Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen, allenfalls nach Ergänzung des Verfahrens zu fällenden Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.
Text
Begründung
Zwischen den Streitteilen wurde nachstehender Vertrag über
Agenturleistungen abgeschlossen:
"V E R T R A G
zwischen *****K*****
*****ges.m.b.H. & Co KG
*****
im folgenden Werbungtreibender genannt
und *****E***** *****
Gesellschaft m.b.H. & Co KG
*****
im folgenden E***** genannt
wird folgender Vertrag geschlossen:
Der Werbungtreibende beauftragt E*****, im Rahmen dieses Vertrages für das gesamtösterreichische Bundesgebiet werbliche Maßnahmen für die *****K***** vorzuschlagen, auszuarbeiten und nach Genehmigung durch den Werbungtreibenden zu verwirklichen.
Der Werbungtreibende und E***** verpflichten sich zur Zusammenarbeit auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens.
I. LEISTUNGEN VON E*****
I.I. Grundleistungen
I.I.I. Analysen, Beratung, Gestaltung:
I.I.I.I. Analysen des Marktes anhand der vom Werbungtreibenden zur Verfügung gestellten Unterlagen sowie der bei E***** darüber hinaus vorhandenen Informationen.
I.I.I.2. Stellungnahme zur Marketingplanung des Werbungtreibenden.
I.I.I.3. Beratung bei allen Grundsatzfragen der Marktforschung.
I.I.2 Entwicklung und Gestaltung der Werbekonzeption und der Werbemittel:
I.I.2.I. Ausarbeitung der auf der Marketingkonzeption basierenden Werbekonzeption.
I.I.2.2. Erarbeitung der Gestaltungskonzeption für die Mediawerbung als Verbalisierung und Visualisierung der Werbekonzeption bis zum Stadium des Reinlayouts und des Reinstoryboards.
I.I.2.3. Erarbeitung der Gestaltungskonzeption für die Verkaufsförderung.
I.I.3. Herstellung
I.I.3.I. E***** übernimmt die Herstellung der von ihr entwickelten und gestalteten Werbemittel, sofern der Werbungtreibende kein anderes Vorgehen im Bereich Sales Promotion wünscht.
I.I.3.2. E***** übernimmt die Herstellung der Reinzeichungen.
I.I.3.3. E***** übernimmt die technische Beratung über Verfahren und Lieferanten im Bereich der Werbemittelherstellung.
I.I.3.4. E***** liefert die benötigte Art und Anzahl fachlich wie technisch einwandfreier Reproduktionsvorlagen nach den vom Werbungtreibenden genehmigten Entwürfen.
I.I.3.5. E***** übernimmt die Produktion der Film- und Fernsehspots.
I.I.3.6. E***** übernimmt die Herstellung aller sonstigen Werbemittel.
I.I.4. Mediaplan, Einkauf und Kontrolle (Streuung):
I.I.4.I. E***** entwickelt die Mediastrategie einschließlich Streu- und Kostenpläne.
I.I.4.2. E***** vergibt Aufträge an die Werbeträger nach den genehmigten Werbeplänen zu den jeweils günstigsten Bedingungen der Werbeträger, unter Berücksichtigung eventueller Sonderkonditionen und Konzernrabatte.
I.I.4.3. E***** versendet die Werbeunterlagen in technisch richtiger Form, kontrolliert das Erscheinen der Werbung in branchenüblicher Weise und prüft und bezahlt die von den Werbeträgern ausgestellten Rechnungen.
I.2. Sonstige Leistungen
I.2.I. Entwicklung und Produktion sonstiger Werbemittel (z.B.Broschüren, Tonbildschauen etc.)
I.2.2. Planung und Durchführung von Public Relations Maßnahmen.
I.2.3. Einholung schriftlicher Rechtsgutachten (vgl. 1.3.6).
I.3. Sonstige Verpflichtungen von E*****
I.3.I. Information
Während der Dauer dieses Vertrages ist der Werbungtreibende berechtigt, alle Unterlagen, die mit der Durchführung der Werbung zusammenhängen, nach vorheriger Abstimmung mit E***** einzusehen.
I.3.2. Kostengenehmigung
E***** verpflichtet sich, für alle Ausgaben, die sich auf die Lösung der gestellten Aufgabe beziehen, Kostenvoranschläge einholen und dem Werbungtreibenden vorzulegen. Die Auftragsausführung erfolgt nach Genehmigung der Offerte. Werden die Kostenvoranschläge um mehr als 10 % überschritten, so bedarf dies der Genehmigung des Werbungtreibenden.
I.3.3. Besprechungsberichte
Von jeder Besprechung mit dem Werbungtreibenden verfaßt E***** unverzüglich einen fortlaufend numerierten Bericht. Der Inhalt dieses Besprechungsberichtes gilt für E***** als verbindliche Arbeitsgrundlage, sofern ihm der Werbungtreibende nicht unverzüglich widerspricht.
I.3.4. Geheimhaltung
E***** verpflichtet sich, über alle Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die ihr aufgrund der Zusammenarbeit mit dem Werbungtreibenden bekannt werden, Stillschweigen zu bewahren und zwar auch nach Beendigung dieses Vertrages.
I.3.5. Haftung
E***** wendet bei Erfüllung ihrer Aufträge die Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmannes an. E***** haftet nur für schuldhaftes Verhalten ihrer Mitarbeiter, jedoch nicht für das Verhalten von ihr beauftragter Dritter nach Auswahl durch den Werbungtreibenden. E***** verpflichtet sich jedoch, im Falle schuldhaften Verhaltens von ihr beauftragter Dritter, nach Möglichkeiten des Regresses bzw. der Schadloshaltung des Werbungtreibenden auszuschöpfen.
I.3.6 Einholung der Veröffentlichungsgenehmigung
Die von E***** entworfene Werbung wird dem Werbungtreibenden zur Genehmigung vorgelegt. Auf Wunsch des Werbungtreibenden wird E***** in Zweifelsfällen dafür sorgen, daß alle werblichen Aussagen vor der endgültigen Genehmigung durch den Werbungtreibenden von einer für Wettbewerbsfragen kompetenten Stelle auf ihre wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit geprüft werden.
I.3.7 Nutzungsrechte
Auch nach Vertragsablauf erhält der Werbungtreibende für Österreich das ausschließliche Recht auf Benutzung aller von E***** bzw von in ihrem Auftrag im Rahmen dieses Vertrages entwickelten, gestalteten und produzierten Werbeleistungen.
I.3.8 Beendigung des Vertrages
Im Falle der Beendigung des Vertrages werden alle mit der Genehmigung des Werbungtreibenden geschlossenen Verträge bis zum Ende des Vertragsjahres von E***** entwickelt.
2. LEISTUNGEN DES WERBUNGTREIBENDEN
2. I.I. Der Werbungtreibende gewährt E***** für alle Leistungen unter I.I.I, I.I.2 und I.I.4 eine Vermittlungsgebühr von 15 %.
Alle darüber hinausgehenden Vermittlungsgebühren, die von den Verlagen oder von den Werbeträgern bezahlt werden, werden von E***** an den Werbungtreibenden weitergereicht.
2. I.2 Der Werbungtreibende vergütet E***** alle Leistungen unter I.I.3 auf Basis der durch Rechnungen belegten, externen Kosten zuzüglich 15 % Agenturprovision und der internen Kosten gemäß genehmigtem Offert bzw abgesprochener Jahrespreisliste.
2.2. Vergütung sonstiger Leistungen
Der Werbungtreibende vergütet die sonstigen Leistungen unter I.2 (I.2.I bis I.2.3) entsprechend dem genehmigten Kostenvoranschlag.
2.3. Sonstige Vergütungen und Zahlungsvereinbarungen
2.3.I Die Wegkosten, die im Rahmen der Betreuung durch Agenturmitarbeiter anfallen, werden von E***** getragen.
Desgleichen trägt E***** die Reisekosten für jene Mitarbeiter der Agentur, die zur ordnungsgemäßen Durchführung der im Vertrag angeführten Grundleistungen von E***** nötig sind, soferne die Realisation innerhalb Österreichs erfolgt.
Die Kosten für vom Werbungtreibenden gewünschte Auslandsreisen trägt dieser selbst.
Von E***** sind jedoch vorher Offerte zu erstellen und diese vom Werbungtreibenden zu genehmigen.
2.3.2 Skonto
E***** wird Skonto, den sie von Werbeträgern erhält, an den Werbungtreibenden weitergeben, sofern der Werbungtreibende den zur Bezahlung erforderlichen Betrag so rechtzeitig zur Verfügung gestellt hat, daß unter Berücksichtigung der üblichen Abwicklungszeit die Rechnung in dem erforderlichen Zeitraum bezahlt werden kann.
2.3.3. E***** schickt dem Werbungtreibenden bis zum 10. eines jeden Monats einen Finanzplan über die für den jeweils nächsten Monat zu erwartende Streusumme bei Inanspruchnahme eines Skontos. Der Werbungtreibende stellt E***** bis zum 25. eines jeden Monats einen Vorschuß in Höhe dieser Summe zur Verfügung.
2.3.4. Zahlungsbedingte Leistungen/Herstellung/Sonstige Leistungen
Alle sonstigen Leistungen und Lieferungen von E***** werden dem Werbungtreibenden nach Abschluß der Arbeiten in Rechnung gestellt. Die Rechnungen sind nach Erhalt sofort ohne Abzug fällig. Bei größeren Objekten können auch Teillieferungen- oder Leistungen in Rechnung gestellt werden. Es steht dem Werbungtreibenden frei, die im Bereich der Werbemittelherstellung anfallenden Rechnungen nach Prüfung in sachlicher und rechnerischer Hinsicht durch E***** direkt zu bezahlen, wobei E***** dafür Sorge trägt, daß die Rechnungen den Werbungtreibenden so rechtzeitig erreichen, daß dieser in der Lage ist, die Skontierungsfrist auszunutzen.
2.3.5. Erstattungspflichtige Spesen werden mit dem jweiligen Auftrag abgerechnet.
2.3.6. Vergütung bei Abbruch oder Änderung schwebender Arbeiten
Der Werbungtreibende ist berechtigt, schwebende Arbeiten abzubrechen, Pläne oder sonstige Maßnahmen abzuändern oder aufzuheben.
In diesem Falle wird E***** sofort alle geeigneten Vorkehrungen treffen, um den Anweisungen zu entsprechen und die Kosten möglichst gering zu halten.
Der Werbungtreibenden verpflichtet sich jedoch, E***** von allen Verbindlichkeiten freizustellen und alle - auch interne - Kosten, die ihr im Zusammenhang mit den genehmigten Maßnahmen entstanden sind, zu erstatten. E***** hat für die bereits vorbereiteten und erbrachten Leistungen Anspruch auf Vergütung gemäß der abgesprochenen Jahrespreisliste bzw genehmigtem Kostenvoranschlag.
2.4. Sonstige Verpflichtungen des Werbungtreibenden
2.4.I Information
Der Werbungtreibende gibt E***** schriftlich alle ihm zur Verfügung stehenden Informationen über Angebot, Markt und Unternehmen, die die genannten Leistungen betreffen (Marketingstrategie, Forschungsunterlagen und sonstige Informationen primär- und sekundärstatistischer Art) an die Hand.
2.4.2 Wettbewerbsrecht
Genehmigt der Werbungtreibende die von E***** entworfene Werbung, so haftet E***** nicht wegen der in der Werbung enthaltenen Behauptungen über die Leistungen des Werbungtreibenden.
2.4.3. Nutzungsrechte
Beabsichtigt der Werbungtreibende, die von E***** entwickelten Maßnahmen außerhalb Österreichs einzusetzen, so einigen sich beide Partner für ein Honorar für die Benutzung der Rechte.
2.4.4 Kündigung
Dieser Vertrag beginnt mit Wirkung vom 1.Sept.1991. Der Vertrag läuft über mindestens 1 Jahr und kann mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden.
Die Kündigung bedarf der Schriftform. Erfolgt keine fristgemäße Kündigung, verlängert sich der Vertrag um ein weiteres Jahr.
3. SCHLUSSBESTIMMUNGEN
3. I Für allfällige Streitigkeiten aus diesem Vertrag wird die ausschließliche Zuständigkeit des Handelsgerichtes Wien vereinbart.
Auf den gegenständlichen Vertrag findet österreichisches Recht Anwendung.
3.2 Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages unwirksam werden, so soll die Gültigkeit dieses Vertrages im übrigen davon nicht berührt werden. Anstelle der unwirksamen Bestimmungen soll eine Regelung gelten, die im Rahmen des rechtlich Möglichen dem Willen der Parteien am nächsten kommt."
Dieser Vertrag wurde zum 31.12.1994 aufgekündigt.
Die klagende Partei begehrt mit der vorliegenden Klage von der beklagten Partei die Zahlung von S 1,560.000 samt Zinsen mit der Begründung, die Beklagte habe während aufrechter Dauer des Vertrages eine andere Agentur beauftragt und dadurch ihre vertraglichen Verpflichtungen verletzt. Sie sei zum Ersatz aller Nachteile verpflichtet, die die klagende Partei durch diesen Vertragsbruch erlitten habe, nämlich S 800.000 an entgangener Vermittlungsprovision, S 300.000 an entgangener Agenturvergütung, S 100.000 an entgangenen Produktionshonoraren für die von der beklagten Partei eingesetzten Werbemittel und S 100.000 an entgangenem Gestaltungshonorar, zuzüglich S 260.000 Umsatzsteuer. Sie sei mit der Ausarbeitung und Verwirklichung aller Werbemaßnahmen für die Beklagte exklusiv beauftragt gewesen. Wenn eine Agentur einen Buchungsauftrag für eine Marke erhalte, sei die Exklusivität jedermann in der Werbebranche klar; jeder Werbetreibende wisse, daß Agenturvereinbarungen grundsätzlich exklusiv seien.
Die beklagte Partei wendete, sie habe sich nicht zur exklusiven Vergabe von Werbeaufträgen an die klagende Partei verpflichtet, weshalb in der Beauftragung einer anderen Werbeagentur vor Kündigung des Vertrages keine Vertragsverletzung liege. Es stehe auch nicht mit Sicherheit fest, daß die in der Klage genannten Werbeleistungen über die klagende Partei beauftragt worden wären. Sie sei nämlich nicht verpflichtet, die klagende Partei auch tatsächlich zu beauftragen.
Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei zur Zahlung von S 1,320.000 sA und wies das auf Zahlung von S 240.000 gerichtete Mehrbegehren ab. Dabei traf es folgende Feststellungen:
"Mit Agenturvertrag vom 27.9.1991 hat die Beklagte die Klägerin mit der Entwicklung, Gestaltung und Herstellung der Werbekonzeption und aller Werbemittel beauftragt.
Aus dem Agenturvertrag ergibt sich, daß die Klägerin bis zum 31.12.1994 exklusiv mit der Ausarbeitung und Verwirklichung aller Werbemaßnahmen für die Beklagte beauftragt war.
Aus den gegebenen Umständen, lediglich ein einziges Markenprodukt, die mittelständische Größe des Unternehmens und die Dauer des Vertragsverhältnisses ergibt sich, nur eine Agentur mit der Durchführung aller Werbemaßnahmen zu beauftragen.
Nach dieser Vertragsvereinbarung stehen der Klägerin von allen Werbeausgaben der Beklagten 15 % Vermittlungsprovision zu. Die Beklagte hat im gegenständlichen Zeitraum (im Jahr 1994) in klassischen Medien Werbeaussagen in der Höhe von zumindest 5,9 Millionen S getätigt".
Die Beklagte beauftragte spätestens im Herbst 1993, somit während aufrechter Dauer des Agenturvertrages, mit der Durchführung ihrer Werbemaßnahmen eine andere Agentur. Eine Lösung des Vertrages oder eine Genehmigung der Tätigkeit der anderen Agentur erfolgte nicht. Ebenso tätigte die Beklagte ein Product-Placement in einer ORF-Sendung in der Höhe von insgesamt 2 Millionen S ohne Mitwirkung der Klägerin.
Weitere Ausgaben für Produktion und Gestaltung von Werbematerialien der Beklagten im Jahre 1994 konnten nicht festgestellt werden.
Im Rahmen der Beweiswürdigung führte das Erstgericht aus, daß sich die Feststellung über die Exklusivität des Agenturvertrages schlüssig einerseits aus den glaubhaften und nachvollziehbaren Aussagen verschiedener Zeugen und andererseits aus diesem selbst ergebe.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, daß im Hinblick auf die mit dem Agenturvertrag vereinbarte Exklusivität der Werbetätigkeit der klagenden Partei die Beiziehung einer zweiten Werbeagentur mit dem gleichen Aufgabenbereich während des aufrechten Vertragsverhältnisses eine Vertragsverletzung darstelle, die eine Schadenersatzpflicht auslöse. Diese Ersatzpflicht umfasse jedenfalls den entgangenen Gewinn des geschädigten Vertragspartners, dh den Betrag, den der Geschädigte als Provision erhalten hätte, wenn die im gegenständlichen Zeitraum getätigten "Werbemittel" durch ihn "vorgenommen" worden wären. Dabei sei allerdings nur von solchen Werbemitteln bzw von einer solchen Höhe auszugehen, die im gegenständlichen Zeitraum als gesichert gelte.
Das von beiden Parteien angerufene Berufungsgericht änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, daß es das Klagebegehren zur Gänze abwies; es sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Nach Verlesung der Urkunde Beilage A stellte das Berufungsgericht den gesamten Inhalt des zwischen den Parteien abgeschlossenen Agenturvertrages fest.
Im übrigen führte es aus, daß die durchzuführende Urkundenauslegung in die rechtliche Beurteilung falle, weil nämlich das Erstgericht zur Auslegung des Urkundeninhaltes nicht auch über die Absicht der Parteien durchgeführte Beweise herangezogen habe. Daß die vertragsschließenden Parteien außerhalb der Vertragsurkunde für die Auslegung ihres Vertragswillens relevante Erklärungen abgegeben hätten, habe die klagende Partei gar nicht behauptet, obwohl ihr die Beweislast für vom Wortlaut des schriftlichen Vertrages abweichende Vereinbarungen obliege. Die aufgeworfene Frage der Exklusivität sei daher anhand der Formulierungen des Agenturvertrages zu lösen. Diesem sei aber nicht zu entnehmen, daß die beklagte Partei Werbeleistungen generell nur an die Klägerin vergeben durfte. Es fehle nämlich im Agenturvertrag jeglicher Hinweis darauf, daß es ihr verwehrt wäre, weitere Werbeagenturen zur Anboterstellung einzuladen und anderen Unternehmen Werbeaufträge zu erteilen. Schon allein aus diesem Grunde sei der beklagten Partei ein Vertragsbruch nicht vorzuwerfen.
Daß der Geschäftsführer der beklagten Partei den vorliegenden Vertrag nach Treu und Glauben die vom Erstgericht im Auslegungswege ermittelte Exeklusivitätsregelung entnehmen mußte, habe die klagende Partei in ihrem allgemein gehaltenen Vorbringen nicht einmal behauptet und gehe auch aus den Urteilsfestellungen nicht hervor. Aus dem vom Erstgericht zugrundegelegten Erfahrungssatz, daß es marktüblich sei, nur eine Agentur zu beauftragen, sei ein Verbot, weitere Agenturen beizuziehen, nicht abzuleiten.
Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt, das Rechtsmittel der klagenden Partei zurückzuweisen, in eventu, ihm keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht den Unmittelbarkeitsgrundsatz verletzt hat, in dem es - wie im folgenden noch darzulegen sein wird - von den Feststellungen der ersten Instanz ohne Beweiswiederholung abgegangen ist (s Kodek in Rechberger, ZPO Rz 4 zu § 502 mwN; 2 Ob 2288/96a); sie ist im Sinne ihres Eventualantrages auf Aufhebung auch berechtigt.
Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit wurde geprüft, er ist nicht gegeben (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die klagende Partei vertritt in ihrem Rechtsmittel die Ansicht, daß sich schon allein aus dem Inhalt des Agenturvertrages die Exklusivität ihrer Beauftragung ergebe. Auch die Kündigung durch die beklagte Partei hätte nur dann einen Sinn, wenn ihr eine Exklusivität zugesagt worden wäre, weil es ja ansonsten völlig im Belieben der beklagten Partei gestanden wäre, die Leistungen der klagenden Partei in Anspruch zu nehmen oder nicht. Auch aus den Budgetplanungen ergebe sich die Exklusivität der Beauftragung.
Weiters wirft die klagende Partei dem Berufungsgericht eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes vor. Das Erstgericht habe nämlich die Exeklusivität der Agenturvereinbarung auch aufgrund der Aussagen verschiedener Zeugen festgestellt. Die Feststellung sei also das Ergebnis einer Beweiswürdigung und nicht einer reinen Auslegung der Urkunde. Von dieser Feststellung sei das Berufungsgericht ohne Beweiswiederholung abgegangen und habe dadurch den Unmittelbarkeitsgrundsatz verletzt.
Die Ausführungen in der Revision betreffend die Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes sind zutreffend:
Wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, ist die Urkundenauslegung grundsätzlich rechtliche Beurteilung, es sei denn, daß zur Auslegung des Urkundeninhaltes auch die über die Absicht der Parteien durchgeführten Beweise herangezogen wurden (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 2 zu § 498; Binder in Schwimann**2, ABGB Rz 14 zu § 914 jeweils mwN). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes hat aber das Erstgericht im Zusammenhang mit den Aussagen verschiedener Zeugen den Inhalt des Agenturvertrages dahin ausgelegt, daß die klagende Partei exklusiv mit der Ausarbeitung und Verwirklichung aller Werbemaßnahmen für die beklagte Partei beauftragt war. Das Erstgericht hat sohin über die Bedeutung des Urkundeninhaltes aufgrund von Zeugenaussagen tatsächliche Feststellungen getroffen, sodaß der Inhalt der Urkunde für sich allein nicht mehr der rechtlichen Überprüfung im Wege der Auslegung unterliegt (JBl 1989, 61). Dem Berufungsgericht war es somit verwehrt, allein im Wege der Auslegung der Urkunde Beilage A zu dem Ergebnis zu kommen, daß die klagende Partei nicht exklusiv mit der Ausarbeitung und Verwirklichung aller Werbemaßnahmen beauftragt war. Will nämlich das Berufungsgericht von den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes abgehen, so muß es alle zur Feststellung der rechtserheblichen Tatsachen erforderlichen Beweise, die das Erstgericht unmittelbar aufgenommen hat, selbst wiederholen oder das Protokoll über die Beweisaufnahme in erster Instanz unter den Voraussetzungen des § 281a ZPO verlesen. Eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes liegt auch vor, wenn das Berufungsgericht seine rechtliche Beurteilung unter Abweichung von den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes ohne Durchführung einer Beweiswiederholung trifft (SZ 57/142; 2 Ob 2288/96a).
Wegen Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes war die Entscheidung des Berufungsgerichtes aufzuheben und diesem eine neuerliche Entscheidung aufzutragen, wobei es ihm überlassen bleibt zu entscheiden, ob - insbesondere aufgrund der Ausführungen in den Berufungen der Parteien - eine Ergänzung des Verfahrens notwendig ist.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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