Juli 1996, GZ 39 R 322/96-15, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 13. November 1995, GZ 5 Msch 90/95x-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Sachbeschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsrekursbeantwortung der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Antragstellerin ist seit 1.1.1952 Hauptmieterin des im Haus der Antragsgegnerin in *****, gelegenen Geschäftslokal top 2. Als Hauptmietzins war laut Mietvertrag vom 22.12.1951 jährlich der 5880 Friedenskronen entsprechende Betrag zu zahlen. Im Jänner 1974 sind dann die Mietvertragsparteien übereingekommen, daß die Antragstellerin der Antragsgegnerin für das Recht der gänzlichen oder teilweisen Untervermietung des Bestandobjektes ab August 1973 "außer dem gesetzlichen Mietzins" noch einen jährlichen Betrag von S 15.000,-- zu zahlen hat. Dieser Betrag wurde nach dem Verbraucherpreisindex I wertgesichert und betrug zuletzt S 36.614,-- zuzüglich Umsatzsteuer.

Änderungen in der Mietergesellschaft (es handelte sich ursprünglich um eine OHG) nahm die Antragsgegnerin zum Anlaß, der Antragstellerin unter Berufung auf § 46a Abs 4 MRG ab 1.1.1995 einen zusätzlichen monatlichen Mietzinsbetrag von S 5.048,67 (als erste Stufe einer 1/15-Anhebung des Hauptmietzinses auf S 77.200,-- monatlich) vorzuschreiben.

Im jetzt über Antrag der Antragstellerin eingeleiteten Mietzinsüberprüfungsverfahren, das gemäß § 40 Abs 2 MRG an das Gericht gelangt ist, geht es vor allem um die von den Mietvertragsparteien unterschiedlich beurteilte Frage, ob mit der Vereinbarung eines laufenden Entgelts für die Gestattung der Untervermietung eine Mietzinsvereinbarung iSd § 16 Abs 1 Z 4 MG abgeschlossen wurde, die gemäß § 46a Abs 4 Z 2 (allenfalls auch Z 3) MRG einer Mietzinsanhebung entgegensteht.

Das Erstgericht stellte fest, daß mit der Vorschreibung eines höheren Mietzinses ab 1.1.1995 (bis einschließlich September 1995) das gesetzlich zulässige Zinsausmaß überschritten wurde. Es vertrat den Standpunkt, daß die im Jahr 1974 getroffene Vereinbarung eines zusätzlichen Entgelts für die Gestattung der Untervermietung eine schrittweise Anhebung des Hauptmietzinses gemäß § 46a Abs 4 MRG nicht gestatte. Vereinbare der Mieter für eine Sonderleistung, die ihm der Vermieter im Rahmen des Mietvertrages gewährt, ein zusätzliches Entgelt, so könne dies nur eine unzulässige Ablöse oder eine nach § 16 Abs 1 Z 4 MG bzw § 16 Abs 1 Z 7 MRG zulässige Mietzinsvereinbarung sein. Eine solche Mietzinsanhebung werde regelmäßig mit Gegenleistungen des Vermieters verknüpft. § 46a Abs 4 MRG unterscheide nicht, ob die freiwillige Mietzinserhöhung ein Entgelt für die Einräumung bestimmter Rechte bzw für die Durchführung von Arbeiten darstelle oder auf einem reinen Entgegenkommen des Mieters beruhe. Es werde in dieser Gesetzesbestimmung auch nicht ausgeführt, daß geringfügige Erhöhungen des Mietzinses unberücksichtigt bleiben müßten. Daher sei es irrelevant, wie hoch der angemessene Hauptmietzins für das verfahrensgegenständliche Bestandobjekt derzeit wäre. Im vorliegenden Fall betrage das Zusatzentgelt im übrigen ohnehin das Doppelte des gesetzlichen Hauptmietzinses, sodaß es im Verhältnis zu diesem nicht als geringfügig angesehen werden könne.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung aus folgenden Erwägungen:

Ein Anliegen des Gesetzgebers des 3. WÄG sei es zwar gewesen, alte Mietverträge über Geschäftslokale hinsichtlich der Zinsbildung sukzessive an neue Mietverträge anzugleichen, doch lasse der Gesetzestext des § 46a Abs 4 MRG keine andere Auslegung als die zu, daß eine Erhöhung des Hauptmietzinses ua voraussetze, daß keine Mietzinsvereinbarung iSd § 16 Abs 1 Z 7 MRG bzw § 16 Abs 1 Z 4 MG erfolgte. Auf das Ausmaß einer solchen Mietzinsvereinbarung stellte dabei das Gesetz nicht ab. Jede während eines bestehenden Mietverhältnisses getroffene zulässige Mietzinsvereinbarung, die zu einer regelmäßigen und unbefristeten (also nicht, wie beispielsweise zur Finanzierung von Erhaltungsarbeiten, zu einer bloß vorübergehenden) Mietzinserhöhung führt, verbiete daher dem Vermieter die Möglichkeit einer Zinsanhebung nach § 46a Abs 4 MRG. Ob die Differenz zwischen dieser Zinsvereinbarung und dem heute für das Mietobjekt angemessenen Hauptmietzins dabei mehr oder weniger hoch ist, sei unbeachtlich.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Begründet wurde dies mit dem Fehlen einer höchstgerichtlichen Judikatur zur Auslegung des § 46a Abs 4 Z 2

MRG.

Im jetzt vorliegenden Revisionsrekurs hält die Antragsgegnerin an ihrer Rechtsansicht fest, daß die im Jahr 1974 getroffene Vereinbarung eines Entgelts für die Gestattung der Untervermietung der schrittweisen Anhebung des Hauptmietzinses gemäß § 46a Abs 4 MRG nicht entgegenstehe. Ihr Revisionsrekursantrag geht dahin, den angefochtenen Sachbeschluß entweder iS einer gänzlichen Abweisung des Mietzinsüberprüfungsbegehrens der Antragstellerin abzuändern oder aber aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen.

Die Antragstellerin hat dazu eine Revisionsrekursbeantwortung erstattet, die jedoch nicht berücksichtigt werden kann, weil sie verspätet ist. Sie wurde am 10.10.1996, also zu einem Zeitpunkt zur Post gegeben, als die seit 11.9.1996 laufende Frist des § 37 Abs 3 Z 17 lit d MRG (auf die gemäß § 37 Abs 3 Z 16 MRG die Vorschriften der ZPO anzuwenden sind) bereits versäumt war. Die Revisionsrekursbeantwortung war daher zurückzuweisen.

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorauszuschicken ist, daß sich dem festgestellten Sachverhalt nicht eindeutig entnehmen läßt, ob die bei Abschluß des gegenständlichen Mietvertrages am 22.12.1951 geltende Gesetzeslage (§ 16 Abs 2 und 3 MG idF der Nov 1951, BGBl 1951/228) eine freie Mietzinsvereinbarung zuließ (die gemäß § 46a Abs 4 erster Halbsatz MRG der begehrten Mietzinsanhebung a priori entgegenstünde). Selbst wenn der "Kronenwert" (jährliche Jahresmietzins) des fraglichen Geschäftslokals 4.000 Friedenskronen überstiegen haben sollte, ist nämlich die Einhaltung der Wiedervermietungsfrist des § 16 Abs 2 Z 1 MG idF der Novelle 1951 nicht dargetan. Dies erzwingt ein Eingehen auf den von den Vorinstanzen wahrgenommenen Hinderungsgrund des § 46a Abs 4 Z 2 (und Z 3) MRG. Insoweit hält der erkennende Senat die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichtes für zutreffend und die dagegen im Revisionsrekurs vorgebrachten Argumente für nicht stichhältig, sodaß es gemäß § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 510 Abs 3 und § 528a ZPO mit einer kurzen Zusatzbegründung sein Bewenden haben kann.

Der Haupteinwand der Rechtsmittelwerberin gegen die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichtes geht dahin, daß die Vereinbarung eines Entgelts für die Gestattung der Untervermietung gar keine Mietzinsvereinbarung iSd § 46a Abs 4 Z 2 MRG sei. Sie betreffe nicht die Hauptsache des Mietvertrages (nämlich die Überlassung des Geschäftslokals), sondern Nebenrechte, was die Mietvertragsparteien im konkreten Fall auch dadurch zum Ausdruck gebracht hätten, daß der Mietzins unangetastet bleiben sollte, indem sich die Antragstellerin verpflichtete, das Entgelt für die Gestattung der Untervermietung "außer dem gesetzlichen Mietzins" zu zahlen. Im übrigen sei die Vereinbarung einem entgeltlichen Kündigungsverzicht gleichzuhalten, wie ihn § 27 Abs 2 MRG (gemeint ist dessen lit b) ausdrücklich gestatte. Eine solche Vereinbarung sei in § 46a Abs 4 Z 2 MRG nicht als Hindernis für die Mietzinsanhebung normiert.

Dem ist entgegenzuhalten, daß dem Vermieter die in § 46a Abs 4 MRG vorgesehene Möglichkeit der Mietzinsanhebung nach der Z 3 leg cit (interpretiert man diese Gesetzesbestimmung nach dem offenkundigen Zweck der Regelung) auch dann versagt ist, wenn eine Vereinbarung iSd § 46a Abs 4 Z 2 MRG nicht geschlossen wurde, obwohl eine solche wegen einer Änderung des Mietvertrages möglich gewesen wäre (vgl Würth/Zingher, Wohnrecht '94, Anm 8 zu § 46a MRG; Reich-Rohrwig, Mietzinserhöhung bei Geschäftsraum-Hauptmieten, 117). Für den Mieter, der sich während des aufrechten Bestandes seines Mietvertrages, also befreit vom Druck der Wohn- oder Geschäftsraumvorsorge, zur Zahlung eines höheren oder zusätzlichen Entgelts bereiterklärt, macht es keinen Unterschied, ob er den Mehrbetrag als Mietzins oder unter irgend einer anderen Bezeichnung leistet. Läßt er sich auf die Zahlung ein, ohne dazu verpflichtet zu sein, oder nimmt er dafür eine Leistung (ein Entgegenkommen) des Vermieters in Anspruch, das letztere in die Lage versetzen würde, den Mietzins direkt (durch Vereinbarung mit seinem Mieter) oder indirekt (durch Abschluß eines neuen Mietvertrages mit einem Nachfolgemieter) zu erhöhen, dann wurde (gleich unter welcher Bezeichnung) entweder der Mietzins erhöht (und damit der Tatbestand des § 46a Abs 4 Z 2 MRG erfüllt) oder eine Gelegenheit zur einvernehmlichen Mietzinserhöhung ausgelassen (was den Tatbestand des § 46a Abs 4 Z 3 MRG verwirklichen würde). Die Vereinbarung eines Entgelts für die Gestattung der Untervermietung (also für den Verzicht auf den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG) ist ein für die zweite Variante typischer Fall. Sie führt dazu, daß dem Vermieter die Mietzinsanhebung nach § 46a Abs 4 MRG verwehrt ist, weil er eine ihm mögliche Mietzinsanhebung versäumt hat (vgl Reich-Rohrwig, aaO, 117 bei FN 35 und 118 - hier bezogen auf den vergleichbaren Fall der Einräumung eines Weitergaberechts).

Ein weiteres Argument der Revisionsrekurswerberin zielt auf eine teleologische Reduktion des in § 46a Abs 4 Z 2 (und Z 3) MRG normierten Ausschlußgrundes für eine Mietzinsanhebung. Da der Gesetzgeber mit der in § 46a MRG enthaltenen Regelung eine "Gleichstellung von Geschäftsraummieten im weitesten Sinn" erreichen wollte, müsse die Möglichkeit der Mietzinsanhebung großzügig gehandhabt werden. Man solle vielleicht Vermieter, die seinerzeit unzulässige Ablösen kassiert haben, nicht belohnen, andererseits aber auch Vermieter nicht bestrafen, die in ihren Ansprüchen bescheiden geblieben und ihrem Mieter wirtschaftlich entgegengekommen sind. Es dürfe auch Mietern, die es vor Jahren unter Ausnützung des Mieterschutzes verstanden hätten, sich gegenüber schwachen Vermietern eine gute Rechtsposition zu verschaffen, nicht auf Dauer der Wettbewerbsvorteil eines niedrigen Mietzinses erhalten bleiben. Eine Gesetzesauslegung, die diskriminiere oder schon vorhandene Diskriminierungen verstärke, sei abzulehnen. Vor allem aber sei der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und § 46a Abs 4 Z 2 und 3 MRG nicht auf Mietzinsvereinbarungen zu beziehen, die dem Vermieter nur einen geringen Zinsvorteil gebracht haben. Im gegenständlichen Fall erreiche der durch die verfahrensgegenständliche Vereinbarung erzielte Mietzinsvorteil der Antragsgegnerin nicht einmal 10 % des heute für das fragliche Geschäftlokal erzielbaren Mietzinses.

Diese Argumente überzeugen nicht. Maßgebliches Kriterium für die in § 46a Abs 4 MRG normierte Zulassung von Eingriffen in Altmietverträge über Geschäftsräumlichkeiten ist nicht das faktische Auseinanderklaffen von seinerzeit vereinbartem und heute erzielbarem Mietzins, sondern die Bindung des Vermieters an einen Mietzins, den er nach der Rechtslage bei Vertragsabschluß gar nicht frei vereinbaren konnte. Die Vertragskorrektur dient also dazu, die aus der mangelnden Vertragsfreiheit des Vermieters resultierenden Nachteile auszugleichen (wofür ein Eingriff in bestehende Verträge minderer Schutzwürdigkeit in Kauf genommen wird), nicht aber dazu, alle heute - nach fast dreißig Jahren - nicht mehr marktgerechten Mietzinse für Geschäftslokale anzuheben, mögen sie auch frei vereinbart worden sein. Die Bestandgarantie für Verträge hat in der Rechtsordnung einen so hohen Stellenwert, daß Gesetzesbestimmungen, die vertragliche Rechtspositionen verändern, eher einschränkend auszulegen sind (vgl 5 Ob 11/96). Hier hat eine Möglichkeit zur Mietzinsanhebung ohne Bindung an gesetzliche Mietzinsobergrenzen bestanden, sodaß eine Rechtfertigung für eine gesetzliche Vertragskorrektur fehlt, was der Gesetzgeber in § 46a Abs 4 Z 2 und 3 MRG auch unmißverständlich zum Ausdruck gebracht hat. Daß diese Möglichkeit aus heutiger Sicht der Antragsgegnerin unzureichend genützt wurde und ihr nur einen "geringen Zinsvorteil" gebracht hat, ist belanglos, weil nicht die Höhe des Mietzinses, sondern allein die Vertragsfreiheit bei Abschluß der Mietzinsvereinbarung auf dem Prüfstand steht. Im übrigen kann gerade im gegenständlichen Fall nicht von einer geringfügigen Mietzinserhöhung die Rede sein, weil der im Jahr 1974 vereinbarte Erhöhungsbetrag ein Mehrfaches des "Grundzinses" ausmacht. Daß es seither zu einer beträchtlichen Erhöhung der Mietzinse für Geschäftsräume gekommen ist, hat der Gesetzgeber des 3. WÄG - wie erwähnt - nicht als ausreichend angesehen, eine Vertragskorrektur zu rechtfertigen. Das ergibt sich aus dem in § 46a Abs 4 MRG mehrmals erwähnten Ausschlußgrund der Möglichkeit einer bei Vertragsabschluß freien Mietzinsvereinbarung, aber auch aus dem Umstand, daß die Mietzinsanhebung überhaupt nur für vor dem 1.1.1968 eingegangene Mietverhältnisse in Betracht kommt.

Die in diesem Zusammenhang von der Revisionsrekurswerberin geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken wegen einer Ungleichbehandlung von Vermietern (gemeint sind offenbar solche, die die Möglichkeit einer freien Mietzinsvereinbarung zu nutzen wußten und solchen, die sich mit geringen "Ablösen" zufrieden gaben) teilt der erkennende Senat nicht, weil es zum Wesen der Vertragsfreiheit gehört, daß sie in unterschiedlichem Ausmaß ausgeschöpft wird.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

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