OGH 4Ob589/89

OGH4Ob589/8910.10.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache Dr. Hildegard S***, geboren am 15. März 1920, infolge Revisionsrekurses der Betroffenen gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 13. Juli 1989, GZ 22 c R 34/89-117, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 7. März 1989, GZ 2 SW 10/87-98, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Dr. Hildegard S*** war Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ 874 KG Aigen. Auf Antrag (u.a.) der S***

L*** wurde zu E 11/72 des Bezirksgerichtes Salzburg die Zwangsversteigerung dieser Liegenschaft bewilligt. Am 12. Dezember 1978, dem Tag vor dem Versteigerungstermin, erteilte die Betroffene der S*** L*** die (notariell beglaubigte) Vollmacht, die Liegenschaft in ihrem Namen zu verkaufen. Auf Grund dieser Vollmacht verkaufte die Bank am 14. November 1979 die Liegenschaft an Kurt und Liselotte L***; sie willigte auch in die grundbücherliche Einverleibung des Eigentumsrechtes der Käufer ein.

In ihrer am 10. April 1980 beim Landesgericht Salzburg zu 10 Cg 143/80 eingebrachten Klage gegen Kurt und Liselotte L*** begehrt die - vom Verfahrenshelfer Dr. Robert E***

vertretene - Betroffene

1.) die Verkaufsvollmacht vom 12. Dezember 1978 und den Kaufvertrag vom 14. November 1979 als unwirksam aufzuheben sowie

2.) die Beklagten schuldig zu erkennen, in die Einverleibung des Eigentumsrechtes der Klägerin an der Liegenschaft EZ 874 KG Aigen einzuwilligen.

Das Landesgericht Salzburg wies diese Klage mit Urteil vom 29. März 1984, 10 Cg 143/80-72, ab; das Oberlandesgericht Linz gab der von der Betroffenen dagegen erhobenen Berufung mit Urteil vom 12. September 1984, 4 R 164/84-78, nicht Folge. Nachdem die Betroffene in der gegen das Berufungsurteil erhobenen Revision Nichtigkeit geltend gemacht hatte, weil sie zumindest seit 1978 von einer akuten Geisteskrankheit befallen sei, ließ der Oberste Gerichtshof die Geistesverfassung der Betroffenen bei Einleitung des Prozesses und deren weiteren Entwicklung überprüfen. Das gemäß § 6 a ZPO als Pflegschaftsgericht verständigte Bezirksgericht Innere Stadt Wien bestellte mit Beschluß vom 8. Oktober 1986, 8 SW 203/84-55, den Rechtsanwalt Dr. Hellmut P*** zum einstweiligen Sachwalter zwecks Vertretung der Betroffenen (u.a.) im Verfahren 10 Cg 143/80 des Landesgerichtes Salzburg. Dieser erklärte am 3. November 1988, daß er das bisherige Verfahren genehmige, weil der Anspruch in dem für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt des Verfahrensbeginnes nicht als aussichtlos habe bezeichnet werden können (10 Cg 143/80-107 des Landesgerichtes Salzburg). Mit Beschluß vom 7. März 1989, ON 98, genehmigte das Erstgericht - dem mittlerweile die Zuständigkeit zur Führung der Sachwalterschaftssache übertragen worden war - diese Erklärung des einstweiligen Sachwalters nicht. Zu prüfen sei, ob eine Prozeßermächtigung im Interesse der Betroffenen gelegen sei; dazu seien die Erfolgsaussichten im Rechtsstreit nach dem derzeitigen Verfahrensstand, dem bisherigen Prozeßverlauf und der im Rechtsstreit bereits ergangenen Entscheidungen zu beurteilen. Ohne die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vorwegzunehmen, sei jedenfalls davon auszugehen, daß ein weiterer Rechtsweg nicht mehr ohne Bedenken beschritten werden könne; die Erfolgsaussichten der Betroffenen müßten als gering betrachtet werden. Unter Bedachtnahme auf das Prozeßkostenrisiko - bisher seien Kosten von rund S 375.000,- aufgelaufen - könne keine nachträgliche Ermächtigung zur Prozeßführung erteilt werden.

Mit dem angefochtenen Beschluß gab das Gericht zweiter Instanz dem dagegen von der Betroffenen und dem einstweiligen Sachwalter Dr. Hellmut P*** erhobenen Rekurs nicht Folge. Bei der Beurteilung der Ermächtigung zur nachträglichen Genehmigung sei vom jetzigen Stand des Prozeßverfahrens und nicht vom Sachverhalt bei Einbringung der Klage auszugehen. Die Erfolgsaussichten der von der Betroffenen erhobenen Revision müßten im Hinblick darauf, daß der Oberste Gerichtshof an die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen gebunden sei, negativ beurteilt werden. Werde das Verfahren vom Obersten Gerichtshof für nichtig erklärt und die Klage zurückgewiesen, dann könnte die Betroffene neuerlich eine Klage einbringen, falls eine Überprüfung deren Zweckmäßigkeit ergeben sollte. Werde hingegen der Revision, wie zu erwarten sei, nicht Folge gegeben, dann müßte das zu einer beträchtlichen Kostenbelastung der Betroffenen führen. Die Rekurslegitimation der Betroffenen selbst sei zwar zu bejahen; ihr Hinweis darauf, daß sie nicht krank und handlungsunfähig sei, habe jedoch für die vorliegende Entscheidung keine Bedeutung. Gegen diesen Beschluß wendet sich der als "Beschwerde" bezeichnete außerordentliche Revisionsrekurs der Betroffenen.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Rechtsmittel ist unzulässig.

Liegt - wie hier - eine bestätigende Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz vor, dann kann diese nur wegen offenbarer Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder wegen Nichtigkeit angefochten werden (§ 16 Abs1 AußstrG). Mit ihren Ausführungen, die erkennbar auf eine Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne einer Genehmigung der Prozeßführung zu 10 Cg 143/80 des Landesgerichtes Salzburg abzielen, zeigt die Rechtsmittelwerberin jedoch keinen dieser Anfechtungsgründe auf.

Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung nur dann vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann, und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird; nicht jede unrichtige rechtliche Beurteilung begründet daher eine offenbare Gesetzwidrigkeit (SZ 49/76; EFSlg 52.757 u.v.a).

Aus dem Gesetz, nämlich aus § 154 Abs3 ABGB, der auch für die Rechte und Pflichten des (einstweiligen) Sachwalters gilt (§§ 228, 282 ABGB), ergibt sich nur, daß Vertretungshandlungen und Einwilligungen eines gesetzlichen Vertreters in Vermögensangelegenheiten zu ihrer Rechtswirksamkeit dann der Genehmigung des Gerichtes bedürfen, wenn die Vermögensangelegenheit nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört; unter dieser Voraussetzung gehören dazu insbesondere die Erhebung einer Klage sowie alle verfahrensrechtlichen Verfügungen, die den Verfahrensgegenstand an sich betreffen. Bei dieser Entscheidung ist auf das Wohl des Pflegebefohlenen, insbesondere auch der behinderten Person (vgl. § 281 ABGB), Bedacht zu nehmen. Ob im Einzelfall eine Prozeßführung im Interesse des Pflegebefohlenen liegt, ist - ebenso wie die Entscheidung, ob ein bestimmter Kaufvertrag den Interessen des Behinderten entspricht (vgl. EvBl. 1970/255) - eine Ermessensentscheidung; sie kann demnach schon begrifflich nicht offenbar gesetzwidrig sein (EFSlg 47.208, 52.776 u.v.a.), sofern sie nicht gegen Grundprinzipien des Rechtes verstößt oder willkürlich und mißbräuchlich ist (EFSlg 49.958, 52.777 u.v.a.). Davon kann aber hier keine Rede sein; die Vorinstanzen haben vielmehr ausdrücklich auf das Wohl der Betroffenen Bedacht genommen. Die Beurteilung, ob unter den konkreten Umständen eine bestimmte Maßnahme diesem Wohl entspricht, kann aber keinesfalls eine offenbare Gesetzwidrigkeit begründen (EFSlg 52.780). Auch eine Aktenwidrigkeit oder Nichtigkeit des Verfahrens ist nicht zu erkennen.

Da somit keiner der Anfechtungsgründe des § 16 AußStrG vorliegt, mußte der Revisionsrekurs als unzulässig zurückgewiesen werden.

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