Spruch:
Dem Rekurs des Klägers wird nicht Folge gegeben.
Der Beschluß des Berufungsgerichtes wird mit der Maßgabe bestätigt, daß er zu lauten hat:
"Die Änderung des Klagebegehrens dahin, daß die beklagte Partei schuldig erkannt werde, dem Kläger ab 1.9.1996 eine vorzeitige Alterspension gemäß § 253 d ASVG zu gewähren, wird nicht zugelassen.
Das Urteil des Erstgerichtes und das diesem vorangegangene Verfahren ab der in der Tagsatzung vom 1.10.1996 vorgenommenen Klageänderung werden als nichtig aufgehoben.
Die Sache wird zur Erledigung des Begehrens des Klägers auf Gewährung der Invaliditätspension an das Erstgericht zurückverwiesen."
Der Kläger hat die Kosten des Rekursverfahrens selbst zu tragen.
Text
Begründung
Der am 23.8.1941 geborene Kläger war seit 1978 als Raumpfleger beschäftigt. Am 12.5.1995 langte bei der beklagten Partei der Antrag des Klägers auf Gewährung der Invaliditätspension ein. Auf der ersten Seite des vom Kläger hiezu verwendeten Formblattes sind verschiedene Arten von Pensionsleistungen vorgedruckt, wobei in einem der betreffenden Leistung vorangesetzten Kästchen die Leistung, auf die sich der Antrag bezieht, anzukreuzen ist. Das Formblatt hat im beschriebenen Teil nachstehenden Inhalt:
"Antrag auf Zuerkennung einer
o Alterspension wegen Vollendung des 65, bei Frauen des 60. Lebensjahres
o Vorzeitigen Alterspension bei Arbeitslosigkeit...
o Vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer ...
o Invaliditätspension wegen Invalidität
o Invaliditätspension an eine versicherte Frau nach dem Tod des Ehegatten....".
Im Antrag des Klägers war der Punkt "Invaliditätspension wegen Invalidität" angekreuzt.
Mit Bescheid vom 19.7.1995 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, daß Invalidität nicht vorliege.
Gegen diesen Bescheid richtete sich die am 28.7.1995 beim Erstgericht eingelangte Klage mit dem Begehren, die beklagte Partei zur Gewährung der Invaliditätspension ab 1.6.1995 zu verpflichten.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.
Nachdem das Erstgericht die Erstattung ärztlicher Gutachten aus verschiedenen Fachgebieten veranlaßt hatte, erklärte der Kläger in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 1.10.1996, das Klagebegehren dahin zu ändern, daß er die Gewährung einer vorzeitigen Alterspension gemäß § 253 (offenbar lit d) ASVG ab 1.9.1996 beantrage.
Die beklagte Partei sprach sich gegen die Zulassung der Klageänderung aus. Da es sich um eine Änderung des Klagegrundes handle, wäre eine Zustimmung von seiten der beklagten Partei erforderlich; diese Zustimmung werde jedoch nicht erteilt.
Das Erstgericht sprach mit Beschluß vom 1.10.1996 aus, daß die Umstellung des Klagebegehrens vom Begehren auf Invaliditätspension auf das Begehren auf vorzeitige Alterspension nach § 253 ASVG ab 1.9.1996 bewilligt werde, erkannte mit Urteil vom selben Tag das Begehren des Klägers auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension gemäß § 253 d ASVG ab dem 1.9.1996 als dem Grunde nach zu Recht bestehend an und verpflichtete die beklagte Partei zur Erbringung einer vorläufigen Zahlung von 7.500 S ab 1.9.1996. Die Klageänderung sei zulässig. Wohl hätten die neuen Bestimmungen des Strukturanpassungsgesetzes für die Zeit ab 1.9.1996 neue Voraussetzungen für die Gewährung der vorzeitigen Alterspension normiert, doch seien auf den vorliegenden Fall noch die früher in Kraft gestandenen Bestimmungen anzuwenden, weil das Verfahren bereits vor dem 1.9.1996 anstalts- bzw gerichtsanhängig gewesen sei. Die Voraussetzungen für die Gewährung der vorzeitigen Alterspension nach § 253 d ASVG (aF) seien erfüllt, weil der Kläger das 55.Lebensjahr vollendet habe und nach den maßgeblichen Feststellungen nicht mehr in der Lage sei, die Tätigkeit, die er während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag ausgeübt habe, weiter zu verrichten.
Das Berufungsgericht gab dem gegen die Zulassung der Klageänderung gerichteten Rekurs der beklagten Partei sowie ihrer gegen das erstgerichtliche Urteil gerichteten Berufung Folge, hob den angefochtenen Beschluß sowie das erstgerichtliche Urteil und das diesem vorangegangene Verfahren ab der in der Tagsatzung vom 1.10.1996 erfolgten Klageänderung als nichtig auf und wies das auf eine vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit ab 1.9.1996 gerichtete Klagebegehren zurück. Das geänderte Klagebegehren beruhe auf einem neuen Anspruchsgrund, der nicht Gegenstand des vor dem Versicherungsträger durchgeführten Verwaltungsverfahrens gewesen sei und über das mit dem angefochtenen Bescheid nicht erkannt worden sei. Da dieser Anspruchsgrund auch nicht Gegenstand des vom Kläger bei der beklagten Partei gestellten Antrages gewesen sei, seien auch die Voraussetzungen für eine Säumnisklage nicht erfüllt. Der Verhandlung und Entscheidung über das geänderte Begehren sei daher das Prozeßhindernis der Unzulässigkeit des Rechtsweges entgegengestanden.
Gegen diesen Beschluß richtet sich das als Revision und Rekurs bezeichnete Rechtsmittel der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß seinem Begehren auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit ab 1.9.1996 stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat sich am Rechtsmittelverfahren vor dem Obersten Gerichtshof nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Vorausgeschickt sei, daß das Berufungsgericht kein Urteil gefällt, sondern lediglich mit Beschluß eine Formalentscheidung getroffen hat. Im letzten Absatz des Spruches wurde wohl ausgesprochen, daß die Klage auf Gewährung einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit ab 1.9.1996 zurückgewiesen werde. Inhaltlich wurde damit, wie sich aus der Begründung unzweifelhaft ergibt, die vom Kläger vorgenommene Klageänderung zurückgewiesen, weil das Berufungsgericht nach den Ausführungen der Begründung die Voraussetzungen der Zulässigkeit des Rechtsweges zwar für das ursprüngliche, nicht aber für das geänderte Begehren für gegeben erachtete. Im weiteren wurden das über das geänderte Begehren geführte Verfahren sowie das hierüber gefällte Urteil für nichtig erklärt. Da eine Sachentscheidung nicht gefällt wurde, besteht für das Rechtsmittel der Revision kein Raum. Gegenstand der Rechtsmittelausführungen des Klägers ist auch ausschließlich ein Rekurs gegen die oben dargestellten Formalentscheidungen des Berufungsgerichtes.
Die in Bekämpfung der Begründung des berufungsgerichtlichen Beschlusses vorgetragenen Ausführungen überzeugen nicht. Die Bestimmung des § 253 d ASVG wurde in ihrer ursprünglichen Form durch die 51.ASVGNov BGBl 1993/335 geschaffen und galt seit 1.7.1993. Wenn auch die dort normierten Anspruchsvoraussetzungen im wesentlichen denjenigen entsprachen, die zuvor für den Sonderfall der Invalidität gemäß § 255 Abs 4 ASVG (aF) normiert waren, handelt es sich doch in der novellierten Fassung nicht mehr um eine Invaliditätspension im Sinne des § 254 ASVG, sondern um eine vorzeitige Alterspension gemäß § 253 ff ASVG, also um einen anderen Versicherungsfall (§ 222 Abs 1 Z 1 bzw Z 2 ASVG).
Eine Klageänderung ist nur zulässig, wenn damit nur eine quantitative Änderung aufgrund desselben Versicherungsfalles, der den Gegenstand des verwaltungsbehördlichen und des gerichtlichen Verfahrens bildete, bewirkt würde. Die Einbeziehung eines neuen Versicherungsfalles, der bislang nicht Gegenstand des vor dem Versicherungsträger durchgeführten Verfahrens bildete und über den mit Bescheid nicht erkannt wurde, ist unzulässig; es liegt Unzulässigkeit des Rechtsweges vor (Kuderna ASGG2 525); der Grundsatz der sukzessiven Kompetenz, daß Voraussetzungen für das gerichtliche Verfahren die vorherige Durchführung eines Verwaltungsverfahrens und das Vorliegen eines über den Leistungsanspruch des Versicherten absprechenden Bescheides des Versicherungsträgers ist, wäre verletzt. Nur in den Fällen der zulässigen Klageänderung (vgl § 86 ASGG) hindert das Fehlen einer Sachentscheidung des Versicherungsträgers über den mit der Klageänderung geltend gemachten Sachverhalt bzw das diesbezügliche Begehren dessen Berücksichtigung nicht (SSV-NF 7/127). Voraussetzung für die Führung eines sozialgerichtlichen Verfahrens über ein Begehren auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension wäre daher, daß der Versicherungsträger über einen diesbezüglichen Antrag des Klägers auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit bereits mit Bescheid entschieden oder den Bescheid nicht innerhalb von 6 Monaten ab Eingang des Antrages erlassen hätte (§ 67 Abs 1 ASGG). Die Entscheidung des Versicherungsträgers über einen Antrag auf Invaliditätspension kann aber keine Grundlage für die Führung eines gerichtlichen Verfahrens über ein Begehren auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension bilden, weil es sich dabei um einen anderen Versicherungsfall handelt (idS auch SSV-NF 9/31; 10 ObS 136/97s).
Unzutreffend ist die Behauptung des Klägers, er habe bei der beklagten Partei sowohl einen Antrag auf Invaliditätspension als auch einen solchen auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit gestellt. Aus dem eingangs dargestellten Inhalt des Antragsformblattes ergibt sich, daß Gegenstand des Antrages ausschließlich ein Antrag auf Invaliditätspension war. Wohl ist im Formblatt ein Antrag auf eine vorzeitige Alterspension gemäß § 253 d ASVG nicht vorgesehen. Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, daß ein Antrag auf Invaliditätspension auch einen Antrag auf diese, auf einen anderen Versicherungsfall gestützte Leistung umfasse; auch mit dem angefochtenen Bescheid wurde, im Hinblick auf den Inhalt des Antrages folgerichtig, nur über den Antrag auf Invaliditätspension abgesprochen.
Da sohin ein Begehren des Klägers auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit nicht Gegenstand des Verfahrens sein und über dieses Begehren daher nicht abgesprochen werden konnte, erübrigt es sich, auf die Ausführungen einzugehen, mit denen der Kläger die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung des § 253 d ASVG durch das Strukturanpassungsgesetz BGBl 1996/201 in Frage stellt; diese Bestimmung kann, wie dargestellt, weder in ihrer Fassung vor dieser Novelle noch in der Neufassung die Grundlage für die Beurteilung des Leistungsbegehrens des Klägers in diesem Verfahren bilden.
Da im Fall einer Klageänderung für das neue Begehren alle Prozeßvoraussetzungen gegeben sein müssen (Rechberger in Rechberger ZPO, Anm 5 zu § 235 ZPO), für das hier vom Kläger geänderte Begehren jedoch der Rechtsweg unzulässig war, ist daher das Berufungsgericht zum Ergebnis gelangt, daß die Voraussetzungen des § 235 ZPO nicht vorlagen. Dies hätte allerdings nicht zur Zurückweisung des geänderten Klagebegehrens, sondern zum Ausspruch führen müssen, daß die Klageänderung nicht zulässig sei. Wird eine Klageänderung nicht zugelassen, dann ist über das geänderte Begehren gar nicht mehr zu entscheiden (vgl Fasching ZPR2 Rz 1242), also auch nicht im Sinne einer Zurückweisung des Begehrens. Der Beschluß des Berufungsgerichtes war daher in seinem die Entscheidung über die Änderung der Klage betreffenden Teil mit der Maßgabe zu bestätigen, daß die Klageänderung nicht zugelassen wird. Da für das geänderte Klagebegehren, das vom Erstgericht unzutreffend zum Gegenstand seines Verfahrens und der Entscheidung gemacht wurde, der Rechtsweg unzulässig ist, liegt diesbezüglich der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 6 ZPO vor; das über das geänderte Begehren durchgeführte Verfahren und das hierüber gefällte Urteil waren dementsprechend aufzuheben.
Das Berufungsgericht hätte sich allerdings nicht auf die Aufhebung des Urteiles des Erstgerichtes beschränken dürfen, sondern es wäre über das ursprüngliche Klagebegehren eine Sachentscheidung zu treffen gewesen. Da es die Klageänderung für nicht zulässig erkannte und das geänderte Klagebegehren mangels Zulässigkeit des Rechtsweges zurückwies, blieb das ursprünglich erhobene Klagebegehren auf Gewährung der Invaliditätspension weiter alleiniger Gegenstand des Verfahrens und wäre daher sachlich zu erledigen gewesen. Eine Sachentscheidung über das noch aufrechte ursprüngliche Klagebegehren liegt bisher nicht vor; diese wird nachzutragen sein.
Da durch diese Entscheidung über die vom Berufungsgericht entschiedenen Formalfragen endgültig entschieden wurde, dieser Zwischenstreit daher abschließend erledigt ist, und die Kostenersatzpflicht nicht vom Ausgang der Hauptsache abhängig ist, liegen die Voraussetzungen für die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens bezüglich dieses Zwischenstreites vor. Gründe, die einen Kostenersatz aus Billigkeit rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Die Frage der Voraussetzungen für die Erhebung eines Begehrens auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit wurde vom Obersten Gerichtshof bereits entschieden (SSV-NF 9/31 ua), so daß rechtliche Schwierigkeiten, die die Grundlage für einen Kostenzuspruch im Sinne der Bestimmung des § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG bilden könnten, nicht vorlagen.
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