OGH 4Ob200/97h

OGH4Ob200/97h7.7.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache Aloisia L*****, infolge Revisionsrekurses des Sachwalters Dr.Hermann P*****, vertreten durch Rechtsanwälte Hofstätter & Isola Kommandit-Partnerschaft in Graz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 26.Mai 1997, GZ 2 R 182/97t-32, womit infolge Rekurses der Beschluß des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 3.April 1994, GZ 18 P 192/96p-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden insoweit, als sie den Antrag auf Ladung und Vernehmung des öffentlichen Notars Dr.Egbert S***** abgewiesen haben, aufgehoben; dem Erstgericht wird die Ladung und Vernehmung dieses Zeugen aufgetragen. Im übrigen wird der angefochtene Beschluß bestätigt.

Text

Begründung

Mit Beschluß vom 13.2.1997, ON 22, bestellte das Erstgericht Dr.Hermann P***** gemäß § 273 ABGB zum Sachwalter der Betroffenen, der ua deren Vertretung in sämtlichen Angelegenheiten betreffend ihre Gesellschafterstellung in den Firmen Karl L***** Söhne und H***** sowie ihre Vertretung vor Ämtern und Behörden und in allgemeinen rechtlichen Angelegenheiten zu besorgen hat.

Der zweite Gesellschafter der H***** - einer OHG -, Jörg B*****, hatte am 13.1.1997 gegen die Betroffene unter Berufung auf einen notariellen Optionsvertrag vom 7.9.1990, mit welchem ihm diese die Option eingeräumt habe, innerhalb einer Frist von einem Monat ab entsprechender Erklärung ihre Gesellschafteranteile an der OHG käuflich zu erwerben, beim LGZ Graz zu ***** Klage auf Zuhaltung dieses Vertrages erhoben und darin begehrt, die Betroffene schuldig zu erkennen, einen im einzelnen wiedergegebenen Antrag an das Landesgericht L***** als Firmenbuchgericht zu unterfertigen, in welchem im wesentlichen vorgebracht wird, daß die Betroffene mit Wirkung zum 14.11.1996 aus der OHG ausgeschieden sei und der Kläger das Unternehmen im Wege der Anwachsung nach § 142 HGB unter Ausschluß der Liquidation mit allen Aktiven und Passiven übernommen habe, sodaß ua einzutragen sei, daß die Rechtsform nunmehr eine Einzelfirma sei. Hilfsweise begehrte Jörg B*****, zu erkennen, daß die Betroffene mit Rechtskraft des Urteils mit Wirkung 14.11.1996 als Gesellschafterin aus der OHG ausscheide und die Gesellschaft hiemit als aufgelöst gelte.

Der - mit Beschluß des Erstgerichtes vom 27.11.1996, ON 7, zum einstweiligen Sachwalter der Betroffenen zur Vertretung in Angelegenheiten zur Wahrung bzw Erhaltung ihrer Gesellschafterstellung in der OHG, insbesondere zur Anfechtung bzw zum Widerruf des im Optionsvertrag vom 7.9.1990 eingeräumten Anbotes bestellte - Rechtsanwalt Dr.Alexander I***** erstattete in diesem Verfahren eine Klagebeantwortung, in welcher er den Antrag auf Abweisung des Klagebegehrens im wesentlichen damit begründete, daß die Betroffene bei Unterfertigung des Optionsvertrages nicht geschäftsfähig gewesen sei, der Kläger den Vertrag nicht gegengezeichnet habe, die Betroffene das im Optionsvertrag eingeräumte Anbot ausdrücklich bzw stillschweigend widerrufen habe und dieser Optionsvertrag im übrigen auch gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoße und sittenwidrig sei und daß die Optionsausübung zur Unzeit erfolge.

Am 28.1.1997 beantragte dieser einstweilige Sachwalter die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der von ihm namens der Betroffenen gegen Jörg B***** zu erhebenden Klage mit dem Begehren auf Feststellung, daß der mehrfach erwähnte Optionsvertrag nichtig und rechtsunwirksam sei, mit dem ersten Eventualbegehren auf Feststellung, daß das Jörg B***** mit dem Optionsvertrag eingeräumte Optionsrecht erloschen sei, und dem weiteren Eventualbegehren, dem Beklagten Jörg B***** die Ausnützung des Optionsrechtes zu untersagen. Zur Begründung dieser Ansprüche brachte der einstweilige Sachwalter im wesentlichen das gleiche vor, wie im Verfahren ***** des LGZ Graz.

Der Sachwalter Dr.Hermann P***** trat dem Antrag, die Klage pflegschaftsgerichtlich zu genehmigen, ausdrücklich bei (S. 105 und ON 27).

Am 30.12.1996 hatte der einstweilige Sachwalter Dr.I***** noch den Antrag auf Ladung des Amtsnachfolgers des verstorbenen öffentlichen Notars Dr.Hans W*****, Dr.Egbert S*****, unter Mitnahme sämtlicher von seinem Amtsvorgänger geführten Verzeichnisse, soweit diese auf Unterschriftsleistungen bzw die Abgabe rechtsgeschäftlicher Erklärungen der Betroffenen Bezug nehmen und vom 7.9.1990 datieren, zu dem Zweck der Auskunftserteilung darüber gestellt, welche rechtsgeschäftlichen Erklärungen bzw Unterschriften die Genannte am 7.9.1990 im Notariat des Dr.Hans W***** geleistet bzw abgegeben habe bzw allenfalls zum Zwecke der Auskunftserteilung darüber, wo diese Verzeichnisse aufliegen und vom Gericht eingesehen werden können. Die Betroffene habe nach dem plötzlichen Tod ihrer einzigen Tochter im Jahre 1990 ein "gravierendes Alkoholproblem" gehabt und sei zeitweise nicht mehr im Besitz ihrer geistigen Kräfte und demnach nicht geschäftsfähig gewesen; es sei davon auszugehen, daß am 7.9.1990 ein solcher Mangel an Geschäftsfähigkeit vorgelegen sei. Es wäre von Interesse festzustellen, ob die Betroffene am 7.9.1990 im Notariat des Dr.Hans W***** noch weitere rechtsgeschäftliche Erklärungen neben dem Optionsvertrag unterfertigt habe oder nicht (ON 12).

Das Erstgericht wies den Antrag auf pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der Klage des einstweiligen Sachwalters vom 28.1.1997 (Punkt 1) und den Antrag auf Ladung und Einvernahme Dr.Egbert S*****s (Punkt 2) ab. Im Hinblick auf das doch erhebliche Prozeßrisiko erscheine die Einbringung einer weiteren Klage nicht zweckmäßig, weil die Einwendungen der Betroffenen ohnehin im Verfahren ***** des LGZ Graz zu prüfen sein werden. Dort werde auch Dr.S***** zu vernehmen sein, zumal es nicht Aufgabe des Sachwalterschaftsgerichtes sein könne, in Vorbereitung bzw Ergänzung eines Zivilprozesses Beweisaufnahmen durchzuführen.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Bei Genehmigung der Klageführung im Sinn des § 154 ABGB durch das Pflegschaftsgericht sei nicht nur die Erfolgsaussicht der Klage, sondern auch deren Zweckmäßigkeit zu prüfen, um ein unnötiges Prozeßrisiko für die Betroffene hintanzuhalten. Eine gesonderte Klageführung sei im vorliegenden Fall unzweckmäßig und würde nur ein zusätzliches Prozeßkostenrisiko für die Betroffene bedeuten. Die meritorische Prüfung des Optionsvertrages könnte im Verfahren ***** des LGZ Graz durch einen Zwischenantrag der Beklagten auf Feststellung erreicht werden. In diesem Verfahren könne auch Dr.S***** zu einem konkreten Beweisthema vernommen werden.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß erhobene Revisionsrekurs des Sachwalters ist teilweise berechtigt.

Aus § 154 Abs 3 ABGB - welcher auch für die Rechte und Pflichten des (einstweiligen) Sachwalters gilt (§§ 228, 282 ABGB) - ergibt sich, daß Vertretungshandlungen und Einwilligungen eines gesetzlichen Vertreters in Vermögensangelegenheiten zu ihrer Rechtswirksamkeit dann der Genehmigung des Gerichtes bedürfen, wenn die Vermögensangelegenheit nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört; unter dieser - hier gegebenen - Voraussetzung gehören dazu insbesondere die Erhebung einer Klage sowie alle verfahrensrechtlichen Verfügungen, die den Verfahrensgegenstand an sich betreffen. Bei dieser Entscheidung ist auf das Wohl des Pflegebefohlenen, insbesondere auch der behinderten Person, Bedacht zu nehmen. Ob im Einzelfall eine Prozeßführung im Interesse des Pflegebefohlenen liegt, ist eine Ermessensentscheidung (4 Ob 589/89; 6 Ob 708/89; EF 62.814 ua). Bei der Prüfung der Genehmigungsfähigkeit einer Klage ist nicht unter Vorwegnahme des Zivilprozesses zu untersuchen, ob der Anspruch besteht (EFSlg 51.234), vielmehr ist unter Einbeziehung aller Eventualitäten lediglich das Prozeßrisiko abzuwägen (EFSlg 51.234; ÖA 1990, 16; Schwimann in Schwimann, Praxiskommentar zum ABGB**2 Rz 27 zu § 154). Maßgebend ist, ob in vergleichbaren Fällen ein verantwortungsbewußter gesetzlicher Vertreter den Klageweg beschreiten würde. Zu diesem Zweck müssen die Tatsachengrundlagen und deren Beweisbarkeit möglichst vollständig erhoben und der so gewonnene Sachverhalt einer umfassenden rechtlichen Beurteilung unterzogen werden (EFSlg 53.975; ÖA 1990, 16; Schwimann aaO).

Das Pflegschaftsgericht hat somit zu prüfen, ob die beabsichtigte Klageführung im wohl verstandenen Interesse des Pflegebefohlenen liegt oder daraus mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Vermögensnachteil droht, etwa durch Belastung mit Prozeßkosten (EFSlg 51.231 ua).

Im vorliegenden Fall hat der einstweilige Sachwalter schon in dem gegen die Betroffene als Beklagte eingeleiteten Verfahren zu ***** des LGZ Graz alles eingewandt, was nach seiner Information zur Abwehr des geltend gemachten Anspruches herangezogen werden kann. Zu prüfen ist also, wie weit es zweckmäßig wäre, daß die Betroffene nicht nur die gegen sie gerichtete Klage abzuwehren versucht, sondern selbst in die Offensive geht. Daß jeder beklagten Partei das rechtliche Interesse im Sinn des § 228 ZPO an der Feststellung der Nichtigkeit oder des Erlöschens eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses zuzubilligen ist, auf welches sich der Gegner beruft, liegt auf der Hand. Eine andere Frage ist es, ob es sich lohnt, das damit verbundene Prozeßkostenrisiko einzugehen.

Der vom Rekursgericht vertretenen Auffassung, dem Interesse der Betroffenen, die Frage der Gültigkeit und des aufrechten Bestandes des Optionsvertrages endgültig zu klären, könnte mit geringerem Kostenaufwand durch einen entsprechenden Zwischenantrag auf Feststellung Genüge getan werden, ist zu folgen. Der Sachwalter - welcher schon angekündigt hat, daß er nun tatsächlich einen solchen Antrag stellen werde - führt dagegen lediglich das Argument ins Treffen, daß über diesen Zwischenantrag allenfalls mangels Präjudizialität nicht entschieden werde, weil das Klagebegehren allenfalls aus formalen Gründen abgewiesen werden könnte. Dem ist zu erwidern, daß jedenfalls derzeit der Zwischenantrag zweckmäßiger erscheint als eine Feststellungsklage. Zwar zieht auch ein Zwischenfeststellungsantrag - der ja besonders zu bewerten ist - eine zusätzliche Kostenbelastung nach sich, diese ist aber auch dann noch immer geringer, als wenn die Feststellungsklage mit dem schon laufenden Prozeß verbunden werden sollte, weil jedenfalls Kosten für die Klage, eine erste Tagsatzung, eine Klagebeantwortung und allenfalls eine Tagsatzung, in welcher die Verbindung beschlossen wird, im Falle des Zwischenfeststellungsantrages wegfallen.

Sollte tatsächlich das gegen die Betroffene gerichtete Klagebegehren abgewiesen werden, ohne daß der Zwischenantrag auf Feststellung erledigt wird, kann aufgrund der dann gegebenen Sachlage neuerlich überlegt werden, ob die - derzeit von einer Verfristung nicht bedrohte - Klage eingebracht werden soll.

Soweit aber die Vorinstanzen den Antrag des (einstweiligen) Sachwalters auf Ladung und Vernehmung des Notars Dr.Egbert S***** abgewiesen haben, kann ihnen nicht gefolgt werden.

Nach § 2 Abs 1 AußStrG hat das Gericht in Außerstreitsachen für die unter den besonderen Schutze der Gesetze stehenden Personen von Amts wegen zu sorgen. Nach § 2 Abs 2 Z 5 desselben Gesetzes hat das Gericht alle Umstände und Verhältnisse, die auf die richterliche Verfügung Einfluß haben, von Amts wegen zu untersuchen, darüber die Parteien selbst oder andere von der Sache unterrichtete Personen zu vernehmen oder auf andere schickliche Art Erkundigungen einzuziehen, und alle zur näheren Aufklärung dienlichen Urkunden abzufordern.

Das Anliegen des einstweiligen Sachwalters Dr.I*****, vor dem Aufstellen bestimmter Prozeßbehauptungen und vor entsprechenden Beweisanträgen durch Befragung des Notars, in dessen Kanzlei der umstrittene Optionsvertrag errichtet wurde, Klarheit über allfällige weitere Aktivitäten der Betroffenen im Jahre 1990 zu gewinnen, ist legitim und dient dem wohlverstandenen Interesse der Betroffenen. Damit kann nämlich der Sachwalter Informationen erhalten, auf Grund derer er unter anderem sein Verhalten im Prozeß ***** des LGZ Graz bestimmen kann, sei es, daß er einen überflüssigen Beweisantrag unterlassen, sei es, daß er weiteres Vorbringen und entsprechende Beweisanträge mit Erfolgsaussichten erstatten kann. Je genauer der Sachwalter über den Zustand und das Verhalten der Betroffenen im Jahre 1990 unterrichtet ist, desto besser und auch kostengünstiger kann er ihre Interessen wahrnehmen. Der Meinung der Vorinstanzen, daß die Vernehmung des Zeugen Dr.S***** ohnehin im Prozeß erfolgen könne, ist zu erwidern, daß dies - anders als eine der amtswegigen Sachverhaltsermittlung dienende Vernehmung vor dem Sachwalterschaftsgericht - jedenfalls auch mit Kosten verbunden wäre, die möglicherweise letztlich die Betroffene zu tragen haben würde.

Aus diesen Erwägungen war dem Revisionsrekurs daher insoweit Folge zu geben, als dem Erstgericht die beantragte Ladung und Vernehmung des Zeugen aufzutragen war. Im übrigen war der angefochtene Beschluß aber zu bestätigen.

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